Beiträge von Cyriacos

    Ein kurzes, aber herzliches Hallo in die Runde,


    war gerade am Vorbeimäandern :grin und wollte nur kurz loswerden, dass ich Eure Reaktionen auf den "Turm" natürlich gelesen habe.


    Genauer gesagt habe ich's nicht nur gelesen. Ich habe sogar darauf reagiert. In diesen Tagen trifft die Taschenbuchausgabe unseres 'Turms' beim geschätzten Sortimenter an, und das Besondere daran: Es handelt sich um eine super service-Version inklusive der dramatis personae. Denn da könnte ich mir tatsächlich in den Hintern treten, dass ich vor dem Lektorat eingeknickt bin, das das Buch unbedingt kürzer haben wollte. Ich habe akzeptiert, dass wir im Hardcover auf die dramatis personae verzichten, und das hätte ich nicht tun sollen.


    Das mit dem Mäandern - also eure Auseinandersetzung darüber - finde ich übrigens sehr spannend. Ich freue mich vor allem, dass die besondere Art der Sprache wahrgenommen wird. Ob sie dann auch geschätzt wird, ist natürlich eine andere Frage. :-]


    (Natürlich setz ich sowas nicht aus Spaß an der Freud ein. Ich setze es ein, weil es darum geht, ein bestimmtes Bild zu zeichnen, und die Farben, mit denen das Bild von Paris 1889 zu zeichnen ist, sind die Farben von Marcel Proust. Mit anderen Worten: Das soll mäandern. Das muss mäandern, dass es eine Freude ist. Denn nur das wird dem Gegenstand gerecht. :-) )


    Ganz liebe Grüße,


    le Monferat


    PS: Proust hat natürlich keine dramatis personae. :-)

    Zitat

    Original von LeSeebär
    Glaubst Du wirklich, bei einer zahlenmäßig den Buchhandel / die Verlage beeindruckenden Teilnahme würden am Ende NICHT die Bücher aus den Bestsellerlisten auf dem Treppchen stehen (allein schon, weil die Chance, je öfter ein Buch gelesen wird, desto öfter hat es die Chance, für einen Leser ein Jahreshighlight zu sein)?


    Tendenziell wären sie sicherlich noch stärker vertreten LeSeebär. Einfach weil wir als Leser immer dazu tendieren, nach Büchern zu greifen, die uns in irgendeiner Form bekannt gemacht werden. Ganz gleich ob Houellbecq oder Wolle Hohlbein. Oder eine Empfehlung auf dem Forum.


    Dennoch gibt es einen großen Unterschied: Es gibt die viel gekauften Bücher und die viel gelesenen Bücher, und zwischen beiden besteht ein Unterschied. Ein Beispiel, das ich gerne anführe, ist Eco. "Der Name der Rose" hat sich seinerzeit verkauft wie geschnitten Brot, vergleichbar den großen Publikumstiteln vom Schlage "Die Nebel von Avalon", "Der Medicus", "Die Säulen der Erde" usw. Gleichzeitig war der Titel aber durchaus komplexer. Die Zielgruppe war in Wahrheit eine sehr viel kleinere. - Solche Unterschiede müssten sich in einer Leser-Bestenliste abbilden, wenn man sie mit einer Bestsellerliste vergleicht.

    Zitat

    Original von Buchdoktor
    Wie stellst du dir das denn konkret vor, wenn ich allein dafür stimme und für das Leserundenbuch stimmen evtl. > 25 Teilnehmer?


    Hm, ich kann nicht sehen, dass irgendwo 25 Teilnehmer für ein Buch gestimmt hätten. Davon aber abgesehen: Was wäre so schlimm daran? Wenn es das Buch ist, dass Dir am besten gefällt? Wenn ich meine Meinung äußere, äußere ich die doch nicht deswegen, weil ich dafür Beifall haben will. Ich äußere sie, weil sie meine Meinung ist.


    Davon abgesehen - und das finde ich ja so positiv, die Transparenz in der der Abstimmung: Wenn Du Deinen Lieblingstitel im Wahlthread vorstellst, ist das doch auch noch mal was, wo der eine oder die andere aufmerkt und vielleicht denkt: Stimmt! Das tolle Buch gab es im letzten Jahr ja auch!

