Beiträge von Josefa

    Der Teufel hat ein Buch geschrieben und alles Wissen der gesamten Menschheit darin verschlüsselt, so erzählt die Legende. Doch dieses Buch, die "Teufelsbibel", ist verschollen. Mitten in den konfessionellen Wirren des sechzehnten Jahrhunderts wird nun von verschiedenen Parteien danach gesucht - denn dieses Buch soll die Macht haben, die Christenheit entweder zu retten oder zu zerstören.


    Verschwörungsszenarien sind ja eigentlich so gar nicht meins. Trotzdem habe ich Richard Dübells Roman sehr gerne gelesen. Das liegt zum einen an der gewählten Sprache - schön zu sehen, daß sich nicht alle Autoren fürchten, ihren Lesern auch mal ein paar Nebensätze zuzumuten.
    Die zweite Stärke des Buchs sind seine Figuren. Mit Pater Xavier gibt es einen wundervoll skrupellosen Antagonisten, dem ein nicht weniger eindeutiger Held, Cyprian, gegenübersteht. Die anderen handelnden Figuren sind vielschichtiger, weswegen sie in meinen Augen auch interessanter waren, selbst wenn man sich als Leser wohl mit Cyprian am einfachsten identifizieren kann.
    Der Roman setzt sich aus vielen Handlungssträngen zusammen, deren einzelne Protagonisten sich erst im Laufe der Zeit tatsächlich begegnen. Die Suche nach dem teuflischen Buch erstreckt sich über das gesamte Reich, von Spanien bis nach Böhmen. Das ist spannend und manchmal für den Leser verwirrend. Am lebendigsten waren für mich die Stellen, die in Prag spielen, rund um den bröckelnden Hof, an dem ein halb wahnsinniger Kaiser Alchemist spielt, statt das Reich zu regieren. Nicht zu vergessen, daß bei aller Tragik und Dramatik auch ein paar herrlich witzige Stellen dem Leser Gelegenheit geben, mal wieder durchzuatmen.


    Nicht immer ganz klar war mir, was an diesem komischen Buch nun tatsächlich so bedrohlich sein soll. Daß alle beteiligten Figuren von der Brisanz und Bedeutung dieses Buchs überzeugt sind, mußte ich beim Lesen einfach akzeptieren. Ist vielleicht eine Frage der Zeit; die Grundvorstellung, man müsse die Menschen vor dem Wissen schützen, erscheint mir fremd. Heute ist das Wissen meist nur einen Mausklick entfernt - und neun von zehn Leuten interessieren sich gar nicht dafür.


    Das Ende des Romans war mir allerdings ein bißchen zu hollywood-esk. Alle, aber wirklich alle Fäden werden an ein- und derselben Stelle zusammengeführt in einem fulminanten Showdown inklusive Feuerwerk und herbeieilender Kavallerie. Das hätte für meinen Geschmack auch eine Nummer kleiner ausfallen dürfen.


    Meine Lieblingsszene war übrigens das echt wienerische Zwiegespräch zwischen Cyprian und Pankraz im Malefizspitzbubenhaus. Und am meisten gefreut hat mich, daß der Hund auf Seite 496 die Wurst gekriegt hat.


    Ein Verständnisproblem hatte ich auch, aber das kann auch am zu schnellen Lesen gelegen haben: In der Rückblende, in der Pavel und Buh vor dem Kloster darauf warten, als Novizen aufgenommen zu werden, hatte ich den Eindruck, daß sie vor Braunau stehen. Aber der Amoklauf, bei dem sie Zeugen sind, findet doch noch vor dem Umzug der Mönche nach Braunau statt? Aber, wie gesagt, vielleicht habe ich hier auch nur zwei Stränge in Gedanken falsch verknotet.

    Sich irgendwo vorstellen zu müssen, finde ich fürchterlich. Da merkt man plötzlich erst, wie langweilig man ist und wie wenig es über die eigene Person zu sagen gibt.


    Also, ich bin die Josefa, stehe ein paar Monate vor meinem vierzigsten Geburtstag und habe zwar schon des öfteren hier im Forum gestöbert, mich aber erst vor einer kleinen Weile angemeldet. Ich lese gern, allerdings weder sonderlich viel noch irgendwie anspruchsvolle Sachen: historische Romane, vor allem historische Krimis, sehr selten auch ein wenig Fantasy. Halt das, was man auf der Bahnfahrt von der und zur Arbeit so bewältigt. Außerdem habe ich noch ein Faible für Jane Austen (in Übersetzung - ans englische Original traue ich mich nicht).
    So richtig angesprochen an diesem Forum hat mich die Idee des "gemeinsamen Lesens" - ich denke, ich werde mal so eine Leserunde als stummer Zuschauer mitmachen, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sowas abläuft. Und natürlich hoffe ich auf viele gute Lektüretipps. Im Laden stehe ich zu oft ratlos vor den Stapeln, greife mir erst das eine, dann das andere Buch, lese den Waschzettel - und leg's wieder hin.


    Liebe Grüße
    Josefa

    Ich habe mir das Buch vor allem deswegen ausgesucht, weil hier im Thread einmal der Vergleich zur "Almut und Ivo"-Reihe von Andrea Schacht gezogen wurde, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Ganz so gut gefallen hat mir "Rungholts Ehre" zwar nicht, aber es war eine nette Zuglektüre.


    Was ich sehr mochte: die Hauptfigur. Fett, grobschlächtig, jähzornig - und trotzdem einer, den man gern haben kann, weil er nach bestem Wissen und Gewissen versucht, alles richtig zu machen. Gerade die Beziehung zu seiner zweiten Frau und seiner jüngsten Tochter war sehr schön geschildert.
    Auch die spätmittelalterliche Atmosphäre, das Geschacher um Posten und Kompetenzen im Rat, der Alltag der kleinen Leute auf der Straße, hat mir gefallen.
    Die weiter oben bemängelten altertümlichen Begriffe haben mich beim Lesen eigentlich weniger gestört, die meisten erklärten sich aus dem Zusammenhang. Ansonsten fand ich die Sprache nicht wirklich bemerkenswert. Halt die übliche 0815-Erzählprosa, in der die meisten Romane geschrieben werden. Bloß kein Wort (und um Gottes willen keinen Nebensatz!) zuviel.


    Es gab ein paar Szenen, die ich befremdlich fand. Rungholts Denkweise beim Ermitteln des wahren Täters mutet manchmal doch sehr modern an. Als er z.B. Kleidung auf Faserspuren untersucht, hatte ich schon das Gefühl, hier wird die Vorgehensweise der heutigen Polizei auf Teufel komm raus ins Mittelalter rückübertragen (wobei die Szene, wie Rungholt dabei vorgeht, herrlich komisch geschrieben ist). Natürlich gab es solche Anspielungen auch in der "Almut"-Reihe, aber dort immer mit einem deutliche(re)n Augenzwinkern.
    Und was mich außerdem gestört hat: ich bin früher auch mal über einige Ratgeber gestolpert, wie man einen Roman aufbaut. Bei "Rungholts Ehre" war ich kurz davor, eine Strichliste anzufangen: Dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit der Hauptfigur: check. Irrationale Furcht der Hauptfigur vor irgendetwas: check. Diese Furcht muß überwunden werden, um den Konflikt zur Lösung zu bringen: check. Und so weiter. - Ich mag's nicht, wenn ich beim Lesen das Gefühl habe, die Notizen des Autors mit der Gliederung schimmern noch durch den Roman. Zumal meiner Ansicht nach Rungholts Figur und die Geschichte ohne diese Hintergründe ebenso funktioniert hätten.


    In Summe: Nett zu lesen, gute Unterhaltung, vielleicht schaue ich mir auch mal die anderen Bände der Reihe an, aber ich werde mir deswegen kein Bein ausreißen.