Beiträge von Rosebud

    Mord auf Doggerland


    Doggerland. Fehltritt, Krimi von Maria Adolfsson, 512 Seiten erschienen im List – Verlag
    An der unheimlichen Küste Doggerlands wartet der Tod. Auftaktband der Doggerland-Trilogie.
    Schlimmer hätte für die Kommissarin Karen Eiken Hornby der Tag nach dem großen Austernfest nicht beginnen können. Total verkatert wacht sie neben ihrem arroganten Chef in einem Hotelbett auf. Schnell verschwindet sie von dort. Zuhause kann sie sich von diesem peinlichen Fehltritt jedoch nicht erholen, denn kurz darauf wird eine Frau in ihrem eigenen Haus brutal ermordet aufgefunden. Bei dem Opfer handelt es sich zu allem Unglück auch noch um die Ex-Frau von Jounas Smeed, dem Mann mit dem Karen die vergangene Nacht verbracht hat. Smeed kann in diesem Fall nicht ermitteln, denn er gilt als verdächtig. Deshalb soll Hornby diesen Fall übernehmen. Zuerst einmal muss sie ein anderes Alibi für ihren verhassten Chef finden. Die Ermittlungen führen in die 70er Jahre und auf ein erschütterndes Geheimnis in der Vergangenheit zurück.
    Das Buch ist in 91 überschaubare Kapitel aufgeteilt, die sich in zwei Stränge teilen. Der Hauptstrang schildert die Geschehnisse und auch die Ermittlungen in der Gegenwart. Dazwischen, in einigen Kapiteln, erfährt der Leser was auf dem Lothorpshof vor 40 Jahren vorgefallen ist. Es ist mir sehr leicht gefallen, dieses Buch flüssig zu lesen, denn die Autorin bedient sich eines flüssigen und sehr bildhaften Schreibstils und lebhaften Dialogen. Die Geschichte erscheint in der auktorialen Erzählweise, der Leser kann zu jeder Zeit leicht den Überblick behalten. Alle Figuren handeln authentisch und die Auflösung des Falls ist nachvollziehbar. Anfangs dachte ich: „Warum ist es notwendig, für einen Kriminalroman ein eigenes Land, mit eigener Währung, Sprache, Städte usw. zu erfinden? Dann habe ich entdeckt, dass es die Insel zwischen Großbritannien und Dänemark wirklich gegeben hat und sie vor ca. 8000 Jahren im Meer versunken ist. Dieses Detail ist interessant, aber für den Plot nicht unbedingt notwendig. Die Spannung beginnt mäßig und zieht sich am Anfang zäh, durch die ergebnislosen Ermittlungen. Auf den letzten 200 Seiten steigt die Spannung jedoch stetig an. Ungeahnte Wendungen konnten mich letztendlich überraschen und die Seiten flogen nur so dahin. Bis kurz vor dem Ende hatte ich zwar eine Ahnung, jedoch die finale Auflösung hat mich sehr überrascht. Die agierenden Figuren waren nicht unbedingt sympathisch, außer dem Kommissar Karl Bjorken, versuchten die Kollegen, der Protagonistin ständig das Leben und die Aufklärung des Falles schwer zu machen. Allen voran Jounas Smeed, der mit dem Silberöffel im Mund geboren wurde, durch einen miesen Ehevertrag und den Intrigen seines Vaters wurde seine Exfrau um ihr Erbe gebracht. Für die Bemühungen Karens, ein Alibi für ihn zu finden, hätte ich schon etwas Dankbarkeit erwartet. Die Protagonistin Hornby, hat nichts zu verlieren, weil sie schon alles verloren hat, auch sie ist keine Sympathieträgerin zu viel Alkohol und Zigaretten, zu wenig Durchsetzungsvermögen. Meine Lieblingsfigur war der Obdachlose Leo Friis, gewitzt und klug konnte er mir imponieren. Ich hoffe, dass er in weiteren Bänden noch mit von der Partie sein wird. Der Grundstein für den zweiten Band wurde m. M. mit den ungeklärten Vergewaltigungsfällen bereits gelegt. Vorliegender Auftaktband hat mich neugierig gemacht, sodass ich beim nächsten Doggerland-Fall gerne wieder mit ermitteln möchte.
    Eine Leseempfehlung für Skandinavienkrimi-Fans

    Sie hatten das Gleiche Geheimnis



    Muttertag, Kriminalroman von Nele Neuhaus, 560 Seiten, erschienen im Ullstein-Verlag.
    Die Kriminalhauptkommissarin Pia Sander und ihr Chef Oliver von Bodenstein ermitteln wieder gemeinsam, in ihrem bisher 9. Fall.
    Der ehemalige Industrielle Theodor Reifenrath wird von der Zeitungsfrau, tot in seinem Haus aufgefunden. Doch nicht genug, im Hundezwinger auf dem dazugehörigen Grundstück verstreut finden die Ermittler, menschliche Knochen und die Spurensicherung entdeckt immer mehr Tote. War er ein Serienmörder? Auch seine Frau Rita ist vor zwanzig Jahren auf mysteriöse Weise verschwunden. Schnell können einige der Frauenleichen identifiziert werden. Alle sind in den vergangenen Jahren um den Muttertag herum verschwunden und ermordet worden. Pia ist überzeugt, dass der Täter noch auf freiem Fuß ist.
    Die Handlung umfasst einen Zeitraum von 13 Tagen, jedes Kapitel erzählt die Geschehnisse von einem Tag, durch Wochentag und Datum markiert. Dadurch konnte die zeitliche Abfolge verdeutlicht werden. Neuhaus erzählt diese Geschichte in mehreren Erzählsträngen die sie am Ende geschickt zu einer spannenden Story verknüpft. Der Strang aus der Sicht des Täters, in kursiver Schrift empfand ich gruselig, dadurch kommt der Leser den Empfindungen und Gedanken des Mörders sehr nahe. Es ist nicht einfach, besonders zu Anfang, den Überblick zu bewahren. Zu viele Namen und Charaktere, die auf der ersten Seite in einem Personenregister zusammengefasst sind, erforderten eine gründliche und konzentrierte Lektüre. Wie auch schon Pia auf Seite 339 ganz richtig bemerkt: „Würde ich einen Krimi über unseren aktuellen Fall schreiben, müsste ich wohl mindestens vier Opfer und drei Tatverdächtige raus streichen, damit die Leser nicht den Überblick verlieren. Trotzdem hat mich der Krimi sehr gut unterhalten. Dieser vorliegende Teil hat mir besser gefallen als der Vorgängerband. Da am Schluss und nach einem furiosen, höchst spannenden Showdown, der Fall vollständig aufgeklärt wurde und keine Fragen offen blieben. Die handelnden Personen agierten nachvollziehbar und waren sympathisch, sogar die Kriminaldirektorin Dr. Nicola Engel zeigte menschliche Züge sie hat mich in dieser Geschichte überrascht und sich charakterlich am meisten weiterentwickelt. Einzig die Schwester der Protagonistin, Kim /Kata /Katharina Freitag, finde ich egoistisch, unehrlich und oberflächlich. Da bin ich gespannt ob sie in weiteren Folgen diese Richtung beibehält. Die Protagonistin Pia Sander und ihr Chef Oliver von Bodenstein, der nach seinem Sabbatjahr wieder voll dabei ist, sind für mich die Sympathieträger der Serie. Auch ein Wiedersehen mit den anderen Ermittlern beim K11 in Hofheim hat mich gefreut, deswegen lese ich diese Reihe sehr gerne, weil mir viele Personen schon vertraut sind, dadurch war ich sofort wieder „in der Geschichte drin“. Gerne habe ich mir mit dem K11-Team den Kopf über die wahre Täterschaft zerbrochen. Die letzten beiden Kapitel/Tage habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Da konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung. Die Ausführungen der Autorin über Fallanalyse und Profiling über die Vorgänge in der Gerichtsmedizin, die Unterwelt des Frankfurter Flughafens und die Kommunikation der Piloten beim Landeanflug eines Flugzeugs zeugen von der umfangreichen Recherchearbeit der Autorin.
    Ich empfehle „Muttertag“ allen Lesern die gerne gut recherchierte, spannende Krimis mögen. Die Fans von Nele Neuhaus und ihrer Sander/von Bodenstein – Reihe werden begeistert sein. Auch ich und deshalb volle Punktzahl

    Tage der Be-Haaglichkeit

    Sieben Tage wir, Familienroman von Francesca Hornak, 464 Seiten, erschienen im Ullstein-Verlag.
    Eine Woche mit der Familie, auf engstem Raum und in Quarantäne und jedes Mitglied hat sein eigenes Geheimnis. Mehr als ein Weihnachts-Roman.
    Familie Birch verbringt ihr traditionelles Weihnachtsfest in ihrem alten Landhaus Weyfield in Norfolk, aber einiges ist anders als sonst. Olivia die älteste Tochter ist Ärztin und von einem Einsatz aus Liberia zurückgekehrt. Da sie dort mit dem lebensgefährlichen Haag-Virus in Kontakt kam und sieben Tage Quarantäne einhalten muss, bleibt den anderen Familienmitgliedern nichts anders übrig als diese Woche mit ihr durchzuhalten. Andrew der Vater ist unzufrieden mit seinem Job als Restaurantkritiker. Ein Sohn, der aus einer Beziehung vor seiner Ehe entstammt, kontaktiert ihn, Phoebe die jüngere Tochter hat sich gerade verlobt, ist aber nicht ganz glücklich in der Beziehung und Emma die Mutter verschweigt dem Rest der Familie ihre Krebserkrankung. Als George, der Verlobte Phoebes und Jesse, Andrews unehelicher Sohn dazukommt spitzt sich das Geschehen dramatisch zu.
    Das Buch ist in 15 Kapitel eingeteilt, jedes Kapitel teilt sich in einzelne Abschnitte, die mit Namen, Ort und Uhrzeit versehen sind. Dadurch wird der chronologische Überblick gewährleistet. Jeder Abschnitt ist in auktorialem Erzählform aus der Sicht der verschiedenen handelnden Charaktere verfasst, dieses Stilmittel hat die Autorin gut gewählt, denn der Leser kann sich bestens in die Sichtweise der jeweiligen Figur hineindenken. Eigennamen und Phrasen erscheinen kursiv, Emails sind in einer anderen Schrift gedruckt und werden somit deutlich hervorgehoben.
    Dieses Buch ist weit mehr als nur ein Familien-Weihnachts-Roman und von diesen üblichen Friede- Freude-Eierkuchen-Erzählungen weit entfernt. Ich habe mit den Charakteren mitgelitten und gelacht und sie sind mir alle sehr schnell ans Herz gewachsen. Auch das Ende war für mich zum Einen glücklich, aber auch tragisch. Die Geschichte ist in einem überaus flüssigen Schreibstil verfasst. Einmal angefangen habe ich das Buch mit kurzen Unterbrechungen in einem Tag weggelesen. Jede Person ist hervorragend charakterisiert, alle haben ihre Ecken und Kanten, einzig Andrew ist mir ein wenig fremd geblieben. Hornak schaffte es, für jede Figur Mitgefühl zu erzeugen, sobald die Handlung aus der Sicht der jeweiligen Person erzählt wird. Z.B Phoebe, die ich anfangs für verwöhnt und oberflächlich gehalten habe, hat sich am Schluss als liebenswerter Mensch erwiesen. Auch Olivia hat mich zuerst mit ihrer überheblichen Art irritiert, durch die Eindrücke von ihrem Liberia-Einsatz scheint es, dass sie den anderen die unbeschwerte, traditionelle, mit Geschenken überladene Weihnachtzeit nicht gönnen kann. Dabei macht sie sich große Sorgen um einen geliebten Menschen. Sehr sympathisch erscheint auch Emma, trotz ihrer schlimmen Diagnose versucht sie, der Familie ein schönes Weihnachtsfest auszurichten. Am Ende konnte ich ein paar Tränen nicht mehr zurückhalten. Durch die bildhafte Schreibweise der Autorin fiel es leicht, mir Setting und Personen vorzustellen. Die Geschichte ist logisch aufgebaut und die handelnden Charaktere agieren nachvollziehbar.
    Ein emotionaler Roman, der nicht nur in der Weihnachtszeit gut unterhält. Meine uneingeschränkte Leseempfehlung für Leser, die Bücher abseits von den üblichen besinnlichen Weihnachtbüchern suchen, oder emotionale Familiengeschichten mögen. Dazu von mir 9 Eulenpunkte

    Meine Tage mit den Mächtigen

    Guten Morgen, Genosse Elefant, Roman von Christopher Wilson, 272 Seiten, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.
    Die Erlebnisse des russischen Jungen Juri Zipit, als Vorkoster Stalins.
    Der 12jährige Juri lebt mit seinem Vater Doktor Roman Alexandrowitsch Zipit in einer Dienstwohnung im Zoo, sein Vater ist Professor für Veterinärmedizin, sein Fachgebiet Neurologie der Großhirnrinde. Eines Nachts werden die beiden abgeholt und in die Datscha des „Vater des Vaterlands“, Josef Stalins gebracht. Der Stählerne hatte einen leichten Schlaganfall, da Juris Vater nicht viel ausrichten kann, werden die beiden getrennt und Juri bleibt als erster Vorkoster und Spion, in den Diensten „Onkel Josefs“. Seine Erlebnisse dieser Zeit sind in diesem Buch sehr berührend geschildert. Da Juri in der Vergangenheit vom Blitz getroffen, von einer Straßenbahn und einem Milchwagen überfahren wurde, hat er doch so einige Handicaps. Bei emotionalen Ereignissen reagiert er mit epileptischen Anfällen, außerdem kann er nicht immer kontrollieren was er so alles „ausplappert“. Er wird dort Zeuge wichtiger Entscheidungen und epochaler Vorkommnisse und dieses Wissen wird für ihn schließlich sehr gefährlich.
    Das Buch ist in überschaubare Kapitel aufgeteilt die mit einem Titel versehen sind. Darunter steht der Ort und das Datum, was sehr hilfreich ist sich in der Zeit zurechtzufinden. Medizinische Fachausdrücke erscheinen kursiv und die Verhaltensmaßregeln die ihm sein Vater ans Herz legte, wie auch ein paar Witze sind fett gedruckt und werden dadurch deutlich hervorgehoben. Wilson hat als Stilmittel die Ich-Form aus der Sicht Juris gewählt. So kann sich der Leser zu jederzeit ganz nah am Geschehen fühlen.
    Juri Zipit ist ein, wenn auch etwas naiver, aber doch sehr kluger Junge. Ein liebenswerter Protagonist sein Schicksal hat mich an einigen Stellen zu Tränen gerührt. Trotzdem gab es auch immer wieder Szenen, z.B. mit dem Stählernen, die mich zum Lachen brachten. Stalin ist als grausamer, vulgärer Despot beschrieben, der flucht wie ein Droschkenkutscher. Doch kann er sich nicht der Faszination des Jungen entziehen, die Menschen dazu bringt, ihm seine Geheimnisse anzuvertrauen. Völlig unsympathisch war der sadistische Leiter des Geheimdienstes Marschall Bruchah, der am Ende für seine Untaten büßen muss. Insgesamt hat mich das Buch hervorragend unterhalten und ich konnte es auch schnell durchlesen. Gefallen hat mir, dass trotz traurigen Elementen auch immer wieder Juri durch sein sonniges zuversichtliches Wesen Hoffnung in die Erzählung gebracht hat. Die Charaktere handelten nachvollziehbar und ich konnte dem Plot gut folgen. Am Ende wurde ich noch von einer unvorhersehbaren Wende überrascht.
    Wieweit sich die Erzählung mit den tatsächlichen Geschehnissen um die letzten Tage des Generalsekretärs der KPdSU deckt, bleibt der Fantasie des Lesers selbst überlassen. Die handelnden Charaktere können, soweit es die Sowjetfunktionäre betrifft, durchaus historischen Personen zugeordnet werden, denn die Namen wurden kaum verändert. Meine Empfehlung für Leser, die sich für das Leben des Diktators interessieren oder einfach nur formidabel unterhalten werden wollen. Ich vergebe 10 Eulenpunkte

