'Das Bildnis des Dorian Gray' - Kapitel 16 - 20

  • ha ich hatte Rest, es ist Opium.... ansonste passiert hier nun mit Dorian was er verdient, sein Gewissen meldet sich.. recht so.


    EDIT:
    ich bin durch, ein phantastisches Buch...herrlich zu lesen, hat mir (bis auf das bescheuerte 11. Kapitel) hervoragend gefallen


    Dorian tut schlußendlich das einzig richtige, wenn auch aus falschen Beweggründen und richtet sich auf die Weise mehr oder minder aus Versehen selbst.
    Recht so.... schäbiger alter SAck. :lache

  • Ich bin nun auch durch. :-] Was ich ganz interessant fand, ist, dass das Bild und sein Aussehen sein Leben verdorben haben, dieses junge Aussehen ihm jedoch trotzdem das Leben rettet (Ich meine das Kapitel mit Sybils Bruder) . So und nun ein großes Lob für dieses wirklich geniale Ende :anbet

    Insgesamt ein sehr gutes Buch!

  • Ich bin nun auch durch und denke ich werde es demnächst nochmal (ungkürzt) auf Deutsch lesen,ich habe das Gefühl mir ist einiges entgangen,besonders was Lord Henrys Auslassungen betrifft. :-(


    Wenn das in dem Döschen Opium war,wieso hat er es dann zurückgestellt und hat sich zu einer "Opiumhöhle" fahren lassen?


    Auch dieses Buch von Lord Henry,das ihn so beeindruckt/beeinflußt hat gibt mir noch Rätsel auf.


    Ein Zitat von Lord Henry muß ich noch bringen,der Typ ist zwar extrem unsympathisch,aber ich liebe seinen Zynismus.


    "I should fancy,however,that murder is a terrible mistake.One should never do anything that one cannot talk about after dinner" :lache


    Mir hat das Buch gutgefallen und ich freue mich auf ein reread in deutsch.

  • Sooo nun bin ich endlich wieder da und kann auch was zum letzten Teil schreiben :-]


    Was mir in hier aufgefallen ist (habe mir unterwegs kapitelweise Notizen gemacht, damit ich nix vergesse, deshalb die Einteilung ;-)):


    Kapitel 17:
    Lord Henry warnt seine Cousine vor Dorian, also vor dem was ER selbst "erschaffen" hat - wie absurd! Was er mit anderen macht ist also ok und wenn es die eigene Familie angeht, dann nicht, das sagt doch schon alles...


    Kapitel 18:
    Ab hier ging dann auch das letzte bisschen Sympathie, das ich noch irgendwo für Dorian hatte, flöten. Solange er nicht wusste, wer der Tote ist, tut er total besorgt (aber wohl mehr um sich als um den Toten), und als er dann merkt, wer getötet wurde, weint er sogar vor Freude. Ekelhaft!


    Kapitel 19:
    Hier dachte ich zuerst für einen Moment lang, dass Dorian vielleicht doch zur Besinnung gekommen ist, doch schnell wird klar, dass es nur Selbstmitleid ist.
    Lord Henry beneidet Dorian auch nach den ganzen vergangenen Jahren noch um dessen Jugend. Nach all den Toten und dem Schmerz, der unschuldigen Menschen zugefügt wurde, hat sich nichts verändert. Vielleicht meinte er ja sogar auch sich selbst und nicht nur Dorian, als er sagte: "Menschen ändern sich nicht". Aber eigentlich WILL Lord Henry ja auch gar nicht, dass sich Dorian ändert, schließlich wäre dann sein Experiment der Manipulation eines Menschen misslungen und er hätte auch keinen "Jünger" mehr, der ihm blindlings folgt. Mir blieb hier nur Verachtung übrig (auch hier: toll, wie Wilde es schafft, solch starke Emotionen beim Leser zu wecken!).


    Kapitel 20:
    Mit der Zerstörung des Bildes hebt sich der "Zauber" auf, der unselige Wunsch wird rückgängig gemacht und Dorian zerstört sich mit dem Bild selbst bzw. das, was er wirklich war. Ein konsequent gedachtes und perfektes Ende!!! :anbet :anbet :anbet



    FAZIT:
    Oscar Wilde schafft eine beeindruckende Atmosphäre, mit seinen Figuren, fast schon Karikaturen, regt er den Leser zum Nachdenken an und spielt geschickt mit seinen Emotionen. Ein tolles Buch!

  • Ich kann Milla mit ihren Anmerkungen nur recht geben, so habe ich es auch empfunden.


    Es wurde ja noch richtig spannend, als auf einmal die Alte in der Spelunke "Märchenprinz" zu ihm sagt. (S. 214) Aber woher wusste sie das? Entweder hab ich einen Hinweis überlesen oder es wurde nicht klar gesagt.


    Interessant fand ich das Ggespräch zwischen der Herzogin und Henry (S. 220f), aber mit der Bemerkung "Sie sagen, Tartuffe sei nach England ausgewandert und habe da einen Laden aufgemacht" kann ich nichts anfangen. Henry windet sich aus jeder Definition, die ihn beschreibt "definieren heißt beschränken".


    S. 249 "Ein neues Leben! Das war, es was er brauchte" Der leichte Anflug von Wandel war reine Heuchelei, um seine Haut zu retten.


    Geniales Ende, überhaupt wurde es zum Schluß hin immer spannender.


    Zu den Personen:


    Basil: Ein guter Mensch, der den schlechten Einfluß Henrys auf Dorian ahnte, ihn aber nciht verhindern konnte. Schade um ihn, dass er in seiner Kunst so auf DG beschränkt war und dass er durch sein gutes Herz umgekommen ist.


    Henry: Sehr interessante Persönlichkeit, mich würde interessieren, wie er so geworden ist. Aber im wahren Leben wäre das kein Mensch, mit dem ich es lange aushalten würde, zu wechselhaft, zu wenig greifbar


    Dorian: Vom unverdorbenen Jüngling zum Mörder, Betrüger, Geächteten. Was für eine schwache Person, dass er so beeinflußbar war, schließlich mit dem gerechten Ende "bestraft"


    Fazit: Mir hat das Buch sehr gefallen, zu Recht ein Klassiker, denn so manche Themen hätten auch aus der heutigen Zeit stammen können, bzw. sind immer noch aktuell.

  • Zitat

    Original von geli73
    Es wurde ja noch richtig spannend, als auf einmal die Alte in der Spelunke "Märchenprinz" zu ihm sagt. (S. 214) Aber woher wusste sie das? Entweder hab ich einen Hinweis überlesen oder es wurde nicht klar gesagt.


    Woher sie den genauen Wortlaut hat, wird glaube ich nicht erwähnt. Ich kann mir nur vorstellen, dass sich dieser Spitzname herumgesprochen hat, und da sie anscheinend selbst eines von Dorians Opfern war (S. 204 Signet-Ausgabe: "Why, man, it's nigh on eighteen years since Prince Charming made me what I am.") könnte ihr der Spitzname bitter aufgestoßen sein *spekulier*.

  • Moin!


    Hatte leider keine Zeit, hier aktiv teilzunehmen, habe aber immer mal wieder reingeschmökert. Dorian Gray gehört auch zu meinen Lieblingsromanen, ein wirkliches Meisterwerk!


    Ich sach nur: Life imitates art :lache


    Kleine Info zu dem "Gelben Buch": Damit ist wohl "A Rebours" von Joris-Karl Huysmans (1848 - 1907) gemeint. Der Roman handelt von einem Pariser Mann, der sich gegen alles Bürgerliche auflehnt und sich vollkommen zurückzieht, um sich voll und ganz sinnlichen und ästhetischen Genüssen hinzugeben. Darüber wird er allerdings fast wahnsinnig.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Danke Wiebke, ich hatte schon gerätselt und gegoogelt, leider nicht erfolgreich :-(



    Da nich fuar!
    (muss ja einen Sinn haben, dass ich mich in meiner Magisterarbeit mit Dorian Gray rumgeschlagen habe, hüstel ...)

  • Zitat

    Original von Wiebke
    (muss ja einen Sinn haben, dass ich mich in meiner Magisterarbeit mit Dorian Gray rumgeschlagen habe, hüstel ...)


    :wow
    Erzähl doch mal (Fragestellung, Blickwinkel, Schlussfolgerung oder was sonst so Bestandteil einer Magisterarbeit ist, ich kenne mich da leider nicht so aus :-(), bitte, wenn du magst! :-)

  • Ok, Milla, halt dich fest :grin


    "Unsterblichkeit und ewige Jugend in der englischen Moderne: Eine vergleichende Darstellung von Bram Stokers 'Dracula', Oscar Wildes 'The Picture of Dorian Gray' und Virginia Woolfs 'Orlando'".


    Na ja, wie der Titel schon sagt, habe ich untersucht, inwiefern Unsterblichkeit bzw. ewige Jugend in den drei Werken eine Rolle spielt, zum Beispiel, wozu der jeweilige Autor sie einsetzt und was er damit bezwecken möchte.


    Für Stoker hat die Unsterblichkeit etwas Übernatürliches, das damit bezahlt werden muss, als Untoter, als Revenant auf der Welt herum zu geistern. Dracula kann nicht vom Diesseits ins Jenseits geraten (vielleicht erinnern sich einige, die das Buch gelesen haben, dass Dracula ohne fremde Hilfe kein fließendes Wasser überqueren kann --> ein Fluss also als Symbol zwischen Leben und Tod). Es ist ein christlicher Ansatz, Van Helsing und seine Gefährten sind eine Art moderne Kreuzritter, die das "Teuflische" zur Strecke bringen müssen. Im damals sehr prüden viktorianischen Zeitalter war der Roman ein echter Skandal, weil Stoker ganz eindeutige sexuelle Anspielungen benutzte, allerdings nur im übertragenen Sinne (denn natürlich war Sex in der Literatur absolut tabu): Der Vampir wird durch den Akt des Beißens "gezeugt", die Zähne rammen sich wie ein .. na ja, Ihr wisst schon :grin, in den Hals seines Opfers, der Vampir nimmt den roten Lebenssaft in sich auf und gibt ihn auch an sein Opfer weiter (also Blut als Samen).


    Ich merke gerade, dass das irgendwie kryptisch klingt. Also, wenn es hier wirklich jemanden interessiert, hier ein Auszug aus der Conclusio meiner Arbeit (alle anderen Eulen können das ja einfach ignorieren :grin)


    So bejaht Stoker das Bekenntnis zum christlichen Glauben. Durch die Bestätigung der göttlichen Ordnung als unerschütterlich, bietet er dem Menschen die Sicherheit und Festigung, die er in der Moderne zu verlieren droht. Dabei hat er durchaus kein negatives Bild von den innovativen Momenten der Moderne; deutlich stellt er die Vorteile der Wissenschaft und Forschung in seinem Roman heraus. Er glaubt aber nicht, daß das Ende des viktorianischen Zeitalters auch gleichzeitig das Ende aller bisherigen Wertordnungen bedeutet. Er verschreibt sich den höheren Prinzipien des Glaubens.
    Dracula, der durch seine widernatürliche Erscheinung die Ordnung stört, hat keinen Platz in Stokers "heiler Welt". Und am Ende fügt sich sogar der blutrünstige Vampir in die göttliche Ordnung, indem er von seiner diesseitigen, unnatürlichen Existenz in die jenseitige Ewigkeit übergeht.
    Im Vergleich dazu malt Wilde ein äußerst pessimistisches Zukunftsbild.
    In Wildes Paradebeispiel der Dekadenzliteratur tun die Hauptdarsteller nichts. Sie ästhetisieren ihr Nichtstun zur Kunstform und verfallen dabei in einen trägen, todesähnlichen Zustand. Damit schlägt die gesellschaftliche Verantwortung des einzelnen in einen rücksichtslosen individuellen Anarchismus um, in der sämtliche moralischen Konventionen und gesellschaftlichen Bindungen aufgelöst werden.
    Dorian Gray wird durch die Aufspaltung seines Körpers und seiner Seele zum Vorzeige-Individualisten, der seine Triebe rücksichtslos verfolgen kann, ohne dabei eine Ahndung von außen fürchten zu müssen. Wilde zeigt am Beispiel von Dorian die Diskrepanz zwischen Körper (Gesellschaft) und Seele (Einzelmensch). Darüber hinaus zeigt er aber auch die Konsequenzen, die sein hedonistisches Konzept für das Individuum nach sich zieht: nicht nur die Abspaltung von der Gesellschaft, sondern auch die Aufspaltung der eigenen Identität sowie deren Verlust. Somit wird der "Ausweg" neuer Hedonismus zum Irrweg. Letztendlich zerbricht das Individuum ebenso, wie die Gesellschaft in der post-viktorianischen Ära zusammenbricht. Dorian kann seine äußere Jugend und die damit verbundene Reinheit nicht halten, weil sie sich nicht mit seiner inneren Beschaffenheit vereinbaren läßt. Demnach ist eine Gesellschaft, die in ihren Wurzeln erkrankt ist, auf Dauer auch nach außen hin nicht lebensfähig. Ein ewiges Leben im Diesseits ist für Dorian nicht möglich; wie Wilde am Ende des Romans andeutet, wird er auch im Jenseits keine vita nuova finden.
    Virginia Woolfs Weltsicht dagegen ist positiv. Sie sieht den Menschen nicht als ein Geschöpf, das an eine bestimmte Ära und somit an ein bestimmtes Wertekonzept gebunden ist. In ihrem Roman Orlando stellt sie dem Menschen eine andere Form der Sicherheit in Aussicht, die Rückbesinnung auf den Menschen als Teil einer Tradition. Sie sieht den Menschen als ein Produkt seiner Geschichte; er ist tief in seiner Familie und deren Traditionen verankert. Der Mensch stellt sich als phylo- und ontogenetisches Geschöpf dar. Somit entwirft Virginia Woolf einen neuen Zeitbegriff; der Mensch ist nicht nur Produkt der Gesellschaft, in der er lebt, sondern auch Teil aller vorangegangener Gesellschaften, sowie ein Teil der zukünftigen Gesellschaft. Damit aber verliert der Tod, die biologische Eingrenzung des menschlichen Lebens, an Bedeutung. Der Mensch wird "unsterblich".



    Sodele, das war's. Ähem, ja, so war das damals mit meiner Magisterarbeit. Und dann habe ich angefangen, Bücher zu schreiben :lache

  • Uiiii, danke, Wiebke! :anbet


    Dracula habe ich bisher nie gelesen (steht aber natürlich auf meiner Wunschliste), habe die Story an sich (also die, die ich aus diversen Verfilmungen kenne) aber auch nie im Zusammenhang ewige Jugend gesehen :write Orlando sagt mir gar nix *schäm* Sollte sich aber vielleicht dann doch ändern :-]


    Deine Überlegungen sind auf jeden Fall hochinteressant. Mir stellt sich die Frage, ob Wilde demnach seinen Dorian Gray ganz explizit als subtile Kritik an der post-viktorianischen Gesellschaft oder als reine Provokation (siehe die diversen sexuellen Anspielungen) dieser erschaffen hat. :gruebel
    Und wie beurteilt Wilde letztendlich den Zusammenhang Individuum - Gesellschaft im Hinblick auf sein eigenes Leben, das ja von der Gesellschaft nicht wirklich akzeptiert wurde?


    Öhm, ich glaube, DAS klingt jetzt wirklich kryptisch. Hm. Ich denke da nochmal drüber nach ;-)

  • Ne kryptisch nicht... aber verdammt schlau... lach..... werde mir deine fragen auch mal stellen, mal sehen zu welchem Ergebnis ich komme, wobei ich momentan noch dazu tendiere: (zitat milla)

    oder als reine Provokation (siehe die diversen sexuellen Anspielungen) dieser erschaffen hat.


    :-]

  • Moin!


    Also, von "Orlando" gibt es eine wunderbare Verfilmung mit Tilda Swinton, die kann ich absolut empfehlen, wenn Du Dir erst einmal einen Einblick verschaffen willst. Das Buch ist nicht ganz unkompliziert (womit ich Dir jetzt nicht unterstellen will, dass das nix für Dich ist!). Virginia Woolf wendet dort sehr konsequent die Technik des sog. "Stream of Consciousness" an, das ist nicht ganz unanstrengend. Aber: Ein tolles Buch!


    Noch einmal zu Wilde:


    Zitat

    Mir stellt sich die Frage, ob Wilde demnach seinen Dorian Gray ganz explizit als subtile Kritik an der post-viktorianischen Gesellschaft oder als reine Provokation (siehe die diversen sexuellen Anspielungen) dieser erschaffen hat.
    Und wie beurteilt Wilde letztendlich den Zusammenhang Individuum - Gesellschaft im Hinblick auf sein eigenes Leben, das ja von der Gesellschaft nicht wirklich akzeptiert wurde?



    Ja, ähm ist ja schon eine Weile her, dass ich die Uni-Bank gedrückt habe, aber ich versuche es trotzdem mal (und beklaue mich dafür einfach hin und wieder bei meiner eigenen Arbeit) :grin


    Zum einen ist Dorian Gray ja ein sehr homoerotischer Roman - die Beziehungen von Basil, Dorian und Lord Henry sind eindeutig nicht nur rein freundschaftlicher Natur. Als Wilde am 25. Mai 1985 vor Gericht für "Sodomie" (so wurde Homosexualität früher auch genannt, sie galt als Verbrechen) zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, zogen die Kläger "Dorian Gray" als Beweismittel gegen den Autor heran.
    Tatsächlich hatte Wilde zuvor öfter zugegeben, dass in seinem Roman sehr viel von ihm selbst steckt. Diese Tatsache lässt erkennen, wie sehr er unter seinem "Doppelleben" als Homosexueller litt: Ebenso wie bei Dorian gab es den äußeren Oscar Wilde, der von der Gesellschaft anerkannt und gemocht wurde. Aber sein Inneres (bei Dorian das Bild), seine Gefühle für Männer musste er ebenso wie Dorian sein Porträt im "Hinterzimmer" verstecken. Allerdings besteht zwischen Dorian und Wilde ein wichtiger Unterschied: Während Dorian seine Gelüste ausleben kann, ohne dass jemand etwas merkt, war dies dem Autor nicht möglich.


    Wildes Roman Dorian Gray ist ausgesprochen pessimistisch. Es gibt keine Erlösung, es gibt kein ewiges Leben. Auf die eine oder andere Art sind alle zentralen Charaktere im Roman - nicht nur Dorian - unvollkommen, krank, oder zumindest merkwürdig (sündig). Die gesamte Welt des Westend scheint nicht in Ordnung: Lord Henry personifiziert das Böse, Basil Hallward ist der Schöpfer, der seine eigenen Schöpfungen nicht beherrscht, Sibyl Vane hat keine eigene Persönlichkeit, und als sie sich selbst entdeckt, ist sie nicht lebensfähig. James Vane verschreibt sein Leben der Rache. Von all diesen zentralen Figuren überlebt nur Lord Henry, der Verführer. Alle anderen Figuren sterben eines gewaltsamen Todes.
    Wildes Urteil über die (bessere) Gesellschaft seiner Zeit ist sehr hart. Die Trennung von inneren und äußeren Werten, die alleinige Betrachtung der Oberfläche, die Wahrung des Scheins zugunsten der gesellschaftlichen Stellung, hat Oscar Wilde zeit seines Lebens am eigenen Leibe erfahren. Und so hält auch Dorian an seiner jugendlichen Fassade fest, während er das Bild (das Symbol seiner zerstörten Seele) von der Gesellschaft fern hält. Ewige Jugend ist bei Oscar Wilde Sinnbild der Makellosigkeit, die die Gesellschaft dem einzelnen abverlangt. Allerdings hat die Gesellschaft verlernt, daß äußere Makellosigkeit nur ein Zeichen für innere, wahre Makellosigkeit sein sollte. So interessiert sich im Grunde niemand für Dorians Leben und seine Vergehen, solange der äußere Schein gewahrt bleibt. Damit macht Wilde aber deutlich, daß die ganze Gesellschaft krank und unvollkommen ist. Die alte (viktorianische) Gesellschaftsordnung ist überholt. Wilde geht aber noch weiter: Die offensichtlichen Parallelen zur biblischen Schöpfungsgeschichte und dem Sündenfall in Verbindung mit Dorian Grays Ende zeigen deutlichen Pessimismus auch in Bezug auf eine göttliche Ordnung. Weder die diesseitige noch die jenseitige Welt bietet Hoffnung und ewiges Leben.
    Oscar Wilde benutzt Dorian Grays ewige Jugend, um anschaulich und drastisch zu zeigen, daß eine Aufspaltung von äußerer und innerer Identität unwillkürlich in der Katastrophe endet.
    Damit erteilt Oscar Wilde dem neuen Hedonismus eine klare Absage - jedenfalls scheint es so. Dennoch kann man auch die Ansicht vertreten, daß dies nicht wirklich Oscar Wilde Intention war. Es ist schwer zu sagen, ob der Autor tatsächlich mit erhobenen Zeigefinger auf Dorian und dessen mißlungenes Leben-Kunst-Konzept deuten wollte. Betrachtet man das "Preface" des Romans, scheint dies nicht der Fall zu sein: "There is no such thing as a moral or immoral book."
    So hat Wilde sich Zeit seines Lebens zwischen Provoktion und Anpassung hin- und herbewegt, bis er schließlich im Jahre 1890 aufgrund der Langzeitfolgen seine Haftstrafe selbst ein jämmerliches Ende fand.

  • Zitat

    Original von Wiebke


    Zum einen ist Dorian Gray ja ein sehr homoerotischer Roman - die Beziehungen von Basil, Dorian und Lord Henry sind eindeutig nicht nur rein freundschaftlicher Natur. Als Wilde am 25. Mai 1985 vor Gericht für "Sodomie" (so wurde Homosexualität früher auch genannt, sie galt als Verbrechen) zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, zogen die Kläger "Dorian Gray" als Beweismittel gegen den Autor heran.
    Tatsächlich hatte Wilde zuvor öfter zugegeben, dass in seinem Roman sehr viel von ihm selbst steckt. Diese Tatsache lässt erkennen, wie sehr er unter seinem "Doppelleben" als Homosexueller litt: Ebenso wie bei Dorian gab es den äußeren Oscar Wilde, der von der Gesellschaft anerkannt und gemocht wurde. Aber sein Inneres (bei Dorian das Bild), seine Gefühle für Männer musste er ebenso wie Dorian sein Porträt im "Hinterzimmer" verstecken. Allerdings besteht zwischen Dorian und Wilde ein wichtiger Unterschied: Während Dorian seine Gelüste ausleben kann, ohne dass jemand etwas merkt, war dies dem Autor nicht möglich.


    Danke Wiebke, das ist wirklich eine sehr interessante Anschauung.



    Nur noch ein paar kurze Anmerkungen von mir zum Ende:


    S. 209 (Kapitel 16 Anfang): Über folgenden Satz bin ich gestolpert: "Die Seele vermittelst der Sinne und die Sinne vermittelst der Seele zu heilen." Müsste es nicht vermittelt heißen? Und wie schreibt Wilde das im Original?


    Es war damals wohl Mode immer mit frischen Blumen im Knopfloch herum zu laufen ;-)


    Zum Schreibstil sind mir vor allem die ultrakurzen Sätze z.B. auf S. 224 aufgefallen. Der totale Gegensatz zum Kapitel 11.


    Fazit: Mir hat das Buch nur mittelmäßig gefallen und es bekommt 3 Stars von 5.

  • Zitat

    Original von Patricia_k34


    S. 209 (Kapitel 16 Anfang): Über folgenden Satz bin ich gestolpert: "Die Seele vermittelst der Sinne und die Sinne vermittelst der Seele zu heilen." Müsste es nicht vermittelt heißen? Und wie schreibt Wilde das im Original?


    Nein, das ist schon richtig, auch wenn es für uns etwas altertümlich klingt. Aber "vermittelst" bedeutet hier so viel wie "mit Hilfe von" oder "mit dem Mittel von". Im Original heißt es: "To cure the soul by means of the senses, and the senses by means of the soul."

    Zitat


    Es war damals wohl Mode immer mit frischen Blumen im Knopfloch herum zu laufen ;-)


    Ja, Oscar Wilde hat sozusagen die Dandy-Mode erfunden :-)

  • Danke, Wiebke, für die Ausführungen.


    Ich fand das Buch klasse, auch, dass wir es in der Leserunde gelesen haben, so hat sich manches für mich noch aufgeklärt.


    Aber ich glaube, das hier ist ein Fall für den Thread "Eulenpatzer" :grin:


    Zitat

    Als Wilde am 25. Mai 1985 vor Gericht für "Sodomie" (so wurde Homosexualität früher auch genannt, sie galt als Verbrechen) zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, zogen die Kläger "Dorian Gray" als Beweismittel gegen den Autor heran.

    Sozusagen Post mortem??