Stephan Harbort - Ich musste sie kaputt machen

  • "Ich musste sie kaputt machen" von Stephan Harbort (Kriminalhauptkommissar und Deutschlands bekanntester Serienmord - Experte) handelt in erster Linie vom Leben des Joachim Georg Kroll, der in mehr als zwei Jahrzehnten eine Vielzahl an Morden beging und angesichts seiner Gräueltaten von der Presse als "Kannibale vom Rhein" bezeichnet wurde. Rundherum bekommt man aber auch interessante Einblicke in die Arbeit der verschiedenen Abteilungen der Polizei und deren Fahndungs- und Ermittlungsmethoden, erfährt von Menschen, die sich der Polizei stellen und Morde gestehen, die sie gar nicht begangen haben und das eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen verurteilt werden und Strafen absitzen, für Taten, die sie gar nicht begangen haben.

    Mit der Geschichte von Joachim Kroll erfährt man nicht nur über seine zum Teil unfassbaren Taten, man erhält Einblicke in die Gefühls- und Erlebniswelt von einem Menschen, mit dem es das Leben von Beginn an nicht besonders gut meinte... Ob in der Familie, Schule oder späteren Arbeitsstellen - Joachim Kroll erfährt keine Liebe oder Zuneigung. Im Gegenteil... er ist oft Gegenstand von Hohn und Spott. Er ist immer der Unauffällige, Außenseiter, Versager und Nichtsnutz. Dies setzt sich in nahezu selbsterfüllender Prophezeiung in seinem Leben immer weiter fort, so dass das Auffälligste an ihm ein Leben in völliger Unauffälligkeit wird - und trotzdem schafft es ein minderbegabter... ein untalentierter und ungebildeter... der sich primitiver Hilfsmittel bediente und eine sehr simple Strategie verfolgte, die Kriminalpolizei über zwei Jahrzehnte zum Narren zu halten und große Teile der Bundesrepublik dauerhaft in Angst und Schrecken zu versetzen!

    Dies ist das dritte buch, das ich von Stephan Harbort gelesen habe und ich dachte, nach "Das Hannibal - Syndrom" kann es keine Steigerung mehr geben... Aber mit der Geschichte über Joachim Kroll legt er nochmal "eine Schippe drauf"! Unfassbar spannend erzählt... (ich saß beim Lesen des öfteren im Bus und dachte nicht nur einmal darüber nach, einfach sitzen zu bleiben und weiter zu lesen, obwohl meine Zielhaltestelle kam!) brillant analysiert und dabei stets verständlich und nachvollziehbar erklärt!

    Auch in diesem Buch ist für mich das Vor- und Nachwort wieder ein wichtiger Bestandteil. Stephan Harbort erklärt darin, dass er Denkanstöße und Perspektiven liefern möchte, die weiter sehen lassen, als die landläufige Meinung "Serienmörder gehören weggesperrt und damit ist der Gesellschaft genüge getan!". Er gibt zu bedenken, dass hinter jedem "Monster" ein Mensch steckt und die Strafen, die wir verhängen und vollstrecken, nicht nur etwas über die Gesinnung und das Wesen der Täter aussagen...

    In meinem Fall ist ihm das sehr gut gelungen!

    :welle

    Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten.
    (Jiddu Krishnamurti)


  • Wenn Ablehnung einen Menschen kaputt machen


    "Die Ablehnung dessen, was in deinem Leben ist, baut eine steinerne Mauer um dein Herz, durch die die Liebe nicht dringen kann." (Irina Rauthmann)

    Stephan Harbort langjähriger Kriminalhauptkommissar, Kriminologe und seit 2012 Dozent an der BTU Cottbus zeigt uns hier in diesem Buch eine neue Lebensgeschichte des Serienmörders Joachim Kroll auf. Ich frage mich was interessiert ihn an diesen Serienmördern? Ich denke, es ist das Ungewisse warum jemand solche Taten begeht, die den Autor immer wieder reizt, in die Köpfe dieser Menschen zu blicken. Diesmal hat er Deutschlands Jahrhundertmörder durchleuchtet, aber Joachim Kroll war nicht immer ein Mörder. Joachim Kroll geboren am 17. April 1933, er wuchs als sechster von acht Geschwistern in Hindenburg auf. Sein Vater war Bergarbeiter und die Familie musste unter sehr bescheidenen Verhältnissen in einem Bergarbeiterhaus leben. Allerdings war er schnell zu Hause aber auch in der Schule ein Außenseiter, Sündenbock und Schlusslicht, bis er immer weiter abrutschte und sitzen blieb. So blieb es auch nicht aus, das auf ihn eingeprügelt wurde, hauptsächlich durch den Vater. Er arbeitet dann an verschiedenen Stellen, aber auch dort hatte er immer wieder Anpassungsprobleme. Eigentlich wollte er immer Elektriker werden stattdessen musste er Ställe ausmisten. Doch dann kam die Pubertät und seine körperlichen Lüste, die er nirgends befriedigen konnte und sich deshalb Abhilfe suchte. Der Tod der Mutter 1955 hat ihn dann tief erschüttert, da sie sein einziger Halt war. Vielleicht war dieser aus der Auslöser für seine erste Tat oder aber die ständigen Ablehnungen bei den Frauen? Insgesamt mordete er 20 Jahre lang mehrere Frauen und Mädchen und wurde auch als "Der Kannibale vom Rhein" tituliert.

    Meine Meinung:
    Auch in diesem Buch beschäftigt sich der Autor wieder detailliert um den Täter. Anhand Akten, Protokollen und Interviews erkennt der Leser nicht nur die gestörte Kindheit des Täters, sondern auch die Problematiken der damaligen Zeit, aber auch den Fehlern vonseiten der Polizei. Der Schreibstil ist sehr gut und so tauchte ich in die Gedankenwelt eines Menschen, der sicher nicht alleine für seine Taten strafbar gemacht werden sollte. Es liegt aber auch viel an Stephan Harborts Darstellung, das man das Buch nur unschwer aus der Hand legen kann. Das Buch ist wirklich wie ein Roman geschrieben, teils auch mit Frage und Antwort Teilen, bei dem der Täter selbst interviewt wurde. Wieder bin ich hin- und hergerissen ob ich einem Täter mehr Mitgefühl einräumen soll, als den vielen Opfern die ihm in die Arme gelaufen sind. Aber ich konnte auch hier wieder einmal sehen das viele Täter nicht alleine zu Mördern werden, sondern oft zu ihnen gemacht werden. Am meisten hat mich aber das Protokoll des Grauens ab Kap. 41 entsetzt und ich fragte mich, kann eine schlechte Vergangenheit einen Menschen so prägen? Aber man merkt auch an dem Buch wie viele Fehler vonseiten der Polizei entstanden, maßgeblich auch dadurch da die Analysen, Forensik und anderes zu der Zeit noch nicht soweit war. Ich wüsste nicht, ob dies heute noch möglich wäre, das man einem Täter solange nicht auf die Spur kommt. Auch der Prozess von Joachim Kroll wird geschildert, bei dem er für 8 Morde verurteilt wurde, bis er selbst dann 1991 in der Haft an einem Herzinfarkt verstarb. Ein Buch für alle, die einmal in den Kopf eines Mörders blicken wollen, aber auch hinter die Kulissen von Ermittlungen, Vernehmungen. Ich kann das Buch nur jedem der Krimis liest und liebt empfehlen, gebe 10 Eulen und eine Leseempfehlung.

    :thumbup::respekt

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."