Bernhard Kegel: Ausgestorben, um zu bleiben. Dinosaurier und ihre Nachfahren

  • Bernhard Kegel: Ausgestorben, um zu bleiben. Dinosaurier und ihre Nachfahren

    DuMont Buchverlag 2018. 250 Seiten

    ISBN-10: 3832198709

    ISBN-13: 978-3832198701. 22€


    Verlagstext

    Sie beherrschten die Kontinente über 170 Millionen Jahre, mehr als tausendmal länger, als es Menschen gibt, und sie waren die gewaltigsten Wesen, die je auf irdischem Boden wandelten. Ist es zu glauben, dass über Dinosaurier zwar ganze Jugendbuchbibliotheken existieren, aber kein einziges aktuelles Buch, das sich an ein erwachsenes Publikum richtet? Kenntnisreich und amüsant zeigt Bernhard Kegel, dass das Bild, das man sich von den Vorzeitechsen machte, sich immer wieder gewandelt hat, seit der britische Anatom Richard Owen ihnen vor etwa 170 Jahren ihren Namen gab. Neue Fossilfunde, wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Errungenschaften zeigen, dass sie mehrere zum Teil drastische Metamorphosen durchliefen, von der kriechenden Rieseneidechse zum aufrecht stehenden Drachen wurden, vom schwerfälligen Kaltblüter zum dynamischen und intelligenten Jäger und zuletzt von der beschuppten Echse zum gefiederten Riesenhuhn. Denn heute wissen wir, dass viele Dinosaurier Federn hatten und unsere Vögel allesamt ihre Nachfahren sind. Bernhard Kegels Entdeckungsreise in die Welt der Paläontologie und in die Wissenschafts-, Kultur- und Filmgeschichte ist ebenso überraschend wie spannend.


    Der Autor

    Bernhard Kegel, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin, danach Forschungstätigkeit, Arbeit als ökologischer Gutachter und Lehrbeauftragter. Er war Gitarrist in diversen Berliner Jazzbands. Seit 1993 veröffentlichte Bernhard Kegel mehrere Romane und Sachbücher, bei DuMont erschienen die Sachbücher >Epigenetik< (2009), >Tiere in der Stadt<, >Die Ameise als Tramp< (beide 2013) und >Die Herrscher der Welt< (2015). Im marebuchverlag erschienen die Romane >Der Rote<, >Ein tiefer Fall< und >Abgrund< um den Kieler Meeresbiologen Hermann Pauli. Bernhard Kegels Bücher wurden mit mehreren Publizistikpreisen ausgezeichnet.


    Inhalt

    Die rote Mappe mit den – farbigen – Dinosaurier-Abbildungen wurde bei uns nur sonntags aufgeklappt und nur mit sauberen Händen. Lange bevor ich als Kind den ersten Film gesehen oder das erste Sachbuch kennengelernt hatte, lernte ich, dass um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Vorfahr jahrelang Kakao getrunken haben musste, um die 30 Sammelbilder im DIN A 4-Format der Reichardt Kakao-Compagnie zusammenzubekommen. Dinos Angucken war seitdem Familientradition. Jahrzehnte später folgte Ernüchterung, als mein Sohn mit 4 Jahren ins Dino-Alter kam. „Was finden Sie denn an den Viechern interessant,“ fragte seine Erzieherin im Kindergarten „das ist doch bloß Spielzeug“. Fan oder Ignorant, man muss sich offenbar für eine Seite entscheiden. Bernhard Kegels frühes Dinosaurier-Bild wurde u. a. von der steinernen Skulptur vor dem Berliner Aquarium geprägt. Mit dem Anspruch, endlich ein aktuelles Buch über Dinosaurier für Erwachsene vorzulegen, verknüpft er die Dinomania der Populärkultur mit heutigem Wissensstand und einem kritischen Blick auf Dinosaurier-Bilder, die uns seit früher Kindheit begleiten. Die Notwendigkeit eines aktuellen Buchs zum Thema ergibt sich laut Kegel bereits daraus, dass 85% aller heute bekannten Dinosaurier-Arten erst nach 1990 benannt worden sind.


    Kegel spürt prominenten Persönlichkeiten nach, die Dinosaurier-Knochen oder -Spuren entdeckten, erklärt den Einfluss bildender Künstler auf populäre Dinosaurier-Bilder in unseren Köpfen und analysiert schließlich den Dino als Idol und Filmstar, von Gertie the Dinosaur (1914) bis zu den fiesen kleinen Raptoren in Jurassic Park (1993). Interessant fand ich beim Rückblick in die Vergangenheit, wie Menschen schon immer ihre Funde mit der Vorstellungskraft ihrer Epoche zu interpretieren versuchten. Oft stand am Beginn einer neuen Sichtweise nur eine Kralle oder ein Zahn, die die Frage aufwarfen: welchen Nutzen hatte dieser Körperteil für das Tier? Knochenfunde können wenig über das Verhalten von Tieren erzählen, über Familienleben und Fortpflanzung, wenig über die Färbung von Haut oder Gefieder. Nur wenn Pflanzenreste gemeinsam mit den Funden geborgen und fürs Publikum dargestellt werden können, erfährt man z. B. von Bäumen oder Farnen, die die Lebensbedingungen der Tiere prägten. Dem Klischee des filmreif trampelnden und brüllenden Raubtiers tritt Kegel mit der nüchternen Frage entgegen, ob ein Beutegreifer der Gegenwart mit diesem Verhalten wohl erfolgreich jagen würde … Welchen Sinn ein langer Hals, ein kleiner Kopf oder die Stellung der Beine zum Rumpf gehabt könnten, das führt stets auf die Frage zurück, wie die Tiere lebten und sich verhielten. Vorstellungen von Schwerfälligkeit und mangelnder Intelligenz aufgrund der imposanten Körpergröße von Sauriern wären spätestens mit den Funden kleiner, agiler und gefiederter Saurier in der Mandschurei in der Mottenkiste der Forschung gelandet. Seit der Jehol-Fossilien habe sich die Filmindustrie leider endgültig vom wissenschaftlichen Fortschritt abgekoppelt, so Kegel.


    Fazit

    Bernhard Kegels mit rund 250 Seiten flott lesbare Bestandsaufnahme fordert zur Selbstkritik der Profession auf; denn gerade die Erforschung der Dinosaurier habe gezeigt, wie wenig sicher Forscher sich stets der Vollständigkeit ihres Wissens sein konnten. Kegel schlägt schließlich den Bogen zu der Frage, warum trotz Bildungsarbeit Naturgeschichtlicher Museen Studenten der Naturwissenschaften heute noch immer spontan Dinosaurier nach dem Kenntnisstand um 1900 zeichnen, als hätte es die Forschung seitdem nicht gegeben. Daran müsse eine frühe Prägung durch die verkitschte Darstellung auf Kinderschlafanzügen schuld sein, vermutet der Autor. Ein Blick auf frühe Multiplikatoren im Leben unserer Kinder und deren naturwissenschaftliche Interessen tut demnach not.


    10 von 10 Punkten

  • Oh das klingt nach meinem Beuteschema, kommt gleich mal auf die Wunschliste.

    In einer der letzten GEO-Ausgaben gab es übrigens auch einen interessanten Artikel zum aktuellen Stand der Saurierforschung inklusive ausklappbaren Seiten mit Illustrationen nach neuem Kenntnisstand: https://www.geo.de/magazine/ge…eo-nr-03-2018-dinosaurier

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda