Tim Weaver: Blutiges Schweigen (Originaltitel: The Dead Tracks)
ISBN: 9783442472307
Goldmann Verlag, 512 Seiten, 9.99 €
Über den Autor:
Tim Weaver, geboren 1977, ist Journalist und lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in der Nähe von Bath. Nach "Totgesagt" ist "Blutiges Schweigen" sein zweiter Roman mit dem Ermittler David Raker.
Inhalt:
Die 17-jährige Megan Carver ist verschwunden, und ihre Eltern bitten David Raker, der sich auf die Suche nach vermissten Kindern spezialisiert hat, um Hilfe. Doch je mehr Raker sich des Falles annimmt, desto bizarrer wird er. Die Geschichte um Megan ist voller Lügen. Zeugen werden ermordet. Die übrigen Informanten hüllen sich in Schweigen. Eine Spur führt Raker an einen Ort mit einer blutigen Vergangenheit. Ist etwa das einstige Revier eines skrupellosen Serienmörders erneut zum Schauplatz eines Verbrechens geworden?
Rezension:
Das zweite Buch von Tim Weaver startet mit leisen Tönen, so erlebt man als Leser zunächst einmal jede Menge Ermittlungsarbeit. Zeugen werden befragt, diverse Lokalitäten werden untersucht und jedem noch so kleinen Anhaltspunkt wird nachgegangen. Der Autor lässt sich Zeit. Viel Zeit. Entgegen allen Befürchtungen, die man nun haben könnte, ist dieses etwas gediegenere Fundament allerdings keineswegs spannungsarm oder gar langweilig. Im Gegenteil, der langsame Aufbau der Geschichte ist eine schöne Hommage an die klassische Detektivarbeit.
Zentraler Schauplatz des Geschehens ist London, doch nicht nur die Stadt selbst steht im Fokus: Auch angrenzende Waldgebiete oder verfallene Industrieanlagen werden in die Handlung eingebunden, wodurch eine stimmige, zuweilen sogar gruselige Atmosphäre entsteht. Wenn David Raker, Hauptprotagonist der Geschichte, sich auf Spurensuche nach Hark's Hill begibt, ist Gänsehaut garantiert. War da gerade ein Wimmern zu hören? Wer verursacht das Knacken der Äste? Und welch unheilvolle Vergangenheit besitzt dieser Ort wirklich?
Mit der Figur des David Raker hat Tim Weaver einen tiefgründigen Charakter geschaffen. Die Trauer um seine verstorbene Frau versucht Raker mit Arbeit zu kompensieren, doch seine innere Zerrissenheit wird zunehmend zum Problem. Unterstützung erhält Raker von Colm Healy, einem unkonventionellen Polizisten mit ausgewiesener Streitsucht. Dessen vordergründig aggressive Art entpuppt sich als stetige Sorge um seine verschwundene Tochter, ein Fall, der bis heute nicht aufgeklärt werden konnte. Raker und Healy versuchen gemeinsam Licht ins Dunkel zu bringen und geraten dabei selbst ins Visier der Polizei, welche mit allen Mitteln ein Geheimnis hüten möchte...
Leider erweist sich der Autor mit dem großen Umfang seiner Story keinen Gefallen. Im letzten Drittel des Buches zieht er das Geschehen mit eintönigen Verhören und einem gut gemeinten, aber schwach umgesetzten Finale künstlich in die Länge. Die Suche nach dem Motiv des Täters erweist sich als nichtssagendes Geplänkel und beschert der bis dato gelungenen Spannungskurve einen massiven Einbruch. Sicherlich ist David Raker ein guter Ermittler und seine Fähigkeit, Menschen zu "lesen", ist beeindruckend - aber ist er kein Psychologe und noch viel weniger ein Profiler. Infolgedessen wirken die Dialoge zu hölzern und verlieren jegliche Brisanz, das Duell zwischen Raker und dem Täter bleibt zu oberflächlich. Man vermisst hier die subtile Erzählweise, welche den Anfang der Geschichte noch so ausgezeichnet hat.
Fazit: Trotz der schwachen Schlussphase sollte man diesem Buch eine Chance geben. "Blutiges Schweigen" hebt sich über weite Strecken deutlich vom Einheitsbrei vieler Neuerscheinungen im Thriller-Genre ab und hält zahlreiche spannende Momente für den Leser parat. Auch wenn es noch viel Luft nach oben gibt - wir können auf weitere Werke von Tim Weaver gespannt sein.
7.5 / 10