Ohne Spur - Haylen Beck

  • Ohne Spur

    Haylen Beck

    dtv Verlagsgesellschaft

    ISBN: 978-3423217644

    384 Seiten, 9,95 Euro


    Als sich Audra Kinney aus New York auf die Reise nach San Diego macht, will sie nur eins; ihre Kinder vor ihrem Ehemann und seiner Mutter in Sicherheit zu bringen. Ihre Flucht endet in der Wüste von Arizona, als ein Sheriff bei einer Kontrolle in ihrem Kofferraum Marihuana findet. Er verhaftet sie und lässt die Kinder von einer Kollegin abholen. Audra glaubt an ein Missverständnis, das sich schnell aufklären wird, doch dann behauptet der Sheriff, er habe niemals Kinder in ihrem Auto gesehen.


    Damit beginnt für Audra ein Albtraum, dem sie scheinbar nicht entkommen kann. Alle halten sie für eine Mörderin, Presse und Spezialeinheiten suchen nach den Leichen der Kinder, die sie umgebracht haben soll und niemand schenkt ihren Beteuerungen Glauben. Doch plötzlich taucht ein geheimnisvoller Fremder auf, der mehr zu wissen scheint…


    Man rast nur so durch dieses Buch, weil man als Leser von Anfang an Einblick in alle Hintergründe erhält, wobei man trotzdem absolut keine Ahnung hat, wohin das Ganze führen wird.

    Der Schreibstil ist flüssig und schnörkellos, die Übersetzung gut gelungen. Klar kann man einwerfen, die Handlung sei etwas zu sehr konstruiert und wenn man sucht, findet man auch einige kleinere Ungereimtheiten, doch wenn man sich von dem spannenden und rasanten Plot einfangen lässt, dann kann man nichts anderes tun, als immer weiterzulesen, bis man endlich die letzte Seite erreicht hat.


    Zu diesem Buch kann man nur sagen – wer einen tollen Pageturner sucht, den man in einem Atemzug durchlesen muss, der ist hier genau richtig. Die Spannung, die bereits am Anfang vorhanden ist, steigert sich fast bis ins Unermessliche und genau das macht für mich einen guten Thriller aus. 8 zufriedene Eulenpünktchen

  • Haylen Beck: Ohne Spur. Thriller, OT: Here And Gone, Deutsch von Wolfram Ströle, München 2018, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-21764-4, Softcover, 379 Seiten. Format: 12,1 x 2,8 x 19 cm, Buch: EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99. Auch als Hörbuch lieferbar.


    Thriller sind nicht unbedingt mein Ding, weil die Figuren, die Handlung und die Brutalität darin oft so „überlebensgroß“ und fernab aller Realität sind. Jetzt bin ich aber ein Mensch mit relativ einfach gestrickten Moralvorstellungen. Sollte das zentrale Thema eines Thrillers also „ein paar Ar***l*cher legen sich mit den Falschen an“ lauten, bin ich voller Schadenfreude dabei. Da kann ich sehr großzügig über unliebsame Genre-Merkmale hinwegsehen. So wie hier.


    Darum geht’s: Die Künstlerin Audra Ronan Kinney, 35 ist auf der Verliererstraße. Sie hat den falschen Kerl geheiratet, war jahrelang Opfer seiner Misshandlungen und drogensüchtig. Seit zwei Jahren ungefähr ist sie clean und lebt von ihrem Mann getrennt. Die beiden Kinder, Sean, jetzt 11, und Louisa, 6, sind bei ihr.


    Noch ist sie von Patrick Kinney nicht geschieden, und er lässt nichts unversucht, seine Kinder zurückzubekommen. Für ihn ist das eher eine Frage der Macht als der Liebe.


    Flucht vorm Ex und dem Jugendamt

    Jetzt hat er wieder einmal seiner Frau aus fadenscheinigen Gründen das Jugendamt auf den Hals gehetzt. Seine Eltern sind vermögend und einflussreich, gegen sie hat Ex-Junkie Audra keine Chance, und das weiß sie auch. Also schmeißt sie ein paar Habseligkeiten in den Kofferraum ihres Autos und macht sich mit ihren Kindern klammheimlich von New York City auf nach San Diego zu einer Freundin. Doch dort kommen die drei nie an.


