Beiträge von Swansea

    Violet von Tracy Chevalier entführt den Leser in eine längst vergangene und aus heutiger Sicht auch tragische Zeit: Wir befinden uns zwischen den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts; genauer gesagt in


    Winchester, England, 1932:


    Violet Speedwell, die Hauptprotagonistin dieses wundervollen Romans, 38 Jahre alt, möchte sich nicht noch länger von ihrer verbitterten und stets unzufriedenen Mutter das Leben schwer machen lassen und beschließt, aus Southampton ins 30 Meilen entfernte Winchester zu ziehen, wo sie eine Stelle im Büro der Southern-Counties-Versicherungen annimmt. Durch einen Zufall nimmt sie an einem besonderen Gottesdienst teil, der sie gefangen nimmt: Die Broderinnen (Broder = mittelalterliche Stickkunst) sind zu einem Segnungsgottesdienst in der Kathedrale zusammengekommen, um ihre fertigen Kissen für die Sitze und Langbänke in der Kirche segnen zu lassen. Violet fühlt sich zu den Frauen hingezogen und erreicht es durch ihre Klugheit, dass sie diese Art des Stickens erlernen darf: Niemand geringeres als Miss Louise Pesel (eine authentische historische Figur) weist sie in die Stickkunst ein, die nach und nach zur Leidenschaft wird - und beruhigend auf sie wirkt.... Die Treffen, die teilnehmenden Frauen, Gilda Hill (die später Violets Freundin werden sollte), Dorothy Parker und die beliebte Miss Pesel wie die strenge und unerbittliche Miss Biggins sind so charakteristisch portraitiert, dass man sich alle sehr bildhaft vorstellen kann; ebenso wie die beschriebene Kunst des Stickens.


    Mit einer weiteren Hauptperson in diesem zauberhaften Roman, Arthur Knight, erlebt man eine weitere Kunstfertigkeit, das Glockenläuten. Violet ist der Glöckner überaus sympathisch, wenn auch älter als sie selbst und sie sucht seine Nähe. So besucht der Leser den Glockenturm der Kathedrale in Winchester und ist ebenso wie Violet erstaunt über die Kunstfertigkeit und die Konzentration, die für die verschiedenen Glockenschläge nötig sind. Die Erläuterungen zum Glockenspiel fand ich ebenso interessant wie die Darstellungen der Stickkunst; auch Arthur ist eine auch für den Leser sympathische Figur, da er Violet die Möglichkeit gibt, zu wachsen und sich zu entfalten; auch eine Spielart menschlicher Liebe und Zuneigung.


    Man wandert mit Violet durch malerische Landschaften, durch Wald, Feld und Wiesen und ist erstaunt über ihren Mut, denn alleinstehende Frauen hatten es in dieser Zeit nicht leicht: Da viele Männer im 1. Weltkrieg fielen, gab es in England einen "Frauenüberhang"; auch Violets Verlobter Laurence fiel im Krieg, ebenso wie ihr ältester Bruder George. Tracy Chevalier gelingt es sehr gut, die Situation dieser Frauen in der Person von Violet zu zeichnen; besonders gefiel mir die mutige und sensible Violet, die selbstbewusst einen Weg für sich sucht, ein unabhängiges und erfülltes Leben führen zu können: Viele Steine mussten dafür aus dem Wege geräumt werden, aber Violet ist von dem Gedanken beseelt, etwas Bleibendes zu schaffen: Ein Sitzkissen oder ein Klingelbeutel, der sie überdauert und in der Kirche, von ihr bestickt, von Hand zu Hand gereicht wird. Diesen Gedanken fand ich wundervoll - und war wohl auch das Motiv von Louise Pesel, die überaus gut gezeichnet wird und eine Seele von Mensch gewesen sein muss.


    Es geht im Roman (den ich durchaus ins Genre historischer Roman stellen würde) um vielschichtige Themen, die sich um die Zeit in den 30er Jahren ranken: Um Verlust und Schmerz, das Weiterleben, um Veränderung, um Liebe und die Liebe zur Kunst (des Stickens und des Glockenläutens); um den Willen, etwas Bleibendes zu schaffen und etwas Sinnvolles und Positives zu tun: Für die Gemeinschaft und für sich selbst!


    "(...) es geht (dabei) auch ums Nichtdenken. Wir brauchen alle immer mal wieder Beschäftigungen, die uns eine Pause von uns selbst gönnen" (Zitat Arthur, S. 259)


    "Ruhe und Konzentration macht den Kopf frei" (Zitat Violet, S. 263)


    Der Roman hat auch durchaus politische Elemente; etwa wenn Arthur sich (nicht zu unrecht) sorgt, dass ein Herr Hitler 1933 in Deutschland die Macht ergriffen hat - eine Geschichtslektion von englischer Seite aus betrachtet, die durchaus richtig und verständlich ist: Wie Arthur lässt man sich von Miss Pesel nicht wenig staunend den Unterschied zwischen "fylfots" und Hakenkreuzen zeigen und lauscht ihren Erläuterungen zur Symbolik. Violet möchte auf ihre Weise gegen den Faschismus rebellieren und dies in ihrer Stickarbeit zum Ausdruck bringen. Die Stickkissen der Broderinnen sind übrigens noch heute in der Kathedrale in Winchester zu sehen; sie haben aufwändige Muster (Medaillon) mit historischen Persönlichkeiten und Ereignissen; auch wird man im Internet fündig, sie zu sehen!


    Nach einer gemeinsamen Radtour von Violet und Arthur freut man sich über die Veränderungen in Violets Leben, ihre Freundschaft zu Gilda und Dorothy, ihren Großmut und ihre Hilfsbereitschaft - und ihren Eigenwillen!


    Ein Roman der leisen Töne, der Fans historischer Romane verzaubern wird, der Stickerinnen oder kreativen Männern und Frauen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, der aber auch feministisch und emanzipatorisch ist (und dies gefiel mir am besten):


    "wozu Frauen erzogen werden - wir sollen geben, dafür sorgen, dass andere es gut haben, ganz egal, wie es uns selbst dabei geht: Es kann ermüdend und undankbar sein, immer nur großzügig zu sein" (Violet, S. 297)


    Ein Lesegenuss, den ich absolut weiterempfehlen möchte! 5* und das erste Lesehighlight 2020! Vielen Dank dafür an die Autorin und die Übersetzerin Anne Rademacher. 5 *


    ASIN/ISBN: 3455007473

    Ich habe vor einigen Tagen noch ne Gewinner-Mail bekommen: Aus der Gruppe Randomhouse gibt es den "Sinnsucher" - mit interessanten Büchern.

    Wurde sogar befragt, von welchen dortigen Experten ich ein Buch gewinnen möchte. Es war ein Buchpaket - und ich hab mich echt gefreut, vor allem rechnet man ja nicht mehr damit....


    Ich wollte so gerne eine Reise gewinnen (Flughafen München - guckst Du 2020 - macht Spaß, vor allem das Motto: "Take a Plätzchen" ;-)

    Leider hat das nicht geklappt. Aber ich kann mich nicht beschweren; ausser dem Buchpaket war es auch noch ein Buch von C.H. Beck - und eines, das ich meinem Sohn geschenkt hab

    (Der galaktische Topfheiler - Philip K. Dick - Fischer Klassik)


    Mir hat es wie euch viel Spaß gemacht, mitzumachen - und das wird vermutlich gegen Jahresende wieder der Fall sein :lupe:-]

    Ich hab ein wenig rumgeeult, heute VOR dem "bisschen Haushalt" schon bisschen was weggelesen ;-) , noch spät eingekauft (nicht so trubelig, hasse es, samstags Schlange zu stehen) und werde jetzt noch ein wenig weiterlesen - und mich ins Glasgow der 70er Jahre begeben (die richtige Musik dazu wäre etwas "Sex and drugs and Rock'n Roll" :whistling:


    Auf jeden Fall viel besser als Brexit, Corona-Virus etc. pp - wie las ich neulich bei einer Buchbegeisterten?


    "One book a day keeps the reality away" :gutenacht

    ist zwar schon Feburar (Bd. 2) ;-), aber zuvor kommt der hier, Bd. 1 (Glasgow-Krimi)


    Alan Parks - Blutiger Januar


    ASIN/ISBN: 3453271882


    Januar 1973: Mitten in Glasgow erschießt am helllichten Tag ein Jugendlicher auf offener Straße eine junge Frau, bevor er sich selbst eine Kugel in den Kopf jagt. Detective Harry McCoy, dem der Mord am Tag zuvor im Gefängnis von einem psychotischen Gefangenen angekündigt wurde, steht vor einem Rätsel. Zumal der Gefangene selbst um die Ecke gebracht wird. McCoy nutzt seine alten Verbindungen zu Glasgows Unterwelt, um in den Ermittlungen voranzukommen, legt sich dabei aber schnell mit den Dunlops an, der mächtigsten Familie der Stadt. Und auch sein Boss pfeift ihn zurück. Aber McCoy lässt sich nicht beirren.

