Helmut Schmidt - Was ich noch sagen wollte

  • Titel: Was ich noch sagen wollte
    Autor: Helmut Schmidt
    Verlag: C.H. Beck
    Erschienen: März 2015
    Seitenzahl: 239
    ISBN-10: 340667612X
    ISBN-13: 978-3406676123
    Preis: 18.95 EUR


    In diesem Buch geht Helmut Schmidt der Frage nach, warum er so geworden ist – wie er ist. In seiner Vorrede betont Helmut Schmidt, dass es sich bei diesem Buch nicht um ein autobiographisches Buch handeln würde.
    Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Frage nach den Vorbildern: Brauchen wir Vorbilder und wenn ja, welche Personen eignen sich als Vorbild.
    Helmut Schmidt macht anhand seiner eigenen Entwicklung die Wechselwirkungen deutlich.


    Natürlich erzählt Helmut Schmidt auch seinem Leben. Aber eben immer in Verbindung mit seinen philosophischen Erkenntnissen. So hat ihn Beispiels Marc Aurels „Selbstbetrachtungen“ nachhaltig geprägt.


    Ist dieses nun ein wichtiges Buch, ein Buch das neue Erkenntnisse vermittelt. Wohl eher nicht. Helmut Schmidt schreibt dieses Buch vielmehr in einem freundlichen Plauderton, vermeidet allzusehr in die Tiefe zu gehen. Vielleicht ist das aber auch seinem hohen Alter geschuldet. So erfährt man nichts, was bisher nicht schon bekannt war.


    Es ist wohl auch mehr ein Rückblick auf das eigene Leben, auf die Weggefährten und auf die Ereignisse an denen er aktiv mehr oder weniger teilgenommen hat. Eine Bestandsaufnahme des Lebens, jetzt an seinem Lebensabend. Helmut Schmidt nennt die Menschen, die ihn begleitet haben; mit einigen war er befreundet, andere wiederum respektierte er lediglich. Und es mag die Altersmilde gewesen sein, dass sein Urteil zumeist eher gelassen freundlich ausfiel.


    Ein lesenswertes, ein interessantes Buch – wer aber neue Erkenntnisse erwartet würde oder wer ggf. seine voyeuristische Neigung befriedigen möchte, der sollte dieses Buch nicht lesen. Es wäre wohl für diesen Personenkreis nur eine Enttäuschung.


    7 Eulenpunkte für fast so etwas wie ein politisches Vermächtnis.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Inhaltsbeschreibung (aus dem Buch selbst zitiert)


    Politik ist pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken, hat Helmut Schmidt einmal gesagt. Weil er stets pragmatisch handelte, hat man ihm früh das Etikett des "Machers" angeheftet. Dass seiner Politik aber immer ein strenges sittliches Koordinatensystem zugrunde lag, ahnten die wenigsten. Und die Bezugsgrößen in Schmidts ethischer Grundorientierung sind unverrückbar geblieben. Die frühe Lektüre von Mark Aurel und Cicero, die Beschäftigung mit Kant und Weber, die Vertiefung in die Philosophie Karl Poppers sind entscheidende Wegmarken in der Entwicklung eines Politikers, der den Wählern nie nach dem Mund redete. Ob Schmidt berichtet, wie sich ihm in Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Sadat die gemeinsamen Wurzeln von Judentum, Christentum und Islam erschlossen oder wie in den Begegnungen mit Deng Xiaoping das System des Konfuzianismus bestätigt wurde: Im Mittelpunkt steht stets die persönliche Faszination. Im einleitenden Kapitel "Frühe Prägungen" schreibt Schmidt über seine Schulzeit, über acht Jahre als Soldat – und über seine Frau Loki.


    Zum Autor


    Helmut Schmidt, Jahrgang 1918, gestorben 2015, war der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik. Und doch weit mehr als das: nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleamt wurde er Mitherausgeber der ZEIT, er war Autor und bis zu seinem Tod eine gefragte Stimme in politischen Debatten. Der Mann, der wohl als Einziger in Deutschland nach wie vor überall rauchte, hat sich mit "Was ich noch sagen wollte" ein besonderes Thema herausgesucht: Vorbilder.


