'Die Tatarin' - Seiten 001 - 157

  • Hallo, binchen und Gheron!


    Da ihr sehr allgemeine Fragen betreffs der Schriftstellerei ansprecht, habe ich deine Nachricht, binchen, im Zitat mal ins Forum Autoren unter sich ausgelagert, und zwar unter dem Thema Ausloten


    Ich hoffe, das ist okay, denn ich erhoffe mir davon eine Diskussion, in die auch lesende und schreibende Eulen einsteigen, die hier nicht mitlesen.

  • Zitat

    Original von Gheron
    Bei der Tatarin wollten wir neben Schirin mit Sergej eine zweite, männliche Hauptfigur einbauen und haben den Anfang bewusst so gewählt, dass er mit dem jungen Offizier begann. Natürlich hätten wir auch mit Schirin anfangen und ihr Leben bei den Tataren zeigen können, doch hätte das die eigentliche Geschichte des Romans nicht weiter gebracht.


    Tja, das ist für mich des Pudels Kern: Die Haupthandlung des Buches ist Sergejs Geschichte, seine persönliche Niederlage und deren Überwindung. Doch auf mich wirkt die Umsetzung irgendwie unentschieden. So, als wolltet ihr (Thema »Ausloten«) mal probieren, ob eure Leser euch auch die Geschichte einer männlichen Figur abnehmen würden. Sergej dringt aber nicht durch, weil es andauernd um Schirin und ihre Schwierigkeiten nicht erwischt zu werden, geht, was manchmal durch nahezu wortwörtliche Wiederholungen m.A.n. strapaziert wird. Ihre Geschichte wirkt auf mich wie die bloße Erfüllung einer an euch gestellten Erwartungshaltung.
    Denn ich bin an Sergejs Geschichte interessiert, da spielt die Musik, da handelt jemand -- und nun steht mir dieses Mädel, das herumgeschoben wird und dann eigentlich nur gelegentlich reagiert und um das es irgendwie gar nicht geht, ständig im Weg. ;-)


    Das ist jetzt bloß meine Meinung. Mir ist schon klar, daß andere Leser das anders sehen. :wave


    Sprachlich und Erzählerisch ist der Roman sehr, sehr professionell, nahezu makellos, pointiert geschrieben, liest sich flüssig mit vielen witzigen Details und sprüht vor Menschenkenntnis in der Figurenzeichnung. Nahezu alle Figuren sind interessant, kauzig, menschlich, weil nicht nur nett und gut. Manchmal wird etwas dick aufgetragen, aber das macht eure Bücher ja gerade so lebendig.

  • Zitat

    Original von Gheron
    Eines wollen wir nämlich mit Sicherheit nicht, dass es heißt, wer einen Iny Lorentz-Roman gelesen hat, kennt sie alle.


    Ich mag die Lorentz-Romane bisher alle sehr gerne, auch weil sie
    eben nicht nach Schema F ablaufen, immer einen anderen interessanten
    historischen Hintergrund haben und nicht zuletzt, weil man bei jedem
    Buch die schöne Schreibe und die liebevoll gestalteten Nebenfiguren
    wirklich genießen kann.


    Also ich bin jedenfalls immer wieder aufs Neue angenehm überrascht
    und deine obenstehende Befürchtung ist bisher vollkommen unbegründet.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Iris
    Denn ich bin an Sergejs Geschichte interessiert, da spielt die Musik, da handelt jemand -- und nun steht mir dieses Mädel, das herumgeschoben wird und dann eigentlich nur gelegentlich reagiert und um das es irgendwie gar nicht geht, ständig im Weg. ;-)


    Diese Erwähnung finde ich jetzt sehr interessant, denn das ging mir
    bei der "Tatarin" und schon bei der "Goldhändlerin" mit Orlando (so
    hieß er doch?) so, was aber den Spaß am Lesen überhaupt nicht
    beeinträchtigt hat.
    Vielleicht liegt das daran, dass Frauen doch lieber über Männer lesen?


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Hallo Binchen Iris und Kalypso,


    heute ist Donnerstag, mein Müdtag während der Arbeitswoche und ich hänge ein wenig herum. Ich versuche aber trotzdem, mich verständlich auszudrücken.


    Das Lager der LeserInnen historischer Romane ist wirklich gespalten. Dioe eine Seite liest gerne über Frauen in jener Zeit, während die andere Gruppe diese ablehnt wie den leibhaftigen Gottseibeiuns und sich eher verprügeln lässt, als eine Zeile eines ...in Romans zu lesen. Diese LeserInnen wollen von männlichen Helden lesen, weil nur das authentisch sein kann, weil Frauen ja dieses und jenes nicht durften. Dabei taucht in vielen Romanen über männliche Helden oft genug hanebüchener Unsinn auf, dass man schreien könnte.
    Romane über weibliche Haupthelden zu schreibem, ist in meinen Augen schwieriger, weil man hier weitaus genauer auf das kulturelle Umfeld achten muss und nicht a la Hollywood vor sich hinfabulieren darf, wenn man nicht absolut auf die Nase fallen will. Dafür aber ist mir mein Riechorgen zu schade.


    Mein/unser Ziel, denn ich stimme hier mit Iny überein, ist es, spannende und gut lesbare Romane zu schreiben, so wie wir sie uns selbst wünschen. Da wir aber nicht nur zu unserem persönlichen Vergnügen schreiben, achten wir durchaus auf die Reaktionen unserer LeserInnen. Dabei haben wir heraus gefunden, dass diese durchaus an einer relativ starken männlichen Nebenfigur Gefallen finden. Auch aus diesem Grund ist Sergejs Part etwas stärker als z.B. der von Vicenzo in der Kastratin. Auch bei unseren weiteren Romanen wird es immer wieder männliche Protagonisten geben, die über eine Statistenrolle hinaus gehen. So darf sich z.B. die Löwin von Molterossa über einen gewissen Rodolfo ärgern.


    Nebenfiguren sind wichtig, um dem Roman Leben zu verleihen. Zum Glück formen sie sich bei mir von selbst und Iny schleift sie dann so zurecht, wie sie sein sollen. Historische Perönlichkeiten müssen ihren bekannten Charakterzügen nach gestaltet und der jeweiligen Situation angepasst werden. Man muss ihren Lebensweg verfolgen und nach möglichen Präzedenzfällen forschen, um ihre Taten im Roman logisch begründen zu können.


    Bei der Tatarin hat uns gereizt, einen Roman so nahe an historischen Geschehnissen wie möglich zu schreiben. Er sollte den LeserInnen auch unsere Bandbreite aufzeigen, und das scheint gelungen zu sein.


    Ich bin auch gespannt, ob LeserInnen, die den Roman erst einmal wieder weg gelegt haben, ihn nach einiger Zeit doch zur Hand nehmen werden, weil sie z.B. einen anderen Roman von uns gelesen haben.


    Interessant finde ich es auch, wie unterschiedlich LeserInnen diesen Roman interpretieren. Für Iris z.B. war es die Geschichte des jungen Offiziers Sergej, der sich mit einer eigentlich überflüssigen Tatatengöre herumschlagen musste. Für uns ist dies ein Zeichen, darauf zu achten, dass die männliche Hauptfigur die weibliche nicht überragt.
    Unsere LeserInnen gehören nun einmal in erster Linie zu jenen, die Romane über Frauen lesen wollen.


    Liebe Grüße
    Gheron :wave (der sich gleich in die Firma schleppen wird)

  • Zitat

    Original von Gheron
    Das Lager der LeserInnen historischer Romane ist wirklich gespalten. Dioe eine Seite liest gerne über Frauen in jener Zeit, während die andere Gruppe diese ablehnt wie den leibhaftigen Gottseibeiuns und sich eher verprügeln lässt, als eine Zeile eines ...in Romans zu lesen. Diese LeserInnen wollen von männlichen Helden lesen, weil nur das authentisch sein kann, weil Frauen ja dieses und jenes nicht durften. Dabei taucht in vielen Romanen über männliche Helden oft genug hanebüchener Unsinn auf, dass man schreien könnte.


