Matt Haig - Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben (Reasons to stay alive)

  • ungekürzte Lesung
    Barnaby Metschurat
    4:25 Stunden
    Hörprobe beim Verlag


    Zum Autor (vom Verlag)
    Matt Haig, geboren 1975 in Sheffield, hat bereits einige Romane und Kinderbücher veröffentlicht, die mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet und in über zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Er lebt in York und London. In Deutschland wurde er mit seinem Romanbestseller »Ich und die Menschen« bekannt.


    Zum Inhalt (vom Verlag)
    Als 24-Jähriger den Sommer mit der geliebten Freundin auf Ibiza zu verbringen, mag vielen wie ein Traum erscheinen – für Matt Haig wird diese Erfahrung zum lebensbedrohlichen Albtraum. Ausgerechnet auf der sonnigen Partyinsel reißt ihn eine schwere Depression völlig unerwartet aus dem Leben und bringt ihn wortwörtlich an den Rand des Abgrunds. Doch irgendetwas in ihm will weitermachen, will kämpfen. Nach und nach findet er Mittel und Wege, die Krankheit in den Griff zu bekommen, und trotz der wiederkehrenden düsteren Zeiten ein erfülltes Leben zu führen. In „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ erzählt Matt Haig die Geschichte seiner Erkrankung, vermittelt wichtige Fakten über die immer noch stigmatisierte Volkskrankheit und gibt wertvolle Tipps für harte Zeiten. Ein intensives, lehrreiches und – trotz des schweren Themas – humorvolles Hörbuch für Erkrankte, Betroffene, Angehörige und alle, die gerne besser verstehen möchten, was Depressionen mit uns machen.


    Meine Meinung
    "I wrote this book because the oldest cliches remain the truest. Time heals. The bottom of the valley never provides the clearest view. The tunnel does have light at the end of it, even if we haven't been able to see it . . . Words, just sometimes, really can set you free."


    »Ich habe dieses Buch geschrieben, weil letztendlich doch etwas dran ist an den uralten Klischees: Die Zeit heilt alle Wunden, und es gibt ein Licht am Ende des Tunnels, auch wenn wir es zunächst nicht sehen können. Und manchmal können Worte einen Menschen tatsächlich befreien.«


    In seinem neusten Buch wendet sich mit Matt Haig mit einem sehr persönlichen Thema an seine Leser: wie es ihm während seiner Depression erging, die ihn im Alter von 24 fast in den Selbstmord trieb. Es dauerte drei Jahre, bis er einen Weg aus der Depression fand. Mit der Hilfe seiner Familie und seiner Partnerin. Heute ist er froh, dass er sich damals nicht umbrachte und sowohl seiner Familie sehr dankbar als auch dafür, seinem Traumjob als Autor nachgehen zu dürfen.


    „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ ist eine Sammlung von Episoden, keine zusammenhängende Erzählung. Matt Haig stellte seinen Fans die Frage »Was sind eigentlich Eure Gründe, am Leben zu bleiben?“ und bekam zahlreiche völlig unterschiedliche Antworten darauf, von denen einige auch einen Platz in dem Buch fanden.


    Diese Antworten und Ratschläge, sowie seine eigenen Erfahrungen während und auf dem Weg aus der Depression wollte er mit seinen Lesern teilen und so entstand dieses Buch, dessen wichtigste Botschaft ist:


    Durchhalten, es wird besser.


    Denn auch wenn man mitten in der Depression das Gefühl habe, der Schmerz und die Finsternis würden ewig andauern, solle man fest daran glauben, dass wirklich Licht am Ende des Tunnels ist und auch, dass Freunde und Verwandte sich durchaus einfühlen können, auch wenn man sich so allein und unverstanden fühle. Es würde sich lohnen und das Leben könne lebenswert sein.


    All dies, ohne irgendwie belehrend zu erscheinen, oberflächlich oder übertrieben positiv, sondern einfühlsam und auch nie vergessend, wie empfindlich eine depressive Person sein kann, wie es sich die Hoffnungslosigkeit Tag für Tag anfühlt und wie anstrengend das Leben dann ist.


    Matt Haig gelingt es, sowohl die Erkrankten anzusprechen, als auch deren Angehörigen zu vermitteln, wie sich eine depressive Person fühlen kann, wie viele verschiedene Varianten es gibt. Wie es sich anfühlt, keine Worte für die eigenen Gefühle und Gedanken zu haben, wie es ist, wenn Außenstehende verständlichlos reagieren, nicht nur, weil Depressionen im Gegensatz zu einem gebrochenen Bein nicht sichtbar sind.


    Das vom Autor gelesen Hörbuch vermittelt die Botschaft(en) noch eindringlicher, ruhig, einfühlsam und teilweise sehr lakonisch oder humorvoll spricht er direkt mit seinen Zuhörern und jenen, die ihm auf seine Frage antworteten, »Was sind eigentlich Eure Gründe, am Leben zu bleiben?“.