    Meine Meinung


    Ich selbst bin zu jung, um Helmut Schmidt als Kanzler erlebt zu haben - bei meiner Geburt war bereits sein Nachfolger Helmut Kohl im Amt. Dennoch stieß ich fast zeitgleich mit meinem Beginn für Politik und Geschichte auf Helmut Schmidt - und zwar im Politikunterricht. Ein Vergleich vergangener und heutiger Bundestags- und Wahlkampfdebatten. Anschauungsmaterial für die alte Zeit: eine Diskussionsrunde u. a. mit Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauß. Und gleich die erste bewusste Begegnung mit Schmidt hat mir klar gemacht, was es mit "Schmidt Schnauz" auf sich hatte. Von da an habe ich seine Auftritte und Veröffentlichungen verfolgt. Nachdem ich vor einigen Jahren "Außer Dienst" gelesen habe, habe ich mir nun "Was ich noch sagen wollte" vorgenommen.



    Schmidt erzählt in diesem Buch von Menschen, die ihn geprägt haben. Von politischen Zeitgenossen, die ihn beeindruckt haben und von denen er enttäuscht war. Von den Menschen, die ihn in seiner Jugend beeinflusst haben. Von seiner Loki. Von den Philosophen und Künstlern, deren Lektüre ihn nach eigener Aussage geformt hat. Wer also nach dem Titel mit einer Art "Lebensbeichte" des Altkanzlers, wird möglicherweise enttäuscht sein. Schmidt stellt allgemein die Frage nach Vorbildern: Brauchen wir sie? Wie sollen sie sein, wonach suchen wir sie uns aus? Und wer taugt überhaupt zum Vorbild? Schmidt schöpft aus seiner enormen politischen und menschlichen Erfahrung, erinnert an Weggefährten wie Herbert Wehner ebenso wie an die beeindruckenden Begegnungen in der Außenpolitk - beispielhaft soll hier der ehemalige ägyptische Präsident Sadat genannt werden.



    Helmut Schmidt grast in diesem relativ kurzen Buch viele Bereiche ab: Kunst, Philosophie, Politk, aber auch seine Zeit als Soldat. Vermeintlich große Themen wie der "Deutsche Herbst" oder das Koalitionsende 1982 werden eher kurz angerissen. Dennoch entsteht durch das Buch ein interessantes und vielschichtiges Bild des Autors. Und darüber hinaus regt es an, selbst einmal über die eigenen Vorbilder nachzudenken. Wer prägt uns, zu wem schauen wir auf, wen nehmen wir uns als Vorbild? Nach dem Tod von Helmut Schmidt vor wenigen Wochen fand sich in vielen Nachrufen ein einhelliger Ton: da ist Deutschland eine Stimme verloren gegangen, eine weise Stimme. Da ist einer gegangen, der ein Unikat war, einen Politkertypus, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Macht das Schmidt selbst zum Vorbild? Darüber kann man sicher trefflich streiten.


    Stilistisch überzeugt das Buch durch eine runde, angenehm zu lesende Sprache. Wer schon einmal ein Buch von Helmut Schmidt gelesen hat, weiß, dass er schon inhaltlich einen aufmerksamen Leser fordert - so auch hier.



    Fazit


    "Was ich noch sagen wollte" ist keine Lebensbeichte - und will es auch nicht sein. Stattdessen legt uns Helmut Schmidt ein Buch vor, in dem er Rückschau hält - weniger auf sich selbst als auf die Menschen um ihn herum, die ihn in welcher Form auch immer geprägt haben. So selten Schmidt hier von sich selbst spricht, so sehr ergänzt das Buch doch das Bild des Menschen und Politikers Schmidt. Unabhängig davon, dass einige Abschnitte geschönt wirken mögen - Schmidts Umgang mit seiner Vergangenheit in der Wehrmacht war nicht selten der Gegenstand hitziger Debatten - kann ich das Buch für interessierte Leser empfehlen.



    Ich vergebe 7,5 von 10 Eulenpunkten

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)