Ich habe das Buch gestern hervorgeholt und mit dem Wiederlesen begonnen. Da ich gestern und heute viel Lesezeit hatte, bin ich schon zur zweiten Frau vorgerückt.
Dass die Lektüre stellenweise sehr bedrückend ist, stimmt vollkommen. Der "Held" Bjartur scheint völlig emotionslos zu sein. Die Zustände seiner beiden Frauen, denen er unnötige Härten zumutet, tut er als "Herzkrankheit" ab. Dass die ganze Familie auflebt, als endlich eine Kuh in den Stall kommt und Milch auf den Speisezettel kommt, bemerkt er kaum. Im Gegenteil; dass die Kinder in der freundlicheren Familienatmosphäre weniger zanken und raufen, empfindet er als Verweichlichung.
(Man muss allerdings zugestehen, dass er sich selbst gegenüber kaum weniger hart ist. Bei Wintereinbruch, es schneit bereits, übernachtet er in einer Höhle. Und um während der Nacht nicht zu erfrieren, steht er, man höre und staune, im Lauf der Nacht mehrmals auf und dreht die Platte des Steintischs um. Die Platte wiegt, so der Autor, fünf Zentner. Bjartur dreht sie fünfmal hintereinander um, dann ist ihm wieder warm, und er kann wieder ein, zwei Stunden schlafen, dann steht er wieder auf ...
)
Der Gipfel der Fremdartigkeit war für mich erreicht, als der Bauer zum Gemeindevorstand geht, um den Tod seiner ersten Frau zu melden.
Obwohl die Tote allein im Haus liegt und das Neugeborene, offenbar seit mehreren Tagen ohne Nahrung, in der Obhut der Haushündin (!) zurückgeblieben ist, trinkt der Mann erstmal in Ruhe beim Pfarrer Kaffee und redet eine Weile ums Thema herum, ehe er damit herausrückt, was geschehen ist. Der Pfarrer bietet ihm auf der Stelle eine neue an, eine Witwe, die dringend einen neuen Mann braucht, da sie auch eine alte Mutter zu versorgen hat ...
Die Verhältnisse sind unglaublich. Allerdings verstehe ich vor dem Hintergrund dieser Geschichte auch manche zeitgenössische Literatur, vor allem die düsteren Krimis von Arnaldur Indridason, um einiges besser.