Willi Achten - Nichts bleibt

  • Ein alter Mann wird zusammengeschlagen und landet im Krankenhaus, sein Sohn macht sich auf, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen...


    Ein handelsüblicher Rachethriller... Nix besonderes... Alles schonmal da gewesen!


    Nun, in den Händen eines geringeren Autoren mag das stimmen, da hätten wir nach etwas Ermitteln und ein wenig Schießerei einen Showdown, und das wars dann.


    Allerdings sitzt hier nicht irgend ein selbsternannter Thrillerschreiberling an der Tastatur, sondern einer , der sich mit Fug und Recht als Schriftsteller bezeichnen kann.
    Jemand, der über dieser einfachen Akkordfolge -Tonika, Dominante, Subdominante.... usw eine ganze Symphonie schreibt!


    Eine gut erzählte Geschichte lebt von der Sprache, in welcher sie erzählt wird, sie hat einen Takt, einen Rhythmus - es ist das was uns als Leser fesselt und uns Seite um Seite umblättern lässt, nicht nur um der Handlung zu folgen, sondern der Melodie weiter lauschen zu können, gerade hier trennt sich sie Spreu vom Weizen, hier erweist es sich, wer sich wahrhaft Autor nennen darf - und diesen Titel hat sich Willi Achten hier wahrhaft verdient.
    Seine Prosa, sein Text ist tatsächlich eine in Worte gefasste Melodie, welche er immer wieder durch ein Stakkato an einfachen Hauptsätzen durchbricht, was unsere Aufmerksamkeit als leer um so mehr fesselt.


    Der Fokus liegt hier nicht auf der Rachegeschichte, er liegt auf der Person, welche die Handlung vorantreibt.
    Er ist ein ehemaliger Photograph, der vor allem in Krisengebieten all das in Bildern festhielt, was wir nie zu sehen hofften, er war derjenige, der uns all das zeigte, was wir nie sehen wollten, weil es die Nachrichten von der ferne direkt zu uns brachte. Er machte uns - mehr noch als ein geschriebener Bericht - zum Teil einer Welt, die wir seinetwegen nicht mehr ausblenden, nicht mehr ignorieren konnten.



    Oder war es doch die Sensation, das eine Bild, welches ihm sogar einen Preis einbrachte?....


    Er erzählt selber, wir erfahren alles, was er zu teilen bereit ist.
    Und genau das ist die Geschichte! Nicht die Rache für den verletzten Vater, es ist viel mehr als das, es ist die Geschichte eines Lebens. Eines durchaus erfolgreichen Lebens, und dennoch eines Lebens, welches seine Spuren hinterlassen hat, ein Leben, das einen Preis gekostet hat.


    Willi Achten nimmt hier das schon sehr abgenutzte Gerüst des Rachethrillers um etwas vollkommen neues zu schaffen, ohne die Wurzeln der Genres zu verleugnen, er nutzt die gewöhnlichen Instrumente, um eine vollkommen neuartige Melodie spielen zu lassen - und es ist genau das was sein Buch zu wahrer Literatur macht, zu etwas bleibendem, etwas, das über die erzählte Geschichte hinaus Relevanz hat. Die eigentliche, wiedergebbare Geschichte wird hier zu einem immer wieder unterbrochenen Roten Faden degradiert, Sie dient einzig und allein dem Zweck, die Hauptfigur zu beschreiben und vorzustellen.


    Ein großes Werk definiert entweder das Genre in welchem es angesiedelt wird, oder aber es bricht bewusst mit allen Genrekonventionen und schafft etwas vollkommen neues, es bedient sich (teilweise) der Mechanismen des gewählten Genres um die eigentliche Geschichte zu erzählen. Und genau das hat Willi Achten hier auf beeindruckende Weise vollzogen.
    Er beherrscht seine Geschichte souverän in jedem Moment, wodurch die Frage nach einer Genredefinition an sich schon ad absurdum geführt wird, da es hier nie um eine Variation der literarischen Gattung geht sondern sich im Gegenteil gar nicht um Genreliteratur handelt - zumindest nicht auf den ersten, und wohl nicht einmal auf den zweiten Blick.


    Der Ausdruck literarischer Thriller ist an sich ungeheuer schwammig: Was bitte ist ein solches Werk, wie soll man es einordnen? Kann ein Thriller an sich schon "literarisch" sein, oder bedarf es da eines über das Genre hinausgenden Elements, und wenn ja, welches ist das?


    Für mich selber liegt die Antwort darauf in der Frage, wieviel mehr als die zu erwarteten Genrezutaten der Autor in seine Geschichte einbringt, wie viel er außer einer (hoffentlich!) spannenden Handlung an Ideen und Gedanken einfügt, was und wie viel er uns Lesern mitgibt, was auch nach der Beendigung des Buches nachhallen mag und unsere Gedanken und so manche Diskussion anregen kann.


    Für mich sind das Bücher die nicht von der Handlung allein leben, sondern wo die Figuren im Mittelpunkt stehen und die Handlung vorantreiben.





    Ich hatte die Ehre und das große Vergnügen Willi Achten auf der Buchmesse in Leipzig kennenlernen zu dürfen. Sein Buch zeigt auf beispiellose Art das Literatur – wahrhaftige Literatur! - nicht an Genregrenzen gebunden ist sondern sich eines jeden Genres bedienen kann. Meinereinerseits eine absolute Lese-Empfehlung!


    ASIN/ISBN: 3865325688

    Lieber barfuß als ohne Buch! :lesend

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