Ein Gentleman für Mma Ramotswe - Alexander McCall Smith

  • OT: Tears of the Giraffe 2000


    Mma Ramotswe, Besitzerin der No. 1 Ladies’ Detective Agency wird heiraten. Für einen so wichtigen Schritt kommt kein anderer infrage als J. L .B. Matekoni, der Besitzer der Autowerkstatt, die mindestens so berühmt und wichtig in Botswana ist, wie Mma Ramotswes Detektivagentur. Für die künftige Ehe müssen noch einige Dinge geregelt werden, z.B. die Frage des Wohnsitzes oder die des Brillantrings. So einen braucht jede Frau in Botswana, da gibt es keine Ausflüchte.
    Neben dem Privatleben gibt es jedoch auch ein intensives Berufsleben. J. L .B. Matekoni kümmert sich nicht nur um Motoren, die in seine Werkstatt gebracht werden, sondern auch um die des örtlichen Waisenhauses. Neben seiner Schwäche für Motoren hat er auch eine für Kinder, was die Leiterin des Waisenhauses genau weiß. Sie hat ihre Pläne mit ihm. Pläne mit ihm hat allerdings auch seine Haushälterin, die alles andere als erfreut ist, als sie von der bevorstehenden Heirat erfährt.


    Mma Ramotswe bekommt inzwischen den Auftrag, den Sohn einer US-Amerikanerin zu suchen, der zehn Jahre zuvor in Botswana verschwunden ist. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Und dann ist da noch ein Ehemann, der beunruhigt ist, weil er glaubt, daß seine Frau sich mit einem anderen trifft. Auf einmal hat Mma Ramotswe richtig viel zu tun. Was liegt näher, als daß sie den Bitten ihrer Sekretärin Mma Makutsi nachgibt und sie zur stellvertretenden Detektivin ernennt?


    Aus diesen Erzählsträngen spinnt der Autor einen erstaunlich überzeugenden kleinen Unterhaltungsroman über Eltern und Kinder und das Familienleben in seinen unterschiedlichsten Formen. Äußerst gemächlich wird die Sache von allen Seiten beleuchtet, Waisenkinder, eheliche Kinder, außereheliche Kinder, Mutterliebe, Vaterliebe, unterschiedliche Sitten und Gebräuche - es gibt verschiedene Volksgruppen dort am Rand der Kalahari - , das ganze Verhältnis zwischen Alt und Jung.
    Dabei ist das Buch auch ein echter Krimi, ein Todesfall wird aufgeklärt. Gegen die üblichen Erwartungen verstößt das Ziel des Ganzen: es geht nicht darum, einen Schuldigen dingfest zu machen und zu bestrafen, sondern darum zu erfahren, was genau passiert ist. Es werden eher moralische Fragen diskutiert, als juristische Schuld bewiesen.


    Erzählt wird in einem Tempo, das mehr als gemütlich zu nennen ist. Man erfährt eine Menge über Sitten und Gebräuche in Botswana, vorzugsweise unter dem Aspekt des common sense, des Mutterwitzes und mit freundlichem Humor. Der Autor ist aber klug genug, Vereinfachungen zu vermeiden, der Fingerzeig darauf, daß das Leben eben doch recht komplex ist, und ein gutes Herz vor gar nichts schützt, kommt immer rechtzeitig, und sorgt ganz am Schluß noch für eine gelungene, in ihren Konsequenzen allerdings recht traurige Überraschung.


    Wem es gelingt, sich beim Lesen nicht nur auf ein höchst gemächliches Erzählen, sondern auch auf die fremde Welt Botswanas mit all den merkwürdigen Namen einzulassen, wird einige sehr angenehme Lesestunden in der Gesellschaft liebenswerter Menschen verbringen.


    Dieses Buch ist der zweite Band aus der Reihe um die No. 1 Ladies’ Detective Agency. Für mich war es das erste Buch der Serie, ich hatte aber keinerlei Probleme, zu den Personen hin - und in die Geschichte hineinzufinden, da sehr detailliert beschrieben wird, wer wer ist, wie die Personen zusammenhängen, und wie es eben so zugeht in Botswana. Ich werde bei Gelegenheit bestimmt zu einem anderen Band dieser schön ausgedachten und charmant präsentierten Krimireihe greifen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich versuche die Reihe schoen in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Und eigentlich will ich zwischen den einzelnen Titeln etwas Zeit verstreichen lassen, damit es nicht zu schnell zu eintoenig wird. Aber das klappt nicht so richtig. Die Geschichten gefallen mir so gut, dass ich gar nicht schnell genug nach dem naechsten greifen kann.


    Der englische Titel "Tears of the Giraffe" ist uebrigens auch wieder ein kleiner Hinweis auf die im Buch verstreuten Einblicke in die Kultur Botswanas. Und genau das macht mir die Buecher so sympatisch. Ich kenne das Land ueberhaupt nicht und bekomme das Gefuehl, da koennte ich mich zu Hause fuehlen.


    Nein, dies ist kein Thriller voller Aktion, es geht etwas langsamer zu. Auch wenn magali das Tempo eher "gemaechlich" findet, ich finde es genau richtig. Es passiert mehr als genug, da les ich wirklich stellenweise mit angehaltenem Atem - die "Aktion" kommt eben manchmal in Nebensaetzen ganz klein daher und hat doch enorme und langanhaltende Wirkung auf den Leser.