    Susquehanna Santa

    Die wundersame Mission des Harry Crane, Roman von Jon Cohen, 536 Seiten, erschienen Im Insel Verlag.
    Seit Harry auf Bäume klettern kann, weiß er, wie man gut durchs Leben kommt. Man muss sich nur gut festhalten. Ein kleines Mädchen zeigt ihm wie man loslässt.
    Für Harry Crane gibt es zwei wichtige Dinge in seinem Leben, seine Frau Beth und Bäume. Als Beth überraschend stirbt, gibt er sich die Schuld an ihrem Tod, er beschließt in den Wäldern Pennsylvanias seinem Leben ein Ende zu setzen. Daran hindert ihm ein kleines Mädchen und ihre Mutter beide haben den Ehemann bzw. den Vater verloren. Oriana ist davon überzeugt, dass er nicht tot sondern nur verwandelt ist. Harry soll diesen Zauber brechen.
    Am Anfang des Buches gibt es zwei Erzählstränge, die sich schon bald zu einer Geschichte vereinen. Als Stilmittel hat Jon Cohen die auktoriale Erzählform gewählt. Dadurch entsteht ein umfassender Überblick über die Handlungen der einzelnen Charaktere. Lustige aber auch ernste Dialoge beleben die Erzählung, dies ist dem Autor auch durch seinen flüssigen und vor allem bildhaften Erzählstil gut gelungen. Solche Sätze z.B. Ihre Frisur, eine pikante Mischung aus Schaf und Stachelschwein, war das blanke Grauen. So hatte ich Setting und Personen stets vor Augen. Sehr gut gelungen fand ich die Platzierung des „Buches im Buch“. Die lustige Illustration und der in Schreibschrift geschriebene Text macht „Das Buch des alten Grum“ zu einem Eyecatcher im Text. 37 Kapitel in genau passender Länge und mit Kapitelzahlen überschrieben, helfen das Buch flüssig zu lesen. Erzählungen und Vorgelesenes erscheinen kursiv.
    Der Beginn des Buches hat mich sofort begeistert, die Trauer des Protagonisten und des Mädchens und ihrer Mutter haben mich sehr berührt. Es zeigt wie die Figuren auf verschiedenste Weise mit ihrer Trauer umgehen. Verdrängung, Flucht in die Märchenwelt und Schuldgefühle. Doch im weiteren Verlauf hatte das Buch doch unnötige Längen, die weniger unterhaltsam waren. Es wäre für eine gute Geschichte m.E. nicht notwendig gewesen, die Besteigung jedes einzelnen Baumes zu erläutern, die Baumthematik fand ich sowieso viel zu ausführlich und für den Plot nicht notwendig. Auch konnte ich das Verhalten, von Harry und Oriana nicht unbedingt nachvollziehen. Das Mädchen fand ich altklug und dickköpfig, und dass sich der Protagonist dem Diktat des Kindes so unterworfen hat, fand ich nicht realistisch. Bestechend in diesem Werk sind die Nebencharaktere. Zuallererst der heimliche „Held“ der Geschichte. Ronnie, der sich die Schuld an Deans Tod gibt, ein Tolpatsch und Trinker und doch eine Superfigur. Und auch die resolute Stadtbibliothekarin Miss Perkins, ein liebenswertes Faktotum in der Bücherei, eine Frau die nach jeder Enttäuschung aufsteht und weitermacht. Die Bösewichte Stu und Wolf waren gut gezeichnet. Alles in allem ist es m. M. nach ein Märchen für Erwachsene, dazu passt der böse Bruder von Harry „der böse Wolf“, der rote Mantel von Beth, oder der Sack mit Goldmünzen. Obwohl die Geschichte traurig beginnt mangelte es nicht an Situationskomik, als der Hund die Asche der Verblichenen wie Konfetti verteilte, musste ich unfreiwillig lachen. Ein Lieblingszitat habe ich auf Seite 118 entdeckt: "Die passende Lektüre hat noch jeden Schmerz gelindert". Das kann ich nur bestätigen.
    Dieses Buch eignet sich für Leser, die sich gerne märchenhaft verzaubern lassen wollen. Eine Leseempfehlung auch für Fans von „Happy Ends“.

    Die geheime Zutat



    Scarlett - Ein Löffelchen Geheimnis und der Duft von Magie, Kinderbuch von Laurel Remington, empfohlenes Lesealter 10 – 14 Jahre, 256 Seiten, erschienen im Carlsen Verlag.
    Scarlett findet neue Freunde im geheimen Kochclub.
    Die 13 jährige Scarlett hat es nicht leicht, ihre Mutter verheizt ihr gesamtes Teenager-Privatleben in einem Mummy-Blog. Das schlimmste was einem Teenager passieren kann. Doch eines Tages findet sie bei ihrer Nachbarin ein unheimliches Kochbuch. Sie findet in der betagten Rosemary Simpson eine Freundin und Mentorin, ihr Leben verbessert sich dadurch zusehends, ob das an der geheimen Zutat liegen könnte.
    Das Buch besteht aus 40 Kapiteln und einem Epilog, jedes Kapitel ist mit einer auf den Inhalt hinweisenden Überschrift versehen, die in Schreibschrift eingefügt ist. Außerdem erscheinen Briefe in Schreibschrift, eine einfachere Schrift hätte jedoch die Lektüre für die Altersgruppe leichter lesbar gemacht. Blogeintrage wurden durch eine andere Schrift kenntlich gemacht. Jeder Kapitelbeginn ist mit hübschen Zeichnungen verziert, Herzchen, Muffins, Törtchen usw. was für eine nette Idee. Lebhafte, humorvolle Dialoge machten die Lektüre unterhaltsam, die Protagonistin erzählt im Ich-Stil aus ihrer Sicht. Da meine 12jährige Nichte dieses Buch auch gelesen hat, kann ich aus erster Hand bestätigen, dass das empfohlene Lesealter hervorragend passt.
    Die Protagonistin und alle handelnden Charaktere waren sehr sympathisch, am Ende sogar der anfangs unbeliebte Abgeordnete Emory Kruffs. Die nervige Blogger-Mutter habe ich richtig liebgewonnen, eine absolute Lieblingsfigur die nette und hilfreiche alte Dame, Mr. Simpson die sich als wunderbare Mentorin entwickelt. Tolle interessante Charaktere waren die Mitglieder des geheimen Koch-Clubs allen voran natürlich die Protagonistin Scarlett. Ich fand es gut, dass im vorliegenden Buch auch ernstere Themen angesprochen werden Alter, Krankheit, Trauer und familiäre Probleme, die wurden sehr einfühlsam passend zur Zielgruppe aufgearbeitet das hat die Autorin hervorragend gemeistert. Viele Hindernisse und Aufregungen machen die Lektüre spannend und das traurige Ende, welches meine Nichte nicht so gut fand, war dennoch auch versöhnlich. Als besonderes Highlight ist auch noch das Rezept für die Zimt-Teilchen eingefügt. Da hätte ich mir noch mehr gewünscht. Während der gesamten Lektüre ist mir das Wasser im Munde zusammengelaufen und ich bekam richtig Lust darauf etwas zu backen. Eine deutliche Leseempfehlung.


    Victoria, die Rose Englands, die Großmutter Europas


    Queen Victoria, Biografie von Julia Baird, 608 Seiten, erschienen im Konrad Theiss Verlag.
    Welche Frau steckt hinter dem Mythos dieser großen, entschlossenen Herrscherin, nach der eine ganze Epoche benannt wurde?
    Das Werk ist chronologisch aufgebaut und in 5 Teile gegliedert, die in 30 Kapitel unterteilt sind. Vor jedem Kapitel sind Zitate verschiedener Zeitzeugen aufgeführt, die sich auf das jeweilige Kapitel beziehen. Die einzelnen Teile sowie auch die Kapitel erscheinen unter einem sich auf den Inhalt zusammenfassenden Titel. Sehr viele Bilder, Fotografien und Landkarten sind eingefügt, so kann sich der Leser zu jeder Zeit das Geschriebene bildhaft vorstellen, es hat mir gut gefallen, z.B. die beschriebenen Personen an den passenden Stellen vor Augen zu haben. Der Stammbaum ganz zu Anfang hat mir sehr dabei geholfen, mich in den verzweigten Familienzusammenhängen zurechtzufinden, ihn habe ich des Öfteren zu Rate gezogen. Zwischen den Texten befinden sich Tagebucheinträge, Briefe und Zeitzeugenberichte, die nützlich waren die Gedanken und Taten der agierenden Personen besser zu verstehen. Welche Recherchearbeit die Autorin geleistet hat, erkennt man an den Quellenangaben und Anmerkungen am Ende die über 100 Seiten umfassen.
    Alexandrina Victoria wurde am 24. Mai 1819 an 5. Stelle der Thronfolge geboren. Nur ihr Vater Edward, der Herzog von Kent war sich sicher, dass seine Tochter einmal den Thron besteigen wird. Sie war ein unbeherrschtes und trotziges Kind und hatte unter der Bevormundung ihrer Mutter und derem Vertrauten, John Conroy sehr gelitten. Am 20. Juni 1837 starb ihr Onkel William IV. und Victoria war mit gerade 18 Jahren die Herrscherin über das britische Weltreich. Im Alter von 20 Jahren heiratete sie Prinz Albert von Sachsen Coburg und Gotha, den sie sehr geliebt hat. Sie bekam 9 Kinder und 42 Enkel, ihre Nachkommen bevölkerten die europäischen Königshäuser. Ihr Gemahl starb nach 20 Jahren glücklicher Ehe und Victoria trauerte über vier Jahrzehnte um ihn. Sie litt zeitlebens sehr stark unter Verlustängsten und überlebte 3 ihrer Kinder und einige Enkel. Albert hatte ihr viel von den Regierungsgeschäften abgenommen, er war in dieser Zeit der heimliche König. Doch nach jahrelanger Trauer wurde sich Victoria ihrer Stärke bewusst und die vermeintliche schwache Frau bewies der Welt was für eine zähe und streitbare Herrscherin sie ist. Sie verstand es politisch klug, energisch und diplomatisch zu taktieren, regelmäßig ging sie an die Grenzen ihrer Befugnisse und nicht selten darüber hinaus. Sie herrschte über ein Viertel des bewohnten Gebiets der Erde und über 400 Mio. Menschen. Unter ihrer Regierungszeit hat sich die Welt verändert. Elektrizität, Telefon, Dampfschiffe, im Rechtwesen, Frauenrechte und in der Medizin wurden Fortschritte gemacht. Sie hat für ihr Land wichtige Gesetze und soziale Verbesserung durchgesetzt und etliche Kriege gewonnen. Viele berühmte Männer und Frauen waren Zeitzeugen. Darunter Florence Nightingale, Dickens, Oscar Wilde, Mark Twain, Conan Doyle usw. Die historischen Persönlichkeiten sind hervorragend charakterisiert. Ihre Regentschaft dauerte 63 Jahre. Am 22. Januar 1901 erschütterte ihr Tod die Welt.
    Diese Biografie über die große, kleine Königin (sie war nur 1,50m groß) hat mir sehr gut gefallen. Ich fühlte mich hervorragend unterhalten, konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe viele neue Einsichten erhalten. Dass Victoria, Albert sehr geliebt hat, war mir bekannt, aber wie stark diese Liebe war, habe ich durch dieses Buch erfahren. Bis an ihr Lebensende trug Victoria Trauerkleider. Auch die Kapitel über das Ehe- und Familienleben waren äußerst informativ, wusste ich doch nicht, wie fest Albert die Zügel der Regierung in seinen Händen hielt. Viel habe ich, nicht nur über die europäischen Herrscherhäuser dieser Zeit, sondern auch über die damaligen Lebensumstände erfahren. Interessant fand ich den Bericht über die Weltausstellung 1851.
    Wer sich ein Bild über Victoria, ihre Politik und das viktorianische Zeitalter machen will, dem kann ich dieses unterhaltsame Werk nur empfehlen. Gute umfassende Biografie, gute Unterhaltung.

    Ein Stück Zeitgeschichte


    Deutsches Haus, Roman von Annette Hess, 368 Seiten, erschienen im Ullstein-Verlag.
    Die junge Dolmetscherin Eva erlebt beim ersten Auschwitz-Prozess 1963 in Frankfurt, wie die Gräuel der Nazi-Zeit ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden.
    Eva Bruhns wird als Dolmetscherin zu einem Auftrag in das Büro des Generalstaatsanwalts gerufen. Eigentlich übersetzt Eva üblicherweise Wirtschaftstexte aus dem Polnischen. Obwohl sie am Anfang Schwierigkeiten hat, wird sie als Dolmetscherin zum ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt hinzugezogen. Trotzdem ihr Verlobter und ihre Eltern dagegen sind nimmt Eva diese Herausforderung an. Durch das im Prozess erlangte Wissen, verändert sich Evas Bewusstsein und sie bekommt eine Ahnung vom Umfang der Verbrechen. Und sie erkennt, dass ihre Eltern etwas verbergen.
    Das Buch gliedert sich in 4 Teile, zwar ohne Kapiteleinteilung aber dennoch in überschaubare Leseabschnitte aufgeteilt. Schlagfertige Dialoge und ein Gebet in hebräischer Schrift lockern die Lektüre auf, machten das Gelesene lebendig. Die Zeugenaussagen im Buch sind aus den Protokollen der Ausschwitz-Prozesse übernommen worden. Die Geschichte flüssig zu erzählen ist der Autorin sehr gut gelungen, da sie als Stilmittel die auktoriale Erzählweise wählt, dadurch kann sich der Leser stets der Sichtweise der einzelnen Charaktere bewusst werden, sie hat es ausgezeichnet geschafft in ihrem Buch Fakten und Fiktion zu verweben. Die Handlung ist flüssig und logisch aufgebaut. Eines kommt zum anderen, nichts wirkt gesucht oder konstruiert, die Botschaft ist tiefgründig und berührt die Seele. Dieses emotionale Buch hatte ich schnell gelesen und ich fühlte mich niveauvoll unterhalten, gut gemacht. Da es sich hier nicht unbedingt um leichte Kost handelt, musste ich das Buch einige Male erschüttert aus der Hand legen. Annette Hess ist bekannt als Drehbuchautorin durch ihre Erfolgsserien Weißensee und Ku‘damm 56 und 59. Auch als Romanautorin konnte sie mich mit vorliegendem Werk überzeugen.
    Meine Lieblingsfigur natürlich die Protagonistin Eva, sie machte in dieser Geschichte die größte Charakterveränderung durch. Ihre Entwicklung vom ahnungslosen Mädchen zur selbstbestimmten Frau, hat mir gut gefallen. Wie sie sich von der Bevormundung ihrer Eltern und ihrem Verlobten gelöst hat und ihren eigenen Weg ging, fordert mir unbedingten Respekt ab. Eine unangenehme Person fand ich ihre Schwester Annegret, die vermutlich unter dem erweiterten Münchhausen-Syndrom leidet, dass für sie in der Geschichte ein versöhnliches Ende herausspringt hat sie überhaupt nicht verdient. Ihr Verhalten zeigt m.E., dass die Erlebnisse in der Kindheit, die sie als die Ältere wohl bewusster wahrgenommen hat, sicher nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sind. Die Eltern, renommierte Wirtsleute, die das „Deutsche Haus“ führen, handeln aus meiner Sicht, vermutlich aus Verdrängung oder Scham. Z.B. auf S. 39 sagt die Mutter: „ Das ist alles schlimm, was da war. Im Krieg. Aber man möchte das doch gar nicht mehr wissen. Dabei spiegelt sich auch der „Zeitgeist“, denn ein Zeitungsartikel aus dieser Zeit lautete: 70 Prozent der Deutschen wollen den Prozess nicht! (S.65). Die furchtbare Kriegszeit und die schlechte Zeit danach ist vorbei, das Wirtschaftswunder ist in vollem Gange. Mir hat auch sehr gut gefallen, wie die Autorin das Familienleben in den frühen 60igerJahren eingefangen hat. Gänsebraten, Frankfurter Kranz und Radioprogramm am Sonntagnachmittag 1963, der junge Mann, der seinen Antrittsbesuch bei den zukünftigen Schwiegereltern absolviert, die deutsche Gemütlichkeit dieser Zeit. Leider aber auch die Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern damals. Sogar ein Verlobter konnte seiner Braut verbieten zu arbeiten, das kann man sich heutzutage kaum mehr vorstellen. Jürgen Schoormann, Evas Zukünftiger, Sohn eines Unternehmers, war für mich auch nicht unbedingt ganz normal. Er wollte eine Frau die wie ein Hündchen gehorcht. Da kann ich gut nachvollziehen, dass Eva ihn zwar liebt, ihn aber nicht versteht. Mich hätte auch noch interessiert was aus David Miller geworden ist.
    Ich kann Iris Berben nur zustimmen: „Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit.“
    Ich finde es ist wichtig, dass dieses Buch viele Leser findet und möchte eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.

    Abgrund verfehlt

    Der Abgrund in dir, Thriller von Dennis Lehane, 528 Seiten, erschienen im Diogenes-Verlag.
    Bei einem Einsatz in Haiti, bekommt die Fernsehjournalistin Rachel Child vor laufender Kamera einen Nervenzusammenbruch, was ihr weiteres Leben entscheidend verändert.
    Rachel ist eine sehr erfolgreiche Fernsehjournalistin, die hin und wieder von Panikattacken ereilt wird. Bei einem wichtigen Einsatz in Haiti erleidet sie einen Nervenzusammenbruch. Ihre Karriere, ihre Ehe, ihr bisheriges Leben – alles zerstört, sie kann kaum noch ihre Wohnung verlassen. Doch dann begegnet sie Brian Delacroix, der sie mit Liebe und Geduld aus ihrer Einsamkeit herausholt. Für Rachel beginnt ein neues Leben, doch während sie ihn auf einer Geschäftsreise wähnt, sieht sie ihn zufällig in der Stadt. Die Journalistin macht sich auf die Jagd nach der Wahrheit.
    Ganz am Anfang ist eine Strophe des Liedes „Since I fell for you“ von Buddy Johnson und ein Zitat von Descartes passend zur Story eingefügt. Das Vorwort beschreibt eine Szene aus der Mitte des Buches. Bestehend aus drei Teilen, die sich in 35 lange Kapitel gliedern, jedes davon mit einer, dem Inhalt zusammenfassenden, Überschrift versehen. Lehane wählte den auktorialen Schreibstil und verwendet lange schwierige Sätze, die das Geschehen jedoch äußerst bildhaft schildern.
    Leider sind das Buch und ich keine Freunde geworden. Zuerst hatte ich schon Schwierigkeiten überhaupt in die Erzählung hineinzufinden. Lehane beginnt seine Story mit der Beziehung zwischen Rachel und ihrer Mutter, die der Tochter bis zu ihrem Tod nie den Namen ihres leiblichen Vaters genannt hat. Ein Drittel des Buches schildert Rachels Suche, sie findet ihren Ziehvater der sich sehr früh von ihrer Mutter getrennt hat, auch den Namen ihres leiblichen Vaters. Und dann – war‘s das.
    Ellenlange Monologe, große Worte zugegeben in hervorragendem Stil, insgesamt einfach zu weit ausgeholt um zum Punkt zu kommen. Ein Beispiel, Rachels Ziehvater JJ, seitenlange Erklärungen von seine Studien über die Form der amerikanischen Landschaft, oder sein Buch über Luminismus, all dies hatte mit der Handlung rein gar nichts zu tun. Etwas Spannung erlebte ich erst am Schluss und selbst das Ende fand ich zu abrupt, da hätte ich gerne noch ein wenig mehr erfahren. Für einen Thriller war mir das zu wenig. Die Handlung war für mich nicht immer nachvollziehbar. Z.B. schreibt der Autor Die Kugel traf sie im Rücken, zerschmetterte ihr Rückgrat…. Ein paar Zeilen weiter agiert die Protagonistin ganz normal weiter, kein Hinweis ob sie sich dieses Szenario im Schrecken nur vorgestellt hat. So als ob die Szene gar nicht vorhanden gewesen wäre. Die Charaktere handelten oft unlogisch und widersprüchlich. Von den Personen hat mir keine einzige gefallen, auch nicht die Protagonistin, Im ersten Teil habe ich noch mit ihr gefühlt, im Laufe der Geschichte wurde sie mir immer unsympathischer. Es gab genügend schöne Worte und Beschreibungen im Buch die sehr bildhaft beschreiben, die haben mir Freude gemacht, insgesamt ließ sich das Buch tatsächlich flüssig lesen.
    Ich finde es schade, dass Dennis Lehane aus seiner guten Idee nicht mehr machen konnte.

    In Schönheit sterben


    Blutrausch – er muss töten, Thriller von Chris Carter, 448 Seiten, erschienen im Ullstein Verlag.
    Der 9. Fall für Robert Hunter und seinen Partner Carlos Garcia von der Ultra- Violent-Einheit des LAPD. In diesem Fall ermitteln die beiden zusammen mit dem FBI.
    Linda Parker 24 Jahre und Model wurde auf grausamste Weise zugerichtet und von ihrer Mutter tot aufgefunden. Selbst der erfahrene Detectiv Hunter beim Morddezernat 1 des LAPD und sein Partner Garcia sind beim Anblick des Szenarios am Tatort erschüttert. Als sich herausstellt, dass es sich um eine Mordserie handeln könnte, schaltet sich das FBI in die Ermittlungen ein. Kann Hunter zusammen mit den Special-Agents Fisher und Williams, sein Versprechen halten, welches er der Mutter des Opfers gegeben hat, und den Mörder ihrer Tochter finden?
    Die Geschichte ist in 104 kurze und knackige Kapitel aufgeteilt. Es handelt sich um 2 auktoriale Erzählstränge einerseits aus der Perspektive der Ermittlungen zum anderen aus der Sicht des Täters. Wobei die Ermittlungskapitel überwiegen. Das Ende vieler Kapitel lässt Carter mit einem hammerharten Cliffhanger enden, welches es dem Leser fast unmöglich macht, dass Buch aus der Hand zu legen. Ich war vom Buch fasziniert und habe die letzten 100 Seiten in einem Stück lesen müssen. Der Schreibstil Carters ist sehr blutig, grausam und detailgenau. Genau das richtige für Leser die aufregende Thriller mögen. Durch kursive Schriftart wurden Phrasen, besondere Ausdrücke, Gedanken und z.B. SMS-Meldungen hervorgehoben und somit die Erzählung lebendig gestaltet. Eindringliche Dialoge und Wortgefechte belebten das Geschehen.
    Der absolute Star des Thrillers, natürlich der Titelheld Robert Hunter, hochdekoriert und ein Ass in seinem Metier, war mir sehr sympathisch, denn Carter lässt ihn durch seine Schlafstörungen, seine Besonderheit Zusammenhänge sehr schnell zu erfassen und seine Schwäche für die Dozentin Tracy Adams, äußerst menschlich erscheinen. Natürlich auch Robert Garcia, raffiniert und sehr professionell ist ein toller Charakter. Die beiden Special-Agents Erica Fisher und Larry Williams lieferten sich mit den Detectives natürlich die übliche und belebende Fehde zwischen Feds und Polizei, was die Story angenehm auflockerte. Langsam wird den Ermittlern klar, wie die lateinischen Botschaften des Mörders gedeutet werden können. Nach einigen Wendungen und dem finalen Plot-Twist, der mich sehr überraschte, konnte ich die letzten aufregenden Kapitel nur noch so schnell wie möglich lesen und am liebsten hätte ich an einer Stelle gerne einige Seiten weitergeblättert…… Jederzeit war die Story plausibel und die Charaktere handelten nachvollziehbar. Gestört hat mich hier wie aber auch in anderen Büchern des Genres, die obligatorischen Abkürzungen, UCLA, ViCAP, NCAVC, BAU u. v. m., sie werden zwar anfangs erklärt, aber die Übersetzung kann ich mir nie merken. Zurückblättern, wenn sie angewendet werden, habe ich mittlerweile aufgegeben.
    Der Thriller beginnt spannend und hält die Spannung bis zum furiosen Show-Down, wieder einmal ist Chris Carter ein meisterhafter Band aus der Hunter-Carcia-Reihe gelungen, leider habe ich noch nicht alle Bände aus der Serie lesen können was ich aber bald nachholen möchte. Es ist aber auch gut möglich vorliegenden Teil unabhängig und als Einzelband zu lesen. Das Ende macht auf alle Fälle Lust auf Teil 10.
    Meine unbedingte Empfehlung für Carter Fans und Liebhaber der Hunter-Garcia-Krimis. Tolle spannende Unterhaltung dafür volle Punktzahl.

    Geschichte in der Geschichte

    Königskinder, Roman von Alex Capus, 176 Seiten erschienen im Hanser – Verlag.

    Ein armer Kuhhirte und eine reiche Bauerntochter überwinden alle Grenzen und Hindernisse für ihren Traum von einem gemeinsamen Leben.


    Max und Tina ein langjähriges Ehepaar geraten auf einem Alpenpass in Schneeverwehungen und bleiben stecken, so müssen die beiden eingeschneit kurz unterhalb der Passhöhe die Nacht im Wagen verbringen. Damit die Zeit schneller vergeht beginnt Max eine Geschichte zu erzählen. Die genau dort in den Bergen beginnt und schon Jahrhunderte zurückliegt. Die Geschichte vom Hirten Jakob und seiner geliebten Marie, die Tochter eines reichen Bauern vom Greyerzer Land. Zuerst beginnt Jakob seinen Kriegsdienst und gerät an den Hof Ludwig des XVI. Gibt es eine gemeinsame Zukunft für das Liebespaar?


    Eine Erzählung in zwei Zeitebenen und zwei verschiedenen Erzählsträngen, bildhaft, emotional, mit vielen ausgefeilten Dialogen, Alex Capus hat es geschafft mich zu fesseln. Die Landschaftsbeschreibungen ziehen den Leser hinein in die Geschichte. An einem Nachmittag habe ich die mitreißende Geschichte geschafft, einmal angefangen konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Sei es die Gegenwartsgeschichte, aber auch die Geschichte im 18. Jahrhundert, beides hat mit gleich fasziniert und auf ein gutes Ende hoffen lassen. Die Geschichte lebendig zu erzählen ist dem Autor hervorragend gelungen, da er als Stilmittel die auktoriale Erzählweise gewählt hat. Zu jeder Zeit konnte ich dem Plot folgen und die Handlungen der Charaktere nachvollziehen. Die beiden Erzählstränge fügen sich lückenlos und flüssig ineinander.

    Die Personen sind sehr plastisch beschrieben und der Leser ist stets nah dran am Geschehen. Max und Tina – das sympathische Ehepaar, streitet über Kleinigkeiten, ist sich aber im Großen und Ganzen einig. Auch Jakob und seine Marie, habe ich lieb gewonnen, habe mit ihnen gestritten, gehofft und geliebt. Wobei die Figur Marie einzig ein wenig blass geblieben ist, gerne hätte ich ihre Gefühle, in der langen Wartezeit auf ihren Jakob, erfahren. Absolut begeistert war ich über den wortgewaltigen und umgangssprachlichen Erzählstil Capus. Z.B auf Seite 39.“Fehlt nur noch, dass sie sich einen Finger in den Mund steckt, das hirnlose Ding. Und der ungewaschene Sennenbub, dieses Inzuchtbürschchen aus dem hintersten Alpental am Arsch der Welt.“ Auch die Beschreibung der Königsschwester Elisabeth oder des Kastraten fand ich genial. Tolle Figuren in einer meisterlichen Erzählung. Nebenbei habe ich auch so einige interessante Details aus der Geschichte mitbekommen, die Naturkatastrophe 1783 in Island, bei der ein Ausbruch des Laki-Kraters verheerende Klimafolgen und Missernten für ganz Europa auslöste. Die erste Ballonfahrt eines Hammels, einer Ente und eines Hahns durch die Brüder Mongolfier oder der Beginn der französischen Revolution mit dem Marsch der Poissarden auf Versailles. Es war das erste Buch von Alex Capus, welches ich gelesen habe, aber ganz sicher nicht das letzte. Ich bin begeistert.


    Meine Empfehlung für Capus Fans und für Leser die sich gerne auf kurzweilige und niveauvolle Weise unterhalten lassen. Wohlverdiente und gerne gegebene volle Punktzahl. 10 Eulenpunkte


    Humorvoll und nett


    Die Elternsprecherin, Familienroman von Laurie Gelman, 352 Seiten, ein Mira Taschenbuch.
    Die humorvolle Erzählung einer „etwas anderen“ Elternsprecherin.
    Jennifer Dixon, lässt sich von ihrer Freundin Nina überreden, in der Vorschulklasse an der William H. – Taft Grundschule ihres Sohnes Max, das Amt der Elternsprecherin zu übernehmen. Sie hat dieses Amt bei ihren beiden, nun schon am College studierenden Töchtern bereits ausgeübt und ist sehr erfahren in diesem Job. Mit großer Energie und auf witzige Weise greift sie das Amt an und schon mit ihrer ersten humorvollen Email fühlen sich einige Eltern „auf den Schlips“ getreten. Jenn befindet sich mitten in der midlife-crisis und deshalb sind diese Elternvertreterin-Schwierigkeiten nicht ihre einzigen. Doch mit ihrer heiteren durch nichts so leicht zu erschütternden Art, „rockt sie das turbulente Jahr und findet neue Freundinnen.
    Das Buch ist in 24 überschaubare Kapitel aufgeteilt, die in Schreibschrift betitelt sind. Dazwischen und das ist der Punkt, der die Story aufpeppt und lebendig macht, die manchmal schon etwas sehr speziellen, lustigen Emails die zwischen den Eltern hin- und hergehen. Die Kapitel sind im Ich-Stil aus Sicht der Protagonistin verfasst. Besondere Phrasen, Ausdrücke und Gedanken sind kursiv gedruckt und machen, zusammen mit den spritzigen Dialogen eine lebhafte Erzählung, die ich in zwei Nachmittagen gelesen hatte. Dabei habe ich mich gut unterhalten und musste zwischendurch innehalten und schmunzeln. Ich konnte nur feststellen, ja so ähnlich ist es auch bei uns in der Grundschule zugegangen. Die verschiedenen Elterntypen sind gut beschrieben, die Helikopter-Eltern, die Allergiker-Mutti, die Besorgten, die Coolen und die Spießer, Laurie Gelman weiß wovon sie spricht , sie hat das Amt der Elternsprecherin selbst fünf Jahre ausgeübt. Anfangs dachte ich mir, darf man denn mit den Eltern wirklich so reden? Aber es zeigt sich, man kann und lustig ist es auch noch. Obwohl Jenn, dann die Konsequenzen zu spüren kriegt. Die Handlung ist flüssig und logisch aufgebaut. Eines kommt zum anderen, nichts wirkt gesucht oder konstruiert. Die Charaktere sind so plastisch beschrieben, dass man sie sich gut vorstellen kann, besonders die Protagonistin Jennifer war mir sympathisch, eine Frau Ende vierzig, die mit ihrem Nesthäkchen noch einmal die aufregende Grundschulelternzeit genießt, die aber meiner Meinung nach, schon einige Probleme mit dem „Älterwerden“ hat. Ihre sportlichen Anstrengungen, einschließlich Personal-Trainer, der sie für einen Schlammlauf fitmachen soll, bzw. der Flirt mit dem High-School Schwarm Mr. „Eristjasoeinhottie“ fand ich manchmal ganz schön übertrieben. Auch wie die Supermama“, die ganze Familie, den Haushalt, die Probleme ihrer fast erwachsenen Töchter mit links meistert, ging m.E. einfach viel zu glatt. Spannung habe ich hier nicht erwartet, war auch kaum vorhanden. Insgesamt habe ich mich aber gut unterhalten und wer nicht zu viel erwartet, wird die Lektüre auch genießen.

    Pratermord

    Der Schatten, Thriller von Melanie Raabe, 412 Seiten, erschienen im btb-Verlag.

    Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund.

    Die Journalistin Norah Richter hat sich von ihrem Freund Alex getrennt sie bricht ihre Zelte in Berlin ab, ergreift ein Jobangebot und zieht nach Wien. Dort ist Norah anfangs ziemlich einsam, nur mit ein paar Freunden und ihren Kollegen hat sie Kontakt. Auch in ihrer noch nicht eingeräumten Wohnung fühlt sie sich nicht wohl, dann beginnt das Unheimliche, Sachen verschwinden, andere Dinge tauchen plötzlich auf, ihre Nachbarin sieht ihrer verstorbenen Freundin ähnlich, unmögliche Zufälle verängstigen sie, ihre Freunde wenden sich scheinbar grundlos von ihr ab. Und eines Tages diese unheimliche Begegnung in der Fußgängerzone. Eine Obdachlose weissagt ihr, dass sie am 11. Februar einen Mann töten wird.

    Das Buch beinhaltet 66 kurze Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger oder einer besonders spannenden Situation enden, der Leser muss also unbedingt weiterlesen. Zwischen den Kapiteln sind in anderer Schrift deutlich gemacht, die Gedanken und Erinnerungen einer anderen Person eingefügt. Briefe und besondere Textstellen sind kursiv abgedruckt. Noch vor dem Prolog steht der Songtext „Bachlorette“ von Björk und das Gedicht „In the desert“ von Stephen Crane. Die Geschichte ist im auktorialen Erzählstil verfasst. Die Autorin überzeugt mit ihrem bildhaften Schreibstil, z.B. auf S. 10 „Dort! Die Gestirne mit dem feinsten Pinsel auf das Himmelszelt gesetzt“. Oder auf S. 319: „Zu ihrer Rechten befand sich ein Kettenkarussell, und wie es so verlassen dalag, wirkte es wie eine bunt behängte Trauerweide“. Das Setting ist sehr eindrucksvoll beschrieben und zieht den Leser hinein in die Geschichte. Die Autorin hat m. M. nach Wien als Handlungsort sehr gut gewählt, denn die Stimmung des Buches passt hervorragend zur morbiden Stimmung der österreichischen Hauptstadt, dadurch wird eine tolle Atmosphäre geschaffen.

    Dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, ich bin nur so durch die Seiten geflogen, konnte es kaum aus der Hand legen, die Spannung die zu Beginn aufgebaut wird hat sich bis zum letzten Punkt am Ende gehalten. Viele Wendungen und die finale überraschende Lösung haben mich verblüfft. Ich konnte der Handlung zu jeder Zeit folgen. Die Personen handelten nachvollziehbar. Die Protagonistin Norah ist eine taffe Frau, gut in ihrem Job, selbständig und sympathisch. Die Autorin hat es dennoch geschafft, mich stellenweise zweifeln zu lassen, ob sich die Vorkommnisse nicht nur in der Fantasie der Protagonistin abspielen. Ich würde vorliegendes Werk unbedingt als „Psychothriller“ bezeichnen. An einigen Stellen ist es mir wirklich eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Da ging Kopfkino ab. Ständig hatte ich ein unheimliches Gefühl. Besonders bemerkenswert fand ich folgende Stelle: Das Gesicht…sah grimmig und düster aus, wie die Fotos auf den Fahndungsplakaten der RAF-Leute, die in ihrer Kindheit noch in den Poststellen gehangen und ihr eine Heidenangst eingejagt hatten. Genau diesen Satz habe ich, schon vor der Lektüre dieses Thrillers, oft selbst gebraucht. Genau das Gefühl kenne ich aus eigener Erfahrung. Da war ich verblüfft. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, Konstrukte gesponnen, wer ist die mysteriöse Person die Norah stalkt? Wer steckt dahinter? Und auch – tut sie es wirklich?

    Etwas hat mich nachdenken lassen, zum Anfang wird dem Leser nicht ganz klar wie viel Zeit bis zum 11. Februar bleibt, man nimmt wahr, dass es sich in der kalten Jahreszeit abspielt, bis zu einem Punkt an dem es bis zum 11. Februar nur noch einige Tage sind, ich vermute, dass dies ein weiteres Stilmittel der Autorin ist. Auch ist Norah Richter in vorliegendem Thriller die fast einzig agierende Person, sämtliche Freunde, Kollegen Nachbarn usw. sind nur „Statisten“, das hat mich sehr beeindruckt.

    Alles in allem kann ich für diesen Thriller nur mein uneingeschränktes Lob aussprechen. Ich habe ihn genossen, wurde gut unterhalten, Gruselfaktor ist auch vorhanden. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

    Der Horror der frühen Medizin, Biographie von Lindsey Fitzharris, 276 Seiten, erschienen im Suhrkamp - Verlag.
    Joseph Listers Kampf gegen Kurpfuscher, Quacksalber und Knochenklempner.
    Die dunkle Zeit der viktorianischen Medizin. Im frühen 19.Jh. waren Operationen wegen der Folgerisiken strikt zu vermeiden. Chirurgische Eingriffe waren eine Seltenheit und wurden von Ärzten im Straßenanzug, ohne Betäubung und wie Jahrmarkttreiben zelebriert. Doch die Zeiten der Qualen fanden durch die Äthernarkose ein Ende. Weitaus schlimmer waren die Komplikationen durch postoperative Infektionen. Die Gründe für Sepsis, Wundbrand und Gangräne waren noch nicht erforscht. Doch Joseph Lister und viele seiner berühmten Kollegen konnten und wollten sich nicht damit abfinden, dass sie selbst durch unsaubere Instrumente, blutverschmierte Kittel und ungewaschene Hände ihren Patienten den Tod brachten. Hier wird die Lebensgeschichte von Joseph Lister und sein Kampf gegen den Hospitalismus eindrucksvoll beschrieben.
    Das Buch ist in 11 Kapitel unterteilt, die jeweils mit einer zum Inhalt passenden, in Großbuchstaben gedruckten Überschrift versehen sind. Darunter wurden kursiv geschriebene Zitate in kursiver Schrift gedruckt, die überwiegend von berühmten Ärzten stammen. Lateinische Krankheitsbezeichnungen, Fachausdrücke und Eigennamen sind ebenfalls kursiv dargestellt. Am Anfang ist ein Inhaltsverzeichnis angegeben, welches sehr hilfreich war. Einzelne Textstellen sind mit Anmerkungsziffern versehen, die Fußnoten dazu sind im Anhang vermerkt.
    Lindsay Fitzharris hat mich mit ihrem Buch äußerst beeindruckt. Die promovierte Medizinhistorikerin veröffentlich regelmäßig in verschiedenen Zeitungen, auch medizinischen. Bekannt wurde sie durch ihre You Tube-Serie „Under the knife“. Dass die Autorin weiß wovon sie schreibt, merkt man unbedingt. Ich habe das Buch schnell gelesen und zwischendurch fast vergessen zu blinzeln, so spannend hat sich die Lektüre erwiesen. Jederzeit konnte ich der Erzählung folgen, die Charaktere handelten plausibel und nachvollziehbar. Allerdings sollte eine gewisse medizinische Vorbildung vorhanden sein. Fachbegriffe die einem Mediziner geläufig sind, werden nicht näher erläutert. Die hygienischen Zustände im 19. Jh., die infizierten Wunden, die blutigen Eingriffe, der empörende Gestank, auch Leichenhandel werden bis ins kleinste delikate Detail geschildert, deshalb sollte der Leser schon etwas abgebrüht sein. Wer sich für Medizingeschichte interessiert und etwas Fachkenntnisse mitbringt fühlt sich mit dieser Biografie sicher gut unterhalten. Die Person Joseph Lister wurde hervorragend charakterisiert und sympathisch beschrieben. Ihm und anderen Pionieren der Medizin z.B. Pasteur, Semmelweis usw. ist es durch ihre unermüdliche Forschungsarbeit zu verdanken, dass die Gefahr der Ansteckung oder einer postoperativen Infektion nahezu ausgemerzt ist. Ein hervorragendes Sachbuch zu keiner Zeit langweilig oder unverständlich, lebendig geschrieben und sehr unterhaltsam. Dafür von mir volle Punktzahl.


    Mädelein


    Der englische Liebhaber, Historischer Roman von Federica de Cesco, 360 Seiten erschienen im Europa-Verlag.
    Ein historischer Liebesroman aus der Nachkriegszeit.
    Charlotte hatte keinen guten Start ins Leben, 1947 in Münster geboren, noch dazu als uneheliche Tochter und ein Kind eines englischen Besatzungsoffiziers. Sie hat sehr darunter gelitten und musste deshalb viel einstecken. Mit ihrer Mutter Anna hat sie kein gutes Verhältnis. Als Anna schwer erkrankt reist sie nach Münster. Dort bekommt sie den Auftrag etwas Schmuck, die Tagebücher ihrer Mutter und Tonbandaufnahmen an sich zu nehmen. Es ist auch ihre Geschichte die sie in den Aufzeichnungen findet.
    49 Kapitel, die zum Großteil von Annas Lebensgeschichte erzählen. Der Roman spielt in zwei Zeitebenen, zum einen nach dem Tod Annas 1988 und rückblickend in den Briefen, Tagebucheintragungen und Tonbändern, die Charlotte an sich genommen hat. Die Erzählungen aus der Nachkriegszeit und den folgenden Jahren werden in der Ich-Form, aus der Sicht Annas erzählt. Briefe, Gedanken und englische Phrasen erscheinen kursiv gedruckt und werden dadurch deutlich hervorgehoben. Der Plot war stets logisch und plausibel und ich konnte der Erzählung folgen, doch es fiel mir nicht schwer, das Buch immer wieder aus der Hand zu legen. Richtige Spannung kam kaum auf. Die Autorin erzählt jedoch sehr wortgewandt und in einer bildhaften Sprache.
    Ich ging mit ganz anderen Voraussetzungen an den Roman heran, durch das Cover und auch den Klappentext habe ich eine traurig-romantische Liebesgeschichte erwartet. Anna ist durch ihr hartes Schicksal eine verbitterte Frau geworden und so wird die Geschichte auch erzählt. Am besten gefallen, haben mir die letzten Kapitel und der Epilog, da habe ich doch noch ein paar Tränen vergossen, zu schmerzhaft waren die Erinnerungen der Protagonistin. Die Erzählung spielt hauptsächlich nach dem 2. Weltkrieg und in der Zeit des kalten Kriegs, als die europäischen Völker einander als Feinde galten und in vielen Familien das Gespenst des Nationalsozialismus noch lebendig war. Betroffen gemacht hat mich dabei auf S. 107 folgende Zeilen…. „Denn wie auch immer wir uns zu rechtfertigen versuchten, wir waren nicht die Opfer. Wir waren die besiegten Täter.“ Oder auf S. 108 „ Ich musste mir gefallen lassen, was man über uns sagte. Weil das Schuldgefühl auch in mir steckte, Teil meines Körpers geworden war.“
    Auch Charlotte war mir äußerst unsympathisch, sie ging so frech und respektlos und ohne Mitgefühl mit ihrer Mutter um, das hat mich geradezu abgestoßen. Obwohl ihre Mutter so viel für sie tat und so oft für ihre rebellischen Taten auch finanziell aufkam. Das finde ich ungerecht, denn Anna ist ja nicht leichtsinnig schwanger geworden, sie hat auf eine Ehe mit Jeremy gehofft. Auch mit Jeremy konnte ich bei der Lektüre nicht warm werden, dazu fehlte mir die Beschreibung charakterlicher Züge, so blieb er ziemlich blass. Sogar Annas Schwester Linchen fand ich dumm und herzlos. Die Szenen die vom Tod Jeremys handelten und ob und wie, sein Freund Oliver Taylor und Annas Kollegin Ingeborg darin verwickelt waren, blieben nur angedeutet, das hat mir nicht gefallen.
    Insgesamt habe ich mich nur mäßig unterhalten gefühlt, wer bei diesem Roman auf eine unerfüllte, romantische Liebe aus der Nachkriegszeit hofft, wird enttäuscht.


    Eine Geschichte von Leben und Tod


    Die Charité, Historischer Roman von Ulrike Schweikert, 496 Seiten, erschienen im Rowohlt-Verlag.
    Leben und Sterben im wohl berühmtesten Krankenhaus Deutschlands – der Berliner Charité.
    Berlin 1831, die Cholera ist in Deutschland ausgebrochen und hat auch Berlin erreicht. Zu dieser Zeit beginnt die junge Elisabeth ihre Arbeit als Krankenwärterin in der Charité, dort versuchen die Ärzte unter ihnen auch Professor Dieffenbach, verzweifelt die Epidemie aufzuhalten. Ein schier unmögliches Unterfangen, denn keiner weiß zu dieser Zeit, was der Auslöser dieser Krankheit ist und wie sie übertragen wird. In dieser Zeit waren Frauen im medizinischen Bereich nur als Pflegerinnen „geduldet“. Elisabeth entdeckt ihre Liebe zur Medizin und zu einem jungen Arzt, aber auch die Lebensgeschichten der jungen Gräfin Ludovica und der Hebamme Martha sind in dieser Geschichte miteinander verknüpft.
    Mir hat dieses Buch unheimlich gut gefallen, so gut habe ich mich schon lange nicht mehr unterhalten gefühlt. Ulrike Schweikert, von der ich etliche Bücher kenne, hat wieder einmal auf eindrucksvolle Art bewiesen, wie gut recherchiert, bildhaft und mitreißend sie ihre Bücher schreibt. Im vorliegenden Roman verwendet sie den auktorialen Erzählstil, lebendige Dialoge und gute Beschreibungen des Settings gaben mir während der Lektüre stets das Gefühl, mitten drin im Geschehen zu sein. Durch meine medizinische Vorbildung kann ich absolut bestätigen wie gut Schweikert sich vor dem Verfassen ihres Werks mit der Materie auseinander gesetzt hat, zu keinem Zeitpunkt konnte ich irgendwelche nicht plausiblen oder nicht authentischen Szenen entdecken. Chapeau! Alle agierenden Personen handelten glaubhaft und nachvollziehbar. Der Roman ist in 3 Bücher aufgeteilt, die aus insgesamt 31 Kapiteln bestehen. Jedes Kapitel ist in Abschnitte unterteilt und mit einer zusammenfassenden Überschrift versehen. Das gewährleistet den steten Überblick über das Geschehen. Ein Buch welches sämtliche Sinne anspricht, der Geruch der eiternden, schwärenden Wunden, das Stöhnen der Sterbenden, mir war es als könnte ich den Ärzten bei ihrer grausamen Arbeit über die Schulter sehen. Ich liebe Bücher über Medizingeschichte und nach der Lektüre dieses Romans wird wohl jeder Leser froh sein, dass die Medizin heutzutage nicht mehr auf dem damaligen Stand ist. Das ist diesen tüchtigen und wissbegierigen Männern und auch Frauen zu verdanken, die in diesem Buch erwähnt werden. Hier eindrucksvoll beschrieben, das Kindbettfieber, das von Frau zu Frau übertragen wurde. Erst Jahre später konnte Semmelweis beweisen, dass die Ärzte selbst, mit ihren ungenügend gereinigten Händen, diesen Frauen den Tod brachten. Meine Lieblingsfigur natürlich die Protagonistin Elisabeth eine moderne toughe Frau, die weiß was sie will. Tüchtig und voller Mitgefühl für ihre Patienten. Die unerfüllte Liebe zwischen Gräfin Ludovica und Professor Dieffenbach hat mich auch stark berührt, sowie das Schicksal der Hebamme Martha und ihrem Sohn August. Ein tolles Buch, ab Seite 150 hab ich den Rest in einem einzigen Tag ausgelesen, weil ich das Buch erst aus der Hand legen konnte, als die Geschichte zu Ende erzählt war. Ich habe mit den Figuren gelacht und geweint und wollte sie am Ende eigentlich nicht mehr gehen lassen. Einige der Figuren sind überliefert und haben wirklich an der Charité geforscht und praktiziert, das macht das Ganze umso authentischer. Eine intelligente unterhaltsame Lektüre für Leser die sich für historische Romane, speziell Medizingeschichte interessieren. Meine Diagnose volle Punktzahl

    Ja zu Ende hören auf jeden Fall, denn der Schluss hat noch so einige Überraschungen parat.


    Der Charakter Claire hat mich sehr frustriert, gerade bei ihrem Beruf! Ich fand sie total egoistisch! X(

    Diese Stelle im Buch hat mich richtig böse gemacht:


    Und wie ihr Sohn da so saß, wurde ihr bewusst, dass er sie als Frau ohne Frausein sah.


    Ich finde kein Sohn sollte seine Mutter anders sehen.
    Ich kann mir vorstellen, dass dies Buch als Hörbuch aber ganz gewisse Reize hat.

    Viel Spaß dir noch!

    Wo ist Billy?


    Sommernachtstod, Kriminalroman von Anders de la Motte, 432 Seiten, erschienen bei Droemer & Knaur.
    Vor zwanzig Jahren ist ein kleiner Junge verschwunden, kann der Fall nach so langer Zeit noch gelöst werden?
    An einem Sommerabend verschwand Billy, der Bruder Veras, spurlos. Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen. Im Stockholmer Therapiezentrum, in dem Vera arbeitet, erscheint eines Tages ein neuer Patient, Isak. Seine Geschichte erinnert Vera stark an den Fall ihres kleinen Bruders. Schon bald wird klar, Isak scheint etwas über das Verschwinden von Billy zu wissen. Um endlich Klarheit zu erlangen will Vera auf eigene Faust herausfinden was genau damals passiert ist. Bei der Suche nach ihrem Bruder kehrt Vera in ihr Heimatdorf zurück. Dort stößt sie auf eine Mauer des Schweigens und des Misstrauens.
    Schon mit dem Prolog hat es de la Motte geschafft mich zu fesseln, die Spannungskurve steigt langsam aber dennoch stetig an. Die letzten 100 Seiten habe ich in einem Durchgang gelesen, ich musste einfach wissen, was damals passiert ist. Gekonnt hat der Verfasser es erreicht, dass ich bei einigen gefährlichen Szenen, die Vera erlebte, Gänsehaut bekam. Bis zur letzten Seite konnte ich nur rätseln was mit Billy passiert ist. Keiner der Charaktere blieb von meinen Verdächtigungen verschont. Das Ende war überraschend und hat mich zutiefst bewegt, hervorragend gemacht. Der Schriftsteller bedient sich dem personalen Erzählstil, es handelt sich um zwei verschiedene Erzählstränge in zwei Zeitebenen in der Gegenwart aus der Sicht Veras und 1983 aus der Perspektive von Krister Månsson, dem damaligen ermittelnden Polizeichef. Der Wechsel zwischen den Zeitebenen, ermöglicht ein flottes Lesetempo, dazu tragen Cliffhänger am Ende der Kapitel bei. Zwischen den 33 Kapiteln befinden sich kursiv gedruckte Liebesbriefe, von denen ich anfangs dachte, dass sie aus der Feder Veras stammen. Diese Liebesbriefe und auch der Prolog sind eine äußerst geschickte Art, den Leser auf eine total falsche Fährte zu führen. Auch ich bin dem Autor auf den Leim gegangen, chapeau. Jederzeit konnte ich dem Geschehen folgen. Die Charaktere sind so plastisch beschrieben, dass man sie sich gut vorstellen kann, sie handelten zu jeder Zeit logisch und nachvollziehbar, wenn dies auch manchmal erst später klar wird. Der Plot ist wirklich äußerst raffiniert und durchdacht inszeniert. Die Protagonistin Vera erschien mir anfangs etwas seltsam, ich habe sie aber, aufgrund ihres Mutes und ihres Durchhaltevermögens zum Ende hin gut leiden mögen. Einer meiner Lieblingscharaktere war der etwas glücklose Polizeichef Krister Månsson, ihm hätte ich es gegönnt, wenn er den Fall damals schon hätte lösen können. Sehr gut beschrieben fand ich die Figur des „Familienpatriarchen“ Harald Aronsson. Ein richtiger Unsympath der mit Macht und Geld, nicht nur die Geschicke der Familie in den Händen hält, sondern auch wie ein König über das ganze Dorf herrscht. Eine hervorragende Unterhaltung, ein spannender Krimi und eine traurige, emotionale Familiengeschichte. Eine ausdrückliche Leseempfehlung.

    Sich finden


    Die Schönheit der Nacht, Roman von Nina George, 315 Seiten, erschienen bei Droemer Knaur.
    Eine Geschichte vom Werden, vom Versteinern und vom Aufbrechen übers Frau sein und frei sein.
    Seit ihr Sohn Nico erwachsen ist, haben Claire und Gilles nicht mehr viele Gemeinsamkeiten. Sie schlafen getrennt, Gilles hat verschiedene Affären und auch Claire verbringt anonyme, amouröse Stunden mit fremden Männern. Nach einem dieser Treffen trifft sie im Hotelflur auf Julie. Am selben Abend will Nico Claire und Gilles Sohn, den Eltern seine neue Freundin vorstellen. Und Claire fällt aus allen Wolken, es ist die junge Frau vom Hotelflur – Julie.
    Soweit die Leseprobe, ich war sofort von dieser Geschichte begeistert. Ein Frauenroman, eingeteilt in 33 Kapitel, die französischen Phrasen, Liedzeilen, bzw. die Gedanken der Charaktere sind kursiv gedruckt und heben sich deutlich ab. Anfangs war ich hellauf begeistert von der wunderbaren Sprache, der bildhaften Beschreibung und der Lebhaftigkeit der beschriebenen Dialoge. Bis ich mit der Zeit realisiert habe, dieses Buch hat eine äußerst schwache Handlung, die Spannung die ich mir anfangs erhofft habe blieb jedoch äußert flach. Zwar konnte ich der Handlung folgen und sie auch nachvollziehen. Jedoch blieben mir die Beweggründe der Charaktere oft verschlossen. Zu jeder Zeit konnte ich die Lektüre unterbrechen, das Buch auch einige Tage aus der Hand legen. Dabei hat mich aber die Sprache, mit der Nina George Bilder vom Meer, Häusern, Landschaften und Stimmungen „gemalt“ hat, total überwältigt. Wenn ich zu lesen begonnen habe, meist gleich viele Seiten. Die Sprache der Autorin hat alle meine Sinne beschäftigt, Gefühle Gehör, sehr oft werden Lieder und Tänze erwähnt, oder die Geräusche der Natur. Die Schilderung vom Geschmack der Speisen oder von Weinen, all das hat mir sehr gut gefallen.
    Mit Claire, der Professorin für Verhaltensbiologie konnte ich mich absolut nicht identifizieren. Sie ist die Versteinerte, die Felsin. Ich finde, für eine Frau die so erfolgreich, klug, gut aussehend und nicht unvermögend ist. Ist sie mit ihrem Leben einfach viel zu unzufrieden. Eine Frau an der man sich wehtun konnte wenn man ihr zu nahe kam. Auch ihre Ansichten über ihre Mutterschaft fand ich unmöglich, mehrmals wird im Buch betont, dass sie nie ein Kind wollte. Wie sie Schwangerschaft und Muttersein als Last empfand. S. 34/35 Der Körper fremdbenutzt, die Seele wird auseinandergerissen und ein Teil von ihr gehört dem Kind und geht mit ihm, egal wohin, für immer. Oder S. 67. Und wie ihr Sohn da so saß, wurde ihr bewusst, dass er sie als Frau ohne Frausein sah. So wie alle Söhne dies tun…. und doch war es so ungerecht, dass Claire ihrem Sohn am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte, stellvertretend für alle Mütter. Auch die psychologischen Analysen und Gedanken der Protagonistin über Verhaltensweisen ihrer Gegenüber, waren m. M, nach zu ausschweifend, zu langweilig. Die Person Julie fand ich interessant, ihre Ängste waren für mich eher nachvollziehbar sie hat im Laufe der Geschichte die größte charakterliche Wandlung durchgemacht. Die männlichen Charaktere sind im vorliegenden Roman sehr schlecht „weggekommen“ gerne hätte ich etwas mehr über Gilles erfahren, auch Nicolas der Sohn des Paares blieb relativ blass. Das Ende der Geschichte fand ich schön. Trotz einiger Kritikpunkte bin ich froh, das Buch gelesen zu haben. Schon der schönen Sprache wegen.