Beiträge von Enchantress

    Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich denke, die "Schachnovelle" in eine Richtung zu interpretieren wäre viel zu kurz gegriffen und würde diesem Meisterwerk nicht gerecht werden.


    Ja, das denke ich auch. Das steckt sehr Vieles drin.


    Zitat

    Original von Regenfisch
    Zweifelsohne war Zweig dieses letzte Werk sehr wichtig. In meiner Ausgabe steht, dass er gleich drei Typoskripte einen Tag vor seinem Selbstmord zur Post brachte. Wie er in einem Brief schreibt, sieht er kein breites Lesepublikum für sein Büchlein, das zu groß für den Abdruck in einer Zeitung, zu klein für ein Buch, zu abstrakt für das große Publikum, zu abseitig in seinem Thema sei. Dennoch vergleicht er sich mit den Müttern," die ihre schwächlichen, anderseits begabten Kinder zärtlich ans Herz drücken." (S.126)


    Das ist sehr interessant, danke.


    Zitat

    Original von Regenfisch
    Meine Antworten darauf sind, dass Zweig auch den psychischen Zusammenbruch eines Menschen aufzeigen wollte, der es schafft, sich aus den Fängen der Nazis zu befreien.


    Ja, das glaube ich auch. Wobei ich es so deute, dass es eigentlich egal ist, aus wessen Fängen er sich befreit. Der Sieg des Geistes über die Diktatur, das ist für mich das Entscheidende.

    Beim Autorenportrait auf amazon.de habe ich gerade Folgendes dazu gefunden:


    Zitat

    Eine neue Krimi-/Thriller-Reihe, die an der deutschen Nordseeküste in Ostfriesland angesiedelt ist, startet am 1. August 2013 mit "Dünengrab" bei Droemer/Knaur.


    :grin Ich würde mich freuen.

    Wer hat's geschrieben?


    Sven Koch, geboren 1969, lebt und arbeitet als Tageszeitungsredakteur in Detmold.


    Nach der Aufnahmeprüfung an den Filmhochschulen München und Berlin entschied er sich für eine journalistische Laufbahn und ist als Redakteur mit dem Schwerpunkt Nachrichten und Kultur tätig. Daneben ist Sven Koch in der künstlerischen Fotografie aktiv und hat in mehreren regionalen Ausstellungen seine Bilder präsentiert. Seit vielen Jahren steht er zudem als Rockmusiker auf der Bühne.


    Koch schreibt seit frühester Jugend. "Purpurdrache", ein Crime-Thriller, ist sein erster bei Droemer/Knaur veröffentlichter Roman rund um die Kriminalpsychologin Alex Stietencron. "Brennen muss die Hexe" lautet der zweite Titel. Weitere sind in Vorbereitung. Eine neue Krimi-/Thriller-Reihe, die an der deutschen Nordseeküste in Ostfriesland angesiedelt ist, startet am 1. August 2013 mit "Dünengrab" bei Droemer/Knaur.


    Worum geht's?


    In dem kleinen Ort Werlesiel an der friesischen Küste verschwindet ein junges Mädchen nachts im dichten Seenebel. Femke Folkmer, Chefin der kleinen Polizeiinspektion, glaubt nicht an einen normalen Vermisstenfall. Aber auch die Schauergeschichte, die die Küstenbewohner sich erzählen, hält sie für eine Mär. Kriminalist Wolf verstärkt ihr Team. Doch statt der Vermissten finden die Ermittler den versteckten Friedhof eines Serienmörders …


    Wie war's?


    Sven Koch hat mit "Dünengrab" einen facettenreichen Küstenkrimi vorgelegt. Der Autor beschreibt dabei die Schauplätze, das Wetter, die Atmosphäre derart authentisch, dass man als Leser das Gefühl hat, mittendrin zu stehen. Die Protagonisten, selbst die Nebenfiguren, sind vielschichtig und realitätsnah angelegt und bewegen sich erfrischend fernab jeglicher Klischees, die man in letzter Zeit gerne in den sogenannten "Regionalkrimis" vorfindet. Der Spannungsaufbau ist durch kurze Kapitel und damit verbundene schnelle Ortswechsel gelungen. Der durchweg flüssige Erzählstil jagt den Leser förmlich durch die Abschnitte. Der Autor führt den Leser auf der Suche nach dem Täter mehrfach in die Irre und selbst, wenn man schon den Täter im Visier hat, kommt man nicht umhin, an seinem Urteilsvermögen zu zweifeln. Für mich ist dieser Kriminalroman jetzt schon eines der Lese-Highlights des Jahres. Von mir gibt es daher konsequenterweise für Top-Krimi-Unterhaltung 10 von 10 Punkten.


    Zitat

    Original von Frettchen
    (Ich bleibe ja immer noch bei meiner Deutung, dass Czentovic für den Nationalsozialismus steht und die Partie gegen ihn symbolisch gemeint war)


    Und da verstehe ich überhaupt nicht, wie Du darauf kommst. ?( Wenn Czentovic tatsächlich symbolisch für den Nationalsozialismus stehen würde, warum hat Zweig ihn dann lediglich mit einer Eigenschaft (Dummheit) ausgestattet bzw. einer zweiten (Geldgeilheit), die aber m.E. aus der ersten resultiert? Der Nationalsozialismus war doch eher deshalb so gefährlich, weil seine Vertreten eben gerade nicht in erster Linie dumme Menschen waren.


    Auch der Anlass der Verhaftung von Dr. B. ist von einem typisch nationalsozialistischen Motiv recht weit entfernt. Natürlich hatte Dr. B. unter der unmenschlichen Folter der Nazis zu leiden und hier würde ich eher eine Parallele zu Zweigs Biografie ziehen, aber Czentovic, der mir wie einer der unpolitischsten Menschen der Welt scheint, stellvertretend für das NS-Regime hinzustellen, geht mir persönlich zu weit. :gruebel


    Letztlich kann ich Czentovic nicht einmal vorwerfen, dass er in den Partien mit Dr. B. die Regeln des Spiels ausgereizt hat. Genau das psychologische Element ist etwas, das sich sämtliche Großmeister zu eigen machen, wenn sie spielen. Dass Dr. B. diese Psychospielchen nicht ertragen hat, ist eine Konsequenz der Folter, die er erlitten hat. Er steigert sich in seinen Wahn und droht, daran zu zerbrechen.


    Als negativen Gegenpart zum Ich-Erzähler und zu Dr. B. sehe ich in der Erzählung eigentlich vielmehr McConnor, den erfolgsbesessenen, machthungrigen Menschen, der auch durch eine Niederlage nichts dazu lernt.


    Es kann natürlich sein, dass Zweig es damals so gemeint hat, wie Du es interpretierst, aber für mich ergibt sich aus heutiger Sicht einfach ein anderer Blickwinkel auf die Geschichte. Früher hat man noch keine Ahnung von Autismus, von Inselbegabungen gehabt. Im Gegenteil, derartige Menschen wurden als Untermenschen klassifiziert und gerade unter den Nationalsozialisten genauso verfolgt, gefoltert und getötet wie der intellektuelle Widerstand. Die Abwertung eines Menschen einzig aufgrund einer geistigen Minderleistung erscheint mir gerade im Hinblick auf die NS-Vergangenheit überhaupt nicht angebracht. Und wie oben schon erwähnt, ist die geistige Zurückgebliebenheit das einzige, was Zweig nur negativen Einordnung von Czentovic anführt und diese Einordnung wird durch die Bank durch intellektuell überlegene Menschen vorgenommen.


    Gerade auch Czentovics Reaktion auf das verlorene Spiel (Umwischen sämtlicher Figuren statt sich stolz geschlagen zu geben, indem er den König liegt), zeugt für mich von einem schlichten Gemüt, von fehlender geistiger Reife. Aber kann man Czentovic das wirklich zum Vorwurf machen? Kann man ihn deshalb als personifizierten Nationalsozialismus darstellen? Das fällt mir schwer.

    Wiederaufnahme für die Leserunde:


    Black Metal und EBM haben recht wenig gemeinsam, findet Dylan Perk, der cholerische Sänger der Electro-Band RACE. Für eine Festival Tournee muss er allerdings über seinen Schatten springen, denn ausgerechnet die norwegische Black Metal Band Wooden Dark, mit ihrem gefürchteten Frontmann Thor Fahlstrøm, soll mit von der Partie sein. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen stellt sich heraus, dass sich der streitsüchtige Dylan und der geheimnisvolle Thor in nichts nahe stehen. Ein Kampf um Macht und Stärke beginnt, in dem Dylan gefährlich dicht an seine Grenzen gerät – und letztendlich doch seinen Gefühlen unterliegt. In dieser Geschichte stoßen zwei Männer aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können, sich dennoch wie magisch anziehen. Dieses Buch kreischt und flucht, ist gefüllt mit Liebe und Hass, erinnert an den Klang einer schaurigen Melodie.

    Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich habe noch nie einen so eindrücklichen Bericht psychischer Folter gelesen.


    Ja, da bin ich bei Dir, aber die Anklage dieser Schilderung richtet sich in meinen Augen gegen diese Art der Folter. Ob sie nun wirklich schlimmer ist als das, was den Menschen in en Konzentrationslagern widerfahren ist, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen. Gibt es ein "etwas weniger als grausames Grausam"?


    Dennoch als eine Anklage gegen die nationalsozialstischen Ideologien im Allgemeinen sehe ich persönlich nicht. Dafür stellt diese Folter in meinen Augen einen viel zu kleinen Ausschnitt des nationalsozialistischen Treibens dar und verkörpert nur einen Bruchteil der gesamten Ideologie.

    Sehr faszinierend, die Geschichte von Dr. B. Ich habe mich gefragt, wie ich wohl mit diesem Nichts in seiner Hotelzelle umgegangen wäre. Mir kam auch zuerst in den Kopf, dass ich vermutlich versucht hätte, meine nur sehr latent vorhandenen Kopfrechenkünste auszubauen. Eindrucksvoll, wie seine Gier nach dem Buch beschrieben wurde als er es erst einmal in der Manteltasche ausgemacht hatte.


    Eine echte Anklage gegen den Nationalsozialismus sehe ich hingegen noch nicht wirklich. Natürlich wird klar, dass das Verhalten der Gestapo gegenüber Dr. B. unmenschlich ist, aber ich habe auch herausgelesen, dass Dr. B. ein gewisses Verständnis für die Auflehnung der Proletriats gegen den abgeschafften, aber immer noch vermögenden Adel andeutet.


    Inwiefern Czentovic jetzt den Nationalsozialismus verkörpern soll, erschließt sich mir persönlich an dieser Stelle jetzt (noch?) überhaupt nicht. :gruebel

    :wave Ich habe jetzt auch den Einstieg geschafft und bin ganz fasziniert von der Erzählweise. Für mich ist es auch die erste Begegnung mit Zweig. In der Schule habe ich mitbekommen, dass die Schachnovelle in den Parallelkursen gelesen wurde. Mein Deutschlehrer hat mir durch seine merkwürdige Literaturauswahl lange das Lesen vermiest und ich hole nach und nach die Defizite des Unterrichts auf.


    Bei Mirko Czentovic habe ich auch den Eindruck, dass er heutzutage sicher als Autist eingestuft werden würde. Das Schachspiel scheint tatsächlich seine Inselbegabung zu sein. Schach ist tatsächlich ein "Spiel", bei dem der Zufall keine Rolle spielt, sondern enorme Denkleistungen vonnöten sind, wenn man wirklich gut sein will. Ich spiele gerne Schach, aber wie der Erzähler auch, so spiele ich und "ernste" nicht.


    Jetzt bin ich gespannt, was es mit den neu hinzugekommenen Schach"ernster" auf sich hat und wie seine Partie mit Czentovic verläuft.


    Ich freue mich, dass ich mich für diese Leserunde gemeldet habe, sonst hätte ich die Bekanntschaft mit Zweig wohl noch weiter herausgezögert und das wäre bedauerlich gewesen!

    Hach, was für ein Finale Furioso! :-] Die Szenen auf dem Meer waren derart zum Mitfiebern, dass ich das Buch gestern Nacht echt nicht mehr aus der Hand legen konnte.


    Ruven hatte ich zwar zwischendrin als möglichen Täter auf dem Schirm, aber ihn dann doch wieder verworfen. Einen hübschen Tod hast Du Dir da für ihn ausgedacht, Sven. :grin


    Das Buch hat mir wirklich supergut gefallen und - wie schon angedroht - wird das sicher nicht mein letzter Koch gewsen sein.


    Das Ende für Tjark fand ich übrigens sehr konsequent. Schade, dass er seinen Vater nicht noch einmal sehen konnte, aber ich glaube, sein Vater hätte Verständnis gehabt. Ob Tjark sein Trauma von Meer jetzt bewältigt hat? Man mag es bezweifeln, möchte es ihm aber wünschen. Mit seinen Ecken und Kanten fand ich ihn einfach toll!


    Danke für das Lesevergnügen!

    Leserunde :-)


    »Das Unwahrscheinliche hatte sich ereignet, der Weltmeister, der Champion zahlloser Turniere hatte die Fahne gestrichen vor einem Unbekannten, einem Manne, der zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre kein Schachbrett angerührt. Unser Freund, der Anonymus, der Ignotus, hatte den stärksten Schachspieler der Erde in offenem Kampfe besiegt!«
    Das Erstaunen ist groß, als der unscheinbare Dr. B., österreichischer Emigrant auf einem Passagierdampfer von New York nach Buenos Aires, eher zufällig gegen den amtierenden Schachweltmeister Mirko Czentovic antritt und seinen mechanisch routinierten Gegner mit verspielter Leichtigkeit besiegt. Doch das Schachspiel fördert Erinnerungen an den Terror seiner Inhaftierung im Nationalsozialismus zutage und reißt eine seelische Wunde wieder auf, die erneut Dr. B.s geistige Gesundheit bedroht.


    http://www.amazon.de