Der letzte Sommer von Helen Simonson

  • Inhalt lt. Amazon:


    Im Sommer 1914 besucht der Medizinstudent Hugh seine geliebte Tante Agatha, deren Ehemann ein hoher Beamter in der Regierung ist. Er wird begleitet von seinem Cousin Daniel, der von einem Leben als Poet und englischer Gentleman träumt. Agatha besteht darauf, dass das Säbelrasseln auf dem Balkan unbeachtet verklingen wird und dass König, Kaiser und Zar wie immer in ihren Sommerurlaub gehen werden. Zudem ist sie mit weitaus Wichtigerem beschäftigt: Seit kurzem ist sie Mitglied des örtlichen Schulbeirates und befürwortet die Einstellung einer weiblichen Lehrkraft. Als Beatrice Nash mit einem Schrankkoffer und riesigen Bücherkisten in der Kleinstadt ankommt, ist schnell klar, dass sie deutlich freidenkender – und attraktiver – ist, als eine Lateinlehrerin es sein sollte. Beatrice, die kürzlich ihren Vater verloren hat, will vor allem in Ruhe gelassen werden. Ihre ganze Energie fließt in ihre Schriftstellerei und in das Entmutigen möglicher Heiratskandidaten. Nichts ist Beatrice wichtiger als ihre Unabhängigkeit. Doch Daniels Charme und Hughs scharfer Verstand wie auch sein nobler Charakter lassen sie in ihrer Haltung schwanken. Mit Ausbruch des Krieges findet der idyllische Sommer ein jähes Ende. Als die Bewohner von den ersten Soldaten Abschied nehmen müssen, ahnen alle, dass sich ihr Leben grundlegend ändern wird.



    Über die Autorin:


    Helen Simonson ist in East Sussex / England geboren und aufgewachsen. Nach dem Abschluss an der London School of Economics hat sie lange in der Werbung gearbeitet. Ihr erster Roman ›Mrs Alis unpassende Leidenschaft‹ stand auf der Longlist für den IMPAC Dublin Award, war New York Times-Bestseller und auf der Bestsellerliste der unabhängigen Buchhandlungen mehrere Wochen auf Platz 1. Der Roman wurde in über 20 Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in New York.



    Meine Meinung:


    Helen Simonson beginnt ihren neuen Roman „Der letzte Sommer“ im kleinen englischen Städtchen Rye im Jahre 1914 in eher beschaulichem Tempo. Die Schule benötigt einen neuen Lateinlehrer und hat die junge Beatrice Nash als vielversprechende Kandidatin zum Vorstellungsgespräch geladen. Miss Nash sucht nach dem Tod ihres Vaters dringend nach einer adäquaten Anstellung, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die angesehenen Damen der Gemeinde begutachten die alleinstehende junge Frau mit Argusaugen und misstrauen sowohl ihren Fähigkeiten als auch ihrem Anstand. Aber in Agatha Kent findet sie eine angesehene Fürsprecherin und auch deren Neffen Hugh und Daniel sind maßgeblich daran beteiligt, dass sie den Job bekommt. Dann bricht der erste Weltkrieg aus und bald erreichen die ersten unheilvollen Anzeichen auch Rye und seine Bewohner.


    Helen Simonson wählt ihre Worte mit Bedacht, beschreibt die Gefühle der Protagonisten anschaulich aber unaufdringlich. Man darf sich als Leser ein eigenes Bild machen, wird vorsichtig und mit Ruhe an die Figuren herangeführt. Dabei geht sie mit den Charakteren sehr liebevoll um, gibt allen nicht nur Stärken sondern auch kleine und große Schwächen. Sie zeichnet das glaubwürdige Bild einer kleinen abgeschlossenen Gemeinschaft, die noch an veralteten Moralvorstellungen und einem verkrusteten Frauenbild krankt, in der Nationalpatriotismus groß geschrieben wird und Veränderungen von vielen abgelehnt werden. Aber letztendlich ist auch der Krieg ein Katalysator für den Beginn einer Neuen Zeit.


    Ich habe ein paar Seiten gebraucht, um mich an den teilweise etwas verschnörkelten anspruchsvollen Erzählstil zu gewöhnen. Die Art der Beschreibungen und Dialoge sind aber sehr passend für die damalige Zeit und spiegeln die Denkweise der Menschen hervorragend wieder. Man spürt den Hauch des „Guten Alten England“ förmlich auf jeder Seite und ich fühlte mich mehr als einmal an Filmungen von Jane Austen erinnert. Von Abschnitt zu Abschnitt wurde ich mehr gefangen genommen von dieser wunderschönen Geschichte, die einfühlsam und klug erzählt ist und die im letzten Drittel so spannend und dramatisch wird, wie ich es nie vermutet hätte. Am Ende war ich aufgewühlt und erschüttert über die Geschehnisse, musste tatsächlich mehrmals mit Tränen der Rührung kämpfen. Ich habe mich in die Protagonisten verliebt und mit Ihnen Sorgen und Nöte geteilt. Die wunderbare Beatrice Nash, der leidenschaftliche Daniel, der kluge Hugh, die zarte Celeste und die energische, und schon mal übers Ziel hinausschießende, Agatha sind mir alle sehr ans Herz gewachsen.


    Dieses Buch war wirklich ein Highlight. Ich betone nochmals, dass es nichts für eilige Gemüter ist. Man muss etwas Zeit und Geduld mitbringen aber dann wird man wirklich mit einem herausragenden Leseerlebnis und einer Geschichte belohnt, die so voller Liebe und Wärme ist, dass einem trotz all der Kriegsgräuel am Ende das Herz aufgeht.


    10 von 10 Punkten

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Hallo Findus, ich kann mich nicht genau erinnern. Ich schätze aber, ich habe das hier empfohlen.


    Hannah Woods


    Spielen beide zur gleichen Zeit. Ich gebe zu, ich LIEBE Bücher, die in der ersten Hälfte des 20.ten Jahrhunderts spielen. Ich habe nämlich schon wieder eines hier liegen (Jessica Brockmole - Ein französischer Sommer)


    Das von Hannah Woods und das hier von Helen Simonson kann ich beide nur wärmstens empfehlen. Wobei Simonson noch anspruchsvoller und gesellschaftskritischer schreibt. Und das erste spielt vorwiegend in Amerika und das zweite in England. Aber beide haben von mir volle Punktzahl gekriegt.


    Das von Hannah Woods könnte ich Dir auch mal leihen. Müsste es demnächst von meiner Mama zurückkriegen. :-)

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)