So, nun bin ich auch endlich da. Ich habe gerade den ersten Abschnitt beendet und bin sehr angetan. Stilistisch schön, wie immer, entwickelt sich die Geschichte in einem mir sehr lieben Tempo: nicht zu schnell, nicht zu langsam.
Wider Erwarten hat die Geschichte mich gleich in Hamburg abgeholt – einen leisen Verdacht hatte ich ja doch, dass es mir ähnlich wie harimau geht und ich erst in China richtig Geschmack an der Geschichte finde.
Aber nein, dem war nicht so. Viele Hinweise werden gestreut, die von meinen Vorposten beschworene schwarze Wolke dräut, und Viktoria macht, allen Lektorinnen zum Trotz, was Menschen immer und überall und selbst im Deutschland oder England von 1870 gemacht haben: Sie geht mit ihrem Angebeteten in die Büsche, um ihn nicht zu verlieren. Menschlich, allzu menschlich. Erstaunlicherweise sind die Folgen für sie (gesellschaftliche Ächtung) nicht sonderlich schlimm, es findet sich sogar ein Heiratskandidat. Ist das realistisch? Oder hat man's eben doch nicht ganz so eng gesehen, wie die einschlägige Literatur uns immer glauben macht?
Ebenso wie harimau gefiel mir der Mutter-Tochter-Dialog ausgesprochen gut. Tragisch, dramatisch und ungemein emotional. Gänsehaut!
Der Sprung nach Schanghai war ziemlich flott und reibungslos, allerdings habe ich auf die zweitausenddrölfste Schiffsüberfahrt auch gut verzichten können. Man kommt ja trotzdem gleich an in der Internationalen Konzession. Hier kommt mein erster Wermutstropfen: Ich sehe die Konzession nicht so recht vor mir, es fehlen Bilder in meinem Kopf. Ich hoffe auf weitere Beschreibungen, denn bei L & L ist mir persönlich das zweite L genauso wichtig wie das erste.
Ein weiterer Punkt, den ich nicht so ganz gelungen fand, war die Einführung des Andrew-Geheimnisses. Nicht, dass es eins gibt, sondern das Wie. Andererseits, irgendwie musst du es der guten Margret ja aus der Nase ziehen...
Richtig klasse hingegen finde ich die Beschreibung von Sassoon und Annette. Die beiden hüpfen richtig vom Blatt!
Und noch besser ist dir mMn die Beschreibung von Vickis Situation als Gesellschafterin gelungen. Dieses Aufbegehren-Wollen-und-nicht-dürfen, dieses Schlucken, wo sie sonst Gift und Galle gespuckt hätte – wunderbar.
Der chinesische Junge ist gut eingeführt, der Jinrikisha-Chinese ebenfalls. Bin gespannt, welche Rollen diesen beiden noch zukommen werden. Überhaupt bin ich gespannt, wie's weitergeht!