    Zitat

    Original von Buchdoktor
    Als Grund, nicht teilzunehmen, bleibt für mich unverändert bestehen, dass Nicht-Leserunden-Bücher gegen die Übermacht der durch Leserunden hier zig Mal in der Portalansicht aufgetauchten Buchtitel nur eine minimale Chance haben.


    Jetzt mit Bedacht kurz nach dem Aufstehen. Da läuft mein Hirn noch nicht ganz so rund. - Aber geht es bei den persönlichen Jahreshighlights nicht darum, die Bücher zu nennen, die mir persönlich am besten gefallen haben? Und nicht diejenigen, die meiner Meinung nach die größte Gewinnchance haben?


    Gerade wenn ich für einen Titel brenne, bei dem ich vermute, dass er eher wenig Chancen hat - müsste ich mich dann nicht umso stärker für diesen Titel einsetzen?

    Bloß nicht, Charlie. Ich persönlich finde diese Gedanken auf jeden Fall sehr interessant.


    Deine Erfahrungen sind zum ganzen Teil auch meine, ja. Und natürlich kenne auch ich diese Argumentation: Internet-Reaktionen? Interessieren keinen Menschen. Sagen die Verlage, sagen die Agenten. Dass sie Recht haben, macht es nicht eigentlich besser. Ich reibe mir die Augen und sehe: Hey, der "Historikus" bei der Couch. Jetzt geht's wirklich los (zwar beim Historischen Roman, wogegen ich mich wehre, aber: hey). Doch dann: Auswirkung auf die Verkäufe - nada.


    "Wir brauchen Besprechungen im Print!" - Sehr lustig. Wo wird in wahrnehmbaren Veröffentlichungen über Unterhaltungstitel gesprochen, es sei denn phänomenologisch? Fernsehen, natürlich. Fitzek hält beim Frühstück den Prange in die Kamera, und der Titel fluppt in die Liste. Ist mir ja auch passiert (beim Mittagessen). Aber wie kann es sein, dass solche Effekte ungleich stärker sind? Liegt es daran, dass es schlicht sehr viele Literaturenforen und eher wenige große Fernsehsender gibt? Sicherlich auch. Doch das kann nicht die einzige Erklärung sein. Die Foren sind auf Bücher spezialisiert; potentielle Leser, sollten wir glauben, schauen sich dort sehr bewusst nach Lektüre um. Sie müssten stärkere Wirkung erzielen, wenn das so funktionierte. Und zähle Deine zehn, vierzehn, zwanzig Stimmen zusammen, meine elf, neun, dreizehn oder wie viele es sind: Auch ohne die Personendopplungen rauszunehmen, kommt da keine gewaltige Zahl heraus.


    Die Frage ist, ob diese absoluten Zahlen ausschlaggebend sind. Schau die Krimi-Zeit Bestenliste. Schau die Bestenliste des SWR. Beides sind keine Seller-Listen, und doch werden sie als relevant empfunden, wird mit ihnen renommiert. Warum nicht mit einer LB- und einer Eulen-Liste? Weil da kein Expertenrat dahintersteckt, sondern ein mehr oder weniger repräsentativer Querschnitt der Leserschaft?


    Es ist - so meine Überzeugung - schlicht eine Frage der Wahrnehmung.

    Charlie, das war jetzt keine Antwort auf Deine Philippika (die ja eigentlich gar keine ist). Über diesen Beitrag denke ich noch ein wenig nach.


    Was ich - das habe ich Wolke gestern schon erzählt - bei dieser Abstimmung als positiv empfinde, ist auf jeden Fall ihre Transparenz. In dem anderen Forum (ich weiß nicht, ob man das hier nennen sollte, aber da laufen wir in derselben Kategorie; Du bist auf drei, ich auf sieben) ist nicht durchschaubar, wie viele Leute überhaupt an der Abstimmung teilgenommen haben. Ich vermute, dass es im Verhältnis zur Größe des Forums gar nicht so viel mehr waren. Doch es ist eben nicht durchsichtig.


    Wie gesagt: Später noch mehr dazu.

    Liebe Wolke, liebe Eulen,


    ganz herzlichen Dank für diese Aktion und diese gleich doppelte Überraschung. Und mein herzlicher Glückwunsch natürlich an die Sieger in den anderen Kategorien.


    Und, hey, natürlich ist eine stärkere Teilnahme immer wünschenswert. Nun waren es zwar nicht viele Teilnehmer - aber es waren die Besten. :-)

    Hihi, da passt jemand auf :grin


    Ja, die Genealogie des Carpathischen Königshauses *g* Also, was den "Mannesstamm" anbetrifft (ja immer ein wichtiges Ding in Königshäusern) hast Du vollkommen recht: Wenn Carols Vorgänger sein Onkel war und dessen Vorgänger wiederum dessen Onkel (und damit Carols Großonkel, denn der Onkel seines Onkels war natürlich auch der Onkel seines Vaters), dann kann seine Großmutter nicht die Königin gewesen sein. Sie müsste die Schwägerin des Königs (Bruder ihres Ehemanns) gewesen sein.
    Allerdings: Wir haben ja in der Regel zwei Großmütter. Und im Hochadel hat es in historischer Zeit ja ständig höchst seltsame Eheverbindungen gegeben. Stellen wir uns Carols Großeltern mal vor, das Königspaar: Ihre eigenen Söhne haben sich im Kampf massakrieren lassen, wie das ja offenbar erwartet wird. Sie wissen also, dass die Erbfolge an die Nachkommen des königlichen Bruders übergehen wird, die künftige Königsfamilie. Jetzt haben sie aber noch eine Tochter. Was tun sie also? Sie verheiraten diese Tochter mit einem der Söhne des königlichen Bruders (dem Cousin dieser Tochter also) et voilà - haben wir Carols Eltern. Was übrigens zur Folge hat, dass der Gute ein Urgroßelternpaar weniger hat als andere Leute. Sowas aber war im Hochadel an der Tagesordnung (oder Schlimmeres). Siehe hier (der berüchtigte "Ahnenschwund"; vielleicht gleich eine Erklärung für die eine oder andere von Carols seltsamen Anwandlungen).


    Wobei ... kürzer gefasst: Während des Lektorats ist mir ebenfalls aufgefallen, dass da irgendwas nicht stimmen kann mit seiner Oma. Aber so kann es jedenfalls funktionieren. :-)


    " [...] stolpernde Schritte schwerer Stiefel auf der steilen Stiege des Stellwerks." - Ich konnte mir das so hübsch vorstellen, wie sie da jetzt in Panik die Leiter hochklettern; das wollte ich einfach noch ein wenig unterstreichen. :grin

    Habe diese Diskussion eben erst entdeckt. Was den Nobelpreis anbetrifft, heißt es ja im Titel
    "Muß man große Autoren wie Nobelpreisträger umbedingt toll finden ?" Entsprechend würde ich nicht zu sehr an den konkreten Auserwählten einer konkreten Jury kleben. Joyce hat ihn nicht bekommen, Proust hat ihn nicht bekommen, trotzdem sind das wie viele andere mehr Namen, die im allgemeinen Verständnis zu den großen Autoren zu zählen sind. Dafür sind dann wieder Namen wie Sienkiewicz, Kipling, Galsworthy, Hesse dabei, bei denen ich eher denken würde: Okay, hübsch zu lesen, aber richtig große Literatur?


    Thomas Mann erhielt den Preis für "Buddenbrooks", was ihm jetzt nicht direkt peinlich war, weil er das Buch als bloße Jugendsünde betrachtet hätte - doch zu diesem Zeitpunkt war er fest davon überzeugt, seitdem Besseres geschaffen zu haben.


    Manche Bücher gefallen mir, weil sie hübsch geschrieben sind. Das ist bei Mann gegeben, aber zum Beispiel auch bei Galsworthy. Manche Bücher rühren etwas in mir an. Das ist bei Mann gegeben. Wieder bei anderen: it says nothing to me about my life. Woraus sich nicht zwangsläufig ergibt, dass es sich bei ihnen um belangloses Geschwurbel oder seichte Unterhaltung handelt oder Werke eines verstörten Geistes. (Gut, Letzteres trifft mit Sicherheit auf einige Literaturnobelpreisträger zu.) Nein, ich muss die Werke der "großen Autoren" nicht gut finden, bin mir aber recht sicher, dass diese Werke bestimmte literarische Qualitäten mitbringen, die sie aus der Masse der Veröffentlichungen abheben. Entsprechend wäre ich zögerlich, da jemanden summarisch abzuqualifizieren.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Wichtig ist auch - und das gilt generell - das man zwischen Buch und Autorin/Autor trennt. Grass empfinde ich als Mensch einfach nur zum Kotzen, seine Bücher dagegen halte ich für genial.


    Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Stefan George hat wunderschöne Gedichte geschrieben, doch beim Menschen packt mich die Gänsehaut. Proust war auch kein sonderlich umgänglicher Mensch, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht besonders gut gerochen hat.


    Diese Fragestellung hätte ich noch sehr viel interessanter gefunden: Muss mir ein Autor sympathisch sein, damit mir seine Bücher gefallen? Das ist nämlich ein Gefühl, das mich seit Jahren beschleicht. Sind Herrn Fitzeks Bücher gut, weil er sich als Grinsebär im Pulli zur Lesung hinstellt? Herrn Schätzings Bücher, weil er dieses attraktiv melierte Haupthaar zu Markte trägt? Oder von mir aus die vom Herrn Rother/Monferat , weil er möglicherweise eine nicht ganz dröge Leserunde begleitet hat? (Selbstverteidigungsreflex: Die hatte zumindest noch erkennbar mit dem Buch zu tun. Und ich hab dabei kein Keyboard gespielt. :-) ). Aber ernsthaft: Sind das Dinge, die eine Rolle spielen sollten, wenn ich frage, ob mir ein Buch gefällt oder nicht?


    Manchmal, allerdings immer öfter, ist da dieser Gedanke: Ich sollte viel monströser auftreten. Vorher nimmt mich doch keiner ernst.

    Ich hab ein bisschen überlegt: Natürlich geht's um Thomas Mann, aber die Gedanken, die hier vorgetragen werden, weisen doch über den konkreten Titel hinaus und thematisieren, warum der eine oder die andere einen Titel als Flop empfindet. Ich persönlich finde das interessant und nach meinem Gefühl gehört es auch ins Thema.


    Falls es doch lediglich um Auflistungen gehen soll, den Rest als Spoiler, um niemandem den Überblick zu verstören.



    Tatsächlich war ich zuerst auf SiColliers Aussage getroffen und wollte dazu etwas anmerken. Dann sah ich Voltaires Einlassung - da galt das quasi im Quadrat. Wenn ich immer erst überlegen müsste, ob jemand eins meiner Bücher kritisiert hat, bevor ich irgendwas anmerke, würde das auf die Dauer ziemlich anstrengend.


    SiCollier Protestantisch - ich glaube, dass das wirklich eine große Rolle spielt. Diese Leute quälen sich ab, richten sich - Thomas - körperlich zugrunde, mit dem Erfolg, dass der Karren immer weiter in den Dreck fährt. Und doch gibt es den gerechten, den gütigen Gott. Sola fide, würden Luther und Melanchthon sagen. Man muss schon ziemlich gläubig sein, um das zu glauben.


    Zum Wert eines literarischen Textes aus der historischen Situation des Verfassers heraus schreibst Du:


    "Grübeln Dieses Argume...chiven verschwinden und nur noch für wissenschaftliches Arbeiten zur Verfügung stehen sollte?"


    Hm, nein, das sehe ich nicht so. Allerdings ist es für uns schwieriger, es zu verstehen, weil wir uns ein Stück weit über die Zeit kundig machen müssen, um die Erfahrungen des Autors mit und in seiner Zeit nachvollziehen zu können, die er im Text niedergelegt hat.


    Ob wir es unterhaltsam finden, steht dann noch einmal auf einem anderen Blatt. Wie das mit dem literarischen Wert des Textes korrespondiert, darüber müsste ich genauer nachdenken. Auch unser Verhältnis zum "Unterhaltsamen" hat sich in der Epoche der cheap thrills ja gewandelt. Nach meinem Empfinden lässt sich Goethes Wilhelm Meister heute vergleichsweise süffig lesen - wegen seiner literarischen Qualitäten. Den Rinaldo Rinaldini seines Schwagers Vulpius dagegen - seinerzeit ein veritabler Bestseller - empfinde ich als zäh, weil ihm diese Qualitäten fehlen und nur das heute antiquierte Unterhaltungselement geblieben ist.

    Zitat

    Original von Ayasha
    Was die Besetzung betrifft, müssen wir aber nochmals in uns gehen. Christophe Waltz als Boris? Ehrlich gesagt, habe ich mir Boris um einiges jünger vorgestellt.... :gruebel Wurde sein Alter erwähnt und ich habe es überlesen?


    Da war ich ehrlich gesagt auch etwas erstaunt. :-) "Mit seinen sechsundzwanzig Jahren war er bereits an sowjetischen Botschaften in mehreren kapitalistischen Ländern tätig gewesen." (S. 54)


    Ich wollte nur dem Udo Christoph Waltz nicht zu nahe treten, wie alt der jetzt aussieht. :grin

    Voltaire, siehst Du: Und das war der zweite Grund, aus dem ich solange gezögert habe. Könnte es womöglich sein, dass es seltsam rüberkommen könnte, wenn ich jemanden kritisiere, der meine eigene Veröffentlichung kritisiert hat? Letztlich und endlich bin ich zu den Einschätzung gekommen, dass ich damit dann wohl leben muss. Wobei, wenn ich nach diesen Maßstäben verfahre, sich nun wohl SiCollier Gedanken machen muss, womit er meine zeushaften Zorn auf sich gezogen habe könnte, nachdem er in meiner Leserunde mehr Hintergrund vermittelt hat als jeder andere, der Autor eingeschlossen. Und mir dafür auch noch fünf Sterne verpasst hat.


    Himmel, ich will doch auch ein bisschen Freizeit haben. :-)


    Was ich allerdings nicht ausschließen möchte: Dass ich mich angepieselt fühle, wenn's gegen Thomas Mann geht. Der bedeutendste deutsche Autor der letzten zweihundert Jahre. Kritisiert, weil er vermeintlich nicht unterhaltsam schreibt. - Da bin ich dann auch nur ein Mensch. :-)

    Grisel


    Versuche gerade, nicht wieder ein Mega-Posting draus zu machen. :)


    Rader tritt mit dem Anspruch an, einen neuen Friedrich zu zeigen, ihn - eben - als Sizilianer darzustellen. Toll, könnte man denken, wir haben ja wirklich schon Dutzende davon seit Kantorowicz, jetzt also eine völlig neue Idee, schließlich waren die Vorfahren mütterlicherseits Sizilianer (wenn man die Hautevilles als Sizilianer fasst). Nur, und da gingen bei mir die Augenbrauen hoch, was ist dann eigentlich mit Abulafia? Dessen Biographie ist keine zwanzig Jahre alt und hat sich gerade bemüht, genau diesen Hintergrund zu erhellen - im Sinne eines doppelten Hintergrunds, indem die deutschen wie die normannischen Elemente (und andere dazu) beleuchtet wurden.


    Auch Rader beleuchtet aus ganz unterschiedlichen Winkeln. Er tritt weit zurück, und der Leser könnte jetzt erwarten: Sehr gut, jetzt kommt die Totale, die Friedrich in den Bedingtheiten seiner Zeit zeigt. Aber das geschieht nicht. Nach meinem Verständnis las sich das Buch wie eine Aneinanderreihung unzähliger mehr weniger zusammenhangloser Exkurse, die sich wohl um eine flotte Sprache bemühten, aber auch in ihrem eigenen Feld immer an der Oberfläche blieben, schwankend zwischen Anekdote und Konversationslexikon. Und zum Verständnis des eigentlichen Gegenstands wenig beitrugen.


    Insgesamt hat das Ganze auf mich wie eine Materialsammlung gewirkt, ein gigantischer Zettelkasten, in den alles hineingeworfen wurde, was auch nur entfernt mit der behandelten Figur zu tun haben könnte. Ich sehe keinen roten Faden. Ich sehe oberflächlich gesichtete Zufallslektüre, die mehr schlecht als recht verklammert wurde.

    Ich ahne Schlimmes, wenn ich das jetzt noch einmal anrühre, das Buddenbrooks-Thema nämlich. Seit Tagen schleiche ich da herum, überlege hin und zurück. Eigentlich geht es ja um Leseflops hier - deswegen füge ich meinen persönlichen Flop dann auch an, als Feigenblatt. :grin


    Zu Thomas Mann jedenfalls ...


    SiCollier schreibt: "Wenn es Dich beruhigt, habe ich das Buch eben nicht verstanden. Ich muß nicht alles verstehen. Aber vom Autor eines Romans erwarte ich, daß er sich mir verständlich machen kann. Thomas Mann ist dies offensichtlich nicht gelungen."


    Das kann ich akzeptieren, möchte aber anmerken, dass ein jeder Autor aus seiner Zeit und seiner Situation heraus schreibt. Wenn mir die Umstände dieser Zeit und dieser Situation nicht ausreichend bekannt sind, dann kann ich das nicht dem Autor anlasten. Das Grundthema der Buddenbrooks vermittelt im Übrigen schon der vollständige Titel: "Buddenbrooks: Verfall einer Familie". Die Schilderung dieses deprimierenden Vorgangs mit Stil, mit Ironie, mit Humor, das macht für mich persönlich die Qualität dieser Veröffentlichung eines jungen Autors aus. "Das Leben, das gut und gerecht ist, indem es geschieht", wie Rilke damals bemerkte.
    Ob es sich um einen 'Kaufmannsroman' handelt? Keine Ahnung. Mit Sicherheit aber handelt es sich um einen ausgesprochen protestantischen Roman.


    Voltaire schreibt: "Und die (sic!) "Buddenbrooks" war nichts anderes als ein unterdurchschnittlicher Unterhaltungsroman."


    Das ist, mit Verlaub, blühender Unsinn. Mag ja sein, dass "Buddenbrooks" als Unterhaltungsroman versagt. Obendrein ist der Titel auch ein miserabler Western und hundsmiserable Science Fiction noch dazu - weil er mit beiden Genres nämlich nichts zu tun hat. Wie er eben auch kein Unterhaltungsroman ist.


    Wie jedes Werk der Kunst gewinnt auch dieses seinen Wert vor dem Hintergrund der Zeit und der Umstände seiner Entstehung. Schriebe ich heute wie Mann, wie Goethe, wie Grimmelshausen: Das hätte keinen Wert. Meißelte ich heute Michelangelos David nach, eins zu eins: Das hätte keinen Wert. Ausgenommen, dass es möglicherweise unterhaltsam zu lesen oder gefällig anzusehen wäre. Kaum die maßgeblichen Kategorien zur Beurteilung von künstlerischem Wert.


    Was hingegen eine solche Kategorie darstellt: Originalität. Die aber kann eben nur vor dem Hintergrund eines bestimmten Wissens um Kunst, um Literatur erkannt werden. Eine "Meinung" darf ich natürlich zu allem und jedem haben - wäre aber vorsichtig, mit meiner Unwissenheit zu kokettieren und gleichzeitig jemanden als "Schwafelbruder" abzuqualifizieren.


    Mein persönlicher Flop des Jahres: Olaf Raders Biographie Kaiser Friedrichs II.

    Zitat

    Original von Vivian
    Der Zug hat nun seine Fahrt beendet.


    Vielen lieben Dank Cyriacos für die Begleitung der Leserunde. Sie war sehr aufschlussreich.


    Sehr gern, liebe Vivian. :-) Das hat ja auch mir Spaß gemacht. Du warst ja in einem solchen Eilzugtempo durch, dass ich gar nicht mehr zum Begleiten kam. :grin Ich freue mich aber, wenn Dir die Geschichte Freude gemacht hat.

    Eben. Und richtig ist auch, dass die Menschen außerhalb Europas unmittelbar vom Krieg in Europa betroffen waren. Kanadier, Inder, Australier, Neuseeländer, Menschen aus all den anderen Besitzungen des britischen Empire. Frankreich dito. - Es gibt da einen Satz am Ende von Casablanca, in dem von einer freien französischen Garnison in Brazzaville die Rede ist, wo Rick eventuell Zuflucht finden könnte. Das wäre auch so eine Geschichte, die ich mir spannend vorstellen könnte. Ach, es gibt da noch so viele Sachen ... :-)


    Wobei wir uns in dieser Beziehung bereits einig sind: Es gäbe viele Geschichten auf dieser Zeitschiene, die es wert wären, erzählt zu werden. Aber erst einmal muss Benjamin Monferat zeigen, dass er sich nicht auf eine einzelne Epoche begrenzen lässt. :-)