Auf freiem Feld - Geraldine Brooks

  • Klappentext


    Als Mr. March, liebender Gatte und Familienvater, im Krieg lebensgefährlich verwundet wird, scheint das Band zwischen ihm und seiner Frau zerrissen. Er verliebt sich in eine andere und stürzt damit nicht nur sich selbst ins Unglück, sondern auch noch seine Familie und die Geliebte.


    Ein Roman über die Leidenschaft zwischen einem Mann und einer Frau, über die Liebe zwischen Eltern und Kindern und die lebensgestaltende Kraft des Glaubens.


    Meine Meinung


    „Das Pesttuch“ hatte mich schon begeistert, „Auf freiem Feld“ hat meine sehr hohen Erwartungen weit übertroffen. Mit Recht hat Geraldine Brooks 2006 für diesen Roman den Pulitzerpreis erhalten.
    „Auf freiem Feld“ basiert auf dem Leben von Amos Bronson Alcott, einem amerikanischen Philosophen, Schriftsteller und Visionär, Vater der Schriftstellerin Louisa May Alcott. Louisa May Alcotts Roman „Little Women“ (dt.: Betty und ihre Schwestern) hat sehr autobiographische Züge und erzählt die Geschichte der Schwestern Alcott. „Auf freiem Feld“ erzählt nun die Geschichte aus deren Vaters Sicht. Dabei hält Geraldine Brooks sich nicht ausschließlich an historische Quellen, Tagebüchern und Louisa May Alcotts Romanen, sondern lässt auch ihrer dichterischen Freiheit ihren Lauf, was schon daran deutlich wird, dass die Figuren andere Namen tragen. In ihrem Nachwort klärt die Autorin den Leser über Fiktion und Wahrheit auf und rundet ihren großartigen Roman damit perfekt ab.


    Mr. March, ein Idealist, Denker und Prediger zieht für den Norden in den Sezessionskrieg und wird sehr schnell mit den Schrecken des Krieges konfrontiert, muss seine Hilf- und Machtlosigkeit begreifen und mit ansehen, dass der Traum von der Sklavenbefreiung nicht unblutig und ohne Rückschläge umzusetzen ist. Aber er verliert seine Ideale und auch seine Hoffnungen nicht, bis ihn sein Gewissen plagt…


    „Auf freiem Feld“ ist kein Roman, den man so nebenbei lesen sollte, vielmehr sollte man sich ausreichend Zeit für die Geschichte nehmen und Geraldine Brooks schriftstellerische Fähigkeiten genießen. Stilistisch und sprachlich gehört dieses Buch sicherlich zu den etwas anspruchsvolleren, aber keineswegs langatmigen oder schwierig zu lesenden Romanen. Von Beginn an war ich gefesselt, fasziniert und in Mr. Marchs Welt eingetaucht. Besonders gut hat mir gefallen, dass Mr. Marchs gegenwärtige Ereignisse, z.B. das Schreiben eines Briefes an seine Frau, zu früheren Erinnerungen führen. So erlebt der Leser auf sehr fesselnde Art um die 20 Jahre aus Mr. Marchs Leben, ohne dass es je langweilig wird. Auch die historisch bekannteren Persönlichkeiten sind gekonnt eingebunden, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Sie haben tatsächlich zu gleichen Zeit wie Amos Bronson Alcott gelebt und auch mit ihm regen Umgang gepflegt, wie die Autorin den Leser im Nachwort wissen lässt.


    Inhaltlich war ich unglaublich fasziniert. Da ich Dank „Vom Winde verweht“ und „Fackeln im Sturm“ ein wenig über den Sezessionskrieg und seine Hintergründe weiß, gab es viele, wunderbare Aha-Momente und eine erneute Begegnung mit bekannten Ereignissen und Personen. Sicherlich schafft es „Auf freiem Feld“ nicht, das vage Wissen zu erweitern, aber es hat sich mir stärker und unvergesslich eingeprägt. Aber das ist auch nicht die Absicht dieses Romans. Vielmehr geht es um einen Mann mit Visionen, einem unverbesserlichen Idealisten, der irgendwann erkennen muss, dass alles seinen Preis hat und nichts ohne Kompromisse verändert werden kann. Der Leser erfährt viel über die Sklaverei, vor allem während des Krieges, wie sich die Ansichten der Menschen jeder Hautfarbe ändern, wie schwer es den befreiten Sklaven fällt, ein freies Leben zu führen. Der Krieg und die Sklavenhaltung bzw. Sklavenbefreiung stehen zwar im Vordergrund, aber Geraldine Brooks vergisst dabei nicht einen Moment die Menschen und Emotionen, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Hoffnungen, die jeder in diesen Krieg legt, Hoffnungen unterschiedlichster Art.


    Geraldine Brooks erzählt ihre tief gehende Geschichte sehr schonungslos, ehrlich, ergreifend und vor allem eindringlich. Nicht einen Moment fehlte mir die Vorstellungskraft, im Gegenteil, Dank der großartigen Beschreibungen der Autorin konnte ich fast das Blut riechen, die Schreie hören und die Tränen schmecken. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz, Mr. March erzählt seine Erinnerungen mit viel Witz und einer gesunden Portion Selbstironie. Ich glaube, kein Gefühl kommt in diesem Roman zu kurz. Lachen, Weinen, Hassen, Lieben, Freude, Traurigkeit, alles liegt hier sehr nah beieinander.


    Die Charaktere sind unglaublich lebendig und facettenreich. Es gibt kein schwarz-weiß, sondern sehr viele Grautöne. Selbst die Nebenfiguren gehen in ihrer Charakterisierung sehr tief. Die ganze Zeit habe ich neben den Figuren die Geschichte erlebt und mich nie als außenstehender Beobachter gefühlt, sie wurden zu Familie, Freunden und Feinden.


    Ich möchte diesen Roman über Ideale und Hoffnungen, über Krieg und Versklavung, Liebe und Freiheit jedem eindringlich ans Herz legen, der gerne auf eine etwas andere Art erzählt bekommen möchte, was der Sezessionskrieg bedeutete. Für mich ist „Auf freiem Feld“ ein Roman, der immer in Erinnerung bleiben wird.


    Meine Bewertung


    10 von 10 Punkten

  • Danke für dies e schöne Rezension. Ich habe das Pesttuch auch mit Begeisterung gelesen und freue mich "Auf freiem Feld" eines Tages zu lesen.
    Ab auf meine Wunschliste: die ist schon bei 242 Büchern. Wenn ich nicht bald im Lotto gewinne, wird das nichts... :cry

  • ... 10 Jahre später... :grin


    Ein Hinweis vorab: Der Klappentext bezieht sich eigentlich auf das letzte Drittel des Buches und ist zudem noch irreführend. Ärgerlich.



    Meine Meinung:


    Mr. March unterstützt als Geistlicher die Truppen im Amerikanischen Bürgerkrieg, um seiner Überzeugung zu folgen und seinen Beitrag zur Aufhebung der Sklaverei zu leisten. Doch das, was er dabei erlebt, ist zu schrecklich, um es seiner daheimgebliebenen Familie (Frau und vier Töchter) zu schreiben. Und so stehen seine zahlreichen Briefe, die voller Optimismus, Durchhalteparolen und abgemilderten Beschreibungen einzelner Ereignisse im krassen Gegensatz zu der Realität, die für March (und den Leser) kaum zu ertragen ist. Diese Briefe sind nicht nur der einzige Kontakt zu seiner Familie, sondern zugleich Ausgangspunkt für Erinnerungen an wichtige Ereignisse in seinem Leben, die er so eindrücklich Revue passieren lässt, dass der Leser das Gefühl bekommt, direkt daran teilzuhaben. Das ist vor allem auf Brooks' Erzählkraft zurückzuführen, die den Leser von Beginn an mitreißt, seine Aufmerksamkeit fesselt und bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt.


    Auch ohne "Betty und ihre Schwestern" (OT: Little Women" von Louisa May Alcott) zu kennen, von dem sich Geraldine Brooks zu diesem Roman hat inspirieren lassen, ist "Auf freiem Feld" ein beeindruckender Roman, der zum Mitfühlen, Mitleiden und Nachdenken anregt - über Schuld, Vergebung, Liebe, Freundschaft, Menschlichkeit und nicht zuletzt die Sinnlosigkeit des Krieges und zwar nicht nur dieses, sondern jedes Krieges. Es ist allerdings gut vorstellbar, dass dieser Roman für Leser, die "Betty und ihre Schwestern" kennen, noch einige Facetten mehr bereithält.


    In einem recht ausführlichen Nachwort erklärt die Autorin schließlich, in welchem Zusammenhang die Geschichte entstanden und wie sie einzuordnen ist, was auf historischen Quellen beruht und was ihrer schriftstellerischen Freiheit zu verdanken ist.


    Von mir 10 Punkte. :-]