Ein Diktator zum Dessert
Franz-Olivier Giesbert
carl's books
ISBN: 3570585387
336 Seiten, 14,99 Euro
Über den Autor: Franz-Olivier Giesbert, 1949 in Wilmington (USA) geboren, lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Frankreich. Nach der Ausbildung zum Journalisten arbeitete er zunächst im Feuilleton von Paris-Normandie, bis er sich 1971 mit dem Nouvelle Observateur dem politischen Journalismus zuwandte. Ab 1998 war er Chefredakteur von Le Figaro, ab 2000 von Le Point. Außerdem moderiert er literarische Sendungen im Fernsehen. Seit 1977 schreibt er Romane und Biografien, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde und die in viele Weltsprachen übersetzt wurden.
Amazon-Kurzbeschreibung: Rose ist 105 Jahre alt, eine begnadete Köchin mit einem kleinen Restaurant in Marseille. Sie hat den Genozid an den Armeniern, die Schrecken der Nazizeit und die Auswüchse des Maoismus erlebt. Deshalb hat sie vor nichts und niemandem mehr Angst. Für den Fall, dass ihr jemand blöd kommt, trägt sie immer einen Colt in der Tasche. Sie lässt sich von Mamadou, ihrem jugendlichen Gehilfen im Restaurant, auf dem Motorrad durch Marseille kutschieren, hört Patti Smith, treibt sich im Internet auf Singlebörsen herum und denkt auch im biblischen Alter immer nur an das Eine. Und sie meint, dass sie nun alt genug ist, ihre Memoiren zu schreiben: Um das Leben zu feiern und die Weltgeschichte das Fürchten zu lehren.
Zitat: „Die Zukunft ist das Erbrochene der Vergangenheit“
Meine Meinung: Es fällt mir sehr schwer, mich mit diesem Buch auseinanderzusetzen. Wenn man die Kurzbeschreibung gelesen hat, erwartet man so etwas wie einen Schelmenroman, doch lässt sich „Ein Diktator zum Dessert“ nicht wirklich in eine Kategorie einordnen. Die Erzählerin Rose ist nun 105 Jahre alt und hat in ihrem Leben allerhand mitgemacht, wovon sie nun dem Leser berichtet. Erstaunlicherweise ist sie geistig so fit als wäre sie halb so alt und was ihre Lust auf Männer (und auch Frauen) betrifft, so wirkt sie noch viel jünger. Auch körperlich scheint sie nur wenig abgebaut zu haben, denn sie ist immer noch in der Lage, in der Küche ihres Restaurants zu stehen und für ihre Gäste zu kochen.
Die Lebensgeschichte von Rose ist sehr interessant und abwechslungsreich und gerade das, was sie als Glück bezeichnet, nämlich die immer gleiche Abfolge von Tagen, an denen nichts passiert, ist ihr nicht vergönnt. Rückblickend stellt sie fest, dass sie im falschen Jahrhundert geboren wurde, in dem Jahrhundert, in dem auch Hitler, Stalin und Mao lebten. Ihr Weg führt sie durch eine Epoche, die von Krieg und Genozid geprägt ist, sie lernt bedeutende Figuren der Geschichte kennen und bleibt sich letztlich doch selbst treu.
Zeitweise waren mir ihre „Bekanntschaften“ etwas zu dick aufgetragen, denn für eine ganz normale Frau im letzten Jahrhundert waren das einfach zu viele zu berühmte Personen, mit denen sie angeblich mehr oder weniger engen Kontakt hatte. Auch ihre Gedanken und ihr Verhalten scheinen mir oft ein wenig zu übertrieben und es wirkt auf mich, als habe der Autor sie unbedingt etwas pushen wollen. Dabei hätte es die Ich-Erzählerin gar nicht nötig gehabt, neben dem, was sie über ihr Leben so klug und teilweise wundervoll erzählt, auch noch das Verhalten einer pubertierenden 15jährigen an den Tag zu legen. Ihre Eskapaden in Singlebörsen im Internet, ihre Dates mit „blutjungen“ 70jährigen wären durchaus entbehrlich gewesen. Außerdem hat der Autor sie mit einer sehr männlich anmutenden (seiner?) Sexualität ausgestattet, die schon im Kindesalter beginnt und die sie auch im Alter von 105 Jahren fast immer nur an das Eine denken lässt. Trotzdem beherrscht die Figur Rose auch noch nach dem Ende des Romans meine Gedanken. Der Schreibstil ist sehr intensiv und an einigen Stellen wollte ich am liebsten die lebensklugen Zitate herausschreiben oder mir tief ins Gedächtnis einprägen, so sehr haben sie mich beeindruckt.
Mein Fazit: Dies ist ein Buch über dass ich noch sehr viel mehr schreiben könnte, so interessant ist es und so zwiespältig hat es mich zurück gelassen. Es fällt mir sehr schwer, ein Fazit zu ziehen, das diesem Roman gerecht wird. „Ein Diktator zum Dessert“ ist sehr lesenswert, auch wenn der Autor meiner Meinung nach ein wenig zu viel gewollt hat, seine Hauptfigur ein wenig zu üppig mit ungewöhnlichen Vorlieben ausgestattet hat. Dennoch hätte ich etwas verpasst, wenn ich Rose nicht hätte kennenlernen dürfen…