Alexander Monro: Papier. Wie eine chinesische Erfindung die Welt revolutionierte

  • Alexander Monro: Papier. Wie eine chinesische Erfindung die Welt revolutionierte
    C. Bertelsmann Verlag 2015. 544 Seiten
    ISBN-13: 978-3570100103. 24,99€
    Originaltitel: The Paper Trail: An Unexpected History of a Revolutionary Invention
    Übersetzerin: Yvonne Badal


    Verlagstext
    Ob Bibel, Gemälde, Kaffeebecher, Toilettenpapier, Pamphlet oder Bestseller, sie alle wären ohne Papier nicht denkbar. Seit vor ungefähr 2000 Jahren im China der Han-Dynastie die Erfolgsstory des Papiers begann, wurde es zum herausragenden Übermittler für Wissen, Ideen und Information – billig, leicht zu transportieren, für jeden erreichbar. Doch geht diese einzigartige Geschichte der Verbreitung von Gedanken, Überzeugungen und Erkenntnissen mit der Digitalisierung zu Ende? Ist das Zeitalter des Papiers vorbei? Alexander Monro folgt den Spuren des Papiers von Asien nach Europa, wo es erst im 13. Jahrhundert ankommt und die Basis schafft für Aufklärung, Veränderung, Bildung. Milliarden Leser halten heute bedrucktes Papier in der Hand, und in vielen Regionen der Erde ist es immer noch das machtvollste Informationsmedium, trotz Radio, Fernsehen, und digitalen Medien.


    Der Autor
    Alexander Monro lebte in Beijing und Shanghai als Student und Journalist, studierte Mandarin und chinesische Politik in Cambridge, war Korrespondent bei Reuters und arbeitet als Chinaexperte bei einer Beratungsgesellschaft in London.


    Inhalt
    Als ich neulich von Plänen las, an Grundschulen keine Schreibschrift mehr zu lehren, fragte ich mich, wie Kinder ohne die Zusammenarbeit von Auge, Hand und Gehirn zukünftig ihre Muttersprache lernen sollen. Zurzeit kann ich mir noch nicht vorstellen, selbst nicht mehr zügig mit der Hand längere Texte zu Papier zu bringen. Das Zusammenwirken von Vorstellung, Sprache, Schrift und einem Material, auf das man schreibt, vermittelt Alexander Monro in seinem wunderbaren Buch "Papier". Wäre im 2. Jahrhundert n. Chr. In China nicht die Papierherstellung entwickelt worden, gäbe es heute keine chinesische und japanische Kalligraphie; denn eine getuschte Schrift erfordert eine Papieroberfläche, die Tusche im exakten Maß aufnehmen kann, ohne sich dabei zu stark vollzusaugen. Ohne Papier keine Geldscheine, keine Erlasse einer Verwaltungsbürokratie, keine Verbreitung von Religionen, Reformideen, privaten Briefen und keine demokratischen Wahlen.


    Ein historisches Sachbuch zum Thema Papier erschien mir zunächst ein sehr trockenes Thema zu sein. Alexander Munro belehrte mich jedoch zügig eines Besseren, indem er die Frage verfolgte, wem die Erfindung des Papiers nutzte und welche Motive die Menschen damals antrieben. Der Unterschied zwischen Wissen und Begreifen ist mir lange nicht mehr so deutlich geworden wie hier. Zum Beispiel wird hier sehr anschaulich vermittelt, wie Form und Größe eines Beschreibstoffes unmittelbar aus Bewegungsablauf und Körperhaltung eines Schreibers resultieren. Munro informiert weniger darüber, was die Menschen "hatten", sondern darüber, wie sich die Entwicklung einer Technologie gesellschaftlich und politisch auswirkte. So betont er, dass die Chinesen das Papier zwar erfanden, die Japaner jedoch die Technologie kultivierten und das Ergebnis wertschätzten.


    Monro erzählt aus dem China der Tang-Dynastie, über die Bedeutung des Korans als Buch in einer noch immer mündlich überlieferten Religion, aus Europa zur Zeit der Erfindung des Buchdrucks, über Papier und Druck als Voraussetzung von Reformbestrebungen, über die Verkündung der Pressefreiheit in Frankreich 1789 und von der Alphabetisierung aller Bevölkerungsschichten in Europa. Die Freiheit, Kritik zu üben, niederzuschreiben und zu verbreiten sieht Monro als bedeutendste Wirkung dieser Erfindung aus dem Alten China. Der Autor entwickelt die Geschichte des Buches von seinem Dasein als aufwendig von Hand gefertigtem und entsprechend kostspieligem Besitz bis hin zur maschinell hergestellten preiswerten Massenware, die jedem zugänglich war. Theoretisch hätte sich durch die Verfügbarkeit von Büchern für alle Bevölkerungsschichten das Lesen vom Vorlesen des Lehrers oder Haushaltsvorstands zum individuellen Lesen im stillen Kämmerlein entwickeln können - wenn die Kosten für Licht/Kerze und Heizmaterial dem bis ins 20. Jahrhundert nicht entgegengestanden hätten.


    Fazit
    "Papier. Wie eine chinesische Erfindung die Welt revolutionierte" ist ein ausgezeichnet recherchiertes, elegant formuliertes und gekonnt übersetztes Sachbuch. Nachdem mir kurz zuvor einige mittelmäßige Übersetzungen aus dem Englischen in die Hände gefallen sind, schätze ich hier besonders die treffende Übersetzung in gutes Deutsch. Einige Kleinigkeiten hätten aus einem ausgezeichneten Buch ein perfektes Buch gemacht: biografische Angaben zur Übersetzerin, ein Lesebändchen, um in den umfangreichen Quellenangaben zu schmökern, und der Druck der Abbildungen auf Hochglanzseiten.


    10 von 10 Punkten