    Gheron, ihr beide solltet wissen, daß solche Argumente auf mich nicht zutreffen. Es gibt glaubwürdige weibliche Protagonistinnen in historischen Romanen: eure Marie (Die Wanderhure), Ines' Sybilla (Die Pelzhändlerin) und Guido Dieckmanns Philippa (Die Magistra) gehören für mich in jedem Fall dazu, während ich zig "Helden" des historischen Romans aufzählen könnte, die bei mir Brechreiz ausgelöst haben.
    Wenn mich etwas nervt in Sachen historische Frauenromane, dann ist es die programmatisch bedingte Schwemme!
    Auf den Punkt, daß Genre (und auch Untergenre) eine thematisch, keine qualitative Unterscheidung ist, bin ich, glaube ich, im Fred Ausloten ausführlich genug eingegangen. <grummel>


    Zitat

    Für Iris z.B. war es die Geschichte des jungen Offiziers Sergej, der sich mit einer eigentlich überflüssigen Tatatengöre herumschlagen musste. Für uns ist dies ein Zeichen, darauf zu achten, dass die männliche Hauptfigur die weibliche nicht überragt.


    Das ist passiert, weil Schirin meiner Ansicht nach nicht die Handlung trägt, sondern von der Handlung getragen wird. Sie ist m.A.n. fast vollkommen passiv, ihre Aktionen bloßes Reagieren, und wenn es Spitz auf Knopf steht, wird sie immer wieder durch Zufälle und andere äußere Faktoren ohne ihr Zutun gerettet. Es ist so gut wie nie sie selbst, die die Handlung vorantreibt, immer etwas, das mit ihr geschieht bzw. mit ihr gemacht wird -- ihre Spontanität beschränkt sich auf wenige, meist folgenschwere "Dummheiten"!
    Das ist es, was mich stört.
    Andere stört es nicht -- im Gegenteil. Insofern sage ich hier nur meine Meinung. Ich möchte allerdings nicht als eine Art dogmatischer Abkanzlerin aller historischen Frauenromane :grin abgetan werden, wenn ich mein Unwohlsein mit einer dramaturgischen Eigenart des Romans geäußert habe.

  • Zitat

    Original von Sysai
    wenn Gheron intensiv auf deine Postings reagiert, so ist das nicht negativ gemeint.


    Das habe ich auch nicht so aufgefaßt. :knuddel1


    Ich werde jetzt "meinen" Murakami fertiglesen und mich dann an Die Kastellanin machen -- bei Marie rechne ich einfach damit, daß sie aus eigenem Antrieb handelt und ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt. :-)

  • Hallo Iris,


    du kennst die LiebhaberInnen historsicher Romane selbst aus eigenen Erfarhrungen und dem Internet heraus und weißt, dass es diese eine Gruppe von ExegetInnen gibt, die Romane über Frauen nicht mit der Brikettzange anfassen würden, weil das dort Beschriebene nicht in ihr Weltbild passt. Dafür halte ich dich gewiss nicht, denn sonst hättest du Sunja und Saldir nicht so schön gestalten können. Außerdem hast du im Gegensatz zu vielen, die es nur glauben, auch eine Ahnung von Historischer Wirklichkeit.


    Die Schwemme an Historischen Romanen über Frauen, die du beklagst, ist allerdings auch eine Folge der Tatsache, dass es sehr viele LeserInnen gibt, die eben etwas über Frauen in jenen Zeiten lesen sollen. Auf so etwas reagieren Verlage immer. Das heißt aber nicht, dass Romane über Männer nicht ebenfalls aktuell sind. Auch sie haben ihre LeserInnen und nicht nur aus der oben genannte Gruppe. Ich zähle mich ebenfalls dazu, denn ich liebe es, unterschiedliche Sachen zu lesen. Wenn ich von drei Büchern, die ich mir besorge, eines weg lege, weil es mir nicht gefällt, eins als na ja und eines als sehr gut empfinde, habe ich persönlich mehr gewonnen, als wenn ich mir die entsprechenden Bücher nicht angesehen hätte.