    Tracy Chevalier - Violet


    England, dreißiger Jahre. Die Abende, an denen Violet mit einer Gruppe ungewöhnlicher Frauen wunderschöne Stickereien für die Kathedrale in Winchester anfertigt, sind der Aufbruch in eine neue Welt. Sie zeigen Violet, dass sie mit ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause die richtige Entscheidung getroffen hat. Schnell lernt und schätzt sie die Kunst des Stickens und lässt sich von Arthur in die des Läutens der Kirchturmglocken einweihen. Violet gewinnt durch das starke Band der Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur an Lebensmut und überwindet die Lebenskrise infolge des Ersten Weltkriegs. Und die Kirchturmglocken könnten wahrhaftig ihr neues Leben in Winchester einläuten…

    Chevaliers neuer Roman ist episch, warmherzig und lebendig – eine Hommage an die weibliche Kunstfertigkeit und ein Buch darüber, wie Schönheit auch ein bescheidenes Leben erfüllen kann.


    ASIN/ISBN: 3455007473

    Gestern in der Verlagsvorschau entdeckt:


    Emily Gunnis - Die verlorene Frau


    1961, Seaview Cottage: Die dreizehnjährige Rebecca und ihre Mutter leiden unter dem gewalttätigen Vater. In einer stürmischen Nacht pocht jemand an die Tür des abgelegenen Cottages. Wenig später sterben beide Eltern, doch die Umstände ihres Todes werden nie aufgeklärt.

    2012, London: Eine junge Mutter verschwindet spurlos mit ihrem todkranken Baby. Ihre Schwester Iris, eine Journalistin, soll sie so schnell wie möglich finden. Sie bittet ihre Mutter Rebecca um Hilfe – die ihr nie von der schicksalhaften Nacht vor über fünfzig Jahren erzählt hat. Doch nur mit dieser erschütternden Wahrheit kann es Iris gelingen, das Baby zu retten ...


    ASIN/ISBN: 3453272897


    Edit: ET 11.05.2020 :freude:feiern

    "Lottes Träume" von Beate Maly erschien als TB, broschiert, 2019 im blanvalet-Verlag und ist der Auftakt einer geplanten Reihe um eine junge Frau, die in Wien ihr Glück zu Beginn des 20. Jahrhunderts sucht - und um den Skisport, der Anfang des letzten Jahrhunderts seinen Anfang nahm. Die Autorin, selbst geborene Wienerin, bringt auch sehr viel historisches Lokalkolorit mit in diesen wundervoll geschriebenen Roman, der auch eine Hommage an Wien und die Bergwelt sowie den damit verbundenen Bergsteiger- und Skisport ist. Jede/r LeserIn, die selbst gerne Abfahrtsski fährt und Schneewelten sowie den Wintersport liebt, wird sich wie ich auf eine Fortsetzung sehr freuen!


    Wien, 1904:


    Lotte Seidl verliert in Mürzzuschlag nicht nur ihren geliebten Vater, der ihr sowohl das Bergsteigen als auch das Laufen auf Skiern beibrachte, sondern auch ihr Zuhause. Sie setzt alles auf eine Karte und begibt sich nach Wien, die Adresse einer Geschäftsfrau in Händen, die es sich in den Kopf setzte, Ski- und Wintersportartikel in der besten Geschäftslage in Wien, der Kaiserstraße, zu verkaufen. Lotte will sich als Verkäuferin bei Mizzi Kauba bewerben und da Mut im Leben oft belohnt wird, erhält sie diese Chance, zumal der Inhaberin nicht entgeht, dass Lotte (in dieser Zeit nicht üblich) gute Kenntnisse von sowohl der erforderlichen Ausrüstung als auch vom Skifahren selbst besitzt - und sich diese in bare Münze(n) verwandeln lassen sollten... Ein junger Mann, der mit einem Freund, den wir später besser kennenlernen, Ski kaufen möchte, wird von Lotte (zu dessen großer Verwunderung) beraten und der junge Arzt, Dr. Jakob Sonnstein, der aus einer reichen jüdischen Industriellenfamilie stammt, kann seine Augen kaum von der jungen und intelligenten Lotte abwenden. Wird es den beiden trotz der großen sozialen Unterschiede möglich sein, eine gemeinsame Zukunft zu haben? Jakob ist zu dieser Zeit bereits Elena versprochen; Ehen werden aus gesellschaftlichen Gründen (und um den eigenen Reichtum zu mehren) von den Eltern angebahnt - sehr zum Leidwesen Jakobs, der sich zu Lotte mehr und mehr hingezogen fühlt.


    Beate Maly entführt ihre Leser in eine längst versunkene Welt; eine spannende literarische Reise beginnt mit der Zugfahrt nach Wien, bei der man sozusagen in Lottes Leben "einsteigt": Die Romankapitel wechseln sich mit den beiden Hauptprotagonisten Lotte und Jakob auf spannende und unterhaltende wie auch sozialkritische Weise ab: Ein Teil der Handlung liegt im Laden der ebenfalls mutigen Pionierin, begeisterten Skifahrerin und Geschäftsfrau Mizzi Kauber (eine authentische historische Person) in der Wiener Kaiserstraße. In dieser Geschäftsstraße gehen reiche Menschen ein und aus, deren Wünsche sich in den prächtigen Geschäften und den ersten großen Kaufhäusern erfüllen lassen: Man wird durch detailreiche Beschreibungen in diese prunkvollen Kaufhäuser entführt und staunt mit Lotte über das für die damalige Zeit unglaubliche Warenangebot, schlendert mit ihr durch die Stockwerke...

    Man lernt auch Klara, die Freundin und Verkäuferin kennen, die sich mit Lotte ein Zimmer teilt und deren Leben dadurch erschwert wird, dass sie das verdiente Geld dazu nutzen muss, um ihre Familie, besonders ihre kleinen Geschwister zu unterstützen. Ausser Mila und Bert, die ebenfalls im Geschäft von Mizzi Kauba arbeiten, sind die übrigen Kolleginnen sympathisch, die Kunden hingegen nicht überwiegend. Hier treffen manche Vorurteile über Schickliches und Unschickliches über die Inhaberin herein: Zu dieser Zeit war es eher Männersache, sich dem Skisport zu widmen und für Frauen ungehörig, Hosen zu tragen geschweige denn auf Skiern zu stehen:


    In diesem Punkt hat mir der sehr gut recherchierte und stimmige, unterhaltsame Roman sehr gefallen: Er ist in der Person von Lotte und Mizzi auch emanzipatorisch: Mizzi Kauba war eine Pionierin, die es nicht einsehen wollte, "nur den Männern die Bergwelt und das Skifahren zu überlassen". In der herrschenden Habsburgermonarchie war es für sie mehr als schwierig, sich als Frau in diesem Geschäft zu behaupten und ihr Ehemann, Franz Kauba, war auch lange Zeit alles andere als begeistert von dieser Idee, was im Roman auch glaubwürdig zum Tragen kommt. Der Standesdünkel und die alten Rollenvorstellungen der Geschlechter taten dabei ihr Übriges.


    Mit Jakob Sonnstein, der in einem Kinderhospital arbeitet und als Sohn eines jüdischen Süßwarenfabrikanten damit seinem Vater keinen Gefallen tut, eröffnet sich dem Leser eine andere Welt als die der Wohlhabenden: Er behandelt an TBC erkrankte Kinder und hält sich nicht immer an die Regeln in der Klinik, die ihre PatientInnen in dieser Zeit danach behandelt, ob sie versichert sind und damit zahlungsfähig - oder nicht. Neben dem Reichtum existiert im schönen Wien dieser Zeit auch große Armut und Menschen wie Fritz, der auf der Straße lebt und ohne Glück keinerlei Lebensperspektive hat... So stellt die Autorin diese beiden Welten glaubhaft gegeneinander, was den Leser zuweilen sehr nachdenklich macht; da sich dies auch heute eigentlich nicht geändert hat.


    Lotte und Jakob nehmen den Leser mit auf eine historische Reise, die in einem Skirennen in Lilienfeld gipfelt, das tatsächlich stattgefunden hat und an dem erstmals eine Frau erfolgreich teilnahm! Vor einem authentischen historischen Hintergrund entführt der Roman in eine verschneite Bergwelt (die heutzutage immer rarer wird) und gibt ein stimmiges Sittenbild von Wien um 1900 wieder, stilsicher und spannungsreich verknüpft mit der fiktiven Geschichte um die sehr sympathischen Protagonisten Lotte und Jakob. Wie wird ihre Geschichte wohl weitergehen? Da auch der aufkommende Antisemitismus, der viel früher als Hitlers Machtergreifung 1933 bereits begann, im Roman thematisiert wird und Jakob aus jüdischem Hause stammt, wird mir schon etwas mulmig zumute...

    Dennoch bin ich sehr gespannt auf den Folgeband und freue mich sehr darauf, ihn zu lesen!


    Ich vergebe die volle Punktezahl - 5 glitzernde Winterlesesterne - und empfehle den Roman allen Fans historischer Romane und des Ski- und Wintersports - er zählt für mich zu einer der schönsten Sportarten, die es überhaupt gibt (auch wenn es leider inzwischen nicht mehr die Anzahl schneesicherer Gebiete gibt als dies in der Zeit des Romans noch der Fall war). Wer sich damit - "Skifahren in Zeiten des Klimawandels" - beschäftigen möchte, dem sei der gleichnamige podcast des "Weltspiegels" sehr empfohlen!


    ASIN/ISBN: 3734107326

    Hallo und herzlich willkommen aus dem Saarland (von einer Exil-Hessin, war fast 3 Jahrzehnte im schönen Hessen ;) und ganz viel Spaß hier bei den Büchereulen! :wave

    Die französische Originalausgabe dieses sehr berührenden Romans von Valérie Perrin(Fotografin und Drehbuchautorin; Lebensgefährtin des bekannten französischen Regisseurs Claude Lelouch) lautet: "Changer l'eau des fleurs" - also "Das Blumenwasser wechseln" - für mich noch passender als der deutsche Titel!

    Aus dem Französischen übersetzt wurde der Roman von Katja Hald und Elsbeth Ranke; er erschien (HC, gebunden) 2019 bei Droemer-Knaur.


    Bourgogne, Frankreich, Brancion-en-Chalon:


    Violette Toussaint, vormals Trenet, übernimmt mit ihrem Mann Philippe die Stelle als Friedhofswärterin, da Sasha, der diese Aufgabe mit viel Leidenschaft fürs Gärtnern übernommen hatte, nach Eintritt ins Rentenalter den Entschluss gefasst hat, durch die Welt zu reisen und alte Freunde zu besuchen...


    In Rückblenden lernt man die beiden Hauptprotagonisten, Violette und Philippe kennen und erfährt in verschiedenen zeitlichen Sequenzen immer mehr von ihnen: Während Violette einen schweren Start ins Leben hatte; ihre Kindheit bei Pflegeeltern verbrachte und selten das Gefühl hatte, wirklich "dazuzugehören", wächst Philippe als Einzelkind von Eltern auf, die nicht eben perfekt sind und dem Jungen eher mit auf den Weg geben, dass er niemandem trauen solle und stets an sich selbst zu denken habe; der Vater kann sich der sehr dominanten Mutter gegenüber nicht behaupten und von der Heirat mit der "sehr einfachen" Violette ist besonders die Mutter von Philippe alles andere als begeistert - schlimmer noch, sie ignoriert ihre Schwiegertochter, die fortan einfach "übersehen" wird.


    Philippe, der niemals wirklich etwas leisten musste, hatte zuvor mit Violette einen Job als Schrankenwärter inne, wobei es stets Violette ist, die die Schranken der vorüberfahrenden Züge öffnet bzw. schließt. Die Familie vergrößert sich und Violette, die nun wieder lernen will und sich John Irving's Roman "Gottes Werk und Teufels Beitrag" kauft, versucht mit Erfolg, ihre Lesekompetenz zu verbessern. Sie hat eine grundsätzlich versöhnliche Einstellung zum Leben und im Gegensatz zu Philippe fühlt sie sich weder einsam noch ist ihr langweilig: Sie hat viele Interessen - und Fantasie, während Philippe sie immer mehr alleine lässt, Touren mit seinem Motorrad unternimmt und sie betrügt. Dies berührt Violette nicht wirklich - jedoch geschieht eines Tages ein Unglück, das ihr Leben - und auch das von Philippe von grundauf ändert: Ein schwerer Verlust, dessen Schmerz der Leser nur erahnen kann, wird Violette einige Zeit lähmen, bis sie wieder zu neuer Kraft finden wird...


    In dieser Zeit lernen wir den weiteren Protagonisten kennen; Julien Seul - ein Kommissar aus Bordeaux, erscheint auf dem Friedhof (auch diesen Job meistert Violette alleine; ihr Mann Philipp fuhr immer länger weg, bis er eines Tages gar nicht mehr wiederkam), da er das Grab von Gabriel Prudent sucht. Einem Mann, der seiner Mutter einen Platz in der Ewigkeit garantierte und von dem Julien bis dato nichts wusste. Die Asche der verstorbenen Mutter, Irène Fayolle, soll im Grab von Monsieur Prudent beigesetzt werden, so wie es notariell besprochen war. In Tagebüchern, die Julien findet und die er - sich sogleich angezogen fühlend von der freundlichen und attraktiven Friedhofswärterin Violette - ihr später ausleiht, kommt eine tragische Liebesgeschichte zweier Menschen zutage, die sich wünschten, nach ihrem Tod in aller Ewigkeit vereint zu sein. Wird es Julien und Violette gelingen, zueinander zu finden?


    Die Themen dieses Romans sind sehr vielschichtig; die Lebenswege der Hauptprotagonisten sind sehr gut nachvollziehbar erzählt; es geht um Tragik, Liebe, Verlust, Schmerz, aber auch Lebensfreude und (wiedergewonnener) Lebensmut, der aus regenerierter Lebenskraft erwachsen kann. Es geht um die kleinen Dinge, die glücklich machen (können), um Pflanzen und das Gärtnern; auch vor allem darum, dass sich das Leben jeden Tag ändern kann und vor Verlust und Schmerz niemand gefeit ist. Aber vor allem geht es darum, dass man wieder aufstehen sollte, wenn das Schicksal hart an der Türe klopft. Dass Leben und Tod nahe beieinander liegen und gerade in kleinen Dingen wie Blumen, das Gärtnern, das Säen, die Pflege und das Aufkeimen von Pflanzen ein Reigen des Lebens ist, dem der Mensch viel Positives entnehmen kann: Er kann seinen eigenen Garten gestalten; so wie Violette sehr leidenschaftlich ihre Aufgaben auf "ihrem" Friedhof wahrnimmt: Ihre Zeit den Pflanzen auf dem schönen Friedhof widmet, der vier "Bezirke" hat: das Lorbeer-, Pfaffenhütchen-, Zedern- und Eibenviertel.


    So entwickelt sie auch die richtige Nähe und auch Distanz zu all den Trauernden, die ihr vertrauensvoll in ihrem "Wartezimmer" ihr Herz ausschütten; ist eine empathische Seelentrösterin, was auch Julien sofort bemerkt. Das Aussagekräftigste an diesem sehr sensibel geschriebenen, stellenweise poetischen Roman ist für mich die Tatsache, dass die Liebe letztendlich stärker ist als der Tod: Sie überlebt ihn!


    Die Figurenzeichnung ist sehr authentisch; durch die Rückblenden lernt der Leser Reaktionen der Protagonisten zu verstehen und eine sehr starke Violette Toussaint kennen, deren Charakter wirklich fesselt und beeindruckt. Während Philippe über lange Strecken wenig "punkten" kann, lernt man auch ihn am Ende von einer anderen, unbekannten Seite kennen. Einige liebenswerte Nebenfiguren wie Célia und vor allem Sasha, der Violette auf seine - fast schon therapeutische Weise - ins Leben zurückführt und sie durch ihn die Stelle als Friedhofswärterin bekommt, mochte ich auch sehr gerne. Die Gräfin, La Comtesse de Darrieux, die Violette die Geschichte ihrer großen Liebe erzählt (am Tag, als diese beigesetzt wird), bringt den Leser ebenfalls zum Schmunzeln: Auch in dieser Rolle spielt die Liebe einen ebenso wichtigen Part wie der Tod, der wiederum nur durch Liebe zu überwinden ist. Was mich an ein altes spanisches Sprichwort erinnert, das ich nie vergessen habe:


    "Jedes Mal, wenn sich in deinem Leben ein Loch auftut, fülle es mit Liebe!" Dies könnte der Tenor dieses teils melancholischen, teils tragischen, aber auch sehr poetischen und vor allem lebensbejahenden Romans von Valérie Perrin sein! Mir hat er sehr gut gefallen und ich kann diesen berührenden und zu Herzen gehenden Roman besonders jenen Menschen empfehlen, die vielleicht in letzter Zeit einen schmerzhaften Verlust - im Freundes- oder Familienkreis - durchleben mussten. Aber auch allen anderen sensiblen LeserInnen sei er sehr gerne weiterempohlen! 4* und ein knappes +




    ASIN/ISBN: 3426226936

    "Studentenküche" von Sandra Schumann erschien in der Reihe "Küchenratgeber" im GU-Verlag (Gräfe und Unzer; brosch., 2019). Der Aufbau des handlichen Kochbuchs lässt sich sehen, denn in den Klappen gibt es (nicht nur für Studenten) brauchbare Küchentipps und Basics von coolen Küchen-Hacks über die richtige Einschätzung von Portionen, der GU Kochen Plus-App bis hin zu perfekten Kombis und was zu tun ist, wenn (was schiefgelaufen ist)...


    Das Kochbuch gliedert sich in drei Themenbereiche und Rubriken:

    1) für morgens und zwischendurch

    2) einfach und günstig nach der Uni

    3) Essen mit Freunden


    Es gibt zu jedem Rezept, dessen Zubereitung Schritt für Schritt erklärt ist, ein ansprechendes Foto; so gibt es leckere Frühstücksideen mit Chai-Porridge, Möhrenmuffins, Wraps mit rotem Hummus etc. Das "Ei im Brötchen gebacken" und das Bananenbrot fanden wir besonders lecker!


    Die Menüvorschläge sind teils vegetarisch, aber auch Huhn und Kabanossi sind zu finden. Besonders köstlich war das von uns nachgekochte "Ofengemüse mit Tahin-Dip und Quinoa; auch die diversen Kartoffelpüree-Variationen (mit Feta und Oliven; Grünkohl, Blumenkohl) fanden Anklang. Die Autorin legt auch auf gesunde Ernährung und ausgewogene Zutaten wert, was mir auch im low-budget-Bereich positiv auffiel.


    Das letzte Kapitel "Essen mit Freunden" umfasst Herzhaftes wie auch Süßes für 4 Personen (variierbar) von Kartoffelsuppe über One-Pot-Pasta, Hähnchen-Tacos und Hawaii-Toast-Ring bis hin zu Schokokuchen mit Salzbrezeln. Bei diesen einfach nachzubereitenden Rezepten ist auch bei Partylaune lukullinarisch bestens gesorgt. Ein Register ist am Buchende vorhanden; jedoch hätte ich mir auch eine kurze Inhaltsangabe gewünscht, um nicht die einzelnen Rubriken auf der Suche nach einem bestimmten Rezept durchblättern zu müssen.


    Fazit:


    Auch für weniger talentierte KöchInnen in Studien- und Ausbildungszeiten finden sich hier einfache, leichte und preisgünstige sowie schmackhafte Gerichte, die auch in einer kleinen Küche (oder in einer großen WG-Küche ;) gut umzusetzen sind. Eine gute Kochbuch-Idee, die ich gerne weiterempfehle! 4*

    J. Paul Henderson - Letzter Bus nach Coffeeville (endlich meins und nicht aus der Biblio ;)

    Sofie Berg - Schicksalstage am Fjord


    ASIN/ISBN: 3839224608
     
    ASIN/ISBN: 325724391X


    Quellentext amazon zu Henderson ;)


    Drei in jeder Hinsicht ziemlich älteste Freunde reisen in einem klapprigen Tourbus der Beatles quer durch die USA bis nach Mississippi. Mit an Bord: Alzheimer, die grausame Krankheit des Vergessens. Nach und nach steigen noch andere Passagiere mit kunterbunten Lebensläufen zu, die verrückt genug sind, um es mit so einem heimtückischen Mitreisenden aufzunehmen. Ein Buch, bei dem man ebenso oft Tränen weint wie Tränen lacht und das man dabeihaben will, wenn’s im eigenen Leben mal nichts mehr zu lachen gibt.

    Die beiden Vorgänger kenne ich noch nicht, will sie aber noch lesen. Ich habe den ersten Band seiner anderen Serie um die beiden ungleichen Schwestern, der vorwiegend in Marseille spielt, gelesen und war von der Idee und dem Tempo begeistert.

    Dann bin ich (fast) sicher, dass Du Winteraustern evtl. anders einordnest: Ich hingegen kenne die Marseille-Krimis (noch) nicht, mag aber die Schreibe des Autors (und eben nach und nach auch Luc Verlain ;-)