The Redemption of Alexander Seaton – Shona MacLean

  • Erschienen 2008



    Alexander Seaton, Held und Ich-Erzähler der Geschichte, lebt 1626 in einer Kleinstadt weit im Nordosten Schottlands, in Banff. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen, hat es aber geschafft, ein Stipendium für das Theologiestudium in Aberdeen zu bekommen. Dort lernt er einen jungen Adligen kennen, die Freundschaft ist der Beginn seines Aufstiegs. Alexander hat alles, was es in seiner Zeit braucht, um Pfarrer zu werden, Anstand, Ehre, Menschenliebe, die rechte Glaubensüberzeugung. Bis er stolpert. Das führt nicht nur seinem Ausschluß vom Amt eines Pfarrers, sondern auch zu Selbstverachtung und Glaubenszweifeln. Er ist ein Sünder, auch in seinen Augen.


    Untergekommen ist er als Hilfslehrer an der örtlichen Lateinschule, die Abende verbringt er im Pub, bei den Trinkern des Orts.
    Als er eines Nachts auf dem Heimweg jemanden auf der Straße liegen sieht, läßt er ihn voll Selbstverachtung einfach liegen. Seltsamerweise wird der Mann am nächsten Morgen im Schulzimmer gefunden, tot. Er ist einer der wenigen Freunde Alexanders, wie sich herausstellt, starb er an Gift. Kurz darauf sitzt ein anderer Freund im örtlichen Gefängnis, unter Mordverdacht. Alexander muß sich entscheiden, ob er seinem Freund hilft oder noch weitere Vergehen gegen die Gesetze von Gott, der Kirche und der Moral auf sich lädt.


    MacLeans Geschichte ist Krimi und historischer Roman in einem. Der Begriff ‚Erlösung‘ des Titels gibt auch das Hauptthema vor, es geht um Schuld und Sühne, mit der dazugehörigen Erlösung oder Verdammung. Die Atmosphäre der Zeit ist wunderbar wiedergegeben, die reformierte Glaubensüberzeugung, moralische Vorstellungen, die Angst vor Abweichlertum und vor katholischer Unterwanderung. MacLean hält sich an den Ton der Zeit, Glaube wird nicht diskutiert, er gibt das Denken vor.
    Alexander ist kein moderner Mann, er hält sich wirklich für einen Sünder und Verworfenen, Gott oder Satan sind für niemanden in der Gemeinden ein bloßes Wort, sondern Wesen, die das Leben von Menschen beeinflussen. Der Alltag in Banff ist höchst lebendig gezeichnet, die handelnden Personen sind lebensecht in ihren Vorlieben, Abneigungen, Überzeugungen. Seaton ist nicht die einzige düstere Gestalt, auch andere haben finstere Geheimnisse. MacLean benutzt das sowohl zu treffenden Charakterisierungen als auch, um Fährten für die Aufklärung des Mords zu legen, falsche und richtige. Fast bis zum Ende wird man bei der Beurteilung Einzelner getäuscht, Überraschungen gibt es bis zur letzten Seite.


    Die Schilderung der Landschaft an der Küste, stürmisch, karg, herb und oft abweisend ist genauso fesselnd wie die Schilderung der Handlung. Hochinterssante sind auch die Beschreibungen von Aberdeen in jenen Jahren, das Seaton auf seiner Suche nach dem Täter besucht.


    Etwas Geduld braucht man im Mittelteil, weil die Autorin außer der Theologie und den religiösen Verwicklungen des frühen 17. Jahrhunderts noch ein zweites Lieblingsthema hat, die damalige Malerei. Zwar spielt ein Gemälde eine wichtige Rolle bei der Aufklärung des Mords, die Ausführungen zur Malerei allgemein sind aber ein bißchen zu lang geraten.


    Der Roman gehört zu den seltenen Exemplaren der Gattung ‚historisch‘, die tatsächlich ein Gefühl davon vermitteln, wie unterschiedlich von unserem Denken man in anderen Zeiten gedacht hat, wie anders man lebte und wie sehr die Fragen an die Welt und die Menschen von dieser Unterschiedlichkeit geprägt wurden. Eine Verständigung über die Jahrhunderte etwa in Fragen der Moral wäre mit MacLeans Figuren nur schwer möglich. Es ist wirklich eine Leistung, die Andersartigkeit so überzeugend und spannend zu erzählen.
    Die Sprache ist durchsetzt mit schottischen Ausdrücken, am Ende gibt es ein Glossar.


    Übersetzt wurde der Roman nicht. Inzwischen ist er der erste einer Reihe, es gibt zur Zeit vier Bände mit Seaton als Ermittler.
    Auf die Autorin gestoßen bin ich durch diese anregende Rezension.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus