Traurige Freiheit – Friederike Gösweiner

  • Hannah ist Ende zwanzig, sie möchte Journalistin werden. Als freie Mitarbeiterin arbeitet sie schon jahrelang für Zeitungen, nur mit der Festanstellung hat nie geklappt. Jetzt bietet sich eine neue Chance: ein sechsmonatiges Volontariat mit der Aussicht auf mögliche Festeinstellung. Das Problem: Hannah lebt in Österreich, die Redaktion ist in Berlin. Zweites Problem: Hannah lebt mit Jakob zusammen und dieser hat als Kinderarzt im örtlichen Krankenhaus eine feste Stelle. Hannah möchte selbständig sein, aber die Entscheidung für Berlin wird zu einer Entscheidung gegen Jakob. Vorübergehend, denkt Hannah. Hofft, wünscht. Oder auch nicht. Wer weiß das so genau.


    Die Geschichte ist ein Debüt, ein Kurzroman von nicht einmal 150 Seiten. Gösweiner spürt Hannah nach, einer jungen Frau, die sicher ist, daß sie mit ihrem Leben anfangen kann, was sie möchte. Daß alles möglich ist, jederzeit, und die sich gründlich irrt. Als Leserin ist man dementsprechend nah an der Hauptfigur, allerdings so richtig nah kommt man ihr nicht. Ihre Empfindungen, ihr Schreck über das Abgelehntwerden, ihre Zukunftsängste, Orientierungsprobleme sind spürbar, aber wie abgedämpft, hinter einem Schleier. Daß sich Hannahs Ängste körperlich dann auch noch in Atemnot äußern, ist eine Metapher, die nicht zur Verstärkung des Charakters beiträgt.
    Schwach macht den Text auch, daß ein Gutteil der Handlung konkret in Berlin verortet wird und Zeilen geschunden werden mit Namen von Straßen, Plätzen und einschlägigen Cafés.


    Das Hin– und Herschwanken zwischen Wünschen und Scheitern, dem Anspruch und der Realität dagegen ist weit überzeugender geschildert. Was eine bei dieser Geschichte packt, ist die Beschreibung einer Befindlichkeit junger Menschen, die unentwegt danach haschen, eine bestimmte Vorstellung vom Leben real werden zu lassen, ohne sich nähere Gedanken über die Gegebenheiten zu machen. Das Leben als unentwegte Chance auf etwas, von dem sie bei genauerem Nachfragen selbst nicht wissen, ob das Etwas über den nächsten Tag hinausreicht.
    Bald schon entpuppen sich die Figuren als nicht im mindesten heutig, nicht einmal modern. Tatsächlich suchen sie Zusammengehörigkeit, Verläßlichkeit, Sicherheit in einem Maß, das man von Kindern erwartet. Vorstellungen von Verantwortung, sich Einlassen, etwas Geben, die Erwachsene entwickelt haben sollte, fehlen dementsprechend. Liebe wird prompt zur Falle, Selbständigkeit nur eine Form von Einsamkeit.


    Nicht ganz gelungener, aber wegen der streckenweise sehr realistischen Umsetzung und der gekonnt vorgetäuschten Leichtigkeit beim Erzählen empfehlenswerter Debütroman.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus