Ich bin zwar schon seit gestern nacht fertig, aber ich habe es bisher einfach noch nicht geschafft, meine Gefühle für dieses Buch in Worte zu fassen.
Anna, 18, steht kurz vor dem Abi. Sie lebt in Greifswald an der Ostsee, kommt aus gutem Hause, ist gut in der Schule. Eigentlich weiß sie, was sie nach dem Abi machen will.
Aber dann lernt sie Abel kennen. Abel Tannatek, der "polnische Kurzwarenhändler", von dem niemand weiß, warum er an die Schule kam und den Anna noch nie wirklich wahrgenommen hat.
Aber das ändert sich schlagartig. Denn der schulbekannte Drogendealer hat eine kleine Schwester, um die er sich nach dem Verschwinden seiner Mutter aufopferungsvoll kümmert. Er verkauft Drogen, um an Geld zu kommen.
Anna kommt ihm näher, ihm und der kleinen Micha, seiner Schwester. Abel ist ein begnadeter Erzähler, er erzählt Micha und Anna ein Märchen, ein Märchen, das die Realität wiederspiegelt. In diesem Märchen sterben Menschen, werden ermordet, und in Greifswald geschehen Morde ... wer ist der Mörder?
Nicht Abel ... es darf einfach nicht Abel sein! Denn Anna liebt ihn doch!
Dieses Buch ist wunderschön geschrieben. Aber es ist grausam. Märchen und Realität verschwimmen auf wunderschöne, unendlich tragische Weise miteinander, man lernt Charaktere kennen, und man weiß, jeder davon ist real. irgendwo da draußen gibt es Menschen, die genau so sind, mit ihrem Leid, ihrem Leben und den Folgen. Das ganze Buch ist unendlich emotional, auf jeder Seite schreit einem die Hoffnungslosigkeit entgegen, die man nicht wahrhaben will, denn ein Märchen geht schließlich immer gut aus. Immer. Oder? Oder?!
Es geht unter die Haut, dieses Buch, es tut in der Seele weh, bohrt sich dem Leser ins Herz, setzt sich fest und lässt nie mehr los.
Ich glaube, nie vorher hat ein Buch mich auf solche Weise mitgerissen, ganz und gar in eine Märchenwelt versetzt und dann so tief fallen lassen.
Man kann es fast nicht beschreiben.
Die Empfehlung "ab 14" empfinde ich als absolut irreführend. Mit 14 hätte ich dieses Buch nicht verarbeiten können, hätte vieles nicht begriffen. Manche Dinge wollte ich auch nie wissen. Ich hing mehrmals über dem Buch und habe vor mich hin gestöhnt: "Nein, nicht das, neiin, bitte nicht das."
Ich habe mir die ganze Zeit irgendwie gewünscht, dass alles gut ausgeht, habe mich an jeden Strohhalm, jedes Luftschloss, dass die Protagonisten sich gebaut haben, verzweifelt geklammert um nicht der Wahrheit ins Auge blicken zu müssen.
Eine Empfehlung ab 16 oder gar ab 18 wäre angemessener. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das Buch mit einem psychisch noch nicht ausgereiften, womöglich instabilen Teenager anstellen könnte.