Als ein Deutscher, der vor vielen Jahren in einer Disco von einem angesäuselten Österreicher mit den Worten, "gö, du bist a aus Kärnten" in die Arme geschlossen wurde, wage ich es kaum, mich an dieser Diskussion zu beteiligen.
Ich kenne etliche Österreicher, die selbstbewusst genug sind, um nicht zu dem vermeindlich großen Bruder aufsehen zu müssen. Wer allerdings den Lauf der Geschichte in den letzten 300 Jahren verfolgt, weiß, woher diese Donauländische Aversion gegen "Preußen" stammt, die später auf "Deutschland" übertragen wurde.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Preußen der kleine Bruder und wurde vom großen Österreich auch so behandelt. Noch nach dem siebenjährigen Krieg galt Preußen nur als Mittelmacht, während das Habsburgerreich sich zur creme de la creme zählte.
Das Auftreten Österreichs im Deutschen Reich und später dem Deutschen Bund war daher von einer Überheblichkeit gekennzeichnet, die dem Verhalten vieler Deutscher der Jetztzeit gegenüber Österreichern in nichts nachsteht.
1866 zog man von Wien aus, um in Berlin zu dinieren, kam aber leider bloß bis Königgrätz, und war darüber natürlich vergrätzt.
Der erste Weltkrieg ließ Österreich-Ungarn zerspellen wie eine Suppenschüssel, die auf einen Steinboden fällt. Aus einer Großmacht, die gewohnt war, anderen zu sagen, wo's lang geht, wurde ein kleines, überschaubares Ländchen mit der Erinnerung an vergangene Größe und einem sehr schmerzhaften Selbstfindungsprozess.
Der gescheiterte österreichische Kunstmaler, der 1938 am Ballhausplatz seine Rede schwang, eignete sich sich nach 1945 auch nicht mehr als Idol und wurde über den Inn gekehrt.
Schmerzhaft war auch, dass Westdeutschland bald wieder in den Kreis der souveränen europäischen Nationen aufgenommen wurde, während man selbst, völlig unschuldig, bis 1955 voll von den Alliierten besetzt gehalten wurde.
Vollkommen schlimm wurde es es dann, als die Deutschen zu reisen begannen und mit Verlaub gesagt, die Einheimischen als bessere Eingeborene ansah, die springen mussten, wen man mit den Fingern schnippte.
Wer jemals eine lärmende, angesoffene, undisziplinierte, etc. etc. Urlauberhorde erlebt hat, weiß, was ich meine. Die Herkunft oder Nation ist hier eigentlich egal, aber in Österreich waren es vor allem Deutsche, die so auftraten, und auffielen.
Jahrhunderte lang galt man als Österreicher etwas und konnte sich über diese Hessen, Brandenburger, Sachsen usw. erhaben fühlen, und dann wurde plötzlich verlangt, dass man mit einem "Aber selbstverständlich, gnädiger Herr" vor jedem deutschen Touristen buckelte.
Dies trifft den Nerv. Ich glaube, dass Deutsche im umgekehrten Fall Österreicher nicht anders ansehen würden.
Das hat in meinen Augen nichts mit Feindschaft zu tun, auch nichts mit heftiger Abneigung, sondern rein mit Selbstbehauptung. Man will nicht schlechter dastehen als der Andere und ihm von gleich zu gleich in die Augen sehen können. Das ist in meinen Augen das Recht eines jeden Menschen.
Übrigens können sich solche Verhaltensweisen auch ändern. Nach dem berüchtigen Kartoffelkrieg, den Maria Theresias Sohn Josef II. vom Zaun brach, um Baiern ins Habsburgerreich zu holen, und der Verhinderung dieses Vorhabens durch Friedrich II., wurden die Preußen lange Zeit als die Retter Baierns gefeiert. Erst nach Königgrätz und der Behandlung Bayerns durch die siegreichen Preußen kam hier der Begriff "Saupreiß" auf.
Liebe Grüße
Gheron 