Jetlag Café: Geschichten für schlaflose Träumer und rastlose Reisende

  • Taschenbuch: 288 Seiten
    Verlag: Fischer Taschenbuch


    Kurzbeschreibung:
    Jetlag Café – dieses Buch gehört in jede Reisetasche, Hotelbar und Lounge Jetlag: Endlich in Hongkong angekommen, aber die innere Uhr tickt noch nach mitteleuropäischer Zeit. Der Kopf ist hyperaktiv und der Körper hundemüde. Was tun? Wir wissen Rat: Ab ins Jetlag Café! Dort trifft man Schlaflose mit Geschichten für verlorene Vielflieger: Internationale Autoren, Nachtwächter und Schatzsucher am Grund der letzten Bar geben Auskunft, wie sie die Geißel des Jetsets besiegen – hier wird Ihnen geholfen! Mit Beiträgen unter anderem von: Airen, Theresa Bäuerlein, María Cecilia Barbetta, Josh Bazell, Junot Díaz, Jonathan Safran Foer, Matt Groening, Carla Guelfenbein, Judith Hermann, Clemens Meyer, Rebecca Miller, Toshiki Okada, Richard Powers, Richard Price, Antje Rávic Strubel und Roger Willemsen.



    Mein Eindruck:


    Jetlag Cafe enthält eine Reihe von Texten rund um das genannte Thema. Ein Zustand, den jeder einmal erlebt hat und der niemanden behagen dürfte. Diese Anthologie hat mir wirklich Spaß gemacht, weil viele gute Autoren vertreten sind und das Niveau der Geschichten fast durchgängig sehr hoch ist.
    Es sind überwiegend Originalbeiträge, wenige Auszüge aus bereits veröffentlichten Texten, die aber nicht leicht zu bekommen sind. Umso verdienstvoller ist das Buch.


    Der amerikanische Kultautor Richard Price machte mit der Story „Auf der Lenkstange“ den Anfang.
    Es ist eigentlich ein Ausschnitt aus dem Roman Cash, der aber nicht verwendet wurde. Die Passage lässt sich jedoch eigenständig lesen.
    Es geht um 2 Polizisten, die Nachts einen Mann auf einem Fahrrad anhalten, der ein kleines Kind bei sich hat. Problem: Der Mann ist schwarz, das Kind weiß. Ist das Eingreifen berechtigt, schließlich geht es um die Sicherheit eins Kindes oder Rassismus?
    Richard Price gelingt es, den Leser an dem Konflikt teil zu nehmen und ermöglicht so den Zwiespalt nachzuempfinden.


    Die verkehrte Nacht ist eine Kurzgeschichte der chilenischen Erfolgsautorin Carla Guelfenbein. es geht um einen Mann, der in einem Cafe auf sein Date wartet. Das wird eine überraschende Begegnung. Die verkehrte Nacht ist sehr gelungen und gut lesbar.


    Jonathan Lethems „Der Brooklyn-Spinner“ beschreibt eine Begegnung an einer U-Bahn-Station. Es werden die Unterschiede zwischen Manhattan und Brooklyn diskutiert. Originell und witzig!


    Ein weiteres Highlight ist Teresa Bäuerleins Geschichte über ein Paar, das in Urlaub nach Mexiko fliegt. Der Jetlag wirkt sich unterschiedlich aus und führt zu einem entzweien des Paares, die ihre Schwierigkeiten aber schon von zu Hause mitgebracht haben.


    Auch in Judith Hermanns Story geht es um das Scheitern einer Beziehung. Der Erzählton ist ein wenig fas, aber immerhin genau.


    Rebecca Miller „Das strapaziöse Leben der Jean Riordan“ schildert Auswirkungen von Krankheit und religiösen Wahn in der Familie. Ein wenig bitter, aber emotional berührend. Dabei völlig ohne Pathos erzählt. Spontan habe ich nach dem Lesen dieser Geschichte einen Roman der Autorin bestellt.


    Schlaf der Dichter ist eine kurze Geschichte von nur 2 Seiten über den Konflikt zwischen Schlafbedürfnis und Inspiration. Nachvollziehbar. In seiner Einfachheit ist der Text so effektiv wie überzeugend.


    Dann folgt ein ungewöhnlicher Text von Allen Ginsberg, der nicht einfach nacherzählt werden kann und schon von 1949 stammt.


    Auch Josh Bazells Beitrag ist kurz und ökonomisch. Er besteht nur aus einem Dialog am Telefon und hat viel Wortwitz. Bemerkenswert! Da mir der Stil gefällt, habe ich gleich einen Roman des Autors bestellt.


    Der Text „Landschaften darf man nicht stehlen“ fällt aus dem Rahmen, denn eigentlich ist es ein Gespräch zwischen Werner Herzog und Errol Morris, der in einer Universität in Massachusetts stattfand. Es geht natürlich um Film und Literatur sowie dem Ursprung aus der Realität. Sehr interessant!


    Ebenso ungewöhnlich geht es weiter mit dem Isländer Sjön. Diese Geschichte lässt sich praktisch nicht beschreiben.


    Das gilt eigentlich auch für den Beitrag von Bernhard Strobel, der aus 5 skurrilen Kurztexten besteht.


    Jonathan Safran Foers Beitrag ist ein Auszug aus seinem Roman Extrem laut und unglaublich nah


    Nikola Richters Story beschreibt wirklich unmittelbar den Jetlag einer Erzählerin nach ihrer Ankunft in Uruguay. Nicht schlecht, aber auch nicht ganz so zwingend.


    Hans Jürgen Balmes ist Mentor der Herausgeber. Ob sein Beitrag sonst auch den Weg in dieses band gefunden hätte? Ich glaube nicht!


    Die darauf folgende längere Geschichte von Toshiki Okada gefällt mir wieder besser. Erzählerin ist eine Frau in Japan, deren Freund nach einem Aufenthalt in Europa zurückkehrt. Irgendwie sind diese schwierigen Beziehungskisten ein immer wieder auftauchendes Leitmotiv in dieser Anthologie.


    Dann wird es wieder ungewöhnlich mit Tom Waits The Heart of Saturday Night. Es beschreibt Waits zu einer Zeit, als er nicht ganz so berühmt war.


    Clemens Meyers Beitrag entstammt seinem Buch Gewalten.


    Lisa del Rossas Geschichte über ein Paar, das sich nach der Scheidung besser versteht als vorher, ist amüsant. Ich habe den Text gerne gelesen.


    Junot Diaz fügt wieder eine Beziehungsgeschichte hinzu, ganz im Stil seines berühmten Romans Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao. Es ist in zweiter Person erzählt. Ursprünglich erschienen im New Yorker, das ist ja auch schon ein Qualitätsbeweis.


    Matt Groening, Schöpfer der Simpsons und Futurama, hat den vielleicht witzigsten Text, der autobiographisch ist und sich ganz dem Lesen bei Tag und bei Nacht widmet. Jeder Buchbesessene wird sich darin wiederfinden.


    Bei Airens Text geht es um Drogen und Entzug. Eindrucksvoller als ich erwartet hätte.


    Charles Bukowskis Geschichte ist dann wieder humorvoller und ziemlich abgedreht, aber man bekommt, was man von diesem Autor erwartet.


    Die Geschichten von Henning Kober, Claudia Rusch, Maria Cecilia Barbetta, John Wray und Tino Hanekamp haben mir nicht so gefallen und ich will mich zu ihnen nicht weiter äußern.


    Richard Powers autobiographischer Text hat mir wieder sehr gut gefallen.


    Den Abschluß des Bandes macht Roger Willemsen mit seinem Essay über Schlaflosigkeit.


    Fazit: Eine der besseren Themen-Anthologien der letzten Jahre!

  • Danke für die ausführliche Vorstellung. Anhand der dürftigen Amazon-Beschreibung hätte ich das sicher nicht gekauft. Aber es klingt in dieser Rezension doch so interessant, daß ich es eben spontan bestellt habe. Ich werde von meinem Eindruck dann berichten.