Aller Tage Abend - Jenny Erpenbeck

  • Titel: Aller Tage Abend
    Autor: Jenny Erpenbeck
    Genre: Roman, Literatur
    Verlag: Knaus
    Auflage: 5. Auflage, 2012
    Preis: 19,99€ (gebunden, mit Lesebändchen :-))



    Diesen Roman habe ich mir aus verschiedenenn Gründen zu Gemüte geführt: zum einen habe ich einmal vor Jahren einen Roman gelesen, der mit Aufschwung betitelt war, von einem mir völlig unbekannten John Erpenbeck, der auf augenzwinkernde, sympathische Art die Kuriosität der Folgen der Wende in Augenschein nimmt. Dieser Roman steht noch immer in meinem Regal, war also ein guter.
    Zum anderen wurde Aller Tage Abend von Dennis Scheck in der Sendung "druckfrisch" gelobt und wärmstens empfohlen und von einer mir bekannten Autorin ebenso.
    Der Spiegel wird im Klappentext zitiert: "Erpenbeck ist unter den Autoren ihrer Generation die leise Poetin. Die Wucht ihrer Sprache liegt nicht in den einzelnen Worten, sondern zwischen den Zeilen."


    Der Klappentext


    Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht? Meisterhaft und lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir »Schicksal« nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem »in seiner eisernen Stube und rechnet«.


    Meine Eindrücke, meine Meinung


    Dieser Roman von Jenny Erpenbeck ist - wie Italo Calvinos "Ein Reisender in einer Winternacht" - für angehende Autoren, Literaturstudenten und deren Profs wahrscheinlich ein MUSS, weil es experimentell ist und verschiedenen Möglichkeiten des Experimentes mit Erzähltechniken und -perspektiven innerhalb eines Romanes aufbietet. Es gibt einiges zu finden, woran man seine Freude haben kann, wenn sie sich auf die erzähltechnischen Aspekte bezieht.
    Auch für Menschen, die sich mit der Geschichte Österreich-Ungarns, insbesondere aber mit Galizien beschäftigt haben und Experimetierfreude lieben, mag es gut sein, dies zu lesen, neue Blickwinkel auszuprobieren. Gehört man aber nicht zu dieser Personengruppe, so ist es problematisch, diesen Roman zu lesen.
    Zum einen müsste ich nebenbei noch Geschichtsbücher bemühen um die Hintergründe besser zu verstehen, da nicht alles, was nötig wäre, aus dem Kontext des Romanes ohne Weiteres erschließbar ist. Zum anderen ist alles, was geschieht, traurig oder trist. Krieg, die Übergangszeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg und das Schicksal, jüdischer Herkunft zu sein - das sind die Hauptthemen. Diese werden durchgespielt in einigen Varianten, kaleidoskopartig. Nicht nur aus verschiedenen Blickwinkeln wird ein und dasselbe Ereignis immer wieder neu erzählt, auch werden für einige zentrale Figuren des Romanes zwei und mehr Varianten der "Zukunft" (vom Ausgangspunkt aus gesehen) erprobt und weitergeführt. Ich fühlte mich an die (sehr interessanten) Filme von Pedro Almodovar erinnert, auch an ein ganz bestimmtes Gedicht von Ingeborg Bachmann und ich denke an das Bild "Guernica" (Picasso).


    Dennoch konnte mich dieser Roman nicht bis zum Ende fesseln, denn das gewählte schwerwiegende Thema ist m.E. eher nicht dafür geeignet, es so zu zersplittern. Mir ging leider der rote Gefühls- und Geduldsfaden verloren. Wozu weiterlesen, wenn mir die Protagonistinnen mehr und mehr gleichgüluig geworden sind? Gleichgültigkeit zu erzeugen ist sicher nicht die Absicht der Autorin gewesen. Doch aufgrund des Durchspielens unterschiedlicher möglicher Lebenswege, verwürfelter Textstellen und und und... ist beim Lesen natürlich ab einem bestimmten Zeitpunkt immer klar, dass das alles nicht wirklich, sondern nur möglich ist. Und daher war ein Mich-Identifizieren-Können nur eingeschränkt möglich. Weniger Experiment wäre in diesem Falle mehr gewesen. Ich habe bis Seite 170 durchgehalten, fand manches auch wirklich beeindruckend, doch ab da konnte ich mich nicht mehr aufrafffen, weiterzulesen, selbst wenn ich vielleicht weitere erzähltechnische Experimente verpassen sollte. Vielleicht lese ich den Rest irgendwann mal quer, ein bisschen Neugier ist gebleiben.


    Hinzuzufügen wäre noch, dass ich mich zuletzt während des Lesens in die Zeit des DDR-Kommunismus bzw. Sozialismus versetzt sah. Die Internas der Sprache und des Systems sind aber leider im Roman so gehandhabt, dass jemand, der nicht selbst in der DDR gelebt hat, nicht unbedingt versteht, was gemeint ist. Ich hatte Mühe, einige Textstellen zu entschlüsseln, obwohl ich alle Romane von Christa Wolf und auch die von Irmtraud Morgner (vor der Wende) gelesen habe, etliche Gedichte der Bachmann kenne, Lieder von Wolf Biermann gesungen habe, sowie auch einiges von anderen Autoren/Dichtern gelesen. Mit einigen Menschen, die aus der DDR geflohen waren, war ich auch befreundet, daher habe ich einen recht guten Einblick in die Problematik der DDR-Kultur und das Leben der Menschen gewonnen (für einen "Wessi"). Wenn das nicht ausreicht, was dann? Mir scheint, es wäre entweder ein Glossar sinnvoll gewesen (und auch Fußnoten) oder man betrachtet dieses Kunstwerk als einen Roman für Hochgebildete und Hochintelligente mit DDR-Vergangenheit, Geschichtswissenschaftler und Literaturprofessoren, der für andere Menschen nur bedingt zugänglich ist.


    Ich gebe daher trotz der poetischen Qualität nur 6 von 10 Eulenpunkten

  • Meine Meinung


    "Aller Tage Abend" ist ein stilles Buch, ein Buch von Geburt und Tod und der Leichtigkeit und den Mühen dazwischen. Der Roman ist weder trostlos noch voller Hoffnung. Fast nüchtern werden hier Menschen und Leben ausgeleuchtet - schonungslos, aber nicht grausam, achtsam, aber nicht liebevoll.


    Stellenweise fand ich den Roman, der nicht durch das Fortschreiten der Handlung sondern durch das schlichte Vergehen von Zeit vorangetrieben zu werden scheint nur schwer zu ertragen.
    Und ich muss leider gestehen, dass ich das Buch nicht bis zu Ende gelesen habe, weil irgendwo auf dem Weg durch das Buch das Ziel für mich verloren ging wie in einem Haufen kluger Gedanken, die aber niemand mehr verstehen kann.


    Es ist ein Roman, der nicht mit Weisheiten und Lösungen dient, vielleicht weil es für manche Fragen keine gibt.


    Trotzdem kann ich leider nur 7 von 10 Eulenpunkten vergeben und ich werde mich wohl noch lange fragen, ob ich das Buch nur einfach nicht verstanden habe.