Beiträge von rumble-bee

    Man kann dieses Buch mit großem Genuss lesen, wenn man drei wichtige Punkte beachtet:
    1) Der Text erschien zuerst als fortgesetzte Zeitungskolumne, war also nicht in erste Linie als Buchveröffentlichung geplant.
    2) Die Zeitschrift, in der die Kolumne erschien, ist eine amerikanische Publikation, der "Believer", und der wiederum scheint in eine recht "alternative" Ecke zu gehören.
    3) Es geht hier überhaupt nicht darum, Lesern Empfehlungen zu geben. Nein, der Titel des Buches ist Programm: Es geht sowohl um das "Leben" als auch den "Leser" dahinter, und erst in zweiter Linie um die Qualitäten des Gelesenen.


    Nick Hornby beschreibt hier, gewohnt virtuos und witzig, wie sein eigenes Leben mit Büchern so abläuft, wieviele er kauft und warum, und wie sich seine Lesegewohnheiten gestalten. Das Buch lebt von den Anekdoten, Aphorismen und witzigen Einsichten, die Hornby munter verstreut, und die man kaum aufzählen kann. So hat er mich zum Beispiel unglaublich beruhigt: er erklärt, dass selbst ungelesene Bücher im Regal noch zu etwas nütze sind, weil sie nämlich verdeutlichen helfen, wer oder was wir sind! Sie zeichnen ein Bild von uns, mindestens ebenso deutlich wie unser Einrichtung, unsere Plattensammlung oder unsere Kleidung. Schon allein diese Beschreibung fand ich genial, und sie hat mich sehr entlastet... :-)))


    Ich würde das Buch uneingeschränkt allen Hornby-Fans empfehlen, oder auch Menschen, die lese- und Buch-süchtig sind und sich in einem "Mitbetroffenen" wiederfinden möchten.

    An dieses Buch kam ich wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind. Ich kenne zwar schon ein Buch von Uschmann, aber das stammt nicht aus der Reihe mit "Hartmut", und hat auch einen jugendlichen Protagonisten.
    Doch wie es der Zufall will, fiel mir das Buch auf einem Wühltisch mit preisreduzierten Exemplaren in die Hände, und es schrie geradezu nach einer Erlösung aus dieser buchunwürdigen Situation. Und im Nachhinein kann ich nur sagen, für den Wühltisch ist es 1000 x zu schade!


    Während der Lektüre verbrauchte ich etliche Pralinen, verbrachte halbe Tage auf dem Sofa, hatte mindestens 5 ausgedehnte Lachanfälle, und zog die Neugier meiner Umgebung auf mich, da meine Heiterkeits-Explosionen sowohl lautstark als auch unerwartet waren. Sogar meiner Schwiegermutter habe ich aus diesem Buch vorgelesen, und sie hat sich nicht mehr halten können vor Lachen...


    Zugegeben, der Humor ist schon sehr speziell. Auch stellt das Buch ein Mittelding dar zwischen Roman und abgedrehter Illusion, was man vielleicht vorher wissen sollte. Ich möchte das mal in folgende Worte kleiden: Es tut dem Buch sicherlich nicht gut, als "Roman" betitelt zu werden, und rein nach Inhaltsangaben rezensiert zu werden! Das weckt im Leser, der einen klassischen Roman, eine nachvollziehbare Geschichte also, erwartet, nur falsche Erwartungen, die nahezu zwangsläufig enttäuscht werden. Man fühlt sich nach der Lektüre ein wenig wie nach einem Drogen-Trip, und fragt sich, was zum Kuckuck da grade "abgegangen" ist.


    Die Ausgangssituation bietet schon allerlei Zündstoff für subversive Komik. Eine Männer-WG, oder besser gesagt, ein Teil dieser WG, ersteigert eine Bruchbude von Haus bei ebay, mitten auf dem platten Land. Die Frauen sind entsetzt und ziehen ins Hotel, während die Männer bei der Renovierung mit völlig aberwitzigen Situationen zu kämpfen haben. In dieser Hinsicht ist das Buch sehr selbstironisch, als gegen Ende einer der Protagonisten sagt, "das ist ja reiner Slapstick!" Genau!


    Und ab hier wird es speziell. Etwa ein Drittel des Buches verläuft in klassischer Roman-Manier, vergleichbar mit einer Sitcom im Fernsehen. Doch danach hilft einem als Leser nur noch das Fallenlassen jeglicher realistischer Erwartungen weiter, sowohl was Handlung als auch auftretende Personen angeht. Ab diesem Punkt wird das Buch schrill, schräg, und teilweise einfach nur surreal, was man aber durchaus genießen kann. Denn ich vermute, der Autor hat sich durchaus etwas dabei gedacht!


    Die "Wandelgermanen", die dem Buch auch seinen Titel verleihen, sind ein sehr schrill überzeichneter Verein, was wohl implizit eine Kritik an der Landbevölkerung allgemein darstellen soll. Man frage sich bloß nicht, ob es die wirklich gibt, oder wie wahrscheinlich deren Verhalten ist!! Das wäre absolut tödlich für die herrliche Situationskomik.


    Auch die örtliche "Wehrsportgruppe", der der übrigens namenlose Ich-Erzähler beitritt, um Hilfe bei der Renovierung zu bekommen, fällt in die gleiche Kategorie wie die Germanen. Ein dermaßen überzeichneter Verein, dass man ihr Vorhandensein in der Handlung nur als herrlich würzendes Element betrachten kann.


    Ich kann verstehen, dass manche meiner Vorleser das Buch ab der Mitte ein wenig langatmig fanden! Das kommt aber nur daher, dass man sich fragt, was diese Episoden in der Handlung zu suchen haben. Antwort: insofern GAR NIX, sie sollen erheitern, und zum schrillen Gesamteindruck beitragen! Wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Wehrsportgruppe bei einer ihrer Übungen unabsichtlich und saukomisch einen regionalen Zwischenfall auslöst...


    Wirklich genial fand ich nun aber die Schilderung der Bürokratie, des "Amtes" und seines Leiters, Herrn Steinbeis. Das ist eine hoch kunstvoll zusammengesetzte Anspielung auf Elemente der Popkultur und Literatur! Und ich wette, das ist vom Autor bewusst so gesetzt worden. Das "Amt" wird bezeichnet als "Das Haus, das Verrückte macht", und, liebe Leute, das ist ein direktes Zitat aus einem Asterix-Band! Ich muss noch nachsehen, welcher es war, aber ich bin absolut sicher. Und wie dieses Amt, das "Schloss" geschildert wird... also, wer hier Elemente aus Kafka, Helge Schneider und Loriot nicht erkennt, ist selber schuld.


    Ein letztes geniales Element des Buches ist der geheimnisvolle (und wieder NICHT realistisch gemeinte) Installateur und Handwerker Leuchtenberg! Der kommt und geht wie eine mythische Gestalt, und stellt den beiden Protagonisten so dämliche Aufgaben, dass ich mich schlappgelacht habe. So sollen sie z.B. für das Dach einen "Dachverband" besorgen, oder für die marode Güllegrube "Abschaum"!! Mein Lieblingszitat: "Ja, wenn Sie Abschaum wollen, dann müssen Sie nach Berlin fahren!" !!!!!!


    Tja, der einzige Mangel, den ich dem Buch vorwerfen würde, ist die Tatsache, dass Herr Uschmann gerne etwas mutiger hätte sein dürfen. Nicht erst ein Drittel des Buches realistisch schreiben, sondern gleich eine komplette Irrsinns-Welt erschaffen! Wenn das stringent durchgehalten wird, verkraftet der Leser das schon.


    Insgesamt lautet meine Lese-Empfehlung: Ein MUSS für alle diejenigen, die bereit sind, sich auf einen irren Trip einzulassen! Und für Fans von Uschmann sowieso.

    Ich musste mir dieses Buch einfach zulegen, als ich viele Besprechungen auf Literaturseiten las. Ich haber selber zwei Söhne, die kurz vor derselben Lebensphase stehen wie der Held des Buches, Dennis, und die auch schon die ersten Symptome zeigen. Außerdem hörte sich das nach einer frischen neuen Stimme am Autorenhimmel an, und beide Aspekte zusammen versprachen ein einfach gutes Buch. Und ich wurde nicht enttäuscht!


    Warum soll das ein Jugendbuch sein? Der Autor selber sagt ja, dass es sich auch an ältere Leser richtet. Ich finde das Buch universell lesbar, da es den Leser in eine in sich stimmige Welt entführt.


    Es gibt viele Aspekte, die mir hier super gefallen haben.
    Erst einmal die Sprache, jung und frisch, dennoch nicht flach. Der Autor beweist, dass Lesbarkeit nicht gleich Comedy-Stil heißen muss. Er ist immer nahe an seinen Personen, und man kann die Handlungsweisen aller Beteiligten gut verstehen.


    Okay, teilweise gibt es Ansätze, die Leute ein wenig zu stereotypisieren, aber Übertreibung macht ja bekanntlich anschaulich! Ich glaube z.B. nicht, dass es Lehrer wie diesen Herrn Altenburg oder Omas wie Uroma Mette wirklich gibt! Dennoch waren sie herrlich skurril, und ihr Auftritt innerhalb des Buches wirkte stimmig und verlieh der Handlung Würze.


    Die Handlung selber, ja, wie soll ich sagen... wer einen Krimi erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Denn das Buch verwendet zwar Elemente des Thrillers, aber nur, um diese geschickt wieder zu zerschlagen. Ein Drama ist es auch nicht ganz, da man teils über die Ereignisse in Dennis' Leben auch wieder lachen muss. Ich würde sagen, es ist ein ganz eigenes Buch, das in keine Schublade wirklich passt!
    Um mal ein paar Vergleiche aus der Filmwelt zu bemühen: das Buch hat Anklänge sowohl aus "Fenster zum Hof", "One Hour Photo", als auch "Die fabelhafte Welt der Amélie". Alle drei zusammen verrührt, gibt einen ungefähren Einblick in den Handlungsrahmen des Buches.


    Ich finde Dennis gar nicht so abgedreht, auch wenn er viele Computerspiele spielt. Im Gegenteil scheint es mir oft, Dennis ist der einzig klar Denkende in dem Buch. Viele andere, vor allem die Erwachsenen, sind wahre Meister in der Kunst des Verdrängens oder Belügens. Ich hoffe für Dennis, dass er sich die Skepsis dieser Welt gegenüber behält!


    Die Schilderungen aus den Computerspielen fand ich nicht überflüssig, eher im Gegenteil. Sie haben mir einen Einblick in eine Welt ermöglicht, die weit weniger gewalttätig ist, als ich dachte. Mir wird ansatzweise klar, wie man darin versinken kann.


    Ein ganz besonders liebenswertes Detail möchte ich noch erwähnen: der Autor hat sich nämlich selber in der Handlung vorkommen lassen! Und zwar als der "Cousin" von Dennis, der auch gerne zockt, bei UPS arbeitet, und mit einem Hartmut (eine Romanfigur von Uschmann!!) in einer WG lebt. Wieder fühlte ich mich an Hitchcock erinnert, der ja auch immer selber in seinen Filmen vorkommen musste, wenn auch nur in einer winzigen Nebenrolle.
    Ach ja, schade fand ich, dass offen gelassen wird, ob die verschwundene Katze dieses Cousins nun wieder gefunden wird oder nicht...!


    Ich bin noch ganz voll von dem Erlebten, denn so fühlt sich dieses Buch an: als sei man dabei gewesen. Selbst das ein wenig zuckersüße Ende hat mich nicht gestört. Ich fand es besser so, als wären Dennis' Befürchtungen wahr geworden. Das Ende hat die Hauptaussage des Buches eher noch untermauert: nämlich, dass es nie zu spät ist, und es immer noch Hoffnung gibt.


    Mein Fazit: ein ganz tolles Buch, eine wahre Entdeckung, die gute Einblicke gibt in die Psyche von jungen Erwachsenen, und die dabei noch auf das Beste unterhält!

    Alessandro Baricco ist ein trügerischer Autor. Dies ist nun schon das zweite Buch, nach "Novecento", das scheinbar leicht und schnell verfliegt. Doch erst beim Tippen dieser Worte geht mir auf, wie nachhaltig mich die Magie der Worte und der Geschichte verfolgt.


    Man sollte dieses Buch auf KEINEN Fall lesen, wenn man schnell unterhalten werden will! Schnell liest es sich zwar, aber die Geschichte hat Untiefen, und stellt (u.a. moralische) Fragen, die man sicher nicht nach 5 Minuten Nachdenken gelöst hat.


    Worum geht es? Es scheint so banal, diese Frage "herunterzuleiern". Das verrät einem auch der Klappentext: Um den Seidenhandel im Frankreich des 19. Jahrhunderts, und um einen Mann, der, eher unfreiwillig zum Seidenhändler geworden, stetige Reisen nach Japan unternimmt, um die Produktion in seinem Heimatort aufrecht zu erhalten - denn nur in Japan ist man bislang frei geblieben von einer geheimnisvollen Seidenraupenseuche.


    Gleichzeitig beschreiben diese Worte überhaupt nicht, worum es eigentlich geht! Denn dieser Mann, Hervé, gerät auf seinen Reisen in einen hypnotischen Bann zu einer jungen Frau, anscheinend keine reine Japanerin, die jedoch für ihn letztlich unerreichbar bleibt, ja bleiben muss. Der Text beschreibt immer wieder in den gleichen Worten (!), mit den gleichen Formeln, wie Hervé diese damals lange und beschwerliche Reise nach Japan unternimmt. Insgesamt vier Mal! Immer wiederholen sich die gleichen Reiseabschnitte, immer wieder ahnt der Leser nach seiner Rückkehr: er wird wieder fahren, obgleich er nicht müsste. Das ist ein ausgesprochener Kunstgriff des Autors, der dem Leser so auf ungemein eindringliche Weise nahebringt, wie gefangen Hervé von dieser Frau ist.


    Wohlgemerkt, es fällt KEIN beschreibendes, emotionales Adjektiv, egal welcher Couleur! Meisterhaft, wirklich meisterhaft, wie man als Leser dennoch mitbekommt, welche Gefühle sich unter der Oberfläche abspielen. Kaum Worte. Nur Blicke. Und heimliche Gesten. Damit ist alles schon gesagt, und es ist wunderschön!! Manchmal wünschte ich mir, auch sogenannte moderne Autoren würden diese Kunst beherrschen, mit wenigen Worten viel auszusagen. Was für ein Buch!!


    Und dann erst das Ende, das sich erst recht nicht erzählen lässt. Es ist überschattet von einer tragischen Romantik, und von einer überraschenden Tatsache, die einem ein wenig die Sprache verschlägt. Hervé wird mit seinen Erinnnerungen weiterleben - aber an was eigentlich? Sein Leben lang wird er sich fragen, was ihn getrieben hat, und ob alle seine Entscheidungen richtig waren. Fast hätte ich am Schluss geweint. Mich muss heute nur noch ein Mensch schräg von der Seite ansprechen, und dann ist es soweit, dann kann ich nicht mehr. Und das alles wegen dieses Buches! Unglaublich!


    Ganz sicher ist dies auch kein Buch für sehr junge Leser. Es beschreibt, OHNE zu beschreiben, perfekt die Stimmungslage eines Menschen mittleren Alters, der sich plötzlich von einer unerklärlichen Leidenschaft aus den Angeln gehoben sieht. Ein Buch für einen Nachmittag, aber auch gleichzeitig ein Buch für das ganze Leben.


    Erst wenn ihr es selbst gelesen habt, werdet ihr vermutlich verstehen, dass ich nicht übertrieben habe.

    Michael Ende zu lesen, ist für mich genau so, wie in ein Kaleidoskop zu schauen. Keine Lektüre gleicht der anderen, und auch dieses Mal habe ich wieder etliche neue Details entdeckt.


    Ich glaube, dass der Autor in seinen Kurzgeschichten unglaublich viel von sich selber versteckt, sowohl sich als Künstler, als auch seine Überzeugungen. Allerdings muss man da schon genauer "hinlesen"! In der Geschichte "Einer langen Reise Ziel" beispielsweise kommt "der wissenschaftliche Zeichner und Maler Emanuel Merkel aus München, der sich schon durch etliche Veröffentlichungen eine gewisse Bekanntheit erworben hatte" vor - das ist eindeutig Ende selber! Ironischerweise stirbt er dann im Verlauf der Geschichte.


    Auch in anderen dieser Geschichten vermeinte ich Anklänge an die Person des Autors zu entdecken - wie Iwri, der Mann aus dem Schattenvolk, der als einer der Wenigen eine äußere Wirklichkeit zu erspüren glaubt, oder der Traumweltreisende Max Muto. Sie alle spiegeln ein wenig das Selbstverständnis Michael Endes wider, der zumeist unverstandene, aber doch genial begabte Künstler und fantasivoller Fabulierer.


    Auch die Dinge, von denen hier geschrieben wird, lassen ein wenig von der Weltsicht Endes erraten. Es geht um Themen wie "Was ist Realität" "(Der Korridor des Borromeo Colmi"), "die Natur des Bösen" (Das Haus an der Peripherie), eine ironisch-verspielte Charakterisierung der Italiener, bzw. der Einwohner Roms ("Zugegeben etwas klein"), die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft ("Die Katakomben von Misraim"), "was ist freier Wille" ("Das Gefängnis der Freiheit"), und etliches mehr.


    Sicher mag man die Atmosphäre in etlichen dieser Geschichten ein wenig gruselig finden, und auch sind die Enden oft in der Schwebe oder vielfach interpretierbar. Aber ich finde die erzählerische Vielfalt einfach unglaublich, sehr virtuos beschrieben, und in jedem Falle überzeugend dargestellt. Für jede Geschichte "erfindet" Ende einen ganz eigenen Ton: sei es ein Leserbrief, ein orientalisches Märchen, eine Parabel, oder eine mystische Biographie - alles gelingt ihm mit einer beeindruckenden Souveränität.


    Mit diesem Buch, das ich vor vielen Jahren eher zufällig entdeckte, hat sich Michael Ende für mich endgültig als ernstzunehmender Schriftsteller auch und gerade für Erwachsene etabliert. Sicher kein literarisches Fast Food, dafür aber, was die Fantasie betrifft, gehaltvolle Vollwertkost.

    Dieses Buch ist tatsächlich ein Wunder (wie eine Zeitschrift einst titelte), und zwar in mehrfacher Hinsicht: es ist eigentlich in keine Schublade richtig einzuordnen, es vereint Sachbuch-Qualitäten mit Unterhaltung, und der Autor schafft es, über mehr als 350 Jahre mathematischer Geschichte hinweg einen "roten Faden" herauszuarbeiten und wie einen Krimi darzustellen. Respekt!!


    Einer meiner Vorleser hat es ganz richtig dargestellt; das Rätsel um den Satz von Fermat ist eher ein Aufhänger, denn das Hauptinteresse des Buches. Deswegen sagte ich auch, es sei schwer einzuordnen.
    Es hat mindestens ebenso viele Anteile eines Krimis, wie eine stringente Handlung, einen roten Faden, und einen Spannungsbogen.
    Ferner enthält es zahlreiche biographische Elemente: der Leser lernt bedeutende Mathematiker aus allen möglichen Epochen kennen, was sie so bedeutend machte, worin ihre Leistung bestand, und welche Macken sie hatten.
    Drittens dreht es sich meiner Ansicht nach um die Kernfrage, was ist Mathematik, was kann Mathematik, und wie arbeiten Mathematiker.
    Dabei geht das Buch durchaus chronologisch vor, von der Entstehung des berühmten Fermat-Rätsels bis in unsere Zeit. Es enthält gerade so viel Mathematik, um zu wissen, worum es geht, aber auch nicht zu viel, um Laien nicht abzuschrecken. Selbst ich konnte dem Sachverhalt folgen, obwohl ich im Abi in Mathematik nur so gerade eben eine 4 hatte...!


    Mir stellt sich die Frage, warum Mathematik in der Schule nicht SO unterrichtet wird. Hätte ich gewusst, wo die Schönheiten, Rätsel und Abstrusitäten dieser Wissenschaft liegen, dann hätte ich mich vermutlich mehr angestrengt.


    Ich würde dieses Buch allen empfehlen, die gutes Infotainment schätzen, und beim Lesen etwas lernen wollen - und die ein Faible für schräge Charaktere haben! Denn das sind die meisten Mathematiker...!

    Ich weiß es noch genau. Als dieses Buch damals erschien, habe ich es in der Buchhandlung durchgeblättert - und erstmal enttäuscht weggelegt, weil ich nach dem Durchlesen des Inhaltsverzeichnisses keinen einzigen der Songs kannte. Ein wenig später wurde mir dann mal die Hörversion ausgeliehen, und auch die hat keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Scheinbar eigent sich das Buch einfach nicht gut zum Hören - paradoxerweise. Und heute? Jetzt habe ich die gedruckte Version von einem lieben Menschen geschenkt bekommen - und ich liebe sie! So kann's gehen. Und woran liegt das nur?


    Ich glaube, man darf an dieses Buch nicht mit falschen Erwartungen herangehen. Es geht hier überhaupt nicht darum (genau wie in "Mein Leben als Leser"), dem Leser Empfehlungen zu geben, oder einen repräsentativen Querschnitt großer Hits zusammenzustellen. Nein, hier geht es schlicht und ergreifend um eine sehr persönliche Liebeserklärung. Und das, was jemand liebt, hat man als Zeuge nun mal nicht zu bewerten. Man kann sich höchstens fragen, ob diese L:iebe überzeugend geschildert wurde - und das wird sie hier, und zwar zu hundert Prozent!


    Es geht auch gar nicht so sehr um den jeweiligen Song. Dieses Büchlein ist sicher ebenso sehr Autobiographie und zeitgeschichtliches Dokument. Hornby ist ein Virtuose der Kurzform, des griffigen Statements, und der sozialkritischen Analyse. Alles das verbindet er in diesen 31 Porträts auf äußerst lesbare Weise.


    Die ersten fünf Songs lang hatte ich noch Komplexe, und fragte mich, ob ich dem Autor wohl würde folgen können - da ich doch seinen Musikgeschmack nicht unbedingt teile. Doch diese Sorge war unbegründet, und verlor sich sehr rasch. Denn da wir zumindest die Liebe zur Musik gemeinsam haben, hat er doch ein paar ganz entscheidende Nerven bei mir getroffen. Er hat mich erheitert, beruhigt, und teilweise sogar berührt und informiert.


    Erheitert, weil er so manche Anekdoten eingeflochten hat, die er mit dem Hören der Stücke verbindet. (So weiß ich nun zum Beispiel, woher etliche Anregungen für "High Fidelity" kommen!) Beruhigt hat er mich, weil er es wie kein Zweiter versteht, den nahezu zwanghaften Konsum einer Ware (in diesem Falle Popmusik) plausibel zu machen und zu erklären. Und das lässt sich wunderbar auf alle möglichen Bereiche der Populärkultur übertragen - auch auf das Lesen! Konsum stiftet Identität, und entspringt aus einer "gemeinsamen Vibration" zwischen Künstler und Käufer. Berührt hat mich Hornby an den Stellen, an denen die Musik sich mit Szenen aus seinem Privatleben vermischt. Er hat ja einen behinderten Sohn, und Musik scheint eines der wenigen Mittel zu sein, mit denen man Danny erreichen kann. Ja, und informiert wurde ich auch an einigen Stellen. Jetzt weiß ich endlich, was man unter einem "Bootleg" zu verstehen hat, und was der Unterschied zu einem Sample ist. Und viele Details aus dem Leben der Musiker waren mir auch neu.


    Hornby schwingt sich in diesen Texten sozusagen zu einem "Anwalt des Pop" auf. Aus jeder einzelnen Zeile spricht seine Überzeugung, dass etwas, das man oft und gerne einfach nur "konsumiert", nicht unbedingt schlecht sein muss. Im Gegenteil! Er belegt durch seine Erfahrungen, dass Pop wirklich eine Kunstform ist, die ihre eigene Berechtigung hat. Er reißt kulturelle Schranken nieder, und plädiert gegen jegliche Art von Snobismus. Er macht einfach Lust darauf, hemmungslos Musik zu hören! Und zwar mit ganz neuen, geschärften Ohren für das, was die Musik in uns zum Schwingen bringt. Ich hatte das Buch kaum ausgelesen, da habe ich mir meinen iPod geschnappt und stundenlang in Songs geschwelgt, die ich gerne höre. Und ich habe den Erinnerungen gelauscht, die dabei auftraten. Das ist doch eine ganz achtbare Leistung für so ein schmales Buch - dass es Auswirkungen auf unser "Leben danach" hat. Oder?

    So, habe meine Rezension fertig. Hier ist sie.


    "Was haben sich Verlag und Autor nur dabei gedacht? Hier wird ein altes Buch als neu ausgegeben - oder, besser gesagt, man kann als Leser sehr leicht übersehen, dass dem so ist. Nur im "Kleingedruckten" des Vorsatzblattes, und im Klappentext, steht es zu lesen. Dies ist die Neuauflage des ersten Falles von Robert Walcher, bereits vor mehreren Jahren unter dem Titel "Die Lotto-Company" erschienen. Gut, das erklärt so manches. Denn vor Kurzem erst war hier auf Vorablesen "Der Ahnhof" von selbigem Autor vorgestellt worden, und ich vermisste schon die Haushälterin und so manche Einzelheiten aus der damaligen Leseprobe. Auch wunderte ich mich, dass Vieles in diesem Band so unausgegoren daherkam.


    Man hat an einzelnen Stellen wohl auch versucht, den Inhalt leicht umzuarbeiten und zu aktualisieren. Mehrfach beschlich mich eine solche Ahnung. Doch an mindestens einer Stelle ging dieser Schuss definitiv nach hinten los. Da musste ich doch tatsächlich lesen, Robert Walcher habe sich mit einem Gast über diverse Themen wie "Fukushima" unterhalten... Wie bitte?? Ja was denn nun?? Wenn dies ein alter Fall ist, und zwar der erste in einer Reihe von sechs Fällen, dann kann logischerweise damals Fukushima noch gar kein Thema gewesen sein! Denn ich glaube wohl kaum, dass ein Robert Walcher sechs Fälle in wenigen Monaten löst. Ein klassisches Eigentor, würde ich sagen...


    Doch betrachten wir lieber zuerst die positiven Seiten des Buches. In der Anfangsphase, die leider nur wenige Kapitel dauerte, baute sich eine gemütliche Atmosphäre voller Lokalkolorit auf. Der Journalist Walcher bewegte sich mit stiller Selbstverständlichkeit im doch teils arg verschrobenen Allgäu, zwischen alten Bauernhäusern, noch älteren Tante-Emma-Läden und urigen Bewohnern. Ab und an tauchte diese Atmosphäre noch in späteren Kapiteln auf - doch dann nur noch sehr kurz. Schade, ich habe sehr genossen, mit welcher Gemütlichkeit der Autor diesen Flecken Erde vorgestellt hat.


    Auch hat mir die Sprache an sich gut gefallen. Es gab immer mal wieder Wendungen, über die ich herzlich schmunzeln musste, und die man in einem Krimi sicher nicht so oft liest. Unvergesslich die Formulierung "ein Phlegma auf vier Beinen", welche sich auf ein Haustier bezieht! (Überhaupt fand ich, dass Walchers Kater Bärendreck der heimliche Held dieses Buches ist.) Auch mitten in ansonsten actionreichen Episoden kamen mitunter Wortschöpfungen vor, die ihresgleichen suchten.


    Doch damit hat es sich für mich auch leider schon mit den positiven Seiten. Ich habe im Nachhinein versucht, mein leichtes Missbehagen an etwas festzumachen, es näher zu fassen zu bekommen. Ich glaube, es liegt daran, dass sich der Autor hier noch vorsichtig an das Genre "Krimi" herantasten musste. Das Buch steckt ein wenig zwischen zwei Stühlen. Denn eigentlich ist es ein Möchtegern-Thriller, der noch dazu ziemlich merkwürdig geplottet ist. Unter "Krimi" verstehe ich jedenfalls einen Ermittler, der voller gewiefter Schachzüge einem Bösewicht auf die Schliche kommt. Nichts davon hier. Robert Walcher sticht einfach (aus einem wirklich hanebüchenen Zufall heraus) in ein Wespennest, wobei die Schuldigen von Anfang an klar sind. Es geht im Wesentlichen nur noch darum, seine eigene Haut (und die anderer Menschen) zu retten. Und das gehört für mich eigentlich zu einem "Thriller".


    Und auch der Aufbau der Handlung hat mich oft nicht überzeugt. Warum, bitteschön, muss die erste Leiche ausgerechnet (!) auf einem Ordner liegen, in dem alle belastenden Unterlagen enthalten sind?? Und der Name der Organisation steht gleich auch noch drauf. Na Prost Mahlzeit. Unlogischer geht es wohl kaum. Oft will mir das Handeln Walchers auch einfach nicht einleuchten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum er sich überhaupt einmischt. Nur weil er als Hobby Fotos von alten Gebäuden macht, muss er doch nicht gleich brisante Unterlagen einstecken...? Auch später tut er dies hin und wieder. Mehrfach hatte ich auch den Verdacht, dass der Autor lediglich die Handlung vorantreiben wollte, und sich dementsprechend nicht groß um Wahrscheinlichkeit geschert hat. Welcher Boss eines Firmenimperiums würde einem Wildfremden (Walcher!) "so einfach" eine Lebensbeichte anvertrauen? Welcher Journalist würde "so einfach" (wiederum Walcher) einem dahergelaufenen Security-Menschen die Rettung seiner Geliebten anvertrauen, einem Mann, der für genau die Firma arbeitet, die Walcher eigentlich verfolgt?? Irgendwann hat bei mir das Verständnis ausgesetzt.


    Ich habe an sich auch nichts gegen kurze Kapitel. Aber hier wirkte das wie ein Flickenteppich, eine Collage aus Arbeitsskizzen, die der Autor in einer Schublade gesammelt hatte. Man hat den Eindruck, er habe alle diese Zettel hervorgeholt, und daraus seinen ersten Roman gebastelt. Oft kommt auch (für mich) völlig Nebensächliches eingeschoben daher. Warum muss ich wissen, wohin Walcher mit Lisa in den Urlaub fliegt? Warum soll mich interessieren, was für eine Jugend einer der bezahlten Auftragskiller hatte - wenn er nur auf zwei Seiten vorkommt? Was hat die Renovierung des Mayer-Hauses mit der Kriminalhandlung zu tun? Und so weiter und so fort.


    Noch zwei Punkte haben mich gestört. Krimi ist zwar Krimi, und Thriller ist Thriller, aber hier gab es definitiv zu viele Leichen, die teilweise sogar sinnlos waren. Besonders eine habe ich dem Autor sehr übel genommen! Und zweitens wird mir in diesem Buch einfach zu viel Alkohol getrunken. Man mag mich gerne für altmodisch halten, aber wer zu jeder, wirklich jeder, Gelegenheit Hochprozentiges in sich hineinschüttet, der hat bei mir an Glaubwürdigkeit als Kriminal-Held verspielt. Wein zum Mittagessen (einmal sogar zwei Flaschen!!), Sherry zum Nachmittag, Calvados mit dem Nachbarn, Bier am Abend... puh!!


    Nun gut, Robert Walcher - sie haben genügend menschliches und kriminalistisches Potenzial, das will ich Ihnen gerne zugestehen. Aber in diesem Buch machen sie noch eine unentschiedene Figur."

    Ich nehme ungern Abschied von diesem Buch. Ich bin während zweier Tage vollkommen in der Geschichte versunken, und habe mich vor allem mit dem Charakter des Jacob, sowohl dem alten als auch dem jungen, sehr angefreundet. Als über 90jähriger Bewohner eines Altenheims ist er wunderbar kauzig und sehr glaubwürdig. Ich bin öfters in Alten- und Pflegeheimen unterwegs, und ich kann nur sagen, das stimmt alles! Leider. Als junger Mann hat er mir vor allem deshalb gefallen, weil er zwar naiv und idealistisch ist, aber dennoch seine eigenen Begrenzungen deutlich erkennt.


    Meine Bewertung stand schon beim Lesen fest: ich würde die volle Punktzahl verleihen. Dennoch muss ich jetzt, nachdem ich ein wenig "Luft geholt habe", dies ein wenig relativieren. Denn sicherlich ist dies keine "Weltliteratur", sondern eine zutiefst amerikanische Popcorn-und Wohlfühl-Geschichte. Sicher kann man bei genauem Hinlesen sehr deutlich das "Rezept" erkennen, die "Masche", nach der das Buch gestrickt ist. Und auch über das Ende kann man sicherlich streiten - es verursacht geradezu Zahnschmerzen vor lauter Süßlichkeit. Nun - es ist wohl so, dass das Buch zumindest emotional gut ausbalanciert ist, so dass der geneigte Leser (zumal der weibliche) sich davon besänftigen lässt, und sich gern auf die Story einlässt.


    Betrachten wir doch zunächst einmal die positiven Seiten. Menschen, Tiere, Sensationen - das ist das allseits bekannte Werbe-Motto für einen Zirkus, und es trifft auch auf dieses Buch zu. Die Autorin mischt von allem etwas in diese Geschichte. Dramatik, Liebe, cholerische Widersacher, und Menschen, die erst nach und nach zu Freunden werden. Und das alles vor einer wirklich mitreißenden Folie von Zeitgeschichte, nämlich die auf Zügen reisenden Wander-Zirkusse im Amerika der 30er Jahre. Ziemlich gut recherchiert - und treffsicher so zusammengestellt, dass es auch den heutigen Leser berührt.


    Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Tiere mit all ihren Eigenheiten und Kunststücken. Sara Gruen hat ein wirkliches Herz und Händchen für Tiere, das muss man ihr lassen. Hier gibt es einen zutiefst anhänglichen Hund, einen noch anhänglicheren Schimpansen, einen zahnlosen Löwen, kranke Pferde, schreckhafte Kamele und Lamas, und natürlich die Elefantendame Rosie. Sie betritt das Buch erst etwa in der Mitte der Handlung, bereichert es aber um etliche heitere Episoden. Und auch im zentralen dramatischen Konflikt wird sie eine Rolle spielen. Sie greift entscheidend in die Handlung ein - aber mehr verrate ich an dieser Stelle nicht.


    Die Konstruktion der ganzen Geschichte fand ich ausgesprochen kunstvoll und durchdacht. Das Buch beginnt und endet mit derselben Szene (!) - nur wird sie zweimal unterschiedlich erzählt, so dass man am Ende vollkommen verblüfft ist. Die ganze Zeit über hatte man eine ganz falsche These, wer an einem bestimmten Ereignis Schuld war!
    Innerhalb dieses "Rahmens" wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit regelmäßig ab. In der Gegenwart haben wir Jacob Jankowski als 90jährigen, der im Altenheim festsitzt. Ein Zirkus besucht die Stadt, und dadurch werden seine Erinnerungen ausgelöst. Immer dann, wenn der alte Jacob döst oder wegdämmert, tauchen wir ein in seine Jugend, als er als 23jähriger Student halb aus Not, halb aus Zufall beim Zirkus landet. Diese Rückblenden dauern immer genau zwei Kapitel, bevor wir wieder mit dem 90jährigen in der unliebsamen Gegenwart erwachen. Die Übergänge fand ich toll gestaltet: die Autorin gibt sich sogar die Mühe, ein Kapitel sprachlich genau mit derselben Wendung oder derselben Situation anfangen zu lassen, mit der das alte Kapitel endete. Jedenfalls meistens.


    Die negativen Seiten dieses Buches hatte ich schon leicht angedeutet. Es ist einfach sehr amerikanisch, popcorn-lastig, zuckrig. Außer Jacob ist eigentlich keiner der Charaktere wirklich "rund" - zumindest hatte ich diesen Eindruck. Alle anderen Figuren schienen nur auf sehr wenige Eigenschaften reduziert - eben gerade so, dass sie die Handlung vorantreiben konnten. Die Kunstreiterin war schön und litt unter ihrem Ehemann, derselbige war natürlich cholerisch und ungerecht, der Zirkusdirektor geldgeil, die Arbeiter versoffen, und die Huren großherzig. Auch hat es mich im Nachhinein verwundert, wie engschrittig das Ganze geplottet war. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass im wirklichen Leben ein junger Student, auch nach den härtesten Schicksalsschlägen, "einfach so" auf einen Zug aufspringt und innerhalb von zwei Tagen völlig in einer anderen Welt aufgeht. Auch waren mir die zeitlichen Abläufe überhaupt nicht klar. Die "erzählte Zeit" beim Zirkus nimmt das ganze Buch ein, und fühlte sich wie ein halbes Leben an. Doch am Ende sollten es nur knapp drei Monate gewesen sein...? Unglaubwürdig. Und erst das Ende. Kitschiger geht es wohl kaum. Und ob es den "Kniff" am Ende um den "alten" Jacob in der Gegenwart wohl gebraucht hätte...? Ich weiß nicht.


    Immer noch stehen die 10 Sterne im Raum - und merkwürdigerweise werde ich sie auch stehen lassen. Ich kann es letztlich nicht sehr gut erklären. Aber irgendetwas hatte diese ganze Mischung schon an sich. Wie eine riesige Portion Zuckerwatte - die man ja schließlich auch verputzt, obwohl man sich über die Zutaten vollkommen im Klaren ist.

    (Ich habe die englische Fassung gelesen.)


    Noch nie ist es mir so schwer gefallen, bei einer Rezension objektiv zu bleiben. Denn "Eat Pray Love" von Elizabeth Gilbert ist ja nicht nur einfach "ein Buch", sondern die Autorin stellt hier recht freimütig ein ganzes Jahr ihres eigenen Lebens dar. Es ist sozusagen eine "spirituelle Autobiographie", kombiniert mit einem Reisetagebuch. Dabei ist aber die Schreibweise fast untrennbar mit der Persönlichkeit der Autorin verbunden. Sicher, das erwartet man ja auch in einem solchen Fall. Dennoch erschwert das für mich die Bewertung. Denn - kurz gesagt, das Buch mag ich sehr, die Autorin weniger. Doch gehen wir lieber der Reihe nach vor.


    Das Buch also...! Es ist unterteilt in genau 108 "Kapitel", was die Autorin in einem netten kleinen Vorwort erklärt. 108 ist eine heilige Zahl in östlichen Religionen, und 108 ist auch die Anzahl der Perlen auf einer "Mala", einer Gebetskette. Hinzu kommt, dass Liz Gilbert im Laufe dieses einen Jahres drei Länder bereist hat (Italien / Indien / Indonesien), und somit lässt sich das Ganze recht handlich in 36 Kapitel pro Land aufteilen - und 36 ist wiederum ein Vielfaches der 3, der göttlichen Zahl. Doch schon hier "hakt" es bei mir ein klein wenig. Denn für mich ist diese Zahlensymbolik ein wenig aufgesetzt. Nicht viel mehr als ein nettes Gimmick. Denn seien wir ehrlich - die Einteilung der Kapitel ist, wenn man genauer hinschaut, bei weitem nicht immer logisch zwingend, sie ist eher lose. Auch geht es keineswegs immer um die Reise, nein, die Dame springt munter hin und her zwischen Betrachtungen in der Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Erläuterungen der jeweils fremden Kultur und eigenen Erlebnissen. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass sie bei Reiseantritt den Vertrag für dieses Buch schon in der Tasche hatte! Somit kommt es mir persönlich so vor, als habe sie auf Biegen und Brechen diese 108 Kapitel "erfunden".


    Doch wenn ich mich einmal rein auf das Geschriebene "als Buch" beziehe, dann habe ich diesen Bericht schon sehr genossen. Elizabeth Giblert ist eine geniale Reisejournalistin. Sie vermag es, den Leser mitten in das jeweils bereiste Land zu versetzen, und dabei die Personen, die sie trifft, voller Warmherzigkeit zu schildern. Man erhält unverhoffte Einblicke in fremde Kulturen, erfährt Dinge, die einen abwechselnd schmunzeln, lachen oder den Kopf schütteln lassen.


    Italien, dem ersten Abschnitt der Reise, ist dabei der Titel "Eat" zugeordnet. Doch stimmt das nur oberflächlich. Die Schilderung der Mahlzeiten und der italienischen Lebensart nehmen vielleicht ein Drittel dieses Abschnittes ein. Viel mehr geht es hier auch um Liz' Vorgeschichte, um ihre gescheiterte Ehe, die sich anschließende desaströse Affäre, und den Entschluss, überhaupt auf Reisen zu gehen. Es geht darum, wie sie in Italien zum ersten Mal wieder entdeckt, dass sie selbst es ist, die ihr Schicksal in der Hand hat. Sie lernt Menschen kennen, und empfindet zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Freude am Leben.


    Danach kommt Indien, genauer gesagt: ein viermonatiger Aufenthalt in einem Ashram. Dieser Abschnitt ist mit dem Wort "Pray" verbunden, und das passt ausnahmsweise einmal sehr gut. Die Autorin in ihrer Entwicklung werde ich nachher gesondert beurteilen. Daher an dieser Stelle nur so viel. Hier wird dem Leser, sofern es ihn interessiert, ein faszinierender Einblick in die Abläufe in einem Ashram geboten. Besonders beeindruckt hat mich die strenge Routine, sowie die bunte Mischung an Charakteren, die in so einem Institut landen. Nun muss ich dazu sagen, dass ich mich im Bereich östlich Religionen und Spiritualität ein wenig auskenne, und somit habe ich diesen Abschnitt mit besonderem Interesse gelesen. Die Meditationstechniken, die erreichten Einsichten, die "Zufälle", die Sicht des Menschen und seiner Fähigkeiten - das war alles sehr bildhaft und, soweit ich das beurteilen kann, auch zutreffend beschrieben. ich könnte mir sogar vorstellen, diesen Abschnitt später noch einmal gesondert erneut zu lesen.


    Der letzte Abschnitt spielt in Indonesien, genauer gesagt, auf Bali. Das Wort "Love" des Titels ist hier offenbar das Motto. Meiner Meinung nach passt das wiederum nur am Rande. Sicher, auf Bali trifft Elizabeth schließlich den Mann, den sie lieben lernen wird. Aber das Ziel ihrer Reise nach Bali, und der Hauptanteil der Erzählung in diesem Teil des Buches, war vielmehr der Wunsch, einen alten Medizinmann zu besuchen, den sie zwei Jahre zuvor im Rahmen einer Reportage-Reihe kennengelernt hatte. Sie erhoffte sich von ihm weitere spirituelle Einsichten, sowie die Demonstration eines Lebens in Balance. Dieser Abschnitt hat mich wiederum aus kultureller Sicht sehr gefesselt. Ungeheuer farbig beschreibt Liz die Menschen und die Kultur dieses Paradieses. Das geht über Verwandtschaftsverhältnisse, religiöse Rituale, Schamanismus und Heiler, das soziale System bis hin zu Essen und Trinken sowie den zahlreichen gescheiterten Existenzen, den Europäern, die sich hier verkriechen. Ich hätte mich am liebsten ins Flugzeug gesetzt, und auch diesen Teil der Welt bereist. Liz selbst rückte für mich in diesem Abschnitt eindeutig in den Hintergrund.


    Jetzt kommen wir zum schwierigsten Teil, nämlich der Bewertung der Autorin. Ich muss es hier einfach sagen, und in die Bewertung einfließen lassen. Denn schließlich ist dieses Buch ja ganz ausdrücklich ein persönlicher Bericht, und somit muss sich die Autorin an ihrem eigenen Werk messen lassen - sie muss zumindest damit rechnen, dass man dies tut. Darf ich einmal ein wenig polemisch werden? Ich halte Elizabeth Gilbert für eine ziemlich typische, amerikanische, zu gut situierte, egoistische, und emotional unreife Zicke. Zumindest über weite Strecken des Buches. Manchmal hätte ich in das Buch springen und sie schütteln mögen!


    Es ist so furchtbar typisch, dass sie sich "nur aus Liebeskummer" mit Spiritualität zu beschäftigen beginnt, und dieser Liebeskummer ist auch noch (meine Meinung) in weiten Teilen selbst verschuldet und unnötig. Ich verstehe ganz einfach die Probleme nicht, die diese Frau mit sich und der Welt hat / hatte. Sie war bereits erfolgreiche Schriftstellerin, und verdiente den Löwenanteil des Einkommens in ihrer Ehe (steht so im Buch). Hallooo? Wo ist dann bitte das Problem, sich von ihrem Mann zu trennen?? Und wie kann man nur derart verblendet von sich selbst sein, dass man wie ein quengeliger Teenager gleich in die nächste Affäre stolpert, nur um sich in einem fort zu verkrachen, zu trennen und wieder zu versöhnen? Unglaublich.


    Auch ihr Herangehen an Spiritualität hat mich zumindest öfters stutzen lassen. Sicher, ich bewundere ihr Durchhaltevermögen in diesem Ashram. Ich habe mit ihr gelitten beim endlosen Mantra-Singen, und beim Stillsitzen um drei Uhr morgens. Dennoch, ihre Entwicklung musste wieder und wieder von außen, von anderen Menschen, angestoßen werden. Als dann auch noch ihr neuer Bekannter, Richard aus Texas, sie erst darauf aufmerksam machen muss, dass sie wohl ein kleiner Kontrollfreak ist, und sie sich auch noch darüber wundert, da hätte ich ihr am liebsten eine gelangt. Entschuldigung, so ist es nun einmal. Ich wundere mich ja selbst,welch heftige Emotionen dieses Buch teilweise bei mir auslöst.


    Zu guter Letzt hat mich befremdet, welches Konzept von Freundschaft und Liebe Elizabeth Gilbert hier verkörpert. Besonders in Italien fiel mir dies auf. Mein neuer Freund hier, mein guter Kumpel da, und so weiter und so fort. Und im ganzen späteren Buch hört man nie wieder von dieser Person. Und auch auf Bali ging das weiter. Sie quatscht endlos, ist sofort mit allem und jedem befreundet, geht mit wildfremden Menschen eine Woche lang auf eine kleine Kreuzfahrt. Nun ja. Und den Mann, der später zu ihrem neuen Partner wird, den liebt sie anfangs nicht einmal! Sie ist erst gut mit ihm befreundet (wie mit fast jedem in diesem Buch), was sie jedoch nicht davon abhält, mit ihm im Bett zu landen. Und während er schon von einer gemeinsamen Zukunft spricht, fragt sie sich noch, ob sie ihn überhaupt mag. Ich weiß einfach nicht. Das mag jeder selbst beurteilen, aber ich habe hier dem Ex-Mann von Liz Gilbert nur zustimmen können. Sie ist egoistisch, und macht oft viel kaputt.


    Wie so oft bei mir und meinen Rezensionen, kommt am Ende wieder die Relativierung. Immerhin verleihe ich dem Buch ja acht Sterne. Das ist aber der Schreibweise und dem farbigen und fesselnden Inhalt geschuldet. Es ist ein großartiger Reisebericht, und zumindest eine verwickelte seelische Odyssee. Eines ist es aber ganz sicher nicht: eine gute Werbung für Liz Gilbert als Person.


    +++


    Fast ganz richtig, Ronja:

    Ich finde in der Tat auch, dass die Rezensionen hier schon nahezu alles gesagt haben. Daher möchte ich es einmal auf andere Art und Weise machen.


    "Liebe Natascha!
    Gerade eben habe ich die Lektüre Deines Buches beendet. Ich hatte es mir ausgeliehen, und gedachte eigentlich erst in wenigen Tagen zu beginnen. Doch einmal hineingeschaut, hat mich der Gefühlsstrom sofort gepackt, den Du in dieses Buch hast fließen lassen. Und dem konnte und wollte ich mich nicht entziehen. So ist es erst einen Tag, nachdem es bei mir ankam, schon ausgelesen. Aber lange noch nicht verarbeitet.


    Und genau aus diesem Grund möchte ich Dir auch sofort schreiben. Es mag für andere Menschen paradox aussehen, das auf diesem Wege zu erledigen. Doch ich halte diese Art und Weise dennoch für sinnvoll. Schließlich bist Du auch genau diesen Weg gegangen: Du hast Deine Gefühle dem geschriebenen Wort überlassen, ohne genau die Richtung zu kennen, die das Geschriebene nehmen würde. Du hast, wie schon zur Zeit Deiner Gefangenschaft, Vertrauen gehabt. Vertrauen darin, dass das, was Du zu geben und zu sagen hast, nicht sinnlos ist, und dass es seinen Weg finden wird. Das ist mir Vorbild und Mahnung zugleich.


    Wie hätte ich auch, nach all den emotionalen Achterbahnfahrten, die ich mit Dir auf den 284 Seiten erlebt habe, eine stinknormale "Rezension" schreiben können? Ich wäre mir billig vorgekommen. Billig und sensationslüstern. Doch genau das ist Dein Buch eben nicht gewesen, diese Klippe wollte es umschiffen. Es hat also eine "Abarbeitung" als reines Buch niemals verdient.


    Was es sehr wohl verdient hat, ist, dass man die Gedanken und Gefühle weiterträgt, die es angestoßen und verbreitet hat. Wenn ich dazu mit diesem Brief auch nur ein wenig beitragen kann, dann hat es sich für mich gelohnt.


    Natascha, ich gebe zu, dass ich nach dem Umklappen der letzten Seite spontan in Tränen ausgebrochen bin. Damit möchte ich nicht erneut Mitleid für Dich erwecken. Mitleid brauchst Du nicht. Doch daran kannst Du sehen, dass Deine Worte etwas transportiert haben. Sie haben DICH transportiert. Dein Bericht ist zu jedem Zeitpunkt echt und wahrhaftig gewesen, ohne auf Effekte zu schielen. Zwar hat man an einigen Stellen durchaus gemerkt, dass Dir zwei professionelle Journalistinnen unter die Arme gegriffen haben. Aber dahinter bist Du eben immer Du geblieben. Und das imponiert mir ungeheuer!


    Ich glaube, dass Du durch dieses Erleben tatsächlich zwangsweise erwachsen geworden bist. Du hast Dinge durchdenken müssen, Du hast Einsichten entwickelt, zu denen mancher glückliche Rentner noch nicht einmal gelangt! Ganz besonders Deine Gedanken zu Identität, zu Schuld und Vergebung, und zu dem, was eine gesunde Psyche ausmacht, sind für eine junge Frau Deines Alters eher untypisch. Wie schade, dass Du einen so hohen Preis dafür zahlen musstest.


    Berührt hat mich auch, dass Du niemals nur an Dich alleine gedacht hast - oder zumindest nur selten. Immer hast Du Dich in Bezug zu anderen Menschen gesehen. Du hast Dir die Gefühle und Gedanken der anderen immer gleich mit aufgeladen. Sei es beim Rückblick an Deine Eltern, sei es bei Fluchtgedanken und deren möglichen Folgen. Sogar an die Folgen für den Täter hast Du gedacht! Wie musst Du es geniessen, nun nicht mehr für alle "mitdenken" zu müssen. Ich kann voll und ganz verstehen, dass Du nach Deiner Flucht nicht zu Deiner Familie zurück wolltest. Lass Dir da auch im Nachhinein bloß nicht reinreden!


    Auch wenn andere Menschen nun von irgendwelchen "Syndromen" reden - lass sie. Sie sind es ja nicht, die Dein Päckchen zu tragen hatten. Sie verstehen nicht, dass wirkliche Freiheit nicht automatisch mit dem Davonrennen einfach "da ist". Freiheit ist etwas, dass man sich auch seelisch zugestehen muss, damit es funktioniert. Und das hast Du geschafft.


    Vielleicht hat viele Leute auch verprellt, dass Du dem "Täter", den Du im Buch ja fast nie mit Namen nennst, nicht die Rolle zuteilst, den sie ihm so gerne gegeben hätten. Du dämonisierst ihn nicht, Du stellst ihn nicht auf ein Podest, und Du räumst ihm auch keinen Vorrang in Deinem Buch ein. Du beschreibst einfach Deinen Weg, und auf diesem Weg war er eine Station - wenngleich auch eine entscheidende. Doch als mehr sollte man ihn nicht betrachten. Denn auch er ist seinen eigenen Weg ja konsequent gegangen - bis zum Ende. Das ist seine Verantwortung allein. Nicht Deine.


    Liebe Natascha, Du hast Dich ja auch in Bezug gesetzt zu anderen Entführungsopfern - u.a. Sabine Dardenne, die aus den Fängen von Marc Dutroux befreit werden konnte. Ihr Buch habe ich auch hier liegen. Eigentlich wollte ich es gleich im Anschluss lesen. Doch das käme mir nun doch irgendwie pervers vor. So, als wollte ich "sightseeing" an und in eurem Leid betreiben. Das werde ich also erst mit gebührendem Abstand machen. Auf jeden Fall aber hast Du mir ermöglicht, diesen ganzen Themenkomplex mit anderen Augen zu betrachten. Danke, Natascha. Danke für Dein Vertrauen in uns Leser. Und Danke für Deinen Mut, und Deinen Glauben an die Zukunft."

    Ich mache eine Vorbemerkung. Die Bücher aus dem Gmeiner -Verlag sind in der Tat sehr (!) stramm gebunden bzw. geleimt. Man muss wirklich Kraft aufwenden, um die Seiten in lesbarem Abstand auseinander zu halten. Ob das nun gut oder schlecht ist...? Jedenfalls wird dieses Taschenbuch länger halten, da bin ich sicher.


    Doch nun zum Buch.
    Ich kann noch nicht einmal genau sagen, ob es gut oder schlecht war. Denn vieles ist mir einfach fremd geblieben - was ich erst einmal nicht als negative Wertung verstanden wissen möchte. Es ist zum einen sehr, sehr österreichisch. Das fängt an bei vielen Begriffen, die ich nicht kannte, und die bei mir nur lauter Fragezeichen hervorriefen. Was, bitte, ist z. B. ein Kieberer, ein Trafikant, oder eine Greißlerin?? Und auch, wie die Menschen sich unterhalten - immer diese Sätze mit "Geh, weißt schon" und so weiter, das wirkte auf mich in einem Krimi einfach befremdlich. Der ganze Umgangston in diesem Buch ist sehr "regional"


    Fremd blieb mir auch die ganze Grundeinstellung, auf der die Handlung beruht. Es geht im Wesentlichen um "Gewalt gegen Frauen", um Frauen, die sich gegen ihre gesellschaftlich oder familiär bedingten Rollen auflehnen. Doch das ist teilweise einfach sehr überzeichnet. Eines der Todesopfer in diesem Buch ist z.B. eine frei liebende Emanze, ein anderes wiederum ist lesbisch und leitet ein Frauenhaus. Berenike wiederum, die Protagonistin, mag sich so gar nicht entscheiden - eigentlich hat sie was mit dem ermittelnden Polizisten, wehrt sich aber das ganze Buch über gegen seine erotische Anziehungskraft. Gleichzeitig ist sie offen für die teils heftigen erotischen Reize, die von allen möglichen Menschen ausgehen - auch von Selma, der Frauenhausleiterin, oder von Horst, ihrem Bekannten in Wien. Sehr merkwürdig, das Ganze.


    Prinzipiell finde ich es gut, mal eine ganz andere Art von Heldin zu erfinden. Berenike (was für ein Name!) besitzt einen kleinen Tee-Salon im Ausseer Land, also im Salzkammergut, und zwar einen recht esoterisch geprägten Salon, mit angeschlossener Literatur-Ecke. Ich glaube, ich würde sie als "Hexe" im weitesten Sinne bezeichnen, zumindest aber als kräuterkundige und weise Frau, die sehr für Umwelteinflüsse und "Zeichen" und Stimmungen offen ist. Das zieht sich so durch das ganze Buch, und hat dem Ganzen einen nicht unerheblichen Reiz verliehen.


    Toll fand ich auch die "Tee-Bezogenheit" dieses Buches. Fast alle Kapitel werden einer bestimmten Tee-Sorte zugeordnet, die dann auch noch in der Handlung vorkommt! Das war schon ein kleines Kunststück. Ich selber bin absoluter Tee-Fanatiker, und dies war auch der entscheidende Faktor, der mich zu diesem Buch hat greifen lassen. Toll beschrieben, mit sehr viel Lust an Genuss, Duft und Sinnlichkeit. Am Ende des Buches befindet sich außerdem ein kleines Verzeichnis aller hier behandelten Tee-Sorten - köstlich, und sehr ansprechend gemacht.


    Ich merke, dass ich mich vor der Beschreibung der Handlung ein wenig drücke - und in der Tat ist das recht durchschnittliche Krimi-Kost. Vom Spannungsbogen her okay, aber auch nicht überragend. Berenike wird nämlich unfreiwillig in die Ermittlungen gezogen, weil sie es ist, die das erste Opfer findet - es ist ihre Tanzlehrerin. Und genau ab hier beginnt ihre völlig überspannte Reaktion auf die angebliche Unfähigkeit der Polizei. Überall sieht sie nur noch Gewalt gegen Frauen, und greift daher selbst in die Ermittlungen ein. Frauen sind gut, Männer sind böse. Ich gebe zu, ab und an hatte ich gehässige Gedanken. "Die braucht nicht nur einen Stecher, sondern auch einen Therapeuten". Nun ja. Letztlich ist es nicht einmal Berenike, sondern "Kommissar Zufall", der den Täter überführt. Eine große Überraschung ist das nicht - eher ein überzeichnet-stereotyper Täter. Nämlich....? Richtig, ein Frauenhasser! Ein wenig geärgert habe ich mich schon. Das Buch steuerte so verkrampft auf diese These zu, da hätte ein "etwas anderer Schluss" gut getan.


    Ein wenig entsetzt war ich, dass das Buch auch noch mit der Ausländer-Problematik überladen wird. Berenike macht einen mehrtägigen Ausflug nach Wien, um den (türkischen) Ehemann einer Freundin zu finden. Und was sie dort beobachtet und erzählt, die Gepflogenheiten von türkischen Mitbürgern betreffend... das grenzte für mich an Rassismus. Oder zumindest an heftige kulturelle ignoranz, bzw. Intoleranz. Wie kommt sie überhaupt dazu, sich darüber zu äußern, wie es in einem türkischen Teehaus zuzugehen hat?? Das käme mir nie in den Sinn! Hier hätte ich Berenike gerne geschüttelt.


    Ja, was bleibt von diesem Buch... es ist so ganz anders, als das, was ich erwartet hätte. Ungewöhnliche Heldin, auch sehr ungewöhnliche Sprache, mit vielen neuartigen Sprachbildern. Durchschnittliche Handlung, basierend auf teilweise sehr heftigen Stereotypen. Ein sperriger Regional-Krimi, gewürzt mit etlichen Elementen aus Esoterik und weiblicher Erotik. Ein gutes Rezept? Zumindest eines, das auffällt.

    Was für ein traurig-schönes, aber doch luftig-leichtes Buch! Das kenne ich wirklich nur aus Japan: kleine, aber feine Geschichten, erzählt in einem gänzlich unprätentiösen Stil, der aber dennoch unter die Haut geht.


    Dieses Buch, das sich aufgrund seiner relativen Kürze bequem an einem Nachmittag lesen lässt, ist gleichermaßen Liebesgeschichte, Drama und Schilderung eines Reifungsprozesses. Gewissermaßen eine "Love Story" auf Japanisch! Thematisch gesehen, zerfällt es in drei Teile, die sich in einem angenehmen Rhythmus auf das Buch verteilen.


    Trauer Das Buch beginnt mit der Rahmenhandlung in der Gegenwart, welche sich später mit Rückblicken abwechseln wird. Sakutaro befindet sich mit den Eltern seiner an Leukämie verstorbenen Freundin Aki auf einer Reise nach Australien, um dort Akis Asche zu verstreuen. Der Trauerprozess eines Jugendlichen ist dermaßen authentisch geschildert, dass es nahezu unmöglich ist, nicht selber ergriffen zu sein! Zudem korrespondiert Saku-chans Stimmung auf auffällige Weise mit der weiten und leeren Landschaft des Outbacks.


    Erinnerung Was den Wert eines verstorbenen Menschen ausmacht, ist die Erinnerung, die wir an ihn haben. Auch diesen Teil gestaltet der Autor in ergreifender Einfachheit. Saku-chan und Aki kennen sich schon seit Jahren aus der Mittelschule. Fast ist es so etwas wie eine Sandkastenliebe zwischen ihnen. Nie haben sie aneinander gezweifelt, nie gab es wirklich eine andere Wahl. Wunderschön, wie sich zwei wirklich "reine Seelen" einander annähern! Gleichzeitig wächst zwischen ihnen das Bewusstsein, dass sie etwas Wertvolles mit ihrer Liebe besitzen. Ihre Gespräche schwanken zwischen Frotzeleien und hoch philosophischen Betrachtungen über das Leben. Ja, sie sind sich sogar so wertvoll, dass sie auf einem (heimlichen) Zeltausflug sogar darauf verzichten, miteinander zu schlafen. Erst ganz am Ende bricht langsam das Drama über beide herein: aufgrund einer ominösen Krankheit kann Aki nicht mit auf Klassenfaht gehen.


    Loslassen Unterschwellig zieht es sich durch das ganze Buch. Immer wieder werden in Rahmenhandlung und in die Erinnerungen Episoden eingebaut, in denen Menschen sterben, und andere weiterleben müssen. Einmal ist es eine Lehrerin an Akis Schule, einmal die ehemalige "große Liebe" von Saku-chans Großvater. Diese Episode gehört für mich zum Unvergesslichsten, ws ich jemals gelesen habe: der Großvater bricht sogar mit Saku-chans Hilfe auf dem Friedhof ein, um einen Teil der Asche seiner Geliebten zu entwenden! Denn wenigstens im Tod sollen sie vereint sein. Doch schließlich zeigt sich das Thema des "Loslassens" auch in einem Epilog, der zwar nur kurz ausfällt, aber dafür umso beeindruckender ist. Sakutaro ist offenbar älter geworden, und sucht in Begleitung einen Ort auf, an dem er mit Aki oft war. Endlich sieht er ein, dass Aki immer da sein wird, und trennt sich von seinem allerletzten Erinnerungsstück an sie...


    Die einzige Gefahr, die ich bei diesem Buch sehe, ist die, dass man es aufgrund seiner Handlichkeit und Kürze zu oberflächlich verschlingt. Ansonsten kann ich nur sagen, dass bei diesem Stück Buch gewordener Poesie absoluter Taschentuch-Alarm besteht! Wunderschön wie die Kirschblüte, leicht wie fallende Blütenblätter, und dennoch anspruchsvoll wie ein Haiku.

    Habe mir gerade mit Mühe die Lachtränen aus den Augen getupft, um an den Rechner zu eilen. Dieses Buch ist ein Kracher, und wahrscheinlich auch ein ziemlicher Aufreger in manchen literarischen Kreisen. Ich würde gerne wissen, ob der Autor von den hier veralberten Personen Rückmeldungen bekommen hat! Doch wie dem auch sei, zunächst verdient es einfach, besprochen und auch gelesen zu werden.


    Wer ist Thomas Gsella eigentlich? Ich kannte ihn bislang auch nur aus diversen Anthologien, und zwar zumeist aus komischen. Meine Ansicht ist, er ist ein Dichter, der genial mit Worten und Bedeutungen spielen kann, der sich für (fast) keine Pointe zu schade ist, und der sich herzlich wenig um literarische Vorbilder schert. Oder eben doch...?


    Es gehört schon einiges an Mut dazu, ausgerechnet Marcel Reich-Ranicki und seine "Frankfurter Anthologie" zu veralbern! Doch genau das bringt Thomas Gsella fertig, und zwar auf überaus geniale Weise. Die "Frankfurter Anthologie" ist eine fortlaufend erscheinende, unendliche deutsche Gedichtsammlung, in die ich selber auch schon hineingelesen habe. Und ich gebe zu: nicht immer fand ich das, was dort gerühmt und erklärt wurde, auch wirklich der Besprechung wert. Öfters sogar hatte ich den Verdacht, dass die Rezensenten eher sich selber feiern, als die besprochenen Gedichte. Dasselbe muss sich Thomas Gsella auch gedacht haben.


    Hape Kerkeling hat einmal so etwas Ähnliches versucht: "Der Wolf, das Lamm - HURZ!" Er wollte mit Unsinn Tiefsinn provozieren. er wollte der Kritikerzunft ins Gesicht spucken. Das will Thomas Gsella wohl auch. Er schnappte sich einen Haufen (hoffentlich lizenzfreier!) Fotos mit teils wüsten Motiven von irgendwelchen Leuten, erfand jeweils einen Autorennamen sowie ein Gedicht dazu - und schrieb zu diesen teils genialen, teils einfach albernen Verballhornungen gleich auch noch die Kritiken, die er mit (echten!) Namen von Kritikern unterschrieb. Das Ergebnis ist eine prall gefüllte, bunte Bonbontüte aus Sinn und Unsinn, aus genialer Blödelei und bitterböser Kritik an der Zunft der Rezensenten. Ich muss allerdings dazu sagen: es wird wahrscheinlich nur der Leser wirkliche Freude an diesem Band haben, der die veralberten Vorbilder auch kennt.


    Auf jeden Fall aber ist der schiere Erfingungsreichtum von Thomas Gsella zu bewundern! Er hat es nicht nur geschafft, nahezu jede heute gängige Gedichtform aufs Korn zu nehmen, nein, auch die fiktiven Kritiken sind genau dem jeweiligen Stil des veralberten Kollegen nachempfunden. Er schreckt wirklich vor nichts zurück: kindliche Laut-Lyrik kommt genauso vor wie sinnfreie Metaphern, schwülstige Liebe und parodierte, bekannte Vorbilder. Gryphius, Brecht, Jandl, Thomas Mann, Heine, Erich Fried, Ringelnatz - sie alle bekommen "ihr Fett weg". Und erst die Rezensionen, die er dazu schreibt! Ich habe Hellmuth Karasek und Iris Radisch förmlich vor mir gesehen, wie sie diese Zeilen geschrieben haben KÖNNTEN. Köstlich! Und spätestens bei der schreiend komischen Gryphius-Parodie "Alles ist Scheitel" musste ich nach Luft ringen - zumal in der dazu gehörigen "Rezension" so herzergreifend die Not der "Heranwichsenden" (!!) beschrieben wird...


    Wer sich zumindest ein wenig in der deutschen Gedichtlandschaft auskennt, wer schon immer mal herzlich über Kritiker und ihre Eitelkeiten lachen wollte, und wer auch nicht vor teils drastischen Pointen zurückschreckt - für den ist dieses Buch eine wahre Offenbarung.


    "Denk ich an Deutschland
    in der
    Nacht,
    dann bich ich um den
    Schlaf
    gebracht"

    Ich lese das Buch gerade noch, bin im letzten Drittel.


    Wie gut, dass ich anscheinend nicht die Einzige bin, die sich fragt, ob die Handlung nicht ein klein wenig überzogen ist...
    Und wie albern das ist, dass Robert Walcher den Toten ausgerechnet auf einem Ordner der Company findet... das ist doch nun wirklich sehr konstruiert, oder?? Finde ich auch!!


    Die Atmosphäre, das Haus, der Kramladen etc., das alles hat mir allerdings gut gefallen.

    Hallo Gronik,


    im Wesentlichen würde ich Dir zustimmen. Ich glaube einfach, dass sich Patrick Woodhead des Tibet-Hintergrundes lediglich als "exotische Kulisse" bedient hat, und nicht wirklich daran interessiert war, die Themen sachgerecht aufzubereiten. Aber als "reiner Thriller" finde ich das Buch immer noch recht gut gelungen.

    Soso, butterfly, Du bist also "bekennender Dühnfort-Fan"?


    Na ja, meinen Entschluss, keine anderen Bücher über Dühnfort mehr zu lesen, hatte ich auch im ersten Frust nach diesem Buch geschrieben. Vielleicht liest es sich ja alles im Zusammenhang doch logischer.


    Aber wird denn in anderen Büchern noch geklärt, was es mit diesem komischen Segel-Unfall auf sich hat? Das war mir hier viel zu kurz und rätselhaft geschildert. Das hab ich überhaupt nicht einordnen können.


    Und: trinkt er in anderen Büchern auch so viel Wein??


    Besten Gruß von der neugierigen
    rumble-bee

    Ich glaube, wir reden ein wenig aneinander vorbei, Gummibärchen. Aber das macht ja nichts.


    Dann muss ich meine Meinung wohl noch einmal ganz neu formulieren...warte...


    Vielleicht hätte ich meine Rezension auch anders beginnen sollen. Ich lese wirklich viel, auch viele Krimis. Und da bleibt es nicht aus, dass ich Bücher auch vergleiche. Und im Vergleich zu anderen Krimis, insbesondere im Vergleich zu den Stars der Krimi-Szene, hat Arno Strobel hier ein durchschnittliches Werk abgeliefert. Ich kritisiere nicht das Vorgehen, ein Geschehen abwechselnd auf zwei Zeit-Ebenen zu schildern. Das hat sicher im Falle dieser Geschichte auch seine Berechtigung. Aber dieses Vorgehen berechtigt meiner Meinung nach nicht dazu, diesen Krimi als "etwas Besonderes" zu bezeichnen. Dazu ist die Geschichte AN SICH einfach zu durchschnittlich. Da kann das spannungssteigernde "Splitten" der Handlung auch nichts mehr reißen.



    Und zu den Cliffhangern... ich finde einfach, man merkt diesem Buch an, dass Arno Strobel zu manchen Mitteln gegriffen hat, um "noch etwas zu reißen", um die Geschichte interessanter zu machen, als sie eigentlich ist. Die Cliffhanger sind gegen Ende zu zahlreich und zu gewollt. Und vor allem: sie verlaufen oft im nächsten Kapitel schon im Sande.



    habe ich nun Deine Fragen beantworten können?


    Übrigens, es hat mich gefreut, mit Dir zu plaudern. Nichts ist schlimmer als ein Forum, in dem sich nur Selbstdarsteller tummeln, ohne wirklich ins Gespräch zu kommen.


    bis bald dann mal!