Beiträge von Bernard

    Zitat

    Original von Joan


    Dann war das also eine Erkenntnis der kath. Kirche, vorher hat man das nicht gewusst, dass Menschen sterben?


    Locker bleiben. Die katholische Kirche hat das vor zweitausend Jahren erkannt, weil sie da entstand. Vorher konnte sie es nicht erkennen, weil es sie nicht gab. Andere haben das vorher schon gewusst, schließlich ist das eine Grundkonstante des menschlichen Lebens.


    Vielleicht sollte ich auf augenzwinkernde Einträge in diesem Thread verzichten, sie werden offenbar bevorzugt missverstanden ... :gruebel

    Es gibt in diesem Bereich alle möglichen interessanten Praktiken. In einer Kultur, in der das Kind tatsächlich erst mit der Geburt Mensch wird, ist die gängige Praxis, den Geburtsvorgang anzuhalten, wenn der Kopf erreichbar ist. Er Schädel des Beinahe-Menschen wird dann geöffnet und das Hirn ausgekratzt. Leider habe ich nicht mehr präsent, welche Kultur das ist ...

    Zitat

    Original von beowulf
    Vorsicht- das Problem, an dem die katholische Kirche anfängst Krämpfe zu bekommen ist, wenn man mit der Tatsache argumentiert, das auch befruchtete, eingenistete Eier noch natürlich abgehen können- hat da ER abgetrieben?


    Entwarnung - die katholische Kirche ist schon vor zweitausend Jahren zu der Erkenntnis gekommen, dass ER alle Menschen irgendwann sterben lässt, manche früher, andere später. Mit dem natürlichen Tod hatte sie noch nie Probleme.

    Zitat

    Original von redator
    Das stimmt. Die 12. Schwangerschaftswoche ist hier aber schon das untere Limit. Soweit ich weiß, bilden sich die Synapsen im Hirn ab der 12. Schwangerschaftswoche. Es gibt durchaus Embryonen, wo das später einsetzt.
    Damit ist der restliche Einwand dazu in meinem Augen hinfällig.


    Sofern Deine Ausführung zur 12. Schwangerschaftswoche korrekt ist, stimmt das im Wesentlichen. Der Nebenaspekt der Bigotterie des Gesetzgebungsverfahrens bleibt allerdings bestehen - wenn es auch nach der 12. Woche Kinder gibt, denen man das "Mensch-Sein" aberkennen kann, dann würden die Mütter unzulässig in ihren Rechten beschnitten, indem sie diese nicht mehr abtreiben dürfen. Dieser Komplexität stellt sich der Gesetzgeber jedoch nicht.



    Zitat

    Original von redator
    Sorry, dass ich es nochmal aufgreifen muss, aber da fallen mir doch wieder die (beispielsweise) Hautzellen ein. Die sind genetisch auch eindeutig dem Homo Sapiens zuzuordnen, trotzdem sind sie kein Mensch.


    Sie sind aber im Unterschied zum "Zellhaufen" nicht überlebensnotwendig für ein Individuum, und das ist der springende Punkt. Durch die Abtreibung wird ein Menschenleben ausgelöscht, durch Fingernagelschneiden nicht. Wie man es auch dreht und wendet: Ziel des Eingriffes ist es, dass es einen Menschen weniger gibt, als es ohne den Eingriff gegeben hätte. Tod wird an die Stelle von Leben gesetzt.


    Zitat

    Original von redator
    Ein Szenario, welches durchaus so hätte eintreten können: Nicht nur der Homo sapiens hat es in heutige Zeiten geschafft, sondern auch der Homo neaderthalensis, vielleicht sogar noch weitere Menschenarten deren Intelligenz mit unserer vergleichbar wäre. Wäre bei denen eine Abtreibung legitimer aus unserer Sicht, weil diese Zellhaufen nicht dem Homo sapiens zuzuordnen wären? Die genetische Zugehörigkeit von Zellen ist für mich kein Todschlagargument.


    Solche Fragestellungen tauchen in der Science-Fiction-Literatur ab und zu auf. Bei angloamerikanischen Autoren werden grundlegende Rechte häufig an die "Empfindungsfähigkeit" eines Wesens geknüpft, im deutschsprachigen Raum oft an die "Intelligenz" (was dann dazu führt, dass auch Roboter irgendwann Menschenrechte bekommen). All diesen Überlegungen gemein ist aber, dass Menschen in jedem Fall Menschenrechte haben.


