Versuch über den Pilznarren - Peter Handke

  • Gebundene Ausgabe: 217 Seiten
    Verlag: Suhrkamp


    Kurzbeschreibung:
    »Nichts von dem allen, weder der Pilzjäger als Held, noch als der Träumer vom vollkommenen Mord, noch als der Vorläufer eines anderen Ich-Bewußtseins, soll in dem Versuch über den Pilznarren erzählt werden. Oder, in Ansätzen, vielleicht doch? So oder so: Eine Geschichte wie die seinige, wie die sich ereignet hat, und wie ich sie, zeitweise aus nächster Nähe, miterlebt habe, ist jedenfalls noch keinmal aufgeschrieben worden.«


    Über den Autor:
    Peter Handke, geboren 1942 in Griffen (Kärnten), lebt in Chaville bei Paris.

    Mein Eindruck:
    Handke hat schon mehrere Versuche geschrieben. Versuch über die Müdigkeit, Versuch über den geglückten Tag, Versuch über die Jukebox, Versuch über den stillen Ort.
    Versuch über den Pilznarren von 2013 ist der fünfte und letzte.
    Ich war überrascht, dass es sich um eine Prosa-Erzählung handelte. Ich hatte mehr ein klassisches Essay erwartet.

    Während ich in Handkes umfangreichen Roman “Die morawische Nacht” tief drin war, musste ich mich in diesen Text erst hineinfinden.


    Handke erzählt von seinem Jugendfreund aus dem Heimatdorf, der schon als Kind Pilze sammelte und verkaufte, um sich das Taschengeld aufzubessern. Als Erwachsener hat er das Glück einen großen Pilz zu finden, das bei ihm ein Erweckungserlebnis auslöste. Er wird fasziniert zum fanatischen Pilzsucher und entdeckt dabei Natur und etwas in sich selbst. Doch er wird auch zum gefährdeten, die Pilzsuche wird zur Sucht. Das führt schließlich zur Trennung von Frau und Kind. Irgendwann gibt er sogar seinen Anwaltsberuf auf, in dem er so erfolgreich war und geht in die Wälder. Fortan gilt der Pilznarr als verschollen. Doch es wird ein Wiedersehen geben.


    Es ist die Geschichte einer Obsession. Es wird offenbar, dass der Pilznarr in seiner Ekstase Freiheit findet. Aber er gerät auch in einer innere Isolation. Seinesgleichen gibt es nicht, erkennt der Pilznarr.


    Ich merke schließlich doch, dass ich im Buch angekommen bin. Vor allen wächst meine Bewunderung für Handkes eigentümliche Erzählweise. Immer wieder gibt es bemerkenswerte Sätze.


    ASIN/ISBN: 3518423835

  • Aah!
    Du hast es gelesen. Cool.
    Und es ist mehr erzählend als die anderen? Wobei ich 'Jukebox' nicht kenne, das Thema reizt mich so gar nicht.
    Nicht mal von Handke. :wow
    Dabei finde ich seine Art, die Welt in Wort zu übersetzen, unwiderstehlich. :gruebel


    Faszinierend finde ich übrigens Deine Betitelung der morawischen Nacht.
    Eine Verschreibung, die mitten ins Schwarze trifft.
    Handke ist ansteckend.
    :lache


    Danke für die Rezi!


    :anbet

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ja, klar. Muß ja auch sein.
    Aber es ist einer von denen, um die es schade ist. Weil er so wunderbar auf das Buch und den ganzen Kontext - Streit um Handkes Position in der Serbienfrage - hinweist. Der 'Fehler' war richtig tiefsinnig.
    Zuweilen ist das Unbewußte in den Fingerspitzen nahezu genial.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Und es ist mehr erzählend als die anderen?


    So genau kann ich das nicht sagen, da ich die anderen nicht gelesen habe.
    Ich dachte nur "Versuch", da erwartet mich Essay. Aber im Prinzip könnte der Pilznarr auch eine Erzählung sein.

  • Danke für die Klärung.
    Das ist wirklich ein Unterschied zu 'Müdigkeit', 'Geglückter Tag' und 'Stiller Ort'. Die drei sind echte Essays mit einem ordentlichem Schuß philosophisch-denkerischem Spazieren.
    Nicht Mäandern, wohlgemerkt. Handke weiß exakt, was er tut.


    Ich brauche jedes Mal sehr lang für die Lektüre, aber diese Zeit ist mir auch wichtig. Sie verändert meinen Blick grundlegend, ohne daß ich genau bestimmen kann, wie. Am ehesten kann ich sagen, daß er schärfer wird. Oder meine ich 'genauer'?
    Hm.


    Handke bringt mich zum Denken via der Schönheit = Präzision der Sprache.
    Mehr kann ich nicht verlangen, oder?
    :-)


    Probier mal 'Geglückter Tag' bei Gelegenheit. 'Müdigkeit'ist seltsam schwebend, ich fand's schwer faßbar, obwohl es sehr sachlich-klar dagerkommt. Nicht im mindesten müde.
    Mein Liebling ist 'Stiller Ort', kein bißchen abschreckend.
    Andererseits ist 'Stille' rundum mein Thema.


    Jedenfalls stehen die 'Pilze' nun ganz oben auf der Anschaffungsliste. :help



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Probier mal 'Geglückter Tag' bei Gelegenheit. '


    Ja, das werde ich machen.
    Ich wollte auf jeden Fall weitere Versuche lesen und dieser bietet sich an.



    Edit: Der Versuch über den geglückten Tag ist inzwischen angekommen und
    ein kurzes reinlesen zeigt, dass dieser Versuch wirklich deutlichere Essay-Struktur als der Pilznarr hat.