Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken - John Green [13 - 16 Jahre]

  • Aza Holmes ist ein intelligenter Teenager und auf der High School. Das alles allein könnte schon für genug emotionales Chaos sorgen, aber leider geht es bei Aza noch weiter. Denn ihre Gedankenspiralen machen ihr oft einen Strich durch die Rechnung. Als dann ein Milliardär, der Vater von Davis, eines Grundschulfreundes von ihr, spurlos verschwindet, hilft Aza ihrer Freundin Daisy, diesen Fall so gut es geht aufzulösen.


    Doch John Green hat hier keinen Kriminalroman geschrieben, sondern einen schockierenden, offenen, ehrlichen und realistischen Roman, bei dem die Hauptperson an einer psychischen Störung leidet, die ihre Leben tagtäglich beeinflusst. Aza hat OCD (Obsessive Compulsive Disorder) und ihre Gedankenwelt kreist ständig um die panische Angst, sich zu infizieren und obwohl sie weiß, wie unwahrscheinlich es ist, lässt sie der Gedanken nicht los und zwingt sie zu zwanghaftem Verhalten. Dass es somit schwierig ist, Beziehungen einzugehen, Freundschaften zu pflegen oder einfach die Schule zu überstehen, wird in diesem Buch sehr gut klar.


    Diese Gedankenspiralen werden allein deswegen schon sehr realistisch dargestellt, da ein Teil von John Green selbst wohl in Azas Charakter eingebaut wurde. In Interviews über das Buch hat er berichtet, selbst an OCD zu leiden und seine Erfahrungen damit in das Buch einfließen zu lassen.

    Da in unserer Gesellschaft das Thema Mental Health immer noch oft unter den Tisch gekehrt wird, sind es solche Bücher, die gerade Jugendliche brauchen. Einerseits, um zu verstehen, dass andere an solchen (für die meisten abstrusen) Gedanken leiden – und das eigentlich gar nicht wollen; und andererseits, um als selbst betroffener zu merken: Ich bin nicht allein.

    Wer jetzt denkt, das Buch würde eine traurige Stimmung verbreiten: Nun ja, das tut es teilweise. Aber wer andere Bücher von John Green kennt (Das Schicksal ist ein mieser Verräter, Warten auf Alaska etc), der konnte das ja erwarten. Aber es hat auch tolle Momente voller Witz und Liebe, sowie einige interessante Informationen über Tuataras, Astronomie und Star Wars. Das klingt verwirrend? Nein, das ist es nicht!


    Mir gefällt es, dass John Green Charakter voller Tiefe gestaltet, deren Beziehungen untereinander so komplex sind, wie in Wirklichkeit auch. Der „Kriminalfall“ rund um Davis‘ Vater rückt generell in den Hintergrund und zeigt vielmehr auf, welche Probleme Davis und dessen Bruder Noah, daraufhin haben. Dies bricht außerdem das Cliché, dass Geld ja wohl glücklich macht. Mitnichten, Davis und Noah würden sicherlich auf ihr Geld verzichten, wenn sie nur eine intakte Familie haben könnten.


    Ich kann das Buch nur jedem ans Herz legen. Mental Health geht uns alle etwas an! Das Buch ist kein Sachbuch und hat sicherlich nicht den Anspruch, uns über verschiedene Symptome der psychischen Krankheit aufzuklären, aber durch die Handlung wird ganz beiläufig ein Verständnis für Azas Situation aufgebaut und wer jemanden kennt, der mit solchen Gedankendämonen leben muss, der kann hieraus vielleicht ein paar kleine Tipps ziehen oder etwas mehr Verständnis entwickeln. Letztendlich sucht es sich keiner aus, eine psychische Krankheit zu bekommen, deswegen ist es umso wichtiger, es nicht als Aufmerksamkeit-Wollen abzutun, sondern es als Krankheit genauso ernst zu nehmen, wie wir es bei einer Allergie tun würden und den Menschen als Freund zu helfen, ihren Alltag ein bisschen einfacher gestalten zu können.


    ISBN:

    978-3-446-25903-4


  • Ich teile diesen Gesamteindruck.

    Besonders beeidnruckend fand ich, wie Green es schaffte, zu zeigen, wie eine psychische Erkrankung den Betroffenen so ganz und gar im Griff hat. Das kann schnell zu einer nahezu ausweglosen Situation werden.

    Absolut! Ich würde jetzt nicht behaupten, durch das Buch weiß ich, wie man sich da fühlt, denn 1) ist das individuell und 2) fühlt man das ja nur, wenn man wirklich selbst so was hat - aber es ist auf jeden Fall sehr anschaulich dargestellt und auch die "Dialoge" die Aza quasi mit sich selbst hat, zeigen dieses "Gefangensein" sehr deutlich.

  • Meine Meinung zum Buch:



    Titel: Sind die Gedanken stärker als du selbst?



    John Green hat mich seit "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" als Leserin gewonnen und so ist es keine Überraschung, dass mich sein neustes Werk angezogen hat. Gerade weil die ersten Stimmen zu diesem Buch nicht ganz so positiv waren, wurde meine Neugier nur umso größer.



    Der Klappentext ist leider irreführend gestaltet, denn um die Suche nach dem verschwundenen Milliardär Pickett geht es ganz sicher nicht. In der Geschichte dreht sich alles ausschließlich um Aza Holmes und ihre zwanghaften Gedanken und Handlungen.



    Wer mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen noch nicht in Berührung gekommen ist oder diese vielleicht sogar selbst erlebt hat, dem wird vieles im Roman einfach nur befremdlich und abstoßend erscheinen, weil man es schlichtweg nicht nachvollziehen kann.



    Green gelingt es diese Gedanken und Handlungen so abstoßend darzustellen, dass einem beim Lesen ein ums andere Mal die Gänsehaut überfällt. Aber warum reagiert man darauf als Leser so? Ganz klar, weil in der Gesellschaft psychische Erkrankungen nach wie vor als Tabuthema gelten und man einfach nicht darüber spricht. So wie Aza schämen sich viele für das was sie jeden Tag begleitet, aber sie können schlichtweg nichts dafür.



    Mir hat an dem Jugendroman besonders gefallen, dass der Autor aufzeigt, dass man aufgrund der Krankheit vieles um sich herum gar nicht wahrnimmt oder vergisst, einfach weil man nur mit sich selbst beschäftigt ist. Während Betroffene ihr Verhalten gar nicht so empfinden, sehen Außenstehende diese oft als arrogant oder selbstsüchtig an, was jedoch nur so wirkt und nicht der Realität entspricht.



    Green beschönigt nichts, so schildert er schonungslos die immer wiederkehrenden Selbstverletzungen. Mir hat Aza so Leid getan, denn als Leser denkt man jedes Mal: "Bitte lass es endlich sein." "Nein bitte nicht schon wieder." oder ähnliches, aber das was Aza tut ist keine selbstbestimmte Entscheidung, sondern ein Zwang. Erst wenn dieser ausgeführt ist, kann sie normal weitermachen, bis dass der Zwang sie wieder ereilt und das ganze Spiel von vorn los geht. Klar ist dies erschreckend, aber genauso läuft das ab.



    Es handelt sich hierbei um ein augenöffnendes Buch, welches jeder lesen sollte, um sich dem Thema Zwangsstörung zu widmen und Betroffene besser verstehen zu können.



    Fazit: Mehr als ein Jugendbuch, da es ein Tabuthema anspricht, welches keines sein sollte. Kurzweillige Lektüre, die nachdenklich stimmt und zeigt, dass man mit seinen Problemen nicht allein auf der Welt ist. Klasse!



    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Warum ich mir gerade bei diesem Buch Gedanken über etwas mache, worüber ich selten nachdenke, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls finde ich den Titel bestenfalls mittelprächtig. Das Original ist ein wenig besser: „Turtles all the way down“. Etwas wie „Unter diesem zersplitterten Himmel“ hätte mir besser gefallen.


    Doch „Nachdenken über den Titel“ ist wohl ein Minor Detail, das wenig Raum einnehmen sollte, ansonsten schleicht sich rasch das Urteil „Thema verfehlt“ hinein. Und Geschwafel in einer Rezi hat John Green nicht verdient. Denn eins sollte klar sein: Wer als 18Jähriger nichts von ihm gelesen hat, der hat etwas verpasst.


    Zugegeben, seine Teenager sind immer etwas zu reif und zu weise für ihr Alter, aber vielleicht auch deshalb, weil wir dazu neigen, Jugendliche zu unterschätzen.


    Schwamm drüber. Nach dem einzigartigen „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hat John Green wieder ein großartiges Jugendbuch veröffentlicht, das auch von Erwachsenen gelesen werden sollte. Und vielleicht hat der Autor mit Aza und Daisy die beiden interessantesten Figuren des Romanjahrs 2017 geschaffen.


    Eins der besten Bücher des Jahres und eins, das verfilmt werden sollte.