Beiträge von Buecherturm

    Wiedersehen mit Gryszinski

    Ich habe schon die Begegnung mit Gryszinski in Uta Seebergers ersten Roman sehr genossen. Und jetzt stelle ich fest, der Mann und seine Familie gefallen mir noch besser.

    Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski liebt und genießt sein Leben in München. Die vielen Schmankerln in den diversen Metzgereien, Bäckereien, Cafés und Restaurants haben es ihm angetan. Und seiner Leibesfülle. “Seitdem er zum ersten Mal auf eine knusprige Bratenkruste gebissen hatte, schätzte Gryszinski den infernalischen Krach der beim Kauen im Kopf entstand und alles andere ausblendete. Es glich einer meditativen Übung. Zudem war die Bratensemmel das ideale Isntrument, um die Gryszinski’sche Praxis zur Festigung flüchtiger Gedanken zu erproben: Diese Gedanken, die wie kleine Vögel im Innern seiner körperlichen Hülle umherflatterten und sich nur rein zufällig berührten oder einander auswichen, wurden nach seiner Methode von einer schweren Menge Essen eingefangen, nach unten gedrückt und komprimiert, um am Ende als konsistente Idee wie Phönix aus der Asche zu entsteigen und emporzuschweben, und zwar direkt in seinen Kopf. Ein geniales System, fand Gryszinski, auch wenn seine Gemahlin ihn schlicht als verfressen bezeichnete.” (S. 60 - 61)

    Die allabendliche Runde, die Vater und Sohn Fritz fast schon ritualhaft in der Küche absolvieren, das "Topfgucken" finde ich herrlich. Ganz entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit zeigt Gryszinski seine Liebe zu Frau und Kind offen, spielt mit dem Sohn in den wenigen Momenten, in denen er Zeit hat, lässt seine Frau als Schriftstellerin unter eigenem Namen veröffentlichen, bespricht seine schwierigen Fälle mit ihr, geht mit ihr auf Ermittlungsreisen nach Paris und St. Petersburg. Genau 20 Jahre später, mitten im Ersten Weltkrieg, wird sein Sohn Friedrich Gryszinski die Reise des Vaters wiederholen, nach Paris und dann St. Petersburg, um einen alten ungelösten Fall des Vaters endlich zu lösen. Beide Reisen werden im Buch spannend erzählt. Als Friedrich reist, kommt noch die Gefahr hinzu, als deutscher Spion in Feindesland entlarvt zu werden.

    Die zwei Handlungsebenen, in denen der Roman spielt, 1896 und 1916, einmal in Friedenszeiten und dann in Kriegszeiten geben gekonnt den Zeitkolorit und die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen wieder.

    Einen kleinen bitteren Wermutstropfen fand ich dann doch im Buch, leider. In der Beschreibung, wie Haussmann Paris neu gestaltete, ist Seeburg ein Patzer unterlaufen: “Der mit derselben erlöserhaften Geste, mit der Jesus das Rote Meer teilte…”. (S.126) Sorry, Frau Seeburg, das war nicht Jesus. Moses hieß der Mann. Ist bestimmt nur ein Flüchtigkeitsfehler, den leider auch das Lektorat übersehen hat. Aber das ist in meinen AUgen nur ein kleiner Schönheitsfehler, der diesem gelungenen historischen Krimi keinen Abbruch tut. Also volle Punktzahl meinerseits.

    Fängt die Alegria und die Saudade Portugals ein (und ein wenig Foda-se)

    Zuerst einmal: das Coverbild ist bezaubernd. Die Mischung von maritimer Landschaft und die landestypischen portugiesischen Azulejos (Kacheln)ist einmalig gelungen. Es bereitet uns vorab auf die portugiesische Szenerie und Mentalität vor.

    Die Handlung ist linear, ohne viele Nebenhandlungen aufgebaut. Eine deutsche Polizistin mit portugiesischen Wurzeln wird ohne ihr Wollen und Dazutun in die Ermittlungen zum Todesfall einer Fresko-Restauratorin hinzugezogen. Am Ende ist der Fall restlos geklärt, der Mörder ist wieder mal nicht der Gärtner. Der Polizeichef schluckt die Kröte, dass Ria nicht Mitglied der portugiesischen Polizei ist und akzeptiert sie. Er kann einfach nicht auf Ihre Kompetenz, Fachwissen und Intuition bei den Ermittlungen und Verhören verzichten. Zum Schluss bietet sich der jungen Frau die Gelegenheit, offiziell bei der Polizei von Torreira anzuheuern. Das bedeutet, wir dürfen uns auf weitere Krimis mit Ria Almeida als Ermittlerin freuen.

    Handlung und Schreibstil sind überzeugend. Jedem Kapitel ist ein Begriff aus dem Portugiesischen vorangestellt, mit einer detaillierten Übersetzung und einem festen Bezug zum Kapitel. Beim Leser wird dadurch auch der Bezug zu Portugal hergestellt. Auch die kurzen und interessanten Beschreibungen von portugiesischen Orten, Straßen, Lokalen tragen dazu bei.

    Die portugiesischen Leckereien, die im Buch erwähnt werden, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Absolut lecker. Aber ich frage mich, bei so vielen Leckereien, ob es noch schlanke Menschen in Portugal gibt und mit wie viel Hüftgold Touristen in ihre Heimatländer zurückkehren?


    ASIN/ISBN: 3548066526


    Edit: Kategorie verschoben, ISBN ergänzt Gruß Herr Palomar