ZitatOriginal von melancholy
Ich wüsste auch nicht, welchen Schaden man davon trägt, außer - und hier spreche ich nicht unbedingt von Schaden für die Person sondern eher als Schaden für den Glauben - dass einem der Glaubensweg in gewisser Weise schon vorgelegt wird. Als Säugling entscheidet man sich nicht bewusst dazu, einer Religion anzugehören. Und das ist meines Erachtens der springende Punkt. Man muss sich bewusst dazu entscheiden! Und dazu finde ich es wesentlich, das Kind mit allen Religionen zumindest bis zu einem gewissen Grade vertraut zu machen, erst dann hat es als Jugendlicher/Erwachsener die Möglichkeit, sich wirklich bewusst für den Katholozismus (Beispiel) zu entscheiden.
Ich verstehe deinen Standpunkt durchaus, nur glaube ich nicht, dass er in irgendeiner Form realistisch ist. Eltern sind prägend für ihre Kinder und für religiöse Eltern ist ihre Religion Teil ihrer selbst. Sie leben ihre Religion und ihr Leben findet nun einmal gemeinsam mit ihrem Kind statt. Wie kann man diese beiden Dinge trennen, ohne dass ein Bruch zwischen Eltern und Kind geschieht? Jedes Kind nimmt bestimmte Dinge seiner Eltern an, seien es nun Ausschnitte aus der Kultur, Meinungen, Lebensweisen, die Art, wie die Wäsche gebügelt wird. Lassen wir mal die Taufe als Beispiel weg, denn sie ist nur ein Bruchteil der Religion. Wie gesagt, nur ein wenig Wasser, mehr nicht. Prägender ist doch die effektive Ausübung der Religion. Das Beten, die Messen, damit verbundene Bräuche. Sagen wir mal, die Eltern lassen ihr Kind nicht taufen, aber sie selbst sind religiös und üben ihre Religion aus, dh. sie beten, besuchen die Messe, usw. Nun ist das Kind ungetauft, aber es ist doch tagtäglich von der Religion der Eltern umgeben. Die Taufe ist im Vergleich dazu doch völlig nebensächlich. Was wirklich prägend ist, ist doch dieser tagtägliche Kontakt. Und davon kann man - wie man es auch anstellt - ein Kind doch nicht 'beschützen'. Ob man das Kind nun tauft oder nicht, macht für mich ehrlich gesagt absolut keinen Unterschied.
ZitatDie Taufe hinterlässt vielleicht keinen Stempel, allerdings steht es in den Papieren und zumindest hierzulande ist es so, dass ein Kind mit katholischer Konfession den katholischen Religionsunterricht besuchen muss (!).
Gut, ich will diesbezüglich nichts sagen. Ich denke mal Deutschland und Italien unterscheiden sich diesbezüglich. Der Religionsunterricht ist bei uns jedoch das, was der Name schon sagt: Unterricht über die Religion. Alle. Klar malt man in der Grundschule Noah und die Arche voller Tiere, aber das Programm passt sich dem Alter der Kinder an und sobald diese alt genug sind, um einen Unterschied zwischen den Religionen zu begreifen, fließen normalerweise auch derartige Inhalte in den Unterricht mit ein. Zumindest war das bei mir so. Ich bin nicht aufgewachsen, ohne neben meiner eigenen Religion, auch alle anderen kennen zu lernen.
ZitatUnd ganz ehrlich, es gibt genügend Eltern, die ihr Kind nicht aus Glaubensgründen sondern gesellschaftlichen Zwängen taufen lassen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Glauben zu tun, sondern ähnelt einem Vereinswesen.
Sicher, die gibt es. Es gibt auch genügend Eltern, die ihren Kindern den Glauben wirklich aufdrängen. Das heiße ich in keinster Weise gut.
ZitatEs ist GRAUSAM ein Kind in Beziehung auf die eigene Kultur und/oder Religion völlig außen vor zu lassen? Nur, weil man selbiges Kind nicht taufen lässt?
Die Taufe ist doch eigentlich nur ein Beispiel. Ich spreche immer von der Religion als großem Ganzem. Taufe, Erstkommunion, Firmung, das sind vielleicht Meilensteine, aber prägend ist doch das ganze Zwischendrin. Die effektive Ausübung der Religion. Und zu versuchen ein Kind von etwas auszuschließen, was einen Teil des elterlichen Lebens darstellt, finde ich durchaus grausam. Ich nehme mal das banale Beispiel eines Hobbys: Daddy sammelt Briefmarken, verbringt viel Zeit mit Sammeln, Ablösen, Sortieren, Tauschen. Sohnemann kriegt das natürlich mit (Kinder sind in dieser Beziehung ja echte Blitzmerker). Wenn ein Elternteil regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg sich intensiv mit etwas Derartigem beschäftigt, dann ist es utopisch anzunehmen, Sohnemann würde davon nicht beeinflusst werden und bis zu einem gewissen Punkt findet er Daddys Hobby sicherlich interessant, spannend oder er ist einfach neugierig. Aber Daddy will, dass sein Sohnemann sich selbst ein Hobby sucht und entscheidet, was er gerne in seiner Freizeit machen würde, ohne dass er Daddys Hobby als Vorbild nimmt, also lässt er Sohnemann außen vor. (okay, das Beispiel ist bescheuert merk ich grad, aber ich hoffe, man erkennt, worauf ich hinaus will...) Ich fände das ja arg daneben. Das Briefmarkensammeln ist in diesem Falle Teil des Lebens seines Vaters und der Knirps kann doch auch entscheiden, dass er später einmal nicht Briefmarken sammeln will, obwohl er in seiner Kindheit damit intensiv in Berührung gekommen ist. Oder eben gerade deshalb. Warum sollte es mit der Religion anders sein? Der Vater sollte sich ja auch nicht gezwungen fühlen, sein Hobby aufzugeben oder zu verstecken, damit sein Kind die Entscheidung eines Hobbys später für sich selbst treffen kann. Und wenn er seinem Sohn ein Briefmarkenalbum schenkt und ihn dazu anregt, selbst Briefmarken zu sammeln, begeht er damit keine Straftat und wird auch das Leben seines Kindes damit nicht ruinieren. Klar, es ist ein Einfluss, aber die Eltern sollten ja auch einen Einfluss auf ihre Kinder haben. Dabei färben Dinge ab und in anderen Punkten gehen die Wege von Eltern und Kinder völlig auseinander, wenn die Kinder erwachsen werden. Deshalb finde ich es abwegig ein Kind von der Religion der Eltern auszugrenzen, damit es... ja, was eigentlich? Unvoreingenommen bleibt?
ZitatWas ist denn bitte schon die "eigene" Kultur und wieso setzt du diese mit Religion gleich? Religion ist doch keine Kultur, in der man aufwächst, sondern eine festgelegte Glaubenseinstellung.
Wo liegen denn die Unterschiede? Religion ist ein Teil der Kultur, wenn man es genau nimmt.
ZitatIch glaube kaum, dass es für ein Kind grausam ist, wenn ihm keine bestimmte Glaubenseinstellung vorgelegt wird.
'Vorgelegt' ist das falsche Wort. 'Vorgelebt' sollte es heißen. Und ich wüsste nach wie vor nicht, wie die Eltern verhindern sollten, dass sie ihrem Kind ihre Kultur vorleben. Wie gesagt, wenn ich religiös bin, ist die Religion Teil meines Lebens. Habe ich nun ein Kind, kann ich auf diesen Teil meines Lebens verzichten, damit mein Nachwuchs innerhalb meiner Familie nicht damit in Berührung kommt. Aber das wäre absolut dämlich. Und seinen Glauben im Geheimen auszuüben umso mehr. Also bleibt man religiös und zieht die Kinder mit rein, egal ob man es nun mit Taufe und Firmung traditionell ganz bewusst macht, oder nicht. Irgendwie hängen sie da mit drin und ganz ehrlich? Ich kann daran nichts Schlimmes sehen. Das Kind wird dann erwachsen und kann sich entscheiden, ob es den Glauben weiterhin ausüben will oder nicht. Liegt die Problematik dann wirklich darin, dass auf irgendeinem Papier steht, dass dieser Mensch getauft worden ist? Fesselt ihn das an irgendetwas?
ZitatZudem hat selbiges Kind ja immer die Möglichkeit, auf die "Grausamkeit" es nicht getauft gelassen zu haben, aufmerksam zu machen und seine ihm so grausam vorenthaltene Konfession einzufordern. Und sobald ein Kind dazu in der Lage ist, sich über eine etwaige Konfessionslosigkeit zu empören, ist es auch in der Lage, die Situation zu ändern.
Eben. Sobald das Kind groß genug ist, kann es ja selbst entscheiden, ob es mit dem Glauben der Eltern etwas anfangen kann, oder nicht. Ein paar Tröpfchen Wasser oder eine Beschneidung sollten da eigentlich kein Hinternis sein.
ZitatNicht getauft zu sein, heißt ja nicht, dass man keine Religion ausüben kann.
Ich finde es etwas bedenklich, dass wir so dermaßen an dieser Taufe hängen geblieben sind. Als wäre sie DER Mittelpunkt des katholischen Glaubens.
Wie gesagt, man kann auch nicht religiös sein, wenn man als Kind getauft wurde.
Zitat"Religion ist IMMER ein Teil von EINEM selbst?" Entschuldige, aber das ist eine Verallgemeinerung, denn du sprichst da nur für einen (recht bescheidenen) Teil der Bevölkerung. Für mich ist Religion kein Teil meiner selbst, wie denn auch, wo ich doch keine habe. Deswegen feht mir aber auch nichts.
Wie bereits vorhin erwähnt, bezog ich das auf religöse Menschen. Natürlich ist Religion nicht ein Teil eines nicht religösen Menschens. Tut mir leid, wenn ich das missverständlich ausgedrückt habe, aber ich dachte eigentlich, das verstehe sich von selbst ![]()
(Ich würde zudem das "recht bescheiden" weglassen, denn ich glaube die Zahl aller Gläubigen weltweit übersteigt (noch) die Zahl der Atheisten, bzw. der Nichtgläubigen)
ZitatDer Mensch ist denke ich nicht unbedingt für Religion prädestiniert, daher lebt keiner sein Leben nur ungenügend aus, wenn er keine Religion praktiziert.
Viele Religionen halten sich nun doch schon einige Jahre, der Glauben an Götter ist uralt. Natürlich kann man ein erfülltes Leben auch ohne Religion leben, das würde ich niemals bezweifeln. Man kann sicher auch ein erfülltes Leben ohne das Internet haben, aber ich hänge trotzdem sehr daran ![]()
ZitatDeine Eltern haben dich miteinbezogen, indem sich dich taufen ließen? Siehst du, und ich sehe es andersrum: Meine Eltern haben mich einbezogen, indem sie mich NICHT taufen ließen.
Naja, fast. Meine Eltern haben mich miteinbezogen, in dem sie mich an ihrem Glauben teilnehmen ließen. Inzwischen bin ich erwachsen und entscheide selbst, aber ich habe rückblickend nicht das Gefühl, dass meine Eltern mir irgendetwas aufgezwungen haben. (klar, es war manchmal echt blöde Sonntag Morgens aufzustehen, um zur Messe zu gehen. Andererseits bin ich teilweise unter der Woche schon um fünf Uhr aus dem Bett, weil ich beim Frühgottesdienst ministriert habe und darauf mächtig stolz war)
ZitatWieso sagen Katholiken zu ihrem Gott "und führe mich nicht in Versuchung"? Wieso sollte es der "Allmächtige" nötig haben, jemanden in Versuchun zu führen.
Mir hat man früher beigebracht, dass 'in Versuchung führen' in diesem Fall 'prüfen' bedeutet. Ich bin kein Theologe und kann mich natürlich irren. Aber du sagst ja selbst:
ZitatMan hat das Gefühl, jeder legt sich die Glaubensinhalte so zurecht, wie sie einem grade am besten passen.
Ich zähle diese 'Wortklauberei' mal dazu. Natürlich kann auch das Vater Unser je nach Bedarf entsprechend zerlegt werden.
ZitatWenn man glaubt, dass Gott einem Hilft, ist das meiner Ansicht nach kein Glauben an sich selbst, sondern Glauben daran, dass man selbst hilflos ist und Hilfe von Gott (weil man z.B. ein braver Christ war) erwarten darf.
Im Gegenteil, ich denke, Glaube an einen Gott/höheres Wesen/alles, was im Irdischen nicht fassbar ist, schwächt vielmehr als dass es hilft. Der Glaube an einen Selbst ist es, der einen aus Krisen raushilft, Krankheiten überwinden lässt, etc.
Ganz schön harte Worte. Etwas unfair, wie ich finde. Millionen Menschen schöpfen in schwierigen, teils auswegslosen Situationen Kraft aus ihrem Glauben an einen Gott/mehrere Götter und du behauptest, sie würden sich damit allesamt ins eigene Knie schießen?
ZitatGlaubt man hingegen an ein schöneres Leben im Jenseits, hat es wenig Sinn, sich im Diesseits noch einmal so richtig aufzuraffen und seinem Leben doch noch eine schöne Seite zu verleihen.
Wir armen, selbstmordgefährdeten Katholiken ![]()
Jetzt mal im Ernst: Meine Oma ist vor zwei Wochen verstorben. Ich finde den Gedanken, dass sie jetzt im Paradies sitzt und über mich wacht weitaus schöner und tröstlicher, als dass sie ins schwarze Nichts verschwunden ist.