    Zitat

    Original von redator


    Wow, das war ja fast sowas wie ein Kompliment :chen


    Das habe ich auch durchaus als Kompliment gemeint. Schön, dass es so angekommen ist.

    Am 3. März schrieb ich Folgendes:


    Zitat

    Original von Bernard
    Ich glaube auch nicht, dass wir als Gesellschaft unserer Verantwortung durch pränatale, ungebetene Sterbehilfe gerecht werden, sondern eher dadurch, Lösungen für Kinder zu finden, die nicht von ihren leiblichen Eltern großgezogen werden können. Und da gibt es, glaube ich, bereits viel mehr, als die in ihrer Todeslogik verharrenden Kindermord-Fans wahrhaben wollen.


    Daraus machte Magali:



    Die Konsultation des Original-Zitats zeigt: Die von Magali identifizierte Personengruppe habe ich nicht mit dem Etikett "Kinermord-Fan" versehen. Das hat sie ohne Grundlage so interpretiert. In meinem Statement werden lediglich solche Personen (korrekter Weise) als Kindermord-Fans bezeichnet, die einer Todeslogik frönen, die systematisch und gezielt Argumente für die Ermordung von Kindern sammelt und lebensbejahende Alternativen gar nicht erst in Betracht zieht. Später habe ich dann auch dafür noch erläuternde Beispiele gebracht.
    Am 8.3. folgt dann noch Folgendes:

    Zitat

    Original von magali
    magali (auf der Seite der Kindermordfans)


    Magali hat sich also einen Schuh angezogen, den ich ihr nicht hingestellt habe - sie hat ihn sich nachträglich durch ihre Umdeutung passend gemacht. Danach wurde dann seitenweise gejammert - auf Basis der Umdeutung, nicht des eigentlich Gesagten.
    Ich habe jetzt Magali exemplarisch genommen, weil es bei ihr besonders deutlich ist. Andere mögen sich ähnlich verhalten haben.

    Zitat

    Original von Joan
    Was ich mich schon längere Zeit gefragt habe, ob Du Bernhard, Dich eigentlich auch noch irgendwo im Forum an Literatur-/Bücherdiskussionen beteiligst......


    Ich kann Dich beruhigen. Gestern noch habe ich jemandem das Buch "Jenseits von Afrika" empfohlen, weil er ähnliche Bücher mochte. Davor habe ich ein paar Rezensionen begesteuert, unter anderem zu "Die Ordensburg des Wüstenplaneten" und "Der Fluch des dunklen Mondes".
    Wobei ich mich schon frage, was das mit diesem Thread zu tun hat. Möchtest Du mich als Forumsteilnehmer diskreditieren, um damit implizit meine Argumente gegenstandslos zu machen? Lieber wäre mir, wenn Du die von mir gestellten Fragen beantworten würdest. Wie ich schon schrieb:

    Zitat

    Original von Bernard
    Ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der sich der Diskussion entzieht.

    Zitat

    Original von churchill
    Was ist deine eigene Position bezüglich der von dir beschriebenen "eigentlichen theologischen Argumentation" der Kirche und des "ganz anderen Geschützes", das da aufgefahren wird? Täuscht mein Eindruck, das du diesem Ansatz durchaus Sympathie entgegenbringst?


    Meine Position:
    Ich habe meine Ausführung angebracht, um zu demonstrieren, wie eine (von mehreren) theologischen Argumentationen aussieht, und zwar deswegen, um zu zeigen, dass nicht alles, was die Kirche äußert, theologisch ist. Dies wollte ich kenntlich machen.
    Ich kenne die von mir ausgeführte Argumentation nur "in Papierform", mir ist niemand persönlich bekannt, der sie vertritt. Das schließt mich selbst ein.


    zur "Sympathie":
    "Sympathie" trifft es in meinem Falle nicht. "Nachvollziehbar" trifft es, weil ich die Argumentation für stringent und durchaus aus der Bibel ableitbar, insofern für "seriös" (im Gegensatz zu "willkürlich") halte. Selbst Johannes Paul II., dem ich hier maximale Kompetenz zugestehe, hat zwar viele Argumente gebracht, die in eine andere, mildere Richtung weisen, konnte aber letztlich die dargestellte Argumentationslinie auch nicht völlig widerlegen.
    Das macht die Theologie in meinen Augen auch glaubhaft: Es ist eben keine erfundene Geschichte, die man sich so zurechtbiegen kann, dass alles ohne Reibungspunkte ineinander greift. Vieles hat Gott uns nicht offenbart. Wir wissen einfach nicht genau, was beim Jüngsten Gericht geschieht. In dieser speziellen Frage lässt dieses "Unwissen" Raum für die fürchterlichsten Szenarien, auch das dargestellte.
    Ich persönlich vertraue auf die Güte Gottes, insbesondere zu Kindern, die vor ihrer Geburt ermordet werden.


    Trotzdem gibt es innerhalb der katholischen Kirche die genannte Argumentation, ich halte sie noch nicht einmal für "vorkonziliär". Daher hat sie in diesem Thread ihre Berechtigung. Wenn man weiß, dass es innerhalb der Kirche Leute gibt, die dieser Argumentation folgen, dann weiß man auch, dass diese Leute keinen Millimeter zurückgehen können. Vermutlich werden sie noch nicht einmal die medizinische Indikation gelten lassen - im Gegensatz zu mir.

    Zitat

    Original von Joan
    Praktisch in jedem Deiner Postings hast Du eine der folgenden Bezeichnungen reingesetzt: Kindermord, Mörderinnen, Totschlag, Kindermord-Fans.....Dahinter steht in dieser Menge - für mein Empfinden - ganz klar eine Absicht! Eine gezielte Verurteilung! Du beschuldigst diese Menschen, die sich zu einer Abtreibung entschlossen haben eines Verbrechens.


    Richtig. Das tut allerdings auch das deutsche Gesetzbuch. Nach diesem begehen die Menschen, die sich zu einer Abtreibung entscheiden, ebenfalls ein Verbrechen (eine "Straftat"). Sie bleibt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Die Klassifizierung der Abtreibung als Tötungsdelikt ist also nur dann als radikal anzusehen, wenn man zugleich das geltende Recht der Bundesrepublik Deutschland als radikal ansieht.
    Was die Wortwahl angeht, habe ich meine Gründe dafür bereits erläutert: Ich beobachte, dass die Bezeichnung "Abtreibung" zu einer abstumpfenden Verharmlosung führt und lehne sie daher ab. Ich ersetze sie durch Begriffe, die den Sachverhalt aus meiner Sicht treffender beschreiben - und dabei halte ich mich noch zurück ...

    Zitat

    Original von Joan
    Und genau in diesem ganz besonderen Falle solltest Du das "Urteilen" schon Gott überlassen, nur er alleine - so es ihn überhaupt gibt, kennt die ganzen Hintergründe und Zusammenhänge, welche diese Frauen zu einer solchen Entscheidung veranlasst haben.


    Mit welcher Autorität stellst Du diese Forderung an mich? Hältst Du Dich für eine Prophetin?
    Natürlich richtet am Ende Gott und Gott allein. Das gilt aber nicht nur für Kindermord, sondern für jeden anderen Mord und überhaupt jede Tat und Nicht-Tat auch. Wenn dies das Kriterium wäre, dürfte sich niemand mehr zu irgend etwas äußern, da alle zu jedem Sachverhalt erst das Urteil des Jüngsten Gerichts abwarten müssten.

    Zitat

    Original von churchill
    Die von Bernard heute um 0.25 Uhr vorgestellte Theologie ist keinesfalls aktuelle katholische Lehre. Das II. Vatikanische Konzil und wichtige Dokumente wie die Gemeinsame Erklärung der katholischen und lutherischen Kirche zur Rechtfertigungslehre muss er übersehen haben. Anders gesagt: Hier wird eine vorkonziliäre Theologie vertreten. Die Pius-Bruderschaft wäre stolz auf ihn. Oder steckt Opus Dei dahinter?


    Ruhig noch einmal hochscrollen und nachlesen. Ich habe diese Lehre zwar vorgestellt, nämlich deswegen, weil sie zum Titel des Threads passt. Vertreten habe ich sie dagegen nicht. Vielmehr wies ich selbst auf die von Johannes Paul II. vorgetragene andere Deutung hin.
    Aber bittesehr - wer jammern will, der jammere. :rolleyes

    Man muss sich nicht "göttlicher als Gott" fühlen, um das Konzept allgemeingültiger Gesetze, die dann eben auch bestimmte Handlungen verbieten, zu befürworten. Sonst wäre jeder, der kein Radikal-Anarchist ist, jemand, der sich "göttlicher als Gott" fühlt.
    Allerdings wird es auch kaum den Weg auf die rechte Seite ebnen, wenn jemand ein gewaltiges Unrecht erkennt und sich denkt: "Um die Harmonie zu wahren, stelle ich mich an den Rand und sage nichts." Oder was glaubst Du, wie diejenigen gewogen werden, die dafür plädierten, die Sklaverei in den USA beizubehalten, um es sich nicht mit den Plantagenbesitzern im Süden zu verderben? Handelten die in Deinen Augen vorbildlich?

    Zitat

    Original von redator


    Die Frage habe ich jetzt nicht mitbekommen. Kannst du mir nochmal die Stelle zitieren, worauf sich das bezog?


    Zitat

    Original von Bernard


    Ich habe diesen Teil aus den vergangenen Beiträgen kopiert, weil er einen wesentlichen Grund beleuchtet, warum wir die Gesetzeslage haben, die derzeit aktuell ist. Wissenschaftler haben nach einem Kriterium gesucht und sind bei der zwölften Woche gelandet, man kann ihnen unterstellen, dass sie sich bei den Kriterien etwas gedacht haben und nicht beliebig gewählt haben.
    Ich stelle aber die Frage, warum diese Kriterien dann vor dem Eingriff nicht überprüft werden. Im Gesetz steht: "12. Woche", nicht "wenn noch keine Hirnzellen vernetzt sind". Nun ist ja bekannt, dass manche Kinder sich schneller entwickeln als andere. Manche werden genau nach neun Monaten geboren, andere einige Wochen früher oder später. Es ist doch plausibel, anzunehmen, dass sich bei einigen auch die Hirnzellen oder die Organe früher entwickeln als bei anderen. Demnach wären sie auch für diejenigen, die diesen Gesetzestext inspiriert haben, Menschen mit einem schützenswerten Recht auf Leben. Durch die fehlende Überprüfung muss man also davon ausgehen, dass jedes Jahr eine gewisse Anzahl von Menschen (nach dieser Definition) getötet werden.
    Das ist aus meiner Sicht überhaupt nur möglich, weil unsere Gesellschaft sich als unfähig erweist, sich dem Thema zu stellen und nach einer möglichst einfachen, unauffälligen, unsichtbaren, klinisch sauberen Lösung giert. Auch wenn die Festlegung ursprünglich sinnvollen Kriterien folgte (was ich zwar bestreiten würde, aber als Annahme kann man das ja einmal durchspielen) hat man sich im Gesetzgebungsverfahren von diesem Anspruch an ein sinnvolles/ "objektives" Kriterium gelöst und nimmt die Tötung von Menschen billigend in Kauf.


    Im Übrigen vertrittst Du tatsächlich eine sehr klare Position, die darauf fußt, dass bestimmte Individuen, obwohl sie sich genetisch eindeutig als homo sapiens bestimmen lassen (und damit beispielsweise auch von den von Dir aufgeführten Schimpansen eindeutig abgegerenzt sind), keine Menschen seien. Aus dieser Basis-Annahme leitest Du dann deren völlige Rechtlosigkeit ab. Der genaue Übergang, den Du von "Protomensch" zu "Mensch" festlegst, wird mir nicht klar ("Empfindungsfähigkeit"?), ist aber auch sekundär.
    Diese Haltung ist in sich konsistent, zugleich aber völlig inakzeptabel. Sie ist äquivalent zu rassistisch motivierter Sklaverei, beispielsweise in den USA. Auch die Sklavenhalter dort waren der Meinung, die Schwarzen seien keine vollwertigen Menschen und man könne ihnen daher grundlegende Rechte (insbesondere "Freiheit") vorenthalten. Auch dort gab es eine große Mehrheit in der Bevölkerung, die dafür plädierte, die Sklavenhalter "um des lieben Friedens Willen" gewähren zu lassen. Diejenigen, die den Sklaven zur Flucht verhalfen, brachen in den meisten Fällen das Gesetz. Bücher wie "Onkel Toms Hütte" waren aufhetzende Propagandaschriften, Skandalbücher. Und natürlich fanden sich genügend Wissenschaftler, die die Ideologie der Sklavenhalter intellektuell untermauerten.
    Selbstverständlich gab es auch eine Menge Wissenschaftler, die das Unrecht der Sklaverei anprangerten, obwohl ihre Mitbürger das nicht so sehen wollten.
    Es gibt kein moralisches Recht auf Sklaverei.
    Genausowenig gibt es ein moralisches Recht auf Abtreibung. Wo dieses in einem Gesetzbuch steht, handelt es sich um in Paragrafen gegossenes Unrecht.
    Die Linken unter uns wird sicher der hier wunderbar passende Spruch aus ihrem Lager gefallen: "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht."

    Nur der Vollständigkeit halber und weil es dem Titel des Threads entspricht, möchte ich noch anführen, dass meines Erachtens die eigentliche theologische Argumentation der katholischen Kirche in dieser Frage bislang bestenfalls gestreift wurde. Bislang wurden die Argumente verwendet, die die Kirche in der "Außenkommunikation" benutzt und die auf Logik und Vernunft beruhen, sofern man ethische Normen wie die Menschenrechte als Äußerungen der Vernunft anerkennt.
    Innerhalb der Glaubensgemeinschaft wird ein ganz anderes Geschütz aufgefahren, das aber in der Öffentlichkeit selten genannt wird. Meines Erachtens zu Recht, weil es sich um eine theologische Spekulation handelt, die man bei Leuten, die dieser Glaubensgemeinschaft nicht angehören, nicht argumentativ verwenden kann oder sollte. Sie ist innerhalb der katholischen Kirche vermutlich auch keine Mehrheitsmeinung mehr, spätestens seit Johannes Paul II., dennoch wird sie ab und an angeführt.
    Dazu muss man sich von der Vorstellung trennen, Gott sei ein gutmütiger Trottel, der alles mit sich machen lässt und sich eher auf Sätze besinnen wie "Mein ist die Rache, spricht der Herr." Nach dieser Vorstellung ist Gott zwar grundsätzlich geduldig, wird aber am Ende jeden zur Rechenschaft ziehen. Im Gegensatz zum weltlichen Recht gilt hier nicht der Grundsatz "wer unschuldig ist, ist fein raus." Vielmehr ist die Verdammnis das zunächst einmal übliche Urteil. basierend auf dem Sündenfall des Menschengeschlechts. Ganz platt gesagt: Wer nichts für seine Erlösung tut, kommt in die Hölle. Und die Hölle ist kein Ort, wo den Teufelchen die gebratenen Hähnchen in den Mund fliegen, sondern das schlimmste anzunehmende Schicksal, und es dauert ewig.
    Nun hat ein Kind seit seiner Empfängnis eine unsterbliche Seele. Es hat aber keine Chance, eine Aktion zu ergreifen, die es dem Höllenfeuer entreißen würde - hierfür wäre insbesondere die Taufe sehr hilfreich. Indem es ungetauft getötet wird, fällt es der Verdammnis anheim.
    Wie erwähnt hat insbesondere Papst Johannes Paul II. diese theologische Spekulation stark abgemildert, indem er postulierte, dass zwar nach menschlichem Ermessen kein Weg zur Rettung bekannt sei, bei Gott sei jedoch nichts unmöglich und die Erlösung unschuldiger Kinder sei eine vernünftige Annahme auf Basis dessen, was wir über göttliche Gerechtigkeit und Güte wissen. Nur: Sicher kann niemand sein.
    Diese theologische Sicht gibt der Abtreibung erst ihren vollen Schrecken - allerdings nur für gläubige Menschen und dort auch nur für jene Gruppe, die der skizzierten Argumentation etwas abgewinnen kann. Deswegen sollte sie auch nicht Basis der Gesetzgebung in einem säkularen Staat sein.
    Die allgemein ethischen und vernunftgetriebenen Argumente nicht in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen wäre dagegen fahrlässig.

    Zitat

    Original von woelfchen
    Ich kann nur eines wiederholen: Ich kann nicht einmal eigenverantwortlich auf einen Hund aufpassen, was würde dann mit einem Kind geschehen? Ich will keines und kann keins versorgen.
    Ich möchte es aber auch nicht in ein Waisenhaus stecken und wissen, dass da darußen irgnedwo mein Kind rumläuft und ich nicht weiß wie es ihm geht. Und ich will nicht nicht in gut zwei Jahrzehnten jemanden vor der Haustüre stehen haben, der etwas über seine Herkunft erfahren möchte.


    Letzteres halte ich für kein zulässiges Argument, da man bei der Freigabe zur Adoption verfügen kann, dass die eigene Identität geheim bleibt, sodass das Kind Dich auch nach zwanzig Jahren nicht finden wird. Diesbezügliche Bedenken sind also nicht angebracht.
    Damit bliebe von Deinen aufgeführten Bedenken gegen die Freigabe zur Adoption lediglich, dass Du nicht weißt, wie es Deinem Kind geht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das unangenehm sein kann - allerdings nicht sein muss. Ein Mann, der ein einziges Mal zur Samenspende geht, kann diesen Effekt gleich hundertfach haben. Dennoch: Das unangenehme Gefühl will ich gelten lassen.
    Wir haben also Szenario A: Das Kind kommt zur Welt, wird zur Adoption gegeben. Das Schicksal startet sozusagen bei Null. Vielleicht kommt es in ein Horror-Waisenhaus, wird misshandelt und sein Leben lang nicht froh. Das ist möglich. Vielleicht wird es von einem Multimillion-Euro-schweren Ehepaar adoptiert, das sich sehnlich Kinder wünscht, aber keine bekommen kann, und wird einer der glücklichsten Menschen auf der Welt. Vielleicht wird es Arzt und findet ein Heilmittel gegen Krebs. Oder schreibt tolle Romane, die Du dann liest und genießt (allerdings ohne zu wissen, dass sie von Deinem Kind sind). Auch das ist möglich. Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo dazwischen liegen, Du wirst sie nie erfahren, da Du keinen Kontakt zu Deinem Kind hast. Zugestanden, unangenehm. Bei völliger Unkenntnis vom schlimmstmöglichen Schicksal für das Kind auszugehen hat allerdings keine Grundlage.
    Demgegenüber Szenario B: Das "werdende Leben" (ich beiße gerade beinahe in meine Tastatur, um diesen hoffentlich konsensfähigen Begriff hinzukriegen) in Deinem Bauch wird beendet. Den Menschen aus Szenario A wird die Welt nie kennen lernen. Du hast vielleicht Schuldgefühle, vielleicht auch nicht. Du weißt sicher: An die Stelle von Leben hast Du Tod gesetzt. Das ist eine Gewissheit, die der Ungewissheit von Szenario A gegenübersteht. Vielleicht kannst Du Dir einreden, dass Dein Kind nicht mehr war als ein paar Hautzellen, wie Du in Deinem Posting schreibst. Vielleicht wirst Du irgendwann darauf kommen, dass ein Mensch, dem man Hautzellen abschabt, noch immer existiert, während es durch den vorgegebenen Eingriff nun einen Menschen weniger auf der Welt gibt als mit ihm - ein wesentlicher Unterschied, der durchaus objektiv ist und nicht auf einer Weltanschauung basiert. Dabei ist auch belanglos, dass dieser Mensch irgendwann (vor oder nach seiner Geburt) eines natürlichen Todes gestorben wäre - diese Tatsache rechtfertigt keine willentlich herbeigeführte Beendigung des Lebens.



    Zitat

    Original von woelfchen
    Wenn du das nicht mit deinem Gewissen oder deiner Religion vereinbaren kannst, ist das vollkommen ok, aber das kannst du niemanden - inklusive deiner Partnerin! - aufdrängen.


    Es gibt viele Dinge, die ich anderen aufdränge, weil ich sie mit meinem Gewissen (weniger mit meiner Religion, die ist viel offener, als viele zu wissen glauben) nicht vereinbaren kann. Hier ist die Abtreibung genauso zu sehen wie jeder andere Mord. Eine Gesellschaft wäre schlecht beraten, Morde zu tolerieren. Dass ich für mich selbst entscheide, dass ich persönlich nicht das Recht habe, andere zu ermorden, ist der erste Schritt. Ich gehe aber weiter, indem ich sage: "Ich möchte in einer Gesellschaft, besser noch in einer Welt ohne Morde leben." Selbst wenn dieser Zustand (nach meiner religiösen Weltanschuung auf Grund der Erbsünde, religionsneutral ausgedrückt wegen der Conditio Humana) niemals erreicht wird, ist er eine notwendige Utopie, der es nahe zu kommen gilt. Deswegen finde ich es gut, dass es Gesetze gegen Morde gibt und Mörder inhaftiert werden, auch wenn das gegen die Selbstbestimmungsrechte der Mörder ist. Daran ändert auch nichts, wenn der Mörder ein Motiv hatte, das möglicher Weise in einem anderen Verständnis wurzelt, wem Menschenrechte zugesprochen werden und wem nicht - anderenfalls würde ich den Mörder zum Maßstab meines Gewissens machen.
    Bei meiner Partnerin ist das noch einmal gesteigert - wenn die mit meinem Kind schwanger wäre, würde ich mich sehr wohl für dieses Kind verantwortlich fühlen, insbesondere auch dafür, dieses zu beschützen. Wobei das tatsächlich ein sehr theoretischer Fall ist - eine Frau, die so veranlagt ist, dass sie eine Abtreibung in Erwägung ziehen könnte, wäre ganz sicher nicht meine Partnerin.


    Zitat

    Original von woelfchen
    Oder eine Vergewaltigung


    Auch an der Vergewaltigung trägt das Kind keine Schuld, sondern der Vater. Daher sehe ich zwar den Punkt, dass ein Zusammenleben mit dem Kind problematisch ist, vor allem, wenn es dem Vergewaltiger ähnlich sieht, verweise aber hier wieder auf die Möglichkeit der Adoption.
    Zudem ärgert mich der Verweis auf die Vergewaltigungen deswegen, weil er sehr häufig als Totschlagargument verwendet wird, aber in der Realität in 2008 laut statistischem Bundesamt nur 21 von 114.484 Abbrüchen begründet hat (das sind 0,00018 %). Darauf eine Argumentation aufzubauen ist nahezu perfide. Wenn man es denn unbedingt will, müsste man zur Indikationsregelung zurück. Danach wären dann diese 21 Abbrüche legal, zudem noch 2.989 aus medizinischer Indikation (letztere sieht übrigens auch die katholische Kirche als legitim an). Gute 111.000 müsste man demgegenüber ablehnen. Zwar ist jedes ermordete Kind eines zu viel, aber wenn man diese 111.000 pro Jahr retten könnte, wäre schon eine Menge gewonnen.


    Ich denke, ich habe nun ausführlich Stellung zu Deinen Punkten genommen,. Daher erwarte ich jetzt selbstverständlich das gleiche von Dir, da Du ja eine gewisse Diskussionskultur angemahnt hast. Ich warte also auf Deine Antworten zu meinen oben gestellten Fragen.

    Nun ja, zum Diskutieren muss man sich schon den Argumenten stellen.


    Hier wird behauptet, dass man "Mensch" ist, wenn man bestimmte Stadien innerhalb der Entwicklung während der Schwangerschaft erreicht, zum Beispiel die Ausbildung eines Gehirns oder anderer Organe. Ich habe gefragt, warum dann diese Kriterien vor dem Abbruch nicht überprüft werden, sondern nur auf den Kalender geschaut wird. Eine Antwort habe ich nicht erhalten.


    Ferner ist zu fragen, was geschieht, wenn diese Kriterien im Laufe eines Menschenlebens nicht mehr erfüllt werden, beispielsweise auf Grund von Krankheiten, Alterungserscheinungen oder Unfällen. Anhänger der genannten Definition müssten konsequenterweise den Betroffenen das Lebensrecht absprechen. Eine Antwort auf diese Frage habe ich nicht erhalten, wenn man von einem halbherzigen Ausweichen absieht.


    Hier wird postuliert, dass es eine Vielzahl von Schicksalen in Deutschland gibt, die so schrecklich sind, dass der Tod einem solchen Leben vorzuziehen ist. Es sei daher barmherzig, den von diesem schlimmen Schicksal Bedrohten zu töten.
    Ich habe gefragt, ob man diese Entscheidung stellvertretend für jemand anderen treffen darf, den man nicht dazu befragen kann. Eine Antwort habe ich nicht erhalten.
    Im gleichen Zusammenhang habe ich gefragt, warum man eben dieses Handlungsschema im Namen der Barmherzigkeit dann nicht auch auf bereits Geborene ausdehnen kann. Eine Antwort habe ich nicht erhalten.
    Letztlich wurde die Frage gestreift, wie moralisch mit der Bevölkerung von Ländern zu verfahren ist, in denen die Bewohner flächendeckend all jene Kriterien nicht erfüllen, die hier als Voraussetzung für das Recht auf Leben angeführt werden, wo Mütter grundsätzlich nicht studieren können (weil es kaum Schulen und keine Universitäten gibt), wo es immer wieder Hungerperioden kommt etc. Wäre es in diesem Verständnis der tätigen Barmherzigkeit angebracht, die Bevölkerung dieser Länder mit konzentrierten Militäraktionen von ihrem Leiden zu erlösen? Eine Antwort habe ich nicht erhalten.


    Ich habe gefragt, wie man die Parallelen zu anderen geistesgeschichtlichen Entwicklungen (hier mein Beispiel: Rassismus) übersehen kann, in denen ebenfalls Menschen zunächst kategorisiert werden, um dann einigen Kategorien die Menschenrechte ganz oder teilweise abzuerkennen. Eine Antwort habe ich nicht erhalten.


    Stattdessen wird seitenlang darüber gejammert, jemand habe abtreibende Frauen als Kindermord-Fans betitelt, was sich aber nicht aus der Lektüre der entsprechenden Beiträge ergibt. Auch nach eigentlich unnötiger Klarstellung gefällt man sich im Weiterjammern.


    Ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der sich der Diskussion entzieht.


    Andererseits bin ich der Überzeugung, dass das Thema als solches von allen Seiten notwendiger Weise dogmatisch geführt werden muss. Die Frage, wer oder was ein Mensch (mit entsprechenden Rechten) ist, ist eine zutiefst ideologische und im Kern nur willkürlich zu beantworten.
    In der Antike galten Frauen nicht als Menschen. Heute sehen wir das anders.
    In der Kolonialzeit galten manche Stämme von Farbigen nicht als Menschen. Auch das sehen wir heute anders.
    Insofern empfinde ich die Argumentation á la "Mein Bauch gehört mir" zwar als zutiefst abstoßend, aber im Gegensatz zur Fristenregelung mit Beratungsschein als in sich konsistent.

    Zitat

    Original von beowulf


    Unrealistisches Setting- kein Ehepartner haftet für die Schulden des anderen.


    Gähn. Ich glaube, der Punkt kommt rüber: Die Frau verarmt unverschuldet und steht allein mit dem Kind da. Such Dir irgendein Setting aus, das zu dieser Situation führt.
    Wenn die Ehe als Gütergemeinschaft mit gesamtschuldnerischer Haftung statt als Zugewinngemeinschaft geschlossen wurde, halte ich allerdings auch mein Szenario für realistisch - aber das ist nicht der Punkt.

    Zitat

    Original von woelfchen
    Du redest als Mann sehr theoretisch darüber :-( .


    Ich rede als Mensch sehr praktisch darüber.


    Vielleicht habe ich auch mehr Vorstellungsvermögen oder weniger Denkbarrieren als andere.


    Stellen wir uns einmal Folgendes vor:
    Ausgangssituation ist die absolute Musterehe, alles perfekt, die Frau wird schwanger, das Kind ist gewollt, Geburt läuft gut, Kind gesund, Familie happy.
    Zeitsprung, zwei Jahre später.
    Der Mann wird von einem Auto überfahren, es stellt sich raus, dass er Schulden hatte, für die die Frau haften muss, Geld weg, Wohnung weg.
    Die Frau steht allein da, ist mit dem Kind überfordert, kann Beruf/ Studium und Kindererziehung nicht mehr unter einen Hut bringen.
    Schlimme Sache, keine Frage.
    Jetzt sagt die Frau: "Es tut mir wirklich leid, aber ich habe mich entschieden, mein Kind mit einer Sense in kleine Stücke schneiden zu lassen. Das scheint mir die beste Lösung zu sein."


    Ich halte es für haarsträubend, der Frau das "Recht" zuzusprechen, eine solch monströse Tat durchzuführen.
    Eine Abtreibung ist das Gleiche, nur knapp drei Jahre früher.

    Leider daneben, Tom. Wir waren nie besonders gut in Hexenverbrennung. Entgegen landläufiger Meinung war Hexerei in den meisten Ländern ein Verbrechen, das von der weltlichen Justiz verfolgt wurde. Hexerei wird zwar als Sünde eingestuft, aber ähnlich wie Mord war sie weder eine Sache für die mittelalterliche noch für die spanische Inquisition - da ging es um Ketzer und Häretiker. Bevor ich zu weit abschweife, verlinke ich lieber einen interessanten Roman nach einer historischen Vorlage - ein Fall aus einer protestantischen Stadt übrigens (Osnabrück).


    Zum Thema "Abtreibung" gibt es hier eine Studie mit ganz interessanten Zahlen zur Situation in Europa.
    Jede Stunde 138 Schwangerschaftsabbrüche in der EU.
    Wenn man ganz Europa nimmt (auch Nicht-EU), kommt man auf 2,9 Millionen Abtreibungen pro Jahr. Das ist so viel wie die Bevölkerung von Estland, Zypern, Luxemburg und Malta zusammen.
    Es gibt da noch mehr so interessante Zahlenspiele.

    Gibt es die andere Situation eigentlich gar nicht? Dass die Frau das Kind bekommen will, aber von Mann oder Vater zum Kindermord gedrängt wird? Und würde man solchen Frauen nicht damit helfen, wenn man den Kindermord nicht so einfach straffrei bekäme, indem man sich einen Beratungsschein holt? Wenn für jedermann klar wäre, was für ein brutales Verbrechen da begangen wird?


    Ich bezweifle stark, dass es immer die freie, mündige, wohlüberlegte und unbeeinflusste Entscheidung der Frau ist, wenn es zu einer Abtreibung kommt.