    Fazit
    Ein sehr besonderes Buch, dem ich viele Leser und Zuhörer wünsche und das hoffentlich Betroffenen und deren Umfeld hilft, sowie mehr Verständnis für die so weit verbreitete Krankheit weckt. Matt Haig zeigt seinen eigenen und den Weg anderer aus einer Depression, mit perfekt dosierter Ernsthaftigkeit, lässt wie gewohnt auch eine ordentliche Portion Humor nicht fehlen.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

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  • „Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Krankheiten. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt einmal im Leben an Depression. […] Depression kann jeden treffen.“ (Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe)


    Depression ist kein Zustand, den Betroffene sich einreden, der diejenigen trifft, die zu schwach sind Etwas auszuhalten, die nicht arbeiten wollen oder die Menschen in ihrem Umfeld unter Druck setzen wollen – alle aufgezählten Punkte sind Vorurteile, die ich im Bezug zu Depressionen schon gehört habe. Depression ist eine Erkrankung, die jeden treffen kann. Einer von ihnen ist Matt Haig, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller.


    Fast jeder von uns ist bereits mit Depression in Kontakt gekommen. Und trotzdem und trotz all der Toleranz, die wir uns täglich auf die Stirn schreiben, wird nach wie vor hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen. Es besteht Scham, denn die angesprochene Toleranz ist eben doch nicht vorhanden und die Blicke, die an Depression erkrankten Menschen zugeworfen werden, sind schiefer als schief.


    „Da ist kein Licht am Ende des Tunnels, denn der Tunnel ist an beiden Enden zu, und du bist drin.“


    Auch ich bin sowohl im privaten, wie auch beruflichen Umfeld bereits mit Depression in Kontakt gekommen. Hätte ich im Vorfeld Haigs Roman gelesen, hätte ich noch viel mehr Verständnis aufbringen können. Haig klärt auf. Hilft zu verstehen. Denen, die eine Schnittstelle zu Erkrankten haben, aber auch denjenigen, die von der Krankheit betroffen sind, denn indem er von seinen eigenen Erfahrungen berichtet, gibt er Erkrankten Tipps und Hilfestellungen.


    Ich wähle das Wort „Erkrankte“ bewusst, denn man kann nicht oft genug erklären, dass es sich um eine Krankheit handelt. Und nicht um einen selbst herbeigeführten, selbst inszenierten Zustand. Es ist eine Erkrankung, die aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht. Einige von ihnen sind neurobiologischer Natur und damit wissenschaftlich belegbar. Depressionen können behandelt werden und sind heilbar. Wie lang und steinig der Weg zur Linderung ist, macht Matt Haig deutlich. Verständlich für jeden, auch diejenigen, die keine Vorkenntnisse haben oder immer noch zwischen ihren Vorurteilen festhängen.


    „Wenn es am schlimmsten ist, wünschst du dir verzweifelt irgendein Leiden, irgendwelche körperlichen Schmerzen, weil die Psyche unendlich ist und ihre Qualen genauso unendlich sein können.“


    Solltet ihr jemals so jemandem begegnen, reicht ihm „Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben“. Matt Haig verdeutlicht wie schwer es ist mit Depression zu leben, dagegen anzukämpfen und nicht den Ausweg im Suizid zu finden. Allein in Deutschland sind 90% derjenigen, die Suizid begehen, Menschen, die an Depressionen leiden (Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe). Eine unfassbare hohe Zahl. Wie schlecht muss es einem Menschen gehen, wenn der Tod die bessere Alternative ist, als das Leben? Matt Haig beschreibt es. Mit all seinen Gefühlen, seinen intimen Geständnissen, die den Leser mitten in sein Innerstes blicken lassen, hat er mich tief berührt. Ich habe mit ihm gelitten, habe mich an all diejenigen an Depression erkrankten erinnert, die mir bisher in meinem Leben begegnet sind und einige Tränen vergossen. Mitleid ist es aber nicht, was sie benötigen. Was sie brauchen ist Verständnis und Respekt. Nur so haben sie die Möglichkeit offen mit ihrer Erkrankung umzugehen und eine Behandlung durchzuführen.


    „Nach dem Regen kommt Sonnenschein. Und manchmal können Worte einen Menschen tatsächlich befreien.“


    Um genau diese Punkte kämpft Matt Haig in seinem Buch, das mehr ist, als ein biografischer Roman, mehr als ein Sachbuch, mehr als ein Erfahrungsbericht. Es ist ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann, weil es so sehr bewegt und ganz nebenbei fabelhaft geschrieben ist. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und hoffentlich bei vielen Lesern auch zum Umdenken. Ein Buch, das Mut macht für das eigene Leben zu kämpfen.