    Letztlich bleibt fuer mich nur die Frage offen, wie realistisch das Bild von Botswana ist, dass der Autor uns da beschreibt. Er zeigt gute und nicht so gute Seiten, es ist nicht alles Idylle auch wenn man sehr deutlich die Liebe zum Land spuert. Dennoch bin ich mir nicht so ganz sicher, kenn das Land ja gar nicht. Wuerd gerne mal mehr ueber Botswana hoeren.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • hach, ein schöner Schmöker. Das war jetzt, glaube ich, das dritte Buch das ich rund um Mma Ramotswe und ihre Detektivagentur gelesen habe und auch dieses hat mir wieder viel Spaß gemacht.


    Es ist - wie bei den anderen Büchern auch - kein wirklicher Krimi, auch wenn ein Toter, eine Pistole und die Polizei drin vorkommen. viel mehr sind es Geschichten aus einem einem uns völlig fremden Land und von seinen Menschen, die meisten davon sehr liebevoll, aber ein paar Bösewichte gibt es eben auch.


    Der Schreibstil ist dabei wieder gewohnt einfach, trotzdem ist das Buch nicht langweilig sondern eher leicht und fluffig und auch der Humor kommt nicht zu kurz.

  • Ich habe die Originalversion gelesen, und möchte sie uneingeschränkt empfehlen! Hier meine Rezension.
    ***



    Es handelt sich hier um den zweiten Band in der Reihe "The No. 1 Ladies' Detective Agency" um die liebenswerte und pfiffige Detektivin Precious Ramotswe aus Botswana. Man merkt deutlich, dass ihr Schöpfer, der in Afrika geborene Schotte Alexander McCall Smith, sich auf eine längere Reihe eingestellt hat. Denn der zweite Band mag zwar auch für sich genommen lesbar sein, seine volle Bedeutung erhält er jedoch erst, wenn man auch den Vorgänger kennt.


    Für mich war dieses Buch jedoch in manchen Aspekten noch besser als der Einstiegsband, und erhält daher auch 5 Sterne. War der erste Band noch in vielem sehr andeutungsweise, und auch von den erzählten "Fällen" her eher episodisch, hat sich in diesem Band der Autor schon mehr auf seinen Stil "eingeschossen". Er hat sich sogar ganz konkret mehrere Themen vorgenommen, und es werden auch nur zwei Fälle geschildert - einer davon sogar sehr ausführlich.


    Man kann das Buch aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Da wäre erstens der persönliche Aspekt. Mma Ramotswe und ihr Verlobter, der etwas tumbe, aber herzensgute J. L. B. Matekoni, bereiten sich sowohl innerlich als auch konkret auf ihre Hochzeit vor. Da geht es um die Wahl des Wohnsitzes, um faule Hausangestellte, teure Verlobungsringe, und - wer hätte das gedacht - zwei unerwartete Adoptivkinder. Es ist einfach herzerfrischend, wie sich diese zwei ungleichen Charaktere einander annähern, immer wieder mal unsicher sind, aber durch teils wirklich ulkige Wendungen doch wieder sich versöhnen.


    Der zweite wichtige Aspekt ist ein thematischer. Ich vermeinte förmlich riechen zu können, wie der Autor sich am Schreibtisch die Hände rieb, und sich darauf freute, dem Leser Botswana mit all seinen Facetten nahebringen zu können! Genauer gesagt, geht es um diverse Aspekte der Höflichkeit, der Etikette und Erziehung. Wie begrüßt man sich, wie geht man miteinander um, wie nimmt man ein Geschenk an, wie steht es um Bescheidenheit und Nachbarschaftshilfe, wie um die Erziehung der Jugend, und und und. Ganz nebenbei geht man so aus der Lektüre bereichert hervor - nämlich bereichert um ein farbiges Bild eines afrikanischen Landes, das zu Recht stolz auf sich ist.


    Der dritte Aspekt ist - schließlich und endlich - der kriminalistische. Doch schon im ersten Band wurde ja deutlich, dass der Autor die Reihe nicht in erster Linie als Detektivromane, als reine Spannungslektüre also, versteht. Hier wird das noch viel klarer. Erzählt wird konkret von zwei Fällen, einem am Rande, und einem ausführlich. In ersterem geht es völlig unspektakulär um eine untreue Ehefrau, im anderen um einen vor 10 Jahren verschwundenen Amerikaner. Doch beide Fälle werden benutzt, um tiefsinnig über Sinn und Unsinn von detektivischer Arbeit zu reflektieren. Konkret: was nützen dem Kunden gewisse Ergebnisse, wenn sie weh tun? Ist es wirklich immer die Aufgabe eines Detektivs, dem Kunden die Wahrheit zu 100 % zu sagen? Wann muss man z.B. mehr das Wohl aller Beteiligten bedenken? Mma Ramotswe, grandios unterstützt von ihrer Assistentin Mma Makutsi, findet auch hier ihren höchst eigenen Weg. Man ist als Leser fast beschämt bei so viel Menschenkenntnis und Anteilnahme.


    Der Schreibstil ist, im Vergleich zu Band 1, wesentlich ausgereifter geworden. Und vor allem: der Humor ist hier nicht mehr nur leise, sondern teilweise schon überdeutlich! zwar immer noch augenzwinkernd, aber stets mit erzieherischer Absicht. Männer und Frauen, Ausbilder und Auszubildende, Kunden und Verkäufer, Mechaniker und Motoren - überall ist Raum für lauter Episoden, bei denen herzhaft geschmunzelt werden darf.
    Da kann man sich wirklich nur freuen auf die weiteren Bände. Mma Ramotswe, Sie sind einzigartig!