Der Knacks - Roger Willemsen, Minileserunde

  • »In jedem Leben kommt der Augenblick, in dem die Zeit einen anderen Weg geht als man selbst. Man lässt die Mitwelt ziehen.« Roger Willemsen
    »Als mein Vater starb, war ich 15, sah aus wie Janis Joplin und war gerade in der Schule sitzengeblieben«, erinnert sich Roger Willemsen an den Urknacks seinen eigenen Lebens. »Der Knacks«, das ist der Moment, in dem das Leben die Richtung wechselt und nichts mehr ist wie zuvor. Aber mehr noch als die großen Brüche interessieren Willemsen die fast unmerklichen, namenlosen Veränderungen: die feinen Haarrisse in einer Beziehung, das Altern von Menschen, Städten, Kunstwerken, die Enttäuschung, der Verlust, die Niederlage – die unaufhaltsame Arbeit der Zeit. Mal autobiographisch erzählend, mal beobachtend und reflektierend schreibt Roger Willemsen sein vielleicht persönlichstes Buch.


    Hallo Mitleserinnen,
    zur besseren Übersicht wäre es schön, wenn wir bei unseren Posts in der Titelzeile das entsprechende Kapitel nennen könnten, da wir vermutlich nicht alle im gleichen Tempo lesen.
    Ich wünsche uns allen ein interessantes Leseerlebnis.



    .

  • Hallo liebe Mitlesenden :wave


    Ich habe gerade mal das erste Kapitel gelesen. Und ich muss sagen, ich tue mich schwer mit dem Buch. Ich finde es recht anstrengend.
    Wobei das nicht unbedingt an dem Buch liegt, sondern an mir und meiner momentanen Situation. Das Kapitel handelt ja viel vom Tod und vom Sterben und nachdem es erst von kurzem in meiner Familie einen Todesfall gegeben hat, mag ich gar nichts über dieses Thema lesen.
    Die Sprache und der Stil von Willemsen gefallen mir bis jetzt sehr gut. Für mich ist es ja der ersten Versuch mit diesem Autor. Ich finde er verwendet oft sehr schöne Bilder und Vergleiche, einige Sätze haben mir wirklich sehr gut gefallen.
    Zum Beispiel als er über die Krankenbesuche bei seinem Vater berichtet:
    "Sprache hatte ich kaum. Immer war ein Dritter im Raum, sein Tod, der redete mit oder ließ uns nicht einmal zu Wort kommen" (S. 16) Das finde ich wahnsinnig gut ausgedrückt.


    Ich muss mal schauen, wie ich mit dem Buch weiterhin zurecht kommen. Ich denke, ich werde es immer nur in kleinen Etappen lesen könne. Es ist kein Buch, was ich nach einem anstrengenden Arbeitstag am Abend zur Entspannung lesen kann. Und ich mag im Moment auch keine Bücher lesen die zu ernst und traurig sind.
    Also eventuell wird das Ganze bei mir eher ein Langzeitprojekt...

  • Rouge, ich glaube dieses Kapitel ist für jeden schwierig, der schon geliebte Menschen verloren hat. Ich bin da keine Ausnahme, obwohl ich das Buch nun zum zweiten Mal lese. Das erste Mal vor ein paar Jahren, wenige Monate nach solch einem Ereignis in meinem Leben. Nun das zweite Mal, wenige Monate nach Willemsens Tod, der mich (auch wenn das nun ein wenig exaltiert klingen mag) getroffen hat wie der Tod eines guten Freundes.
    Trotzdem finde ich auch eine merkwürdige Form von Trost in Willemsens Gedanken zum Knacks und seinen Folgen, eine Art Bestätigung meiner Überzeugung, dass der Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden" Sonderklasseschwachsinn ist. Solche Knackse heilen eben nie. Es wird nie besser, nur anders. Obwohl das Thema traurig und emotional ist, zeichnet Willemsen hier mit der Beschreibung des Craquelé ein wunderbares und sehr genau erfasstes Bild dessen, was ein solcher Knacks anrichtet.


    Zitat

    Ich denke, ich werde es immer nur in kleinen Etappen lesen könne. Es ist kein Buch, was ich nach einem anstrengenden Arbeitstag am Abend zur Entspannung lesen kann. Und ich mag im Moment auch keine Bücher lesen die zu ernst und traurig sind.


    Stimmt, es ist kein Buch, das man mal eben so leicht wegliest. Ist auch nicht sinnvoll, dafür steckt, meiner Meinung nach, zu viel an bemerkenswerten Gedanken drin. Aber ich kann dir aufgrund meiner ersten Lesung des Buches wenigstens versprechen, dass nicht jedes Kapitel einen emotional so mitnimmt. Das dürfte je nach der persönlichen Erfahrung der Leser zwar von Kapitel zu Kapitel wechseln, aber das Schlimmste haben wir mit dem ersten hier, so glaube ich, hinter uns.

  • Zitat

    Original von Rouge
    Hallo liebe Mitlesenden :wave


    Ich habe gerade mal das erste Kapitel gelesen. Und ich muss sagen, ich tue mich schwer mit dem Buch. Ich finde es recht anstrengend. ...


    Mir geht es genau andersherum. Ich bin vor dem Buch "gewarnt" worden und ich finde es sehr angenehm zu lesen. Weniger von der Thematik her, sondern ich meine eher die Sprache. Ich habe ein sperriges Buch erwartet.


    Mich hat der Gedanke nicht losgelassen, wie man zu dem wird, der man ist.


    "Ich war einmal." S. 7


    Auch das Eingangszitat von de Goyabeschäftigt mich.


    "Auch die Zeit ist ein Maler."


    Was Willemsen mit dem Knacks bezeichnet, empfinde ich in der Rückschau meines bisher gelebten Lebens eher als Formungen. Ein Knacks beschädigt die Oberfläche. Manche Lebensetappen hinterlassen Narben, manche hinterlassen wundervolle Zeichnungen auf der Seele.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Andromeda
    ...
    Trotzdem finde ich auch eine merkwürdige Form von Trost in Willemsens Gedanken zum Knacks und seinen Folgen, eine Art Bestätigung meiner Überzeugung, dass der Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden" Sonderklasseschwachsinn ist. Solche Knackse heilen eben nie. Es wird nie besser, nur anders. Obwohl das Thema traurig und emotional ist, zeichnet Willemsen hier mit der Beschreibung des Craquelé ein wunderbares und sehr genau erfasstes Bild dessen, was ein solcher Knacks anrichtet. ...


    Das empfinde ich ganz anders. Wenn ich mir Bilder von solchen Rissen in auf Gemäldeoberflächen anschaue, sind diese Risse eben nur an der Oberfläche und lassen ein Bild altern. Sie sind ein Zeichen des Alters, weniger der Verletzung für mich.
    Ich finde schon, dass "Zeit" Wunden heilen lassen kann. Vor allem durch andere Menschen, die seelische wunden verarzten. So habe ich das zumindest erlebt. Sicherlich ist man nicht mehr diesselbe wie vorher, aber bin ich nicht morgen schon wieder etwas anders als heute?
    Ich empfinde Leben als einen dynamischen Prozess, geformt von allen möglichen Stürmen des Lebens, aber auch den zarten Lüftchen, die die Haut streicheln.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich bin gleich auf der zweiten Seite dieses Kapitels hängen geblieben.


    "Der Tod als Mentor, als Seelsorger."


    Eines der Bücher, das mir am meisten Angst gemacht hat, war ein Buch, in dem der Protagonist nicht sterben konnte. Er konnte all dem Leid, das er erlebte, kein Ende bereiten, sondern musste weiterleben.
    Eine grauenhafte Vorstellung.
    Ich kann das sehr gut akzeptieren, dass es Situationen gibt, in denen Menschen nur noch den Tod als Ausweg erkennen können. Auch wenn diese Entscheidung für einen selbst kaum nachvollziehbar ist. Tod kann Erlösung sein und eine große Gnade.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich bin vor dem Buch "gewarnt" worden ...


    Warnungen vor Willemsen? :yikes :grin
    Wovor wurdest du denn gewarnt? Ich kann mir höchstens vorstellen, dass manche sich von der Sprachgewalt Willemsens erschlagen fühlen. Wenn man einen eher geradlinigen Stil bevorzugt oder gewohnt ist, mag er sperrig erscheinen.


    Zitat

    Das empfinde ich ganz anders. Wenn ich mir Bilder von solchen Rissen in auf Gemäldeoberflächen anschaue, sind diese Risse eben nur an der Oberfläche und lassen ein Bild altern. Sie sind ein Zeichen des Alters, weniger der Verletzung für mich. Ich finde schon, dass "Zeit" Wunden heilen lassen kann. Vor allem durch andere Menschen, die seelische wunden verarzten. So habe ich das zumindest erlebt. Sicherlich ist man nicht mehr diesselbe wie vorher, aber bin ich nicht morgen schon wieder etwas anders als heute? Ich empfinde Leben als einen dynamischen Prozess, geformt von allen möglichen Stürmen des Lebens, aber auch den zarten Lüftchen, die die Haut streicheln.


    Ja, dass bei Bildern die Risse an der Oberfläche bleiben schreibt auch Willemsen, führt es aber weiter. Ich habe es für mich so verstanden, dass der Knacks sozusagen die Eintrittsstelle für die vielen kleinen Risse ist. Und ich habe in meinem Leben einige Wunden erhalten, die nicht heilen mögen. Das sind vermutlich einfach unterschiedliche Erfahrungen, abhängig davon, was einem im Leben so zustößt.


    Zum Kinderleben:

    Zitat

    Ich kann das sehr gut akzeptieren, dass es Situationen gibt, in denen Menschen nur noch den Tod als Ausweg erkennen können. Auch wenn diese Entscheidung für einen selbst kaum nachvollziehbar ist. Tod kann Erlösung sein und eine große Gnade.


    Das unterschreibe ich so. Ich habe es auch selbst schon miterlebt. Was mir allerdings eine dieser nicht heilenwollenden Wunden zugefügt hat.


    Ich finde es erstaunlich, wie viele Erinnerungen Willemsen an seine Kindheit hat. Aber ich habe schon häufiger festgestellt, dass ich mich im Gegensatz zu anderen nur sehr bruchstückhaft an meine frühe Kindheit erinnere.


    Die Großmutter und ihre "eigene Ikonographie für ihren Gram" finde ich sehr interessant. Eigenartig, welche Ventile der Geist manchmal findet um Dinge zu verarbeiten. Ihre Essgewohnheiten finde ich auch interessant :grin. Dextropur esslöffelweise ...

  • Ich bin jetzt bis zum dritten Kapitel vorgedrungen und werde das Buch an dieser Stelle abbrechen.
    Bitte nicht böse sein.Es tut mir sehr leide, weil wir eh schon wo wenig Mitleser in dieser Minileserunde sind und ich das Buch wirklich sehr gerne mit Euch zusammen lesen wollte.
    Aber es geht leider für mich gar nicht. Von Seite zu Seite muss ich mich mehr zwingen weiterzulesen, ich empfinde es als sehr anstrengend. Oft muss ich Sätze zwei oder drei mal lesen um zu verstehen, was mir der Autor damit sagen möchte.
    Ich habe das Gefühl, Willemsen philosophiert und schwadroniert und redet in verschachtelten Sätzen, aber mir ist da einfach zu wenig Inhalt und Substanz dahinter. Er kann mich mit seinen komplizierten Sätzen nicht erreichen.
    Ich finde das Thema des Buches mit "dem Knacks" wirklich interessant. Aber nach dem ich die drei Kapitel gelesen habe, habe ich einfach keine Lust mehr weiterzulesen.


    Ich werde Eure Beiträge hier weiterhin verfolgen. Vielleicht bekomme ich dann doch noch einmal Lust auf das Buch.
    Aber im Moment empfinde ich es nur als sehr ermüdend und quälend. Und nachdem Lesen für mich immer noch ein Hobby zum Entspannen und Abschalten ist, kann ich mit dem Buch leider nicht weiter lesen.


    Ich wünsche Euch trotzdem weiterhin eine schöne Leserunde und angeregte Diskussionen. :wave

  • :gruebelGibt es auch heute noch in jeder Generation eine Phase, in der man sich intensiv mit Tod und speziell dem Selbstmord beschäftigt?
    In meiner Jugendzeit, die so ungefähr mit der Willemsens zusammenfällt, war das üblich. Liegt vielleicht auch an der Lektüre. Ich nehme an, dass die heutige Jugend sich nicht mehr mit Novalis, Hölderlin, Tucholsky, Rilke, Hesse und so weiter auseinandersetzt? Wir wurden damals stark beeinflusst von der schwärmerischen Sichtweise auf den Tod. War das gut oder schlecht? Ich weiß nicht so recht. Aber es half immerhin, den Tod als selbstverständlich zu betrachten.

  • Was formt uns und wovon lassen wir uns formen? Wie und wann erkennen wir, dass wir endlich sind, nicht nur endlich mit dem Endziel des Todes sondern endlich und beschränkt in unseren Möglichkeiten, in den Entscheidungen des Lebens?
    "Das Altern organisiert seine Angriffe im Schatten der Unvorhersehbarkeit, seine Macht ist die Ohnmacht seiner Opfer."
    Haben Knackse mehr Einfluss auf unser Leben als uns bewußt ist? Gut möglich. Nur bei den größeren, bedeutenderen Entscheidungen, die man trifft, wird man wohl überlegen, warum man sich so und nicht anders entscheiden möchte. Die vielen kleinen Entscheidungen, die sich täglich stellen - man trifft sie einfach, weil es nötig ist.

  • Zitat

    Original von Andromeda
    :gruebelGibt es auch heute noch in jeder Generation eine Phase, in der man sich intensiv mit Tod und speziell dem Selbstmord beschäftigt? ...


    Bei uns war das in der Schule und unter Freunden kein Thema.


    Zitat

    Original von Andromeda
    ...
    In meiner Jugendzeit, die so ungefähr mit der Willemsens zusammenfällt, war das üblich. Liegt vielleicht auch an der Lektüre. Ich nehme an, dass die heutige Jugend sich nicht mehr mit Novalis, Hölderlin, Tucholsky, Rilke, Hesse und so weiter auseinandersetzt? Wir wurden damals stark beeinflusst von der schwärmerischen Sichtweise auf den Tod. War das gut oder schlecht? Ich weiß nicht so recht. Aber es half immerhin, den Tod als selbstverständlich zu betrachten.


    Hesse habe ich mit einer Freundin verschlungen, heute weiß ich gar nicht, warum. :chen Sie hatte eine Gesamtausgabe.
    In der Schule haben wir den Werther gelesen, den fand ich schrecklich und habe das Buch nie beendet, glaube ich. Sonst war bei uns Okkultimsus ein großes Thema.


    Ich weiß auch noch den ersten Satz, den ich lesen konnte. "Oma malt lila Tapete".
    Ich habe geheult, weil doch keine Oma ihre Tapete bemalt... und bekam einne Eintrag ins Klassenbuch.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin


  • Das kann ich verstehen. Ich finde auch, dass er ziemlich springt.


    Mich hat vor allem in diesem Kapitel berührt, dass er sich ungeliebt gefühlt hat und seiner Mutter überlegen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich breche im 3. Kapitel auch ab. Das Buch langweilt mich und ich möchte mich mit langweiligen Büchern nicht mehr aufhalten.


    [SIZE=7]Edit tauscht Buchstaben[/SIZE]

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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