Das Lob der Torheit - Erasmus von Rotterdam

  • Autor
    Desiderius Erasmus von Rotterdam (* um 1466 wahrscheinlich in Rotterdam; † 1536 in Basel) war einer der größten Gelehrten des Humanismus. Der Theologe und Philosoph kritisierte die Missstände in der Kirche und setzte sich für Reformen ein. Sein heute bekanntestes Werk ist die in lateinischer Sprache verfasste Satireschrift "Das Lob der Torheit", die bereits zu seinen Lebzeiten in viele Sprachen übersetzt wurde.


    Inhalt
    Stultitia, die personifizierte Torheit, tritt vor die Zuhörer, um ein Loblied auf sich selbst zu singen, da es ja sonst keiner tut.
    Sie beweist, dass es ohne sie keine Menschen gäbe. Denn wer würde freiwillig die Last von Ehe, Geburt und Familie auf sich nehmen ohne eine ordentlich Portion Torheit?
    Alles Schöne kommt von ihr und ihren Hofdamen Bequemlichkeit, Selbstgefälligkeit, Vergesslichkeit, Genusssucht, Schmeichelei usw.
    Ebenso ist der Weg zur Weisheit nur über die Torheit zu erreichen, denn Weisheit bedeutet Armut und Einsamkeit.


    Im folgenden nimmt sich die Torheit verschiedene Lebensbereiche und Berufsgruppen vor, um zu zeigen, was der Mensch ihr in ihren verschiedensten Ausprägungen alles verdankt und wo sie überall wirkt.


    Meinung
    Bis vor ein paar Tagen hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals einen Text von Erasmus von Rotterdam lesen würde. Doch Stefan Zweig hat mich in der Biografie "Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam" neugierig gemacht.
    Schließlich geht es hier nicht um eine staubtrockene, philosophische Abhandlung, sondern um eine Satireschrift, die auch nach 500 Jahren noch sehr amüsant zu lesen ist.


    Erasmus hält den Menschen den Spiegel vor, mal versteckt, ironisch, überspitzt oder brutal offen. Manches ist auch heute noch aktuell. Er nützt die Figur der Torheit, um doppeldeutig zu sprechen. Geschickt inszeniert er ein Blinde-Kuh-Spiel im Nebel von Zweideutigkeiten. Welche Kritik kann man denn ernst nehmen, wenn sie ausgerechnet von der Torheit vorgebracht wird? Manchmal zielte die Kritik unterschwellig ganz woanders hin, bzw. zeigte auf den Sprecher zurück.


    Im Mantel der Torheit übt Erasmus aber auch eindeutige, knallharte Kritik an den weltlichen und kirchlichen Würdenträger. Als heutiger Leser liest man hier eher darüber weg, schließlich weiß man zu genüge, wie wenig sie der christlicher Lehre nachfolgten. Wenn man aber die damalige Zeit berücksichtigt, muss man sich wundern, dass der Autor das überlebt hat und dass das Buch erst viele Jahre später von der Kirche auf den Index gesetzt wurde.


    Besonders genüsslich las ich das Ende. Hier geht er so weit, an Hand von Bibelstellen nachzuweisen, dass die Torheit wichtiger ist als die Weisheit. Wohl als Seitenhieb auf die Scholastik werden hier auf sehr kreative Weise Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, sinngemäß so absurd verbogen und neu zusammengesetzt, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt.


    Natürlich merkt man, dass Erasmus diese Lobrede an gebildete Menschen seiner Zeit richtete. Für heutige Leser sind die häufigen Bezüge zur griechischen Mythologie, zu Personen des klassischen Altertums oder des Mittelalters nicht immer nachzuvollziehen. Dennoch spürt man die Genialität dieses Textes heute noch.


    ASIN/ISBN: 3865393586