Lady Bag – Liza Cody

  • OT: Lady Bag 2013


    Lady Bag lebt in London auf der Straße. Sie ist Alkoholikerin, ihr Blick auf die Welt dementsprechend unscharf. Freunde hat sie nur, wenn sie eine volle Flasche hat. Behörden meidet sie. Die konnten sie ins Gefängnis sperren, sind aber nicht einmal fähig, ihren wahren Namen korrekt zu schreiben. Ansonsten gibt es noch jede Menge Pisser, die sie anbetteln muß und die dann noch die Unverschämtheit haben, ihr gute Ratschläge zu geben.


    Ihre einzige Freundin ist ihre Hündin Electra, ehemaliger Star von Hunderennen, die inzwischen in die Jahre gekommen ist wie Lady Bag und böse an Arthritis leidet. Electra ist die einzige, mit der Lady Bag ehrlich ist, im Gegenzug darf Electra ihr auch die Meinung sagen. Electra ist genauso wenig auf den Mund gefallen wie Lady Bag.
    Das Leben ändert sich schlagartig, als Lady Bag eines Tages die Stimme des Teufels hört. Er spricht nicht zu ihr, nicht einmal der Teufel achtet auf eine Pennerin, sondern zu einer anderen Frau. Lady Bag beschließt, dem Teufel ins Handwerk zu pfuschen. Sie hat ihre Gründe dafür. Allerdings muß sie dazu auf die Pfade des Teufels begeben und das hat üble Folgen.


    Lady Bags Kreuzzug gegen den Teufel ist ein äußerst spannender Krimi, eine scharfsichtige Beschreibung des Lebens von Betroffenen der Nitrifizierung und einer nach ökonomischen Regeln funktionierenden Klassenjustiz und zugleich die klassische Geschichte einer Frau, die sich einer falschen Liebe wegen ruiniert hat. Schrilles Großstadtleben, allgegenwärtige Gewalt, Träume vom Luxusleben und die Kosten sowohl von falschen Träumen wie vom Luxus, all das packt Cody in eine immer rasanter werdende Abfolge von Schrecken auf Lady Bags Pfad, der durchaus in der Hölle enden kann.


    Nicht nur die Ereignisse sind haarsträubend, auch die Art, in der Lady Bag erzählt, ist es. Ihre Sprache ist voll Slang, aber ihre Beschreibungen des Teufels und seines Wirkens sind alttestamentarisch geprägt und von entsprechender Wucht. Nichts davon wirkt lächerlich, im Gegenteil wird es immer unheimlicher, weil man sich der Bildhaftigkeit nur schwer entziehen kann. Biblisch sind der Zorn, das Leid, das Leiden, das vorgeführt wird, die Abgründe von Gier, Unrecht, schierer Verlassenheit, das Elend der Menschen.


    Es ist eine traurige Geschichte, mit wenig Hoffnung, zugleich überraschend warm, völlig unsentimental, mit Humor, aber kaum Komik. Es ist ein Roman über das moderne London, das die Protagonistin auf ihre ganz spezielle Art vorstellt.
    Raffiniert wird die Geschichte darüberhinaus, weil Lady Bag selbst berichtet und es der Autorin gelingt, bis zuletzt Zweifel zu streuen, ob es denn überhaupt stimmt, was ihre Heldin erzählt, ob sie lügt, alkoholgeschwängerten Fantasien nachhängt oder sogar als Folge ihres Straßenlebens den Verstand verloren hat.
    Mehr als ein zeitgenössischer Krimi, ist Lady Bag ein zeitgemäßer Krimi, in dem er tatsächliche Probleme überzeugend lebensecht darstellt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Gelesen habe ich die englische Ausgabe mit Electra auf dem Umschlag.
    Ihr Porträt sieht man in der deutschen Ausgabe irgendwo auf den Innenseiten.


    Im Original ist das Buch sprachlich eine Herausforderung, nicht nur, weil es Wortspiele gibt und Lady Bag Slang spricht, sondern auch weil ihre Sprache in ihren Räuschen ziemlich verschwimmt.
    Da muß man dann mitbuchstabieren. :lache


    Ich empfehle aber unbedingt das Original, weil die Ausdrucksweise wirklich einzigartig ist.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Das erinnert mich leicht an Schweres Geschütz (Bucket Nut) von Liza Cody, welches ich vor 20 Jahren gelesen habe.


    Das war auch sprachlich ungewöhnlich, nicht gerade konventionell und mit einer Profi-Catcherin als außergewöhnliche Hauptfigur. Das ist ja auch nicht gerade alltäglich.


    Zitat

    Die kantige Catcherin Eva Wylie ist die verkörperte Verneinung der Anna Lee: weder klug noch schön, weder angepasst noch beliebt. Ihre Sprache ist die der Gosse, spröde, ruppig, rotzig.


    Lady Bag werde ich vielleicht auch noch lesen!

  • Wenn Du Eva Wylie mochtest, wird Dir Lady Bag gefallen.
    Kennst Du alle drei Wylie-Romane? Den ersten mag ich am liebsten, aber die anderen sind auch sehr gut. Okay, der letzte schwächelt eine Spur.


    Ich habe es sehr bedauert, daß Cody eine Zeitlang keine Romane mehr geschrieben hat, sie ist eine der originellsten Autorinnen, ist nie diesem gleichförmigen Serienausstoß verfallen und hatte immer ein bißchen mehr zu sagen als bloßen Krimi.
    Inzwischen schreibt sie wieder, ich hoffe sehr, daß auch die Vorgängerromane seit 2011 übersetzt werden.
    Ich bin zur Zeit dabei, diese Lücke im Krimiregal aufzufüllen.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich habe gerade gesehen, daß alle drei Eva-Wylie-Krimis jetzt bei Ariadne erschienen sind, die letzten beiden erschienen dieses Jahr.


    Die Anna-Lees mag ich am liebsten, die Verfilmungen kenne ich nicht. Ich bezweifle, daß sie sich adäquat verfilmen lassen. Die Texte sind ziemlich stark.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus