Beiträge von Josefa

    Der Roman "In feiner Gesellschaft" (orig.: "Thrones, Dominations") basiert auf einem unvollendeten Manuskript aus dem Nachlaß von Dorothy Sayers und wurde von Jill Paton Walsh zu Ende geschrieben.


    Außerdem gibt es noch einen Roman "Mord in mageren Zeiten" ("A Presumption of Death"), ebenfalls von Jill Paton Walsh, verfaßt auf Basis einiger fiktiver Briefe ("Wimsey Papers"), die Dorothy Sayers zu Lebzeiten während des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht hatte.

    Als Kind: von Hans Baumann "Ich zog mit Hannibal". Hat bei mir ein Interesse für den Zweiten Punischen Krieg ausgelöst, das sich fast bis zum Abitur gehalten hat.
    Dann von Christa Wolf "Kassandra". Habe ich vor einigen Monaten erst wieder aus dem Regal gezogen. Fesselt und trifft mich noch immer, selbst wenn sich meine Anschauungen in vielen Dingen geändert haben.
    Und ganz kürzlich erst gelesen und hier auch schon genannt: von Harper Lee "Wer die Nachtigall stört". Ein Buch, zu dem ich keine Rezension verfassen kann, weil es so gut ist, daß es meine Ausdrucksfähigkeit übersteigt.

    Zitat

    Original von Voltaire
    Dieter hat es genau getroffen. Es gibt keine OBJEKTIVEN Kriterien für "gut" oder "schlecht". Kriterien die eine solche Wertung begründen sind immer subjektiv. Es wäre anmaßend, wähnte man sich im Besitz solcher - vermeintlich - "objektiven Kriterien".


    Um einmal bei deinem Beispiel zu bleiben:
    John Sinclair finde ich gar nicht schlecht, während ich Thomas Mann für den am meisten überschätzten Schriftsteller halte - ein Scharlatan des geschriebenen Wortes - in meinen Augen eine echte literarische Luftblase. Ein rein subjektives Urteil, denn - andere mögen es anders sehen (was mich natürlich total verwundern würde).


    Rein interessehalber: Würdest du dann auch so weit gehen, daß du sagst: John Sinclair-Heftchen oder Nele Neuhaus-Krimis lese ich lieber als Thomas oder Heinrich Mann, ergo sind "Jason Dark" (respektive das Konglomerat von Autoren, das sich dahinter verbirgt) und Nele Neuhaus bessere Schriftsteller als Thomas Mann? Und das wöchentliche Heftchen bzw. das letzte Taschenbuch bessere und wichtigere Werke als "Die Buddenbrooks" und "Professor Unrat"?


    Ich habe John Sinclair-Hefte als Teenager mit Begeisterung gelesen ;-). Aber mir ist trotzdem aufgefallen, daß manche Passagen in diversen Heften praktisch wörtlich immer wieder auftauchten, daß Sprache und Logik ab und zu schon sehr strapaziert wurden und der Inhalt sich auf bloße "Action" beschränkte. Insofern hätte ich auch damals nie behauptet, das wäre "gute" Literatur.
    Heute verschlinge ich bestimmte Romane von R.A.Salvatore. Ich sitze jetzt schon auf Kohlen und warte auf das Erscheinen des nächsten Bands der "Neverwinter"-Reihe. Trotzdem bin ich mir bewußt, daß die Bücher - sprachlich wie inhaltlich - nicht gerade literarische Meisterwerke sind.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Und zu diesen sogenannten "Päpste der Literaturkritik" sein nur angemerkt: Wer diese Gestalten ernst nimmt, der ist selbst schuld.


    Lesen soll Freude machen und nur man selbst kann für sich entscheiden was Freude macht und was man selbst als "gut" empfindet.


    Was die "Literaturpäpste" angeht, werde ich bestimmt nicht widersprechen. (Das war so schlimm früher, während meiner Lehrzeit: Donnerstag abends Pflichttermin "Literarisches Quartett", und dann Freitag früh schnellstmöglich beim Barsortiment ordern, was auch immer MRR empfohlen oder extrem verrissen hatte). Natürlich möchte ich mich nicht von der Meinung einer anderen Person abhängig machen.


    Nur bin ich genausowenig sicher (jetzt mein Dilemma), ob ich an deren Stelle meine eigene, nachgewiesenermaßen fehlbare Meinung setzen möchte. Die persönliche Ansicht eines äußerst denkfaulen und geistig unbeweglichen Wesens als einzigen Maßstab? Da gruselt's mich genauso. :grin


    Und: wenn die Einschätzung von "gut" und "schlecht" tatsächlich rein subjektiv ist, wenn "gut" also tatsächlich nur das ist, was mir gefällt, dann ist dieses Forum ja letztlich auch überflüssig. Persönliche, völlig subjektive Meinungen, die nicht auf verbindlichen, nachvollziehbaren Kriterien beruhen, können für Andere doch kaum Bedeutung haben?


    Und auch, ob Lesen wirklich nur Freude machen soll, ist etwas, was ich nicht so einfach unterschreibe. Klar ist es "gefälliger" für mein schläfriges Hirn, 'nen Mittelalter-Krimi zu lesen als ein Buch, in dem jemand sich ernsthaft Gedanken zu einem Thema macht. Womöglich schon älter und in einer entsprechend schwierigen Sprache geschrieben. Aber für mein Hirn wäre es sicher "besser", ihm ab und zu einen Tritt zu geben und es zu zwingen, sich durch einen Text zu quälen, bei dem es arbeiten müßte. (Man beachte den Konjunktiv.)


    lg
    Josefa

    Ich breche sehr ungern ab, weil es mir auch so geht, daß ich dann mit diesem Buch gedanklich nicht wirklich abschließen kann. Ganz egal, wie belanglos das Buch war. (Ich habe mir nach über fünfundzwanzig Jahren wieder einen Karl May-Band gekauft, weil ich die Geschichte um "Old Surehand" als Kind nie fertig gelesen hatte :grin.)


    Ich entwickle da auch einen gewissen Stolz (oder vielleicht ist es auch Masochismus), mich zu quälen. Das schlimmste Buch bisher war ein Augsburg-Krimi, den eine Kollegin ins Büro mitbrachte - ich war die einzige, die es über die ersten beiden Kapitel hinaus geschafft hat, durchzuhalten.


    Was mich dazu bringt, abzubrechen: wenn ich einen echten, aktiven Widerwillen gegen die handelnden Figuren oder den Grundtenor des Buches entwickle. Dann lege ich es aber auch weg und denke nicht mehr darüber nach. So geschehen z.B. bei "Biss..." und zuletzt bei V.Schlederer "Des Teufels Maskerade".

    Zitat

    Original von Dieter Neumann
    Du hast als Leserin jedes Recht, etwas nicht zu mögen. [...] Wer nicht zu doof zum Lesen ist, ist niemals zu doof für eine, für seine ganz persönliche Meinung. Zu der hat er/sie jedes Recht. Und das ist gut so – und zu respektieren.


    Oh, das hatte ich nicht angezweifelt. Natürlich darf man zu allem eine Meinung haben (und ich rezensiere hier ja sehr eifrig und mit viel Vergnügen). Allerdings bin ich selbstkritisch genug, um einzusehen, daß meine Meinung zu vielen Dingen vollkommen wertlos ist - weil ich von der Materie nicht genug verstehe. Zum Beispiel Politik, Quantenphsik oder eben auch abstrakte Kunst (tolles Beispiel!).


    Und das spielt doch wohl auch eine Rolle? Wenn ich nun zeit meines Lebens nichts als "Cora"-Heftchen gelesen habe, und man setzt mich vor irgendein Werk der "Hochliteratur" (was immer das auch sein mag), dann liegt die Chance, daß ich das Buch nach ein paar Seiten zuklappe und das Ding "doof" finde, sehr hoch.
    Das ändert doch aber nichts daran, daß dieses Buch - sprachlich wie inhaltlich - ganz objektiv besser (=ausgefeilter, gedankenvoller, überlegter) ist als meine bisher gewohnte Lektüre?


    Zitat

    Original von Dieter Neumann
    Es gibt, egal, was die "Päpste" der Literaturkritik auch immer sagen mögen, keine objektiven Kriterien für "gut" oder "schlecht" bei Büchern.


    Also alles zwar nicht dasselbe, aber am Ende doch das Gleiche? Gleichwertig? John Sinclair und Jane Austen, "Julia"-Heftchen und Jules Verne, Stephanie Meyer und Thomas Mann?


    Siehst du, das gefällt mir auch nicht. Ich habe überhaupt kein Problem damit, zuzugeben, daß ich für eine Sache "zu doof" bin, daß der Grund für mein Nichtverstehen oder mein Mißfallen also bei mir liegen könnte. - Ich bin ein sehr fauler Mensch. Ich lese unheimlich anspruchslose Sachen, Krimis und historische Romane vor allem. Die "gefallen mir". So Facebook-Daumen-mäßig, ja? Ich mag die Figuren und leide mit ihnen, ich warte nägelkauend auf den nächsten Band einer Reihe und gehe in die Luft, wenn sich das Erscheinungsdatum verschiebt. - Aber ich würde nie behaupten, daß das "gute" Bücher sind, die "man gelesen haben" muß, wie das in etlichen Rezis so schön heißt. Es ist austauschbare Massenware, nach dem immer gleichen Schema gestrickt, zum Lesen und Vergessen.
    So doof, daß ich das nicht erkennen würde, bin ich dann auch wieder nicht. :grin
    Andersherum gibt es viele Bücher, die mir subjektiv überhaupt nicht "gefallen" haben, die ich aber dennoch für sehr gute Bücher halte. Klassisches Beispiel wäre Saligers "Der Fänger im Roggen". Hat bei mir außer einem Haufen kreisender Fragezeichen um die Stirn nichts ausgelöst. Trotzdem würde ich jederzeit unterschreiben, daß das ein hochintelligentes und sehr gutes Buch ist.


    Also, wie man sieht: ich bin mit mir selbst in dieser Frage nicht im Reinen. ;-)

    "Bücher, die scheinbar "jeder" mag - nur du nicht" - mit diesen Threadtitel hätte ich auch weniger Probleme.


    Genau dieses Erlebnis hatte ich kürzlich gleich zweimal, einmal mit "Tannöd" und erst diese Woche mit Nele Neuhaus' "Schneewittchen". Wobei ich - rein gefühlsmäßig! - bei "Tannöd" noch eher sagen würde, daß es mir subjektiv nicht gefällt, daß ich aber vielleicht einfach nur zu doof bin, die literarische Qualität zu erkennen. Bei "Schneewittchen darf nicht sterben" bin ich irgendwie viel rigoroser. Mir will überhaupt nicht in den Kopf, daß irgendjemand das gut finden kann.


    Zum Thema Subjektivität: denkt ihr, es gibt objektive Kriterien, nach denen man die Qualität eines Textes messen kann? Also Dinge, die in jedem Fall dazu beitragen, daß euch eine Geschichte nicht gefällt? Handwerkliche Dinge wie Rechtschreib- und Grammatikfehler vielleicht? Oder ist wirklich alles reine Geschmacksfrage?

    Ich denke, ich bin da altmodisch. Als ich meine Lehre gemacht habe, war es eigentlich normal, daß ein Buch, von dem der Verlag überzeugt war, zunächst als Hardcover erschien. Nur das war ein "richtiges" Buch. Das Taschenbuch war die Billigausgabe, die nach einem Jahr für die Leute auf den Markt kam, die sich das "echte" Buch nicht leisten konnten oder wollten. Ein Titel, der gleich als Taschenbuch erschien, war Massenware für den Wühltisch. Ramsch halt, ungefähr so wie Filme, die nicht in die Kinos kamen, sondern gleich auf Video erschienen.
    Heute scheint sich das total geändert zu haben. Vermutlich liegt das am geänderten Leseverhalten (sehr viele, immer wieder neue Bücher schnell hintereinander weg statt ein sorgfältig ausgewähltes Buch, das man immer wieder zur Hand nimmt). Bin mal gespannt, wie lange das noch gut geht.


    Ich schätze gebundene Bücher nach wie vor sehr. Sie sind in der Regel sehr viel schöner.

    Inhalt:


    Vor zehn Jahren soll Tobias Sartorius in seinem Heimatort zwei Mädchen ermordet haben. Nun kehrt er nach verbüßter Gefängnisstrafe zurück und wird sofort von seiner Vergangenheit eingeholt. Die Dorfgemeinschaft begegnet ihm mit Haß und Vorurteilen. Die bislang verschwundene Leiche eines der Mädchen wird aufgefunden, ein weiteres Mädchen verschwindet. Was geschah wirklich vor zehn Jahren in Altenhain?


    Persönliche Bewertung:


    Ich habe dieses Buch aus Anlaß des "Welttag des Buches" als Geschenk erhalten und mich unheimlich gefreut, weil ich von Nele Neuhaus immer schon mal was lesen wollte. Nun sollte man einem geschenkten Gaul wohl nicht ins Maul gucken. Aber dies ist ein Rezensionsforum. Und ich war selten von einem Buch so enttäuscht und beim Lesen der Eulen-Rezensionen (die ich wie üblich erst nach Beendigung meiner Lektüre gelesen habe) so verdattert. Ich habe das Buch bestenfalls als mittelmäßig, an einigen Stellen sogar als ausgesprochen schlecht empfunden und konnte die enthusiastischen Beurteilungen gar nicht fassen. Kann ich eigentlich immer noch nicht.
    Da mein Eindruck vom Buch von den meisten bisherigen Rezis so sehr abweicht, möchte ich diesmal sehr detailliert begründen, weswegen ich kein freundlicheres Urteil zu dem Buch abgeben kann:


    1 Punkt Abzug für Aufbau und Erzählweise.


    Die Geschichte ist meines Erachtens von A bis Z schlecht erzählt. Es gibt keinen roten Faden in der Handlung, keinen kontinuierlichen Spannungsaufbau, stattdessen unheimlich viele Handlungsstränge, die nie wirklich entwickelt werden. An die Stelle einer logischen Abfolge von sich gegenseitig bedingenden Ereignissen tritt ein zufälliges, möglichst actionreiches Geschehen nach dem anderen, was den Fortgang der Geschichte eher behindert als voranbringt.



    Mein Eindruck war: Die Plotfäden werden in dieser Geschichte nicht gesponnen, sondern immer nur kurz aus dem Gewebe gezupft. Bis man als Leser am Ende feststellt, daß es sich gar nicht um ein Gewebe handelt. Sondern um Filz.
    Der hektische Szenenwechsel mit den permanenten Cliffhangern hilft da auch nichts. Teilweise weiß man als Leser Dinge viel zu früh, teilweise bleiben Fragen offen oder werden beiläufig am Rande abgehandelt.



    Diese Mängel im Großen setzen sich im Kleinen fort. Gibt es da nicht dieses "Show, don't tell", das in sämtlichen Schreibratgebern empfohlen wird? Warum wird mir beim Lesen in diesem Buch jede Kleinigkeit vorgekaut? Warum erhalte ich Infos teilweise doppelt und dreifach? Wozu die andauernden inneren Monologe der Personen zu Dingen, die mir gerade eben schon geschildert worden sind? Vor allem, wenn sich aus diesen inneren Monologen nie ein neuer Aspekt entwickelt und die Handlung dadurch weder vorangetrieben noch erhellt wird?


    1 extra Punkt Abzug, noch einmal wegen des Aufbaus, für den Schluß


    Denn ganz ehrlich: da war ich beinahe persönlich beleidigt. Für wen hält mich der Verlag, wenn er allen Ernstes glaubt, das würde mir gefallen?
    Hat die Autorin gemerkt, daß ihr Spannungsaufbau nicht klappt? Oder warum baut sie da auf den letzten Seiten noch schnell eine hanebüchene Wendung nach der anderen ein? Als da wären: eine Verfolgungsjagd im Auto durch Frankfurt (die mich übrigens gelangweilt hat), eine Leiche, ein verschollenes Testament, ein heimliches Ausspionieren der Hauptverdächtigen, einen Tötungsversuch, einen Autounfall eines (suizidgefährdeten?) Ermittlers. Liste ließe sich noch fortsetzen. - Das ist hektischer Aktionismus, der aber auch nicht darüber hinweg täuschen kann, daß die eigentliche Geschichte mit dem Auffinden von Amelie und Thies und der Aufklärung des alten Falles längst zu Ende erzählt ist.
    Was mich zum nächsten Kritikpunkt bringt:


    1 Punkt Abzug für Seitenschinderei.


    Ich weiß nicht, wie ich das sonst nennen soll. Ich vermute mal zugunsten der Autorin, es gab eine strikte Vorgabe seitens des Verlages: mindestens 500 Seiten Umfang. Anders läßt sich die epische Breite, mit der Belanglosigkeiten wie Geburtstagsfeiern irgendwelcher Verwandter oder persönliche Probleme der Ermittler ausgewalzt werden, kaum erklären. - Ich bin mir bewußt, daß ich in diesem Punkt vermutlich Einspruch von den Fans der Reihe erhalten werde, die im Gegensatz zu mir die vorherigen Bände gelesen haben und die Ermittler und ihr persönliches Umfeld bereits kennen. Das ändert aber nichts daran, daß solche Einschübe, die mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun haben, die Erzählung verschlechtern. Ein an sich gut erzähltes Buch kann das verkraften. Dieses Buch kann das nicht. - Ich bin eigentlich auch jemand, der keinen großen Wert legt auf die bloße Aufklärung des Falls. Das "Drumherum" ist mir viel wichtiger. Aber. Im Fall von z.B. Donna Leons Brunetti funktioniert das - die ganzen privaten Details aus dem Leben der Ermittler setzen sich zusammen zu einem Bild Venedigs, und die typisch venezianischen Verhältnisse bilden die Grundlage für die Geschichte. Bei Nele Neuhaus berühren sich Privatleben und Ermittlung kaum. Und da die Haupterzählung sich nun einmal um den Kriminalfall dreht, wirken die zusätzlichen Berichte aus dem Leben der Kommissare wie Ballast.


    1 Punkt Abzug für die Sprache.


    Und damit ist Frau Neuhaus gut bedient. Die Sprache ist im besten Fall reizlos. An einigen Stellen ist sie schlimm, altbacken und dröge, reiht sich eine abgedroschene Phrase an die nächste.


    Von Seite 497: "Sein Herz schrie nach Rache für all das, was man ihm und seinen Eltern angetan hatte."
    Sein Herz schrie nach Rache. - Wow. Ich hätte nie gedacht, daß ich sowas außerhalb von Bahnhofskiosk-Heftchen mal lesen müßte. Der Satz alleine wäre schon einen Punkt Abzug wert.


    1 Punkt Abzug für Klischees, mangelnde Logik und zweidimensionale, irrational handelnde Figuren


    Ich fasse diese drei Punkte einfach mal zusammen, obwohl ich eigentlich für jeden einen Punkt abziehen müßte. Aber dann würde ich das Buch, verglichen mit anderen, die ich hier schon rezensiert habe, zu schlecht bewerten.



    Und natürlich mein Lieblingsplotbestandteil: das Testament. Das war wirklich der Gipfel. Ich habe nur noch auf die Enthüllung gewartet, daß Tobias in Wahrheit der verschollene Lieblingssohn des Großwesirs von Zamponien ist, was anhand eines kleeblattförmigen Muttermals auf seiner linken Schulter bewiesen werden kann.
    Von Niveau her etwa so stimmig wie diese an den Haaren herbeigezogenen Stories aus TV-Krimiserien.


    ***


    In Summe ziehe ich damit fünf Punkte ab. Bleiben fünf für Frau Neuhaus. Und für mich das unbehagliche Gefühl, daß ich offenbar mit meiner Bewertung allein auf weiter Flur stehe. Nur wüßte ich wirklich nicht, wie ich anders urteilen sollte; das hat nichts mehr mit "Gefällt mir nicht" zu tun, sondern mit ganz objektiven und - meiner Ansicht nach - überdeutlichen Schwächen des Buches. Ich sag's, wie's ist, mir ist bei den enthusiastischen Rezensionen hier echt der Mund offen stehengeblieben. Tut mir sehr leid, wenn ich mich diesen Lobeshymnen partout nicht anschließen kann.

    Zitat

    Original von Wuermchen
    Ich komme zwar aus Franken, hätte protzen aber nun überhaupt nicht für ein Dialektwort gehalten, sondern für astreines Hochdeutsch :gruebel


    Als Verb kenne ich's im Bairischen auch nicht, aber ich kenne noch das Adjektiv "pro(t)zert": angeberisch, herumprotzend ("Dua no recht protzert sei!" als Ausruf, wenn jemand nach Ansicht des Sprechers zuviel Geld ausgibt). - Das würde aber zu der Bedeutung Geizhals im Text überhaupt nicht passen.

    Zitat


    Der Dialekt ist aber sehr oberbayrisch, ich denke so haben die eingesessenen älteren Münchener gesprochen


    Worüber ich gestolpert bin, ist das Wort "Prozen". Habe ich in der Bedeutung noch nie gehört. Ein geldgieriger Mensch ist bei uns ein "Ruach". "Proz" kenne ich nur in der Bedeutung "Kröte" :grin.
    Allerdings bin ich zwar aus Oberbayern, aber vom Land. Vielleicht ist der Ausdruck Stadtbairisch.

    Wenn's nur auf meine Wünsche ankäme, dann ganz klar Hardcover. Allerdings leide ich auch unter den Problemen, die schon angesprochen worden sind: zu wenig Platz im Regal, zu wenig Geld im Portemonnaie. Weswegen es dann meistens darauf hinausläuft, daß ich mich zwischen einem neuen Taschenbuch und einem gebrauchten Hardcover zu entscheiden versuche.

    Ich habe mir diesen schon etwas älteren Krimi herausgepickt, weil ich mal wieder was Mittelalterliches zum Schmökern für die S-Bahn gesucht habe. Außerdem hat mich die Zeit interessiert, in der die Geschichte spielt; viele Histo-Krimis sind ja im Spätmittelalter angesiedelt. Worms im elften Jahrhundert war mal was anderes.


    In Summe hat es mir auch ganz gut gefallen. Ein typischer Mittelalter-Krimi eben, mit allem, was so eine Geschichte braucht: ein knurriger Ermittler Marke "rauhe Schale, weicher Kern", eine spitzzüngige Co-Ermittlerin, mit der er sich witzige Wortgefechte liefern darf, ein paar zwielichtige Potentaten weltlicher wie geistlicher Provenienz und gut recherchierte historische Hintergrund-Infos.
    Und eine Katze. Katzen sind nie verkehrt.


    Das Buch hat mir in Summe auch gut gefallen. Trotzdem haben mir Geschichten dieser Art irgendwie mehr Spaß gemacht, bevor ich angefangen habe, mich intensiver fürs Mittelalter zu interessieren.


    Meine Probleme fingen an mit Kapitel 2, sobald die Worte "Heilerin" und "weise Frau" gefallen waren. Das sind so Begriffe, die für mich untrennbar mit Fantasy-Rollenspielen verknüpft sind. Mit der Figur der Garsende hatte ich demzufolge auch enorme Schwierigkeiten. Immerhin fand ich es sehr lobenswert, daß der Roman das Problem ansprach, daß Frauen ohne männliche Verwandtschaft keinen Rechtsvertreter hatten und damit nicht vor Gericht gehen konnten.
    Allerdings verstehe ich trotzdem nicht, wie und vor allem von was Garsende in ihrer Hütte mitten in der Pampas denn lebt. Wenn man sie bei der Arbeit sieht, tut sie nichts als Pflänzen sammeln, klein schnippeln oder aufkochen. Lebt sie also von den Zuwendungen ihrer Patienten? Worms hatte laut Wikipedia selbst in seiner Blütezeit im Spätmittelalter nur 6000 Einwohner. Wie viele von denen gingen zum Arzt? Man wird damals kaum wegen jedes Schnupfens Hilfe geholt haben. Wie viele Leute hatten überhaupt die Mittel, einen Arzt aufzusuchen? Wie viele mußten eine "unabhängige" Heilerin bemühen, statt einfach Omas Hausmittelchen selbst auszuprobieren - es war ja nicht so, daß in der Landwirtschaft keine Heilpflanzen angebaut worden wären? - Kurz und gut, ich kann mir nicht vorstellen, daß eine junge Frau wie Garsende tatsächlich völlig allein in ihrer Hütte hätte leben können - schon alleine deswegen nicht, weil die Arbeit im Mittelalter auf ein extremes Miteinander ausgerichtet war.
    Vielleicht sind solche "emanzipierten" Frauen in einem Roman nötig, um die angepeilte Zielgruppe anzusprechen. Ich weiß es nicht, ich fand die Figur allerdings in diesem Fall nicht wirklich überzeugend.


    Dazu kamen dann andere historische Unstimmigkeiten, die wahrscheinlich in dieser Art Romane normal sind, mich aber irgendwie zunehmend ärgern. Daß die hohen Herren beim Treffen mit dem Burggrafen im "Hemd" herumsitzen, hat mich wirklich schlucken lassen. Das Hemd gehört zur Unterwäsche. Von solchen Dingen wie "dunkelgrünem Leinen" mal ganz abgesehen.


    In Summe überwog aber doch der Kriminalfall, der an sich spannend und unterhaltsam erzählt war. 8 Punkte.

    Inhalt:


    Jeden Donnerstag treffen sich der pensionierte frühere Oberstaatsanwalt Dr. F. und einige Bekannte im Haus eines Freundes zu einer klassisch bildungsbürgerlichen Beschäftigung: Hausmusik. Bevor aber die Instrumente ausgepackt und die Eigenheiten des einen oder anderen Komponisten besprochen werden, erzählt Dr. F. Geschichten aus seiner Amtszeit - belauscht und gelegentlich kommentiert von Hauskatze Mimmi.


    Persönliche Meinung:


    Ich hatte zu Beginn merkliche Schwierigkeiten, in das Buch einzusteigen. Vor allem verglichen mit den Texten, die ich zuvor gelesen hatte, kam dieses Buch mir zu Beginn einfach zu "geschwätzig" vor. Aber das verging nach einigen Dutzend Seiten.


    Eine Figur nur dadurch kennenzulernen, was und wie sie erzählt, war ein spannendes Experiment. Und es hat funktioniert. Die diversen Juristen-Anekdoten, eingebettet zwischen Betrachtungen zur klassischen Musik, mit denen ich leider mangels Fachkenntnis gar nichts anfangen konnte, wechseln zwischen humorvoll, spannend und melancholisch, sind aber immer ungemein liebenswürdig. Man hat am Ende tatsächlich ein sehr klares Bild des Oberstaatsanwalts, und ich habe ihn auf den letzten Seiten kläglich vermißt.


    Katze Mimmi war ein witziger Kommentator, mir persönlich aber auf den letzten Seiten ein wenig zu aufdringlich. Faszinierend aber der Aufbau der Geschichte, die kunstvolle Art, wie die Geschichten ineinander geschlungen sind und, durch den letzten Bericht der Katze, noch einmal komplett neu miteinander verknüpft werden.


    Ein Buch zum nochmal und mehrmals lesen. 9 Punkte.