    Ich freue mich hier auch auf die Schwerter des Tiberius, die mir, strenger Befehl, den Urlaub angenehm gestalten sollen. In sieben Wochen ist es übrigens so weit.


    Was Schirins Verhalten betrifft, so war es meine Absicht, sie weniger agieren, als vielmehr reagieren zu lassen. Das Mädchen befand sich in einer völlig fremden Welt, die sie erst einmal verstehen lernen musste und wurde gleichzeitig in den Sog der Ereignisse gezogen, die ihr über den Kopf zu schlagen drohten. Sie hatte genug damit zu tun, erst einmal auf ihren zwei Beinen zu bleiben.
    Als es allerdings darauf ankam, traf sie ihre Entscheidungen. Die eine war, die Russen zu verlassen und zu den Schweden überzulaufen, die andere, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen. Man könnte natürlich sagen, sie sei auch dazu getrieben worden. Allerdings hätte sie sich beide Male auch anders entscheiden können.


    Natürlich ist Marie anders, aber das ist auch gewollt. Ich will Abwechslung bei meinen Mädels haben! Schirin ist nun einmal eher der verschlossene, asiatische Typ und Marie das auftrumpfende schwäbische Frauenzimmer. Ich sagte schon mehrmals, wir wollen unsere Bandbreite so weit spannen, wie die LeserInnen es zu tolerieren bereit sind.


    Damit wünsche ich dir erst einmal viel Spaß am Computer und die nötige Entspannung mit Murakami.


    Liebe Grüße
    Gheron :wave

  • so den ersten Teil habe ich nun auch geschafft und mir ging es wie so vielen wäre es nicht ein Iny Lorentz Roman hätte ich aufgegeben.


    Ich werde mit Shirin nicht richtig warm, aber ganz los läßt mich ihr Schicksal auch nicht, nur leider fehlt momentan einfach die Zeit zum lesen :cry :cry :cry :cry

  • So jetzt muß ich ans Buch.
    Ihr habt mich total neugierig gemacht, ich werde heute abend das Buch lesen.
    Habe mich nämlich ein wenig gesträubt, da ich von der russischen Geschichte bis 89 zu viel lesen mußte. :wave

  • Hallo!


    Ich lese jetzt auch die Tatarin und bin bis jetzt begeistert. Es ist mein erster Roman von Iny Lorentz und bin wunschlos glücklich mit dem bisherigen Verlauf der Geschichte.
    Ab der ersten Seite konnte ich mich in eine bisher fast unbekannte Zeit beamen und einer spannenden Geschichte folgen, die immer mehr Überraschungen für mich bereit hält.


    Bisher hab ich mich für die Geschichte Rußlands nie besonders interessiert. Mittlerweile ändert sich das.


    mfg

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Was mir allerdings fehlt ist eine Karte :-(


    Zitat


    Oh ja, das habe ich auch ein paar Mal gedacht, frau müßte eine alte Rußlandkarte haben


    Ist ja auch erst mein zweites Buch was dort spielt (das erste war Krieg und Frieden).


    Ich krame jetzt mal nen alten Thread hoch. :grin


    Ich habe gestern mit diesem Buch begonnen. Es subbte sehr lange, da ich immer "Angst" vor den Namen hatte. Es ist aber gar nicht sooo schlimm, bis jetzt. Ich habe einige Schüler, die die gleichen Namen haben - Sergej, Khan, Shirin,... Die Nachnamen überlese ich mehr oder weniger.
    Ne Karte würde mir auch gefallen. Kenne mich in Russland doch nicht so genau aus.

    Ich lese gerade:
    Drachenfrau von Hildegunde Artmeier

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Primavera ()