Wiedersehen mit Nesthäkchen-Else Ury aus heutiger Sicht - Barbara Asper u.a.

  • Titel/Untertitel: Wiedersehen mit Nesthäkchen - Else Ury aus heutiger Sicht


    Autorinnen: Barbara Asper, Hannelore Kempin, Bettina Münchmeyer-Schöneberg




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    "Produktinformation:


    Broschiert: 160 Seiten
    Verlag: TEXTPUNKT Verlag; Auflage: 1., Aufl. (1. November 2007)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3938414464
    ISBN-13: 978-3938414460
    Größe und/oder Gewicht: 16,9 x 1,2 x 23,6 cm


    Inhaltsangabe:


    Else Ury: beliebte Jugendschriftstellerin der Wilhelminischen und Weimarer Zeit, Erfinderin von »Nesthäkchen«, einer der bekanntesten Romanfiguren ihrer Epoche. Von den Nazis als Jüdin schon 1935 mit Schreibverbot belegt und schließlich Anfang 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Diese oberflächliche Beschreibung wird der Schöpferin von 39 erfolgreichen Büchern nicht gerecht. Denn Else Ury ist nicht nur die Verfasserin bürgerlich-romantischer »Backfischliteratur«. In einer Zeit mangelnder oder gänzlich fehlender Bildungs- und Berufschancen für junge Frauen und der daraus folgenden finanziellen Abhängigkeit setzt sich Ury für eine selbst bestimmte Rolle der Frau in Gesellschaft, Beruf und Familie ein. Mit ihren in viele ihrer Bücher eingegangenen emanzipatorischen Vorstellungen und Forderungen reiht sie sich in die Gruppe der Streiterinnen für die Gleichberechtigung der Frau ihrer Zeit ein, ohne ihre Forderungen so offensiv und öffentlich zu verfechten wie zB Clara Zetkin. Das vorliegende Buch zeichnet ein aktuelles Bild der »Nesthäkchen«-Autorin Else Ury und befreit ihr literarisches Schaffen gleichzeitig von häufig politisch motivierten Fehlinterpretationen."


    Meine Meinung:


    Als Schulmädchen erhielt ich aus dem Bücherschatz der älteren, teilweise auch schon verstorbenen Familienmitglieder einige Bücher, darunter auch "Huschelchen", eines mit Kurzgeschichten von Else Ury. Ich habe diese unzählige Male gelesen und heute noch lebhaft in Erinnerung. Besonders faszinierten mich jene mit historischem Hintergund wie zB "Die kleine Heldin" (ein Mädchen schleicht sich zur Zeit der napoleonischen Besetzung an den französischen Soldaten vorbei zu den vor Berlin stehenden Russen und bot diesen - einen im Eifer des politischen Debattierens geäusserten Spruch eines erwachsenen männlichen Verwandten als bare Münze nehmend - den Inhalt dessen Weinkellers an, sofern sie sich nach Berlin begäben und die Franzosen vertrieben) oder die Geschichte eines armen Mädchens, das heimlich auf den Höfen sang, um seine alleinstehende kranke Mutter zu unterstützen, und dann mit seiner Schulklasse vor Wilhelm II. nebst erster Gattin singen musste, woraufhin es von letzterer eine Bühnenausbildung in Aussicht gestellt bekam.
    Später las ich dann auch einige Nesthäkchenbücher.
    Als Erwachsene erfuhr ich durch das Buch:
    "Nesthäkchen kommt ins KZ: Eine Annäherung an Else Ury (1877-1943)"
    von Marianne Brentzel,
    dass Else Ury als Jüdin in einem KZ zu Tode kam.
    Nachdem ich von diesem Buch sowie von der von Frau Brentzel überarbeiteten Neuauflage des alten Band 4 ("Nesthäkchen und der Weltkrieg") las, wollte ich Weiteres erfahren.
    Tatsächlich vermittelte mir die Lektüre interessante zusätzliche Informationen, aber ich muss mich der einen der derzeit 2 vorhandenen Amazonrezensionen leider insofern anschließen, dass auch mir einige Spitzen gegen andere Ury-Forscher unangenehm auffielen (wobei ich natürlich keinerlei Kompetenz zur Beurteilung der sachlichen Richtigkeit besitze) und ich auch die Aufzählung, wann welches Buch in welchem Land mit welchem Vornamen des Dienstmädchens veröffentlicht wurde, in dieser Ausführlichkeit nicht unbedingt benötigt hätte. Andere mag das aber natürlich mehr interessieren.
    Interessanter fand ich die Auflistung der Interpretationen der jeweiligen politischen Richtungen oder die Hinweise, wie fortschrittlich und überhaupt nicht altbezopft Frau Ury war und schrieb, wie sie sich für Gleichberechtigung der Frau auch und vor allem im Hinblick auf (Schul-)Ausbildung einsetzte und wer so alles zu ihrem Bekanntenkreis zählte bzw in ihren Büchern Erwähnung gefunden hat. Beispielsweise lässt sie eine Protagonistin sich hilfesuchend an die Frauenrechtlerin Auguste Schmidt wenden und später mit Lina Morgenstern, der Gründerin der Berliner Volksküchen, des Kinderschutzbundes und des deutschen Hausfrauenvereins, zusammenarbeiten, nach deren Vorbild in der väterlichen Fabrik schließlich eine besondere Kantine für die Arbeiter eingerichtet wird. Frau Morgenstern tritt in dem Buch sogar selbst auf und belehrt eine Mutter:
    "Wir haben kein Recht, ...unsere Kinder ... nur für uns selbst zu beanspruchen, ganz abgesehen davon, dass es einem jungen Menschen zur Erstarkung seines Charakters gut tut, für die Allgemeinheit zu arbeiten, über den engen eigenen Kreis hinaus sozial zu wirken!"
    Abschließend stellen die drei Autorinnen fest:
    "Else Ury und ihr Werk sind immer kritisiert worden:
    In den 20er Jahren, weil ihre Bücher zu dem verachteten Genre Mädchenliteratur gehörten.
    In der Nazizeit aus stark antisemitischen Gründen und weil ihrem Werk die nationalsozialistische Ideologie fehlte.
    In der DDR passten Urys Bücher nicht ins sozialistische Weltbild, in der Bundesrepublik galten sie als zu konservativ und präfaschistisch.
    In der jüdischen Forschung der Kinder- und Jugendbuchliteratur wird Else Ury bis auf die wenigen jüdischen Erzählungen gar nicht erwähnt.


    EDIT: Ich habe diesem Buch 8 von 10 möglichen Eulenpunkten gegeben.
    Unter "Biografie" finde ich es nicht passend, deshalb hier.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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