    In einem gottverlassenen Wüstenkaff in Arizona, das den euphemistischen Namen Silver Water trägt, wird Audra vom Sheriff angehalten. Ihr Auto sei überladen. Ungefragt wühlt er in ihrem Kofferraum und „findet“ darin ein Päckchen Marihuana. Audra beteuert vergebens ihre Unschuld. Im Tumult von Festnahme, Auto-Abschleppen und der Frage, was nun aus Sean und Louise wird, sind die beiden Kinder plötzlich verschwunden.


    Alle Welt denkt nun, Audra habe ihren Sohn und ihre Tochter auf der kurzen Strecke zwischen dem Laden und Silver Water ermordet und irgendwo in der Wüste verscharrt. Was natürlich Unsinn ist, wie wir wissen. Wir haben ja miterlebt, wer sie in seine Gewalt gebracht hat, wozu und warum. Weil immer mal wieder die Erzählperspektive wechselt, kann der Leser die Gründe für dieses schändliche Treiben sogar nachvollziehen.



    Auch die Perspektive der Kinder nehmen wir ein. Audras kleine Tochter versteht nicht, was mit ihr passiert. Ihr Bruder Sean ist mit der Beschützerrolle hoffnungslos überfordert. Er ist ja selbst noch ein Kind, das dringend Trost und Hilfe bräuchte. Und Audra wird schier wahnsinnig, weil ihr niemand glaubt. Okay ... fast niemand.


    Nur Danny glaubt der Mutter ... aus Gründen

    Der Fall macht landesweit Schlagzeilen. In San Francisco hört der chinesischstämmige Sozialarbeiter Danny Lee davon und ist wie elektrisiert. Er kennt das Szenario.



    Wenn die Polizei nichts unternimmt ...

    Danny Lee und Audra Kinney bilden eine Zweckgemeinschaft. Wenn es sonst keiner tun will, suchen sie die Kinder und deren Entführer eben auf eigene Faust. Und sie finden sie besser schnell!


    Danny ist ein stahlharter Brocken, aber Audra ist auch nicht ohne. Im Umgang mit brutalen Mistkerlen hat sie schließlich 35 Jahre Erfahrung. Ihr Vater war einer, ihr Mann war einer, da wird sie doch an diesem Dorfsheriff nicht scheitern! Doch der allein ist nicht das Problem. Es gibt hier viele Gruppen und Einzelpersonen, die unabhängig voneinander ihre eigenen Interessen verfolgen, was das Geschehen einigermaßen unberechenbar macht. Entführer und Hintermänner, die Angehörigen der Opfer, das FBI und nicht zuletzt die Kinder selbst: Jeder tut, was er für erforderlich hält, und mancher spielt damit unabsichtlich der Gegenseite in die Hände.


    Das Finale ist ziemlich blutig und leichenreich. Ich hätte hier lieber das serienweise Klicken von Handschellen gehört. Aber es ist ein US-Thriller, da muss das vielleicht so sein.


    Die Geschichte ist äußerst spannend. Wie es der Mutter und den Kindern in dieser albtraumhaften Situation geht, kann man sehr gut nachvollziehen. Streckenweise vergisst man ganz, dass man hier „nur“ das Schicksal erdachter Figuren verfolgt.


    Danny Lee in Serie?

    Ein wenig hadere ich mit dem Schluss. Auch wenn ich was übrig habe für moralisch nicht ganz einwandfreie Helden wie Danny Lee: meine Vorstellung von ausgleichender Gerechtigkeit sieht doch ein wenig anders aus.


    In den USA rufen die Leser schon nach einer Danny-Lee-Serie. Sollte Haylen Beck sich dazu überreden lassen – gänzlich abgeneigt scheint er nicht zu sein -, wäre ich durchaus bereit, mir das Ergebnis mal näher anzusehen. Ein „Repairman Jack“ wird Lee nicht werden, aber er hat Potential.


    Der Autor

    Haylen Beck ist das Pseudonym von Stuart Neville, geb. 1972 in Armagh/Nordirland. Der Autor hat sich in vielen Berufen versucht: Er war Bäcker, Musiker, Komponist und Verkäufer und er ist an einer Multimedia Design Firma in Nordirland beteiligt. Er gilt als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Thrillerautoren Nordirlands. Für sein genderneutrales Pseudonym hat er sich nach eigenem Bekunden von seinen zwei Lieblings-Gitarristen inspirieren lassen: Eddie Van Halen und Jeff Beck.


    https://www.amazon.de/Ohne-Spur-Thriller-Haylen-Beck/dp/3423217642 (incl. Amazon Affiliate-ID from this website)



    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner