Beiträge von Buecherturm

    Dero Majestät Vea Kaiser


    Ich liebe die Bücher von Vea Kaiser. Schon beim Rückwärtswalzer bin ich dahin geschmolzen. Und nun freue ich mich auf Ihr neuestes Buch Fabula Rasa. Der unnachahmliche Stil der Autorin, ihre Art die Hauptgestalten zu skizzieren und sie mit Leben zu füllen, die Handlung des Buches, sind lauter hervorragende Lesegründe sein.

    Die Rahmenhandlung lässt sich mit einem Satz zusammenfassen. Eine Buchhalterin erleichtert ihren Arbeitgeber über die Jahre hinweg um 3,320 Millionen Euro. Das ist alles.Aber dahinter steckt ein ganzes Universum. Das Leben der Buchhalterin Angelika, in Armut aufgewachsen, von der von der strengen alleinerziehenden Mutter selten unterstützt oder liebkost. die zwar gute Schule aber mit engstirnigen, reichen Kindern als Kollegen hat sie es nicht leicht. Dann erlernt sie den Beruf als Buchhalterin und heuert im Grand Hotel in Wien an. Von sich aus wäre Angelika nie auf den Gedanken gekommen, Geld zu entwenden. Aber sie wird in die Machenschaften des Direktors verwickelt. Als alleinerziehende Mutter muss sie sich gleichzeitig um ihre halb demente Mutter kümmern. Beides verschlingt viel Geld. Vom Kindsvater kann sie nicht viel finanzielle Hilfe erwarten. Er ist ein nicht angepasster Musiker, der sein Talent vergeudet, kurz vor Plattenverträgen steht, die er dann doch nicht honoriert.

    Angelika bekommt tagtäglich mit, wie der Hoteldirektor seine privaten Ausgaben über das Hotel abrechnet, mit der Begründung, das wären auch Ausgaben für das Hotel. Urlaubsreisen mit der Familie werden zu Dienstreisen umfunktioniert, teure Einkäufe sind zwar für den privaten Gebrauch aber werden als Ausgaben für das Hotel ausgewiesen und dergleichen mehr. Ist es da verwunderlich, dass Angelika ihre finanziellen Engpässe ebenfalls aus den Konten des Hotels überbrückt?

    Angelika wirkt auf mich sympathisch, ich verstehe ihre Beweggründe, leide und hoffe mit ihr. Mit dem Geld, das Direktor Frohner oder seine verschwenderische Schwiegertochter für sich selbst ausgeben, könnte man mehr Personal einstellen und dem bestehenden Personal anständige Löhne zahlen. Aber der zynische Kommentar des Direktors: "Die vorhandenen Beine haben schneller zu laufen” (S. 333). Es wird niemand zusätzlich eingestellt für Housekeeping oder Etagenservice, solange der Dachausbau für eine Luxuswohnung für Frohner Junior und Gemahlin nicht fertig ist. : Kein Wunder also, dass Angelika sich selbst immer wieder einen Kredit aus der Hotelkasse gewährt. Als Buchhalterin hat sie tiefe Einblicke in die privaten Ausgaben ihrer Arbeitgeber, die auch alle von der Hotelkasse beglichen werden, Angelika muss alles abrechnen, auf Wunsch des Direktors.Angelika findet auch heraus, dass in der Nazizeit, als das Grandhotel Frohner und einem jüdischen Mann gehörte, Frohner ihn übervorteilt hatte, seine Kunstwerke übernommen hatte und sich nach dem Krieg geweigert hat, die Gemälde herauszurücken. Zu solchen Menschen kann man nicht aufsehen,

    Vea Kaiser tritt in diesem Buch selbst in Erscheinung, sie besucht Angelika im Gefängnis, spricht mit ihr, lässt sich von ihr ihre Lebensgeschichte erzählen. Dadurch gewinnt das Buch an Authentizität, die Autorin tritt als objektive Chronistin auf und enthält sich jedwelcher persönlicher Kommentare.

    Und das Ganze in Vea Kaisers charmanten Stil, mit dem Wiener Schmäh und Ausdrücken, die die Sprache erst lebendig werden lassen. Ein unangenehmer Mensch wird zum Oarsch,ein dummer Mensch ist deppert, ein Vollidiot ist ein Fetzenschädel, aber ein Freund ist ein Hawara. Hier fand ich das alte wianerische “Hawidehre” aus meiner Kindheit wieder, das mein Vater und Großvater sich zum Abschied sagten. Man fühlt sich in dieser Sprache gleich wohl, die zunächst vielleicht fremden Begriffe sind selbsterklärend und werden heimisch. Man kann nämlich in einer Sprache sehr wohl beheimatet sein. Vea Kaiser schafft diese Heimat spielend für uns Leser aus dem Piefkeland.

    Wien von seiner dunklen, unbekannten Seite


    Die Zeit ist 1881. Die Nachricht vom tödlichen Attentat auf den Zaren verbreitet sich rasend schnell. Da die Hochzeit des Kronprinzen Rudolf in Wien kurz bevorsteht, befürchtet der Polizeipräsident Marx, ein ähnliches Attentat auch am Wiener Hof. Deshalb aktiviert er seine geheime Waffe, den Sonderermittler Kern, er soll im Arbeitermilieu ermitteln. Und wo gibt es die meisten Arbeiter? Wo ist die Unterdrückung am größten und unmenschlichsten? In den Wiener Ziegelwerken. Kern lässt sich da anheuern und beginnt mit seinen Ermittlungen. Er erlebt am eigenen Leib wie brutal die Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen da abläuft. Viele der Ziegelarbeiter stammen aus Böhmen, haben gar keine Rechte, werden bei jedem Aufmucker abgeschoben, geschlagen und getreten. Sie werden nicht mit echtem Geld bezahlt sondern mit Blechmarken, die nur in den Ziegelwerken gültig sind. Sie müssen zu überteuerten Preisen kaufen, weil außerhalb der Ziegelwerke dieses Geld nicht gültig ist.


    Das Ganze wird so eindringlich und ehrlich beschrieben, dass man an der Glaubwürdigkeit der Schilderungen keinen Zweifel hegt. Peter Lorath hat hervorragend recherchiert. An der Authentizität der Darstellungen gibt es nichts zu deuten und rütteln. Seine Quellen sind Aufsätze, Artikel, Zeitungsreportagen aus der Zeit. Dabei mag die Realität viel schrecklicher gewesen sein. Wie die wahren Lebensumstände der Arbeiter waren, werden wir wohl nie erfahren. Aber sie waren überall gleich, ob in Deutschland, Frankreich, England oder den USA, die Verhältnisse waren wohl knapp über einem KZ.


    Historisch verbriefte Persönlichkeiten in diesem Krimi sind Professor Hofmann, einer der besten Gerichtsmedizinern jener Zeit, Polizeipräsident Marx, Staatsanwalt Lamezan, Kommissar Weihs und Kommissar Frankl gab es wirklich, genauso wie Franz Schuhmeier, der radikale Klassenkämpfer.


    Inmitten der allumfassenden Decke aus Gewalt und Brutalität versteht es Lorath auch eine zarte Romanze einzuweben, dadurch den schweren Stoff etwas erträglicher zu machen. Die atemberaubenden und gefährlichen Szenen die filmreif wirken, werden zwar nicht durch die Liebe abgemildert aber leidlich gemacht. Wie ein einziger Sonnenstrahl an einem Regen und Nebel verhangenen Novembertag. Der Tag bleibt zwar dunkel aber man weiß, man kommt durch. Wie sich wohl die Arbeiter der Wienerbergen gefühlt haben damals, 1881? Es sollte noch sieben Jahre dauern, bis sie streikfähig waren. 1888 fand der erste Streik der Ziegelarbeiter statt. Mein Vergleich hinkt gewaltig, wir schweben nicht ständig in Lebensgefahr, von einem Büttel erschlagen zu werden, den Hungertod zu sterben oder an Auszehrung und Berufskrankheiten, wie die Ziegelarbeiter im 19. Jahrhundert. Wir wissen, die Sonne wird wieder scheinen, aber 1881 waren die Ziegelarbeiter Tausende Tote von 1888 entfernt.


    Wir kennen nur das heutige Wien, die prachtvolle Ringstraße, die Paläste, die Oper, die herrschaftlichen Häuser, die großen Museen. Wir bewundern sie, besuchen sie oder gehen daran vorbei. Aber wie und womit sie gebaut wurden, daran verschwenden wir keinen Gedanken. Dieses Buch hat .mich eines besseren gelehrt. Weder in Wien, Berlin, Nürnberg, Paris sonstwo werde ich achtlos an Gebäude vorübergehen, ohne in Gedanken ein paar Blumen für die unbekannten Ziegelbrenner, Bauarbeiter und deren Familien zu hinterlegen.


    Ein Fünf Sterne historischer Krimi der Extraklasse

    Unschlagbar das Team Kling - Kissel

    Was in den Känguruh-Comics vom gleichen Autorenduo Marc-Uwe Kling und Bernd Kissel auf Seite 51 mit einem Eierkuchen begann, hat sich nun verselbstständigt zu einem eigenen Comic. Die zwei super reichsten Männer der Erde, Jeff Jezos und Elon Dusk fliegen zum Mars und sind, dank KI für immer (hoffentlich) an den Mars gebunden.

    Das Buch trieft direkt vor bitterer Ironie, hintersinnigen Humor und bösen Anspielungen. so, z.B. dass Elon Dusk einen Clon von sich auf der Erde gelassen hat, der nun komplett aus dem Ruder läuft (S. 7). Man denke da an die unheilige Allianz zwischen Elon und Donald, wo Elon mit einer Kettensäge eine Bühne betritt und die Staatsausgaben drastisch kürzen will.


    Oder auf Seite 25, wo Elon überlegt, für seine eventuelle Hochzeit mit seinem eigenen Clon Venedig zu kaufen.. Was Jeff nicht getan hat. Ich meine, für seine Hochzeit mit Lauren Sanchez Venedig zu kaufen. Er hat Venedig gemietet für ein ganzes Wochenende, für viele Millionen Dollar an Venedig und an viele venezianische Institutionen. Dafür waren aber die Touristen für die Zeit verbannt und die Venezianer mussten daheim bleiben oder auf Terra Ferma ausweichen. Einerseits blieb Venedig für drei Tage vom Massentourismus verschont, andererseits kamen all die über 200 Gäste aus den USA mit eigenen oder gemieteten Flugzeugen an. Nicht gerade umweltfreundlich. Doch zurück zum Buch.


    Anfangs gibt es noch eine Person auf dem Mars, Matt Damon wurde von Elon Dusk (Herrliches Wortspiel, dusk bedeutet auf Englisch Dämmerung, Zwielicht) mitgebracht auf den Mars, weil er die Hauptfigur im Film “Der Marsianer” war. Jeff benötigt ihn, damit Matt ihm den Marsianer in echt vorspielen kann. Nun, Matt Damon hält es bis Seite 16 aus und fliegt wieder zurück auf die Erde. Auf Seite 81 erklärt Matt in einem Interview trocken: “die Landschaft ist toll. Aber die Leute dort sind schwierig”.


    Ab Seite 68 erklären die beiden Autoren wie es zu diesem Comic Buch kam, wie die Zeichnungen entstanden, das Mobiliar in der Raumstation (Star Trek und Men in Black), welche Comic Strips in den Känguruh-Comics den Anfang machten. Oder die Umsetzung der Idee neue comic Strips zu kreieren: wenn Marc-Uwe Kling sich Zurufe aus dem Publikum während der Tourneen notiert und später daraus Comic Strips werden. Einfach genial!


    Ich musste auf jeder Seite schmunzeln oder lachen: wenn z.B. nach umständlicher Ankleidung des Weltraumanzugs (ein Greifarm kämmt zuerst Elon, bevor ihm der Helm aufgesetzt wird), und sie den Mars betreten, es plötzlich Elon einfällt, er müsse auf die Toilette. Oder Jeff schlägt vor, Kaufladen zu spielen. Lustig, aber Jeff ist der Gründer von Amazon, der Mann der den Einzelhandel vernichtet hat. Im aktuellen Comic ist er auch der Gründer von “The Shop” (aka Amazon), der in Quality Land von Kling eine ewig störende Rolle spielt.


    Das Lachen blieb mir aber auch oftmals im Halse stecken, So auf den Seiten 19 bis 21, als Elon und Jeff darüber sinnieren, weshalb die Menschen Multimilliardäre nicht mögen, und sie zur einzigen Schlussfolgerung kommen, es wäre der pure Neid. Die Menschen gönnen ihnen den Reichtum nicht. Ebenfalls konnte ich nicht richtig lachen, als die beiden zur Erde zurück wollen, aber wegen dem Kessler Syndrom nicht zurück können. “Das Kessler-Syndrom, oder auch Kessler-Effekt, ist die angenommene kaskadierende Zunahme der Zahl kleiner Objekte des Weltraummülls durch zufällige Kollisionen.” (Wikipedia). 2009 kam es zu einer ersten bekannten Kollision zweier Satelliten. Im Januar 2025 zerfielen 120 Starlink Satelliten (gehören zu SpaceX, d.h. Elon Musk) von derzeit 8542 Starlink Satelliten im Orbit. Wer kann da noch lachen?


    Der Text ist genial herrlich. Ironisch, humorvoll, oftmals sarkastisch und voller Anspielungen auf aktuelle Personen

    Wie grausam können Menschen sein?

    Ein Mordopfer mit dem Kopf eines Nilkrokodils liegt in einer Barke im Wasser. Die Art von Barke kennt man in Skandinavien nicht. Ich musste sofort ans alte Ägypten denken. Sobek, der Gott mit Krokodilskopf, Beschützer, der aber auch mit dem Tod in Verbindung gebracht wurde. Und der Kahn erinnert an eine altägyptische Barke. Als ein weiterer Mord mit Bezieung zur altägyptischen Mythologie und Kultur geschieht, wissen Jon Nordh und Svea Karhuu, dass sie es mit einem Serientäter zu tun haben und zusammen mit ihrem Team beginnen sie mit den Untersuchungen. Es verschwinden noch ein dreizehnjähriges Mädchen und eine True Crime Podcasterin.

    Immer wieder wird dieser Erzählfluss unterbrochen durch kursiv geschriebene Kapitel, die scheinbar nicht hierher gehören, eine Tragödie, die sich 1980 ereignet hatte, als ein Schiff eine Brücke zum Umsturz brachte und dadurch etliche Menschen die die Brücke in ihren Autos überqueren wollten, zu Tode kamen. Die nächste kursiv geschriebene Erinnerung begleitet Peter, ein deutscher Junge, als Kindersklave in der Colonia Dignidad in Chile, danach sein Ausbruch und wie er als Matrose auf einem Schiff anheuert, da einige Jahre verbringt. bis er schließlich 1985 mit einem anderen Matrosen in Port Said in Ägypten von Bord geht. Ihr Leben in Ägypten wird von einer Schatzsuche bestimmt. Das letzte Kapitel ist auch in der Kursivschrift und führt zum Lösen des Falls.

    Die kursiven Kapitel und die Ermittlungen der beiden Kommissare bilden die Haupthandlung des Thrillers. Parallel dazu aber gibt es noch die persönlichen Geschichten und Fälle von Svea Karhuu und Jon Nordh. Karhuu wurde nach Malmö strafversetzt, nachdem sie in Notwehr einen korrupten Polizisten getötet hat. Nordh trauert immer noch um seine Frau, die in einem Autounfall verstarb. Aber neben ihr saß ein Polizist, Nordhs bester Freund und anscheinend Geliebter seiner Frau. Beide, Karhuu und Nordh ermitteln auf eigene Faust in ihren privaten Fällen, keiner sagt dem anderen, woran sie nebenbei arbeiten. Im Hauptfall, den sie beide verfolgen, arbeiten sie exemplarisch zusammen. Man möchte ihnen am liebsten zurufen, sprecht euch aus, unterstützt euch auch in diesen privaten Fällen, vielleicht könnt ihr dann auch hier zu einer restlosen Klärung und inneren Frieden finden. Aber vielleicht ist das für einen der nächsten Krimis von Voosen und Danielsson angedacht, wir wollen hoffen.

    Der Thriller ist absolut aufregend, mit spannenden Verhören, in denen sich die Verhörten durch Mimik und Gestik selbst verraten, atemberaubenden Action-Showdowns, wie sie Quentin Tarantino kaum besser ins Bild setzen könnte. Dazwischen kleine Exkurse in die altägyptische Mythologie, die interessant, aber keinesfalls belehrend sind. Sie unterstützen die Handlung, helfen uns, die quere Denke des Täters zu begreifen.

    Von mir klare Leseempfehlung: Thrillerfans kommen voll auf ihre Kosten.

    Chick Lit reinsten Wassers

    Bei solchen Büchern, so nah am Kitsch gebaut, ist das Ende wohl immer klar. Aber das ist nicht das Problem. Spannend ist der Weg bis zum Traualtar. Wird die eng- und kaltherzige strenge Mutter ihren Widerstand aufgeben und den Mann als Schwiegersohn akzeptieren? Wie werden Sopran und Heldentenor ihre Schwierigkeiten und Ängste überwinden? Bei diesen Büchern ist immer der Weg das Ziel, nie das Ende.

    Und Rebecca Yarros hat uns wieder einen schönen meanderreichen Weg geliefert in diesem Buch. Es dauert zwar etwas, bis alle Geheimnisse offenbart und alle Hindernisse überwunden und beseitigt sind, aber dann löst sich die Geschichte leider in Friede Freude Eierkuchen auf.

    Die Handlung ist schnell erzählt: eine einheimische bodenständige Familie mit drei Kindern, eine Tochter und zwei Söhne, warmherzig, offen, fröhlich, auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine reiche Familie, bestehend aus den Eltern und vier Töchtern, die jedes Jahr in diesen Ferienort eintreffen, sich abschotten und nur der Leidenschaft zum Ballett der Mutter frönen. Alle vier Töchter müssen Ballett tanzen, weil die Mutter ehemals eine Primaballerina war und die Töchter müssen den Traum der Mutter weiterführen. Hier regiert Strenge und Kaltherzigkeit. Klingt vorbestimmt. Aber die älteste Tochter steigt irgendwann aus dem Reigen aus und weigert sich zu tanzen. Die nächste Tochter ist sehr talentiert, die Mutter konzentriert sich voll auf sie. Als diese Tochter in einem Autounfall stirbt, muss die nächste Tochter ran. Und da kommen die Söhne der einheimischen Familie ins Spiel. sie verlieben sich in die Töchter 2 und 3. Aber nach dem Tod der einen Tochter ändert sich alles. Nun wird Tochter Nr. 3 von der Mutter gezwungen, die Rolle der verstorbenen Tochter zu übernehmen und ein Star der Ballettszene zu werden am Balletttheater in New York, wo die Mutter einst eine berühmte Tänzerin war. Der Junge wird zum Rettungsschwimmer und rettet zahllosen Menschen das Leben.

    Nach Jahren sehen sie sich wieder, die Liebe ist immer noch da, aber durch die Umstände und die Lügen der Mutter, die sich gegen diese Liebe stemmte, wird es dauern bis sie zueinander finden. Die Komplikationen sind wirklich interessant und spannend, denn die Mutter hatte weit mehr Schuld auf sich geladen, als anfangs vermutet. Das ganze Ausmaß ihrer Intrigen wird erst zum Schluss offenbart. Aber wahre Liebe kennt keine Hindernisse.

    Da hier ganz klar der Weg das Ziel ist, war es interessant das Buch zu lesen, die Irrungen, Kabalen und Verwicklungen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, zu lesen. Ein paar explizite Sexszenen gibt es hier auch, kommt wohl kein Buch heutzutage mehr ohne aus. Manchmal frage ich mich, wie Jane Austen, die Brontè Schwestern oder Thomas Hardy ohne sie ausgekommen sind

    Glücklich durch Krankheit


    Was Neil Shusterman da präsentiert ist eine solche skurrile und schräge Utopie, dass sie schon wieder gut ist. Man stelle sich vor, ein neuer Corona Virus grassiert in der Welt, die Sterblichkeitsrate ist genauso hoch wie bei dem Corona-Virus 2020 - 2022, aber die Menschen, die daran sterben, sterben glücklich und die Überlebenden wissen die wahren Werte des Lebens wieder zu schätzen. Eine Krankheit, die die Menschen glücklich macht, die all ihre Sorgen und Ängste reduziert, die ihnen hilft, besser durchs Leben zu kommen und zufrieden zu sein, mit dem, was sie haben. Das ist reinstes Nirvana. Solch eine Krankheit wünsche ich mir auch.

    Die Reichen verschenken ihre Häuser, ihre Autos, ihr Hab und Gut, helfen den Bedürftigen, leben nun frei und ohne Sorgen um den nächsten Tag. Nur hat das Ganze auch einen Haken: die Menschen frönen nicht mehr der Konsumgesellschaft. Der Verkauf von Autos, Kleidung, Elektrogeräten, alles ist zurückgegangen. Luxusgüter werde überflüssig, da die Menschen nur danach trachten, ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Und weder Porsche noch Caviar gehören dazu.


    Und es kommt, wie es kommen muss. Die Großindustriellen, Die Reichen und Superreichen,d ie die Krankheit noch nicht hatten, wehren sich dagegen, isolieren ich, suchen fieberhaft nach einem Impfstoff gegen Crown Royale, wie der neue Virus heißt, während die Überlebenden zufrieden sind mit dem was sie haben und ihrerseits versuchen, den Virus weiter zu verbreiten. Mitten drin, Mariel und Ron. Mariel ist eine der wenigen Personen, die immun gegen Crown Royale ist und Ron ist nach der Krankheit genesen und wird zum Superspreader, er kann alle Menschen um sich anstecken. Alle außer Mariel. Parallel dazu gibt es andere Menschen, die auch gegen oder für die Krankheit sind und nichts unversucht lassen, ihren Standpunkt zu behaupten. Es kommt zu einigen sehr rasanten und spannenden Showdowns. Das Ende hat mir am besten gefallen. Es endet ohne ein klares Ergebnis. Die Bösen und die Guten überleben, der Impfstoff bekämpft zwar Crown Royale aber ist auch sehr gefährlich. Es stellt sich nun die Frage, die Neal Shusterman leider nicht beantwortet: was passiert wenn jemand, der schon Crown Royale hatte, nun den Impfstoff verabreicht wird? Denn um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, muss die Menschheit wieder in ihren ursprünglichen Stand zurück gesetzt werden, mit dem Streben nach Reichtum, Besitz, Porsche und Caviar.


    Wunderschön schräge Utopie die existentielle Fragen aufwirft

    Magische Farben

    Ein junges Mädchen mit magischen Fähigkeiten versucht diese zu verbergen. Ihre Eltern und die Dorfgemeinschaft, in der sie lebt, sind gegen ihre Magie, halten sie für tollpatschig und einen Störenfried. Sie darf auch nicht am Dorffest teilnehmen. Sie bleibt allein zu Hause und während sie im Garten ihre Magie anwendet, wird sie beobachtet von einem Mann. Es ist der stumme Henker der Königin. Der Mann entführt sie in der stille der Nacht, bringt sie auf die Hauptinsel. Da soll sie ihm helfen, die böse Fae Königin zu stürzen. Dafür muss sie sich als seine Geliebte ausgeben. Aber zwischen Emelin und Creon knistert es, sie fühlen sich zueinander hingezogen. Die Szenen sind lustig und gefährlich, wo sie vor der Königin ein verliebtes Paar spielen. Sie gibt sich als das verliebte Dummchen, das ihre Liebe laut deklariert, während Creon sie still duldet, aber sie zwingt, sich auf seinen Schoß zu setzen.

    Die Magie der Fae, und Emelin ist auch eine Fae, ist ein Zauber der Farben. Rot kann zerstören, blau kann heilen. In den richtigen Händen. Die Ich-Erzählerin, Emelin, kann das, muss ihre Kräfte aber verbergen. Weder Menschen noch auf der Hauptinsel die anderen Fae dürfen etwas davon erfahren.

    Lisette Marschall webt ein zauberhaftes Band durch diese Geschichte, hält die Leserschaft mal durch Spannung, mal durch erotische Szenen oder ganz interessante Gestalten, die im Buch auftauchen, bei der Stange.

    Am besten gefiel mir der geheimnisvolle Berg, der voller magischer Fähigkeiten steckt und dem Emelin seine Geheimnisse entlockt. Der Berg hilft ihr dann bei ihrem Plan, die Königin zu erblinden.

    Leider endet das Buch in einem Cliffhanger. Zumindest hängen Emelin und Creon nicht tatsächlich an einem Felsen fest, aber sie werden auf eine andere Insel oder andere Welt teleportiert. Wie es da wohl weitergeht? Wird es ihnen gelingen, die böse Fae-Königin zu bezwingen?


    ASIN/ISBN: 3499017733

    Peggy Guggenheim, eine Frau, die Geschichte geschrieben hat


    Im Allgemeinen bin ich nicht für Biographien zu haben. Aber bei Peggy Guggenheim und der Buchautorin mache ich gerne eine Ausnahme. Der nüchterne, klare Stil ist passend zum Sachbuch und zum Thema. Sie scheut sich nicht, den Finger tief in die Wunde zu drücken und den Antisemitismus in den Vereinigten Staaten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts offen zu legen. Mit anderen Worten, der Antisemitismus ist nicht eine deutsche Erfindung.

    Mona Horncastle romantisiert und beschönigt nichts. Peggy Guggenheim polarisiert. Für die einen ist sie die große Mäzenin, die die moderne Kunst im 20. Jahrhundert gefördert hat, hat vielen Künstlern zum Durchbruch verholfen, hat sie gefördert, hat sie aus Deutschland und Frankreich zur Zeit des Nazi-Terrors herausgeholt, hat ihre “entartete” Kunst durch die Wirren des Krieges gerettet und mit Ausstellungen, Retrospektiven, Gründung von Museen und Sammlungen die Kunst gerettet. Für die anderen ist sie nur ein Vamp, eine Frau mit zu vielen Liebschaften, eine schlechte Mutter, schlechte Ehefrau, usw. Das sind aber nur die, die einer Frau ein eigenes Leben aberkennen, sie auf die Rolle des Heimchens am Herd und der Mutter reduzieren wollen. Aber das wollte Peggy Guggenheim nie. Als junge Frau weigert sie sich, einen der “begehrenswerten jungen Männern aus jüdischen Kreisen” (S. 34) zu heiraten.

    Nach dem Ersten Weltkrieg reist Peggy nach Europa, verbringt viel Zeit in Paris, lernt die jungen angesagten Künstler kennen und beginnt damit ihre Karriere als Mäzenin. Das Buch verfolgt akribisch ihr Leben, ohne voyeuristisch zu wirken. Zahlreiche Bilder zeigen Peggy auf ihren Stationen im Leben.

    Mona Horncastle hat bewusst einige Themen aus Peggy Guggenheims Leben ausgelassen, so z.B. ihr Liebesleben, denn das “gehört in den Boulevard”. (S. 194)

    Sie stellt auch die Frage, wenn Peggy Guggenheim ein Mann gewesen wäre, wie er dann beurteilt worden wäre? Niemand hätte ihn nach Ehefrauen, Kindern, Geliebten oder Aussehen gefragt. Man hätte sich nur für seine Sammlungen und Kollektionen, für sein Lebenswerk interessiert. “Das steht auch Peggy Guggenheim zu”. (s. 194)

    Von Menschen und Elefanten


    Noch während der Scholz-Regierung hatte die Bundesregierung beschlossen, die Einfuhr von Jagdtrophäen und Elfenbein zu beschränken, beziehungsweise zu erschweren. Dieses Gesetz wurde zwar von den Grünen sehr begrüßt, stieß aber auf wenig Gegenliebe bei den afrikanischen Ländern. Der Präsident Botswanas bot an, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu senden. Aus dieser kleinen Randnotiz hat Gaea Schoeters einen herrlichen Roman gemacht!

    Allein schon der Gedanke von 20.000 Exemplare einer invasiven Art in Berlin lässt allen Nicht-Berlinern das Herz höher schlagen. Aber im Buch taucht auch der Gedanke der Umverteilung auf, und sofort sind Baden-Württemberg und Bayern auf den Barrikaden und verweigern den Elefanten den Zutritt. Spannend (oder eigentlich nicht) war auch die Haltung der Parteien zu beobachten. Anfangs waren die Grünen voll dafür und verteidigten die Rechte der Elefanten, nahm die Zustimmung ab, in den Maßen in denen die Elefanten immer lästiger wurden. Die AfD blieb ihren Leitsätzen treu. In diversen hetzerischen Artikeln ziehen sie über die afrikanischen Elefanten her, die den Deutschen Lebensraum wegnehmen, die deutschen Äcker, den deutschen Wald, die deutschen Flüsse, die deutschen Vorgärten betreten und vor allem DEUTSCHE Autos zerstören. (Der ahnungslose Deutsche rast halt mit seinem deutschen Wagen auf einer deutschen Autobahn in eine Elefantenkuh die die Fahrbahn überqueren wollte) Aber außer den hetzerischen Artikeln und Reden trägt die AfD mit keinem Jota oder Gedanken zur Problemlösung bei. Es geht um den “totalen” Wahlkampf. Denn natürlich stehen Wahlen bevor. Und pünktlich zur Wahl gelingt das Wunder: die Bundesregierung findet einen Abnehmer in Afrika für alle Elefanten.

    Die Probleme, die während des Aufenthaltes der Elefanten in Deutschland entstehen, wie z.B. das Futter für die Elefanten, tausende von Tonnen Dung, die täglich anfallen, durchwühlte Äcker, usw., werden auch angesprochen, mehr oder weniger elegante Lösungen, sogar Export von Dünger, gefunden. Aber der Abtransport nach Afrika löst alle Probleme, die bestehende Regierung gewinnt knapp die Wahlen, zweitstärkste Kraft ist die AfD, Und die kleine Notiz in der Zeitung auf eine der hinteren Seiten geht unter, in der Euphorie der Wahlen.

    Satire in Reinstform, ich habe jede Seite einzeln genossen, wohlwissend, dass 20.000 Elefanten wohl nie in Deutschland Fuß fassen werden.

    Inseln und ihre Bewohner

    Kleine bewohnte Inseln an der US-Atlantik Küste. Die Menschen die hier leben, sind in zwei Lager geteilt. sie stehen sich auf keinen Fall feindlich gegenüber, aber eine Trennung besteht doch: einerseits die ständigen Bewohner der Inseln, andererseits sind da die Sommergäste, die vor Beginn der Herbststürme zurück in ihr Leben auf dem Festland der USA kehren. Aber es gibt auch Menschen, die kommen und dann bleiben. Die hier ihr Zuhause finden, Und da keiner der Bewohner der Inseln vor der Küste von Maine zu der indigenen Gruppe gehört, sind sie alle im Laufe der Zeit mal hinzugekommen. Es ist nur der Unterschied, gekommen um zu bleiben oder als Sommergast. Die drei Frauen, Ann (72), Julie (24) und Mina (28) gehören unterschiedlichen Generationen an, Julie und Mina sind hinzu Gekommene, alle drei werden zu Hummerfischerinnen, essen aber keinen Hummer. Hummer ist ihr Broterwerb.

    Ann ist Witwe, sie denkt oft an ihren verstorbenen Mann und an ihr Leben zurück, an die Rückschläge aber auch an die schönen Momente. Julie überlebte einen schweren Unfall, arbeitete viele Jahre als Hummerfischerin auf der Insel, hatte zum Schluss ihr eigenes Boot. Als NAt, ein Hummerfischer, Witwer wird, verliebt sich Julie in ihn, aber beide tun sich schwer mit ihrer Liebe. Nats verstorbene Ehefrau hatte schon in ihren letzten TAgen bestimmt, Nat müsse Julie heiraten, damit er versorgt ist. Aber Julie will mehr vom Leben, von Nat. Sie müssen beide einige Stolpersteine aus dem Weg schaffen, bis sie zueinander finden. Mina, die jüngste, der drei Hummerfischerinnen, war als Kind jeden Sommer auf der Insel, war unzertrennlich mit Sam, dem Sohn eines Hummerfischers. Die Väter waren auch gut befreundet, nur Minas Mutter hat nie in die Gesellschaft der Insel Zugang gefunden. In einem Sommer weigert sich die Mutter, auf die Insel zurückzukehren. Und dabei bleibt es. Mina ist unglücklich, kann nicht verstehen, weshalb. Und so kehrt Mina, als Erwachsene, allein auf die Insel zurück. Dabei wäre sie fast ertrunken. Sie findet Zuflucht bei Ann, so wie Jahre zuvor auch Julie bei Ann einen sicheren Hafen fand. Ihr Wiedersehen mit Sam, dem Jungen aus ihrer Kindheit, mit dem sie so viele glückliche Stunden verbracht hatte, verläuft etwas holprig. Ein Wiederanknüpfen an ihre Kindheit ist nicht möglich, sie müssen von Neuem zusammenfinden. Sam musste, nach dem Tod seines älteren Bruders, seine Träume aufgeben und Hummerfischer werden, obwohl er ganz andere Lebenspläne hatte. Die drei gEschichten von Ann, Julie und Minna haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Sie verbindet die Hummerfischerei, die Liebe zum Meer und zu der Insel, und sie geben sich Halt einander. Das Ganze wird so einfühlsam, ohne Pathos, und unaufgeregt erzählt. Erst ein Satz am Ende eines Gespräches, eine Bemerkung im Weggehen, eine kurze Erklärung, zeigt die unausgesprochenen Probleme auf, den Schmerz, der in den Menschen steckt, aber auch die Liebe und die Freude.

    Last but not least, ist Mr. Darcy da. ein großer blauer Hummer, der in Anns Haus in einem Aquarium lebt, wird von den drei Frauen gerne aus dem Aquarium geholt, gestreichelt und an den Fühlern gekrault. Alle Versuche, ihn wieder ins Meer zu lassen sind gescheitert, Mr. Darcy kehrt jedes Mal zurück zu Ann. Ein Hummer als Haustier ist ein stoischer und hartnäckiger Geselle

    Man muss dieses Buch nicht gelesen haben, aber es bereichert den Lesenden und lässt einen leisen, wehmütig-schönen Geschmack zurück- Lest es!

    Schon das Titelbild mit der Gerichtsperücke versetzt uns in die Atmosphäre des Romans. Am Anfang steht eine Schlägerei zwischen Jugendlichen, die für einen der Teilnehmer tödlich endet. die anderen Teilnehmer an der Prügelei laufen weg, zurück bleibt Emmet, der versucht dem Opfer noch zu helfen. Das Opfer ist weiß, Emmet ist schwarz. Sofort ist für alle klar, nur und allein Emmet kann der Mörder sein. Emmets Pflichtverteidigerin, Rosa Mercedes Higgins, gehört auch zu den colored people. Sie spürt instinktiv, da stimmt etwas nicht und beginnt selbst mit den Ermittlungen, schon weil Emmet jede Aussage zum Mordfall verweigert.


    Der flüssige Schreibstil, die angenehm kurzen Kapitel halten die Spannung auf konstant hohen Level auch wenn ab und zu kleine Absacker drohen. Die Spannung bleibt bis zum Schluss auch deswegen erhalten, weil an unerwarteten Stellen plötzlich Wendungen ins Spiel kommen, die das Geschehen in ein anderes Licht tauchen.


    Die Darsteller kommen sehr sympathisch und lebensecht rüber. Die Rechtsanwältin, ihre Großmutter, ihr kleiner Bruder, aber auch Emmet, der vermeintliche und schon vorverurteilte Mörder.

    Grandios fand ich, wie Higgins vor Gericht einem anderen Delinquenten bis zum Prozess das Gefängnis ersparte, indem sie in den altehrwürdigen Mauern des Gerichtssaals ihr Handy zum Einsatz brachte.


    Das Buch gewährt interessante Einblicke in das britische Justizsystem und deckt den immanenten Rassismus darin auf. Obwohl, ob die deutsche Justiz und ihre Behörden zu 100% frei von jedweden Rassismus oder Vorurteilen sind, wage ich in Frage zu stellen, zumindest sehr zaghaft.


    ASIN/ISBN: 3518474863

    Dat du min Leevsten büst

    Den trockenen Humor Anna Maschiks muss man erst mal bringen, begreifen und auf der Zunge zergehen lassen. Einen Absatz im gleichen Wortlaut wiederholen und nur der erste und der letzte, kürzeste Satz ist leicht geändert. Welch ein Unterschied!

    Dabei sagt sie Unsägliches, wie Leben in einer Diktatur oder wie der Krieg auf die Daheim gebliebenen wirkt. Wenn alles plötzlich für kriegswichtig erklärt wird, muss man ein Schaf heimlich schlachten, um die Familie zu ernähren.

    Mein Urgroßvater hatte damals, in Siebenbürgen, einen Weinberg. Als die Wehrmacht ins Dorf einmarschierte, wurde der Wein plötzlich auch für kriegswichtig erklärt. Die Soldaten machten im Herbst die Weinlese, kelterten den Wein und füllten ihn in Fässern ab, die auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Pferde, Rinder, die Weizenernte, alles war kriegswichtig und verschwand. Nur die Offiziere und Soldaten die unentgeltlich bei den Dorfbewohner einquartiert waren, blieben bis der Befehl zum Abzug kam. Da war nichts mit heimlich schlachten, die Besatzer wohnten ja mit im Haus. Also ja, ich kann Henrike gut verstehen, die in der verhangenen Waschküche das Schaf heimlich schlachten muss. Oder wieso dem Metzger der Prozess gemacht wird, weil er einen Schweinehuf zu viel bei einer Überprüfung hatte. Das gab es im Dorf meines Urgroßvaters auch.

    Mit ganz wenigen Worten und 21 Wiederholungen stellt Anna Maschik das Drama einer Mutter dar, die um ihren schlafenden Sohn bangt und die Tochter dabei vernachlässigt. Zum Glück hat Hilde noch den Vater, der versucht, die Kälte der Mutter wettzumachen. Als der schlafende Sohn nach 16 Jahren aufwacht, lebt auch die Mutter auf. “An diesem Tag ist nicht nur Benedikt erwacht, sondern Henrike mit ihm. Georg verzeiht ihr nicht, dass sie nicht auch für Hilde erwachen konnte.” (S. 56) Dieser letzte Satz macht das ganze Drama dieser Familie offensichtlich.

    Als der Krieg nun endgültig ins Land kommt und die Flieger über das Dorf hinwegfliegen, wendet Maschik wieder das Stilmittel der Wiederholung an: Vier Absätze beginnen mit dem gleichen Satz: “Als die Flieger kommen, ist…” und die Position und Haltung der Mitglieder dieser Familie wird beschrieben: Hilde, die Mutter ist bei den Schafen im Stall, ihr erster Gedanke ist, wie gut, dass die Vorratskammern gefüllt sind, weil auch dieser Krieg länger dauern wird. Sie hat kein Vertrauen in Kriege, den ersten hat sie noch nicht richtig verwunden. Georg, ihr Mann, ist mit dem Pflug auf dem Feld. “Es wäre besser, denkt er, wenn sein Sohn noch nicht aufgewacht wäre” (S. 72). Denn der Sohn hängt braunem Gedankengut nach. Benedikt selbst ist beim Schuster im Dorf. “Er denkt, das wurde aber auch Zeit”. (S. 73) Allein Hilde ist auf einer Brücke über dem Bach. Das ist bezeichnend. Brücken sind eine Verbindung zwischen Wegen, zwischen hier und dort, zwischen morgen und gestern. Hilde weiß nicht, was Krieg bedeutet, Sie lacht mit der ganzen Unschuld eines unwissenden Kindes. Danach, als der Krieg sich jahrelang hinzieht und immer mehr Opfer fordert, wird sie den Krieg in all seiner Bitterkeit kennenlernen. Vater und Bruder werden eingezogen, ihr Verlobter, ein österreichischer Soldat, muss auch an die Ostfront.

    Die Geschichte wiederholt sich einigermaßen. Hilde hat mit Konrad zuerst einen Sohn, Wolfgang, der die ersten Jahre Vaterlos aufwächst, nach Konrads Heimkehr zieht die junge Familie nach Österreich, zu seiner Familie. Wolfgang wird von der Großmutter geliebt und aufgezogen, die Mutter muss im Betrieb des Vaters mithelfen, der Vater kann keine richtige Beziehung zum Kind aufbauen. Erst das zweite Kind, David, wird von den Eltern mit Liebe überschüttet und Wolfgang weiter an den Rand gedrängt. Und wieder wird die Wiederholung zum Stilmittel der Wahl, an Davids Bett singt die Mutter immer ein und dasselbe Lied, für Wolfgang sind keine Lieder übrig. Wolfgang versteht das nicht und lässt seinen Frust an David aus, während David aus einer anderen Perspektive sieht: “Er fragt sich, was Wolfgang falsch gemacht hat, und nimmt ihm übel, dass er die Eltern ganz allein glücklich machen muss.” (S. 145)

    Egal wo die Familie ist, ob im hohen Norden, an der See oder in Österreich, jedes Mal kommt die Hebamme Anna zu den Geburten und Nora, um die Toten zu begleiten. Und die schon Vorausgegangenen, die Verstorbenen kommen um die Sterbenden abzuholen, ihnen den Weg zu weisen. Dies ist auch so eine Art Wiederholung, die sich durch das Buch zieht und auf die Kontinuität der Familie hinweist. Als Hilde an der Reihe ist, steht Nora schon da, hinter ihr stehen Henrike, Georg, Benedikt und Konrad. Genauso auch bei Miriams Tod, der Mutter der Ich-Erzählerin. Es kommen Henrike, Georg, Benedikt, Ludwig, Maria, Ludwig, Hilde, Wolfgang, David. Zuletzt kommen Anna, die Hebamme und Nora, die freundliche Todesbotin. Das ist die letzte Wiederholung im Roman, sie schließt und rundet die Geschichte ab. Es liegt nun an Miriams Tochter, die Geschichte fortzusetzen, mit den Wiederholungen und der Gewissheit, die Vorangegangenen sind in irgendeiner Form immer noch dabei.

    Die Wiederholungen ziehen sich durch das Buch, als Stilmittel und als Wegweiser



    ASIN/ISBN: 3630878148

    Neuer Blick auf Afrika

    Die beiden weiblichen Hauptgestalten, Mira - Tantine Mireille und Bijoux wirken sehr lebensecht und natürlich. Beide werden in Zaire, bzw. Kongo geboren, leben eine Zeitlang in Kinshasa, bevor sie nach Europa auswandern. Im Abstand von 12 Jahren kommen sie nach Europa. zuerst Mira, über Belgien, Paris und dann London, danach ging Bijoux direkt nach London zu Tantine Mireille. Bijoux hat mir richtig leid getan. Ihre glückliche Kindheit bei ihren Eltern und Großeltern in Kinshasa geht jäh zu Ende, als nach Ausbruch von Unruhen in der Hauptstadt, ihre Mutter sie nach London bringt, zu der kaltherzigen Tantine Mireille. Dabei hat Mireille nur Angst vor erneuten Unruhen in der Demokratischen Republik Kongo und will das Kind in Sicherheit bei sich wissen.

    Peu á peu erfahren wir, wie aus Mira, dem jungen Mädchen voller Liebe, die kaltherzige Tantine Mireille wurde, wie sie überhaupt überlebte. In Paris verliebt sie sich in einen Mann, Alexandre, sie heiraten und kurz darauf stirbt er an Aids. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre war Frankreich von einem Skandal erschüttert. Es starben etliche Menschen an AIDS wegen verseuchter Bluttransfusionen. Alexandre ist einer von ihnen. Nach Bekanntgabe der Todesursache wird Mira sofort von der schwarzen französischen Parallelgesellschaft gemieden. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als nach London zu gehen. Ohne die Sprache zu sprechen, ohne einen Menschen zu kennen, ist sie verloren, bis sie auf streng evangelikale Schwarze trifft, Schwester Francine, Vater und Mama Pasteur, die sie aufnehmen, ihr helfen, auf die Füße zu kommen. Sie wird auch streng gläubig und in diese Atmosphäre holt sie Bijoux zu sich.

    Bijoux entwickelt sich anders. Sie wird zur Lesbe, versucht die Ehe mit Bruder Fabrice, nachdem sie einen Exorzismus über sich ergehen lässt. Doch ihre wahre Natur kann sie nicht leugnen. Ihre Ehe ist ein Fiasko, die Liebe zu Chancey ist die Rettung für Bijoux. Endlich akzeptiert auch ihre Familie das und sogar Bruder Fabrice und seine Mutter akzeptieren Chancey.

    Das Ende des Buches endet in einem versöhnlichen Ton, die offenen Fragen werden geklärt, das Kind, das Bijoux in sich trägt, wird in eine harmonische bunte Familie hineingeboren werden.

    Die Handlung des Buches findet auf verschiedenen Zeitebenen und unterschiedlichen Orten und Ländern statt. Afrika und Europa sind die geografischen Parameter, 1974 bis 2007 ist die Zeitachse, entlang derer die Stationen im Buch spielen, aber nicht linear, sondern abhängig davon, welche Person gerade im Blickpunkt ist, ist mal ein Jahr, mal ein anderes im Vordergrund. Gleichzeitig wird damit auch der gesellschaftliche Wandel illustriert. Zwischen 1974 und 2007 liegen Welten.

    In einem einzigen schmalen Buch bringt Christina Fonthes viele schwere Themen zur Sprache: Strenggläubige, Femizid, Aids, Queere Menschen, Bürgerkrieg, Zweitfrauen, Vergewaltigung, Flucht, Exil, Ausgrenzung, Parallelgesellschaft, Vorurteile, Gewalt, um nur ein paar Schlagworte zu nennen.

    Diogenes setzt mit dem Schutzumschlag die Tradition fort, auf weißem Hintergrund ein Bild zu bringen. Dieses Mal ist es ein Gemälde von Tamara Tashna Downes “Ngozi” (=gesegnet), das unglaublich gut zum Buch passt.

    Kennt ihr “The Fiddler on the Roof”, Buch und Film und Musical? Die Juden, die nach Pogromen und Verfolgungen nach Amerika auswandern? Auch da nehmen sie ihre Bräuche, strengen Gebote und Verbote mit, in Form des Fiddlers on the Roof. Wer braucht eigentlich einen Geiger auf dem Dach? Niemand. Und doch wird er überallhin mitgenommen. Die Iren, die nach der großen Hungersnot nach Amerika auswanderten, nahmen ihre Angewohnheiten, Traditionen und Gebräuche mit. Genauso die Italiener, mit der Mafia oder die Chinesen, die in jeder größeren amerikanischen Stadt ihr eigenes China Town bauten und bewohnten. Genauso tun es nun die Afrikaner.

    Was mich fasziniert hat, ist die Parallelgesellschaft der Afrikaner in Europa, egal ob Brüssel, Rotterdam, Paris oder London (wahrscheinlich auch Berlin, München, Köln). Die Afrikaner bleiben unter sich, helfen oder töten sich gegenseitig, lieben sich oder verstoßen ihre Mitglieder, aber kein Wort nach außen. Keine der Personen im Buch hat europäische Freunde, nur gesichtslose Arbeitskollegen. Das ist ein Zeichen von total missglückter Integration. Die Schulen sind graue Institutionen mit teuren Uniformen und kostspieligen Schulmaterialien. Auch da kommt es zu keinen Interferenzen. Die Afrikaner haben eigene Kirchen und Gebetsräume.

    Auch das Essen ist typisch afrikanisch, und wenn sie nicht an die Zutaten kommen, wird auch mit Spinat gekocht. Aber Speisen wie Fufu, Fumbwa, Kwanga, Madesu, Mikaté, Ngai-Ngai, Pondu, Tshaka Madesu lassen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, sie klingen so erdig und exotisch zugleich. Ich würde mal gerne einen Bulukutu Tee probieren. Er scheint für alles gut zu sein.

    Eine spannende neue Welt voller Magie und Gefahren


    Es ist eine Zeit des Umbruchs, in die uns Hazel McBride da stürzt. Nichts und niemand ist so, wie es scheint. Das altbewährte Matriarchat wird von Anhängern einer neuen Religion, die verdächtig an das Christentum erinnert, verdrängt, die Priester des neuen Gottes gewinnen Zulauf, vor allem durch die Menschen, die nicht der Magie mächtig sind. Neid und Missgunst sind schon eine starke Motivation, den Glauben zu wechseln. Die, die der Magie aber mächtig und kundig sind, müssen sie verstecken, dürfen sie auf keinen Fall offen zu Tage treten lassen. Die Priester der neuen Religion versuchen die Kneipenbesucher zu bekehren und sind entsetzt, dass sie keine neuen Proselyten machen können. Ich habe die Prügelei im Wirtshaus geliebt. Hat mich ein wenig an die Bud Spencer – Terence Hill Filme erinnert. Spielkarten wurden zu Waffen, Frauen kämpften mit, wunderschönes, heilloses Chaos.

    Aemyra, die Heilerin und Schmiedin, entpuppt sich als die wahre Thronerbin, die ihr Recht einfordert. Die Zweckehe mit Prinz Fiorean, dem mächtigsten Drachenreiter, ist zuerst nur ein politisches Bündnis, wird dann, im Laufe der Zeit, wie könnte es anders sein, zu mehr, und endet in Liebe. Aber mehr will ich nicht verraten. Die Intrigen und Kämpfe, die beide einzeln und gemeinsam bestehen müssen, sind Teil der Spannung und Faszination des Buches und lassen die Protagonisten mal mehr, mal weniger sympathisch erscheinen. Wir sind vielleicht nicht mit jeder ihrer Entscheidungen einverstanden, aber letzten Endes heiligt der Zweck die Mittel.


    Fazit: im Kampf Matriarchat gegen das schnell an Dominanz gewinnende Patriarchat haben mutige Frauen immer noch ein Wort mitzureden.


    ASIN/ISBN: 3352010137

    Im 20. Jahrhundert war es schwer, den Begriff Völkermord zu akzeptieren. Manche Länder, wie die Türkei, weigern sich auch heute noch den Völkermord an den Armeniern zuzugeben. Aber wie steht es mit Femizid? Das ist noch viel schwieriger. Es ist der stillschweigende, vielmals im Unterbewusstsein verankerte Schulterschluss der Männer, die die Anerkennung des Femizids verhindern. Ein gesellschaftliches Phänomen wird hier eingehend in Romanform geschildert.

    Die Handlung beginnt mit Lilianas Schwester, die 29 Jahre nach Lilianas gewaltsamen Tod Akteneinsicht bei den Behörden verlangt. Sie wird von Pontius zu Pilatus geschickt, alle wollen helfen, aber die Akte ist nicht da, sie ist drüben. Drüben auch nicht, vielleicht hüben. Diese Irrfahrten von einer Behörde der Stadt zu einer anderen, in verschiedenen Städten sogar, und die Akte bleibt unauffindbar. Wenn das Thema nicht so schrecklich wäre, müsste man an Asterix und Obelix im römischen Ämtergebäude denken, auf der Jagd nach einem nicht existierenden Formular. Aber hier geht es um eine real ermordete Frau und der Täter, obwohl bekannt, nie gefasst wird.

    Die meisten Femizide geschehen im häuslichen Milieu, Männer aus der Familie, Ehegatten, Partner sind die Täter. So auch Liliana, sie wurde von ihrem Ex-Freund getötet, der sie auch vorher schon misshandelt und geschlagen hat.

    Cristina Rivera Garza, die Autorin des Buches und Lilianas Schwester, lässt im zweiten Teil des Buches die Menschen aus Lilianas direktem Umfeld, Freundinnen, Freunde, Kollegen, Kommilitonen, Verwandte zu Wort kommen. Sie erzählen, wie beliebt Liliana war, was für eine Lebensfreude sie ausstrahlte. In all diesen Erinnerungen wird Liliana wieder lebendig. Alte Briefe, Notizen, Tagebücher, alles, was Cristina in Lilianas Unterlagen und der Familie findet, wird im Buch verwendet. Alte Fotos, die eine sympathische, lebensbejahende junge Frau zeigen, finden auch hier Eingang. Dadurch wird der Mord an der jungen Frau noch eindringlicher aber auch sinnloser. Gewalt ist immer sinnlos,

    Das Buch ist kein Roman im klassischen Sinn, obwohl er mit einer Handlung beginnt: Rivera Garzas Suche nach der verschollenen Akte durch die Ämter Mexikos kommt einer Romanhandlung sehr nahe. Aber, da die Ermittlungsakte unauffindbar bleibt, lässt die Autorin Liliana vor unseren Augen wieder lebendig durch die schriftlichen Zeugnisse, die sie hinterlassen hat, und durch die Erinnerungen all jener, die sie geliebt und geschätzt haben. So wird Liliana greifbar, sie ist das Opfer, das durch dieses Buch nicht in Vergessenheit gerät.

    Cristina Rivera Garza setzt mit diesem Werk ihrer Schwester ein eindringliches und ehrliches Denkmal wider das Vergessen.


    ASIN/ISBN: 3608966749

    Fantasy mit einem Quäntchen Wahrheit

    Innerhalb der eigenen Burg oder Stadt, innerhalb der Landesgrenzen, sind die von den Oberen postulierten Wahrheiten Gesetz, werden geglaubt und befolgt, ohne sie in Frage zu stellen. Klingt nach Diktatur? Ja. Nordkoreaner sind auch überzeugt, im besten Land der Welt zu leben und ihr Präsident liebt sein Volk. Und wenn aber Menschen dieses enge Land verlassen, erleben sie eine andere Welt, die bisher unumstößlichen Wahrheiten verschwinden, werden ersetzt.

    In Saara El-Arifis Roman erschließt sich den Lesenden eine komplett neue Welt. Eine Welt voller Magie, Zauber, Schönheit aber auch Leid, Hunger und Tod.

    Einst gab es Menschen, Elfen und Fae. Die Menschen und die Fae bekämpften sich, bis die Menschen ausstarben, die Elfen besiegten die geschwächten Fae die dann auch starben. Zumindest ist dies die offizielle Variante bei den Elfen. Aber in einer Höhle tief im Untergrund konnten die Fae überleben, wie wir erfahren. Frage: könnten auch die Menschen in einem anderen Roman der Trilogie überlebt haben?

    Das Buch beginnt mit einem Feldzug der Elfen gegen ein anderes Elfenvolk, bei dem dem Anführer der Elfen, die Kriegerin Yeeran ein fataler Fehler unterläuft, sie muss ins Exil, obwohl die Königin, die sie verstößt, ihre Geliebte ist. Lettle, Yeerans Schwester und Rayan, ein Krieger folgen ihr. die totgeglaubten Fae nehmen sie gefangen. Von da an entwickelt sich die Story mal mehr, mal weniger spannend.

    Die Themen, die im Buch behandelt werden sind komplex und sehr aktuell: Queere Verbindungen und Liebe, zwischen Fae und Elfen, aber hurra! auch Hetero-Liebe,Treue, Mord, Diskriminierung, arme und reiche Elfen. Die Fae sind stolz, bei ihnen hungert niemand und alle haben die gleichen Rechte. Alle, die über magische Kräfte verfügen. Die anderen Fae werden diskriminiert, werden “lichtlos” genannt und müssen niedrige Arbeiten verrichten.

    Fabelwesen gibt es auch, die Obeahs. Ein Obeah ist eine Art Reittier, Seelenverwandter mit seinem Reiter, sie sind aber auch zum Kuscheln und Trösten da, sind ihrem Fae oder Elfen treu und folgen ihm überallhin. Eigentlich wählt sich der/die/das (?) Obeah den Fae oder Elfen aus und nicht umgekehrt. Und wenn ein Obeah stirbt, stirbt auch der Fae oder Elf mit. Eigentlich wünsche ich mir auch solch ein Obeah. Gibt’s die bei Amazon?


    Fantasy und Queer vereint


    ASIN/ISBN: 3455019749

    Habe die Ehre, Herr von Herzfeldt!


    Schon zum vierten Mal beehrt uns Herr Leopold von Herzfeldt mit seinen wunderbaren Krimis. Ihm zur Seite steht immer noch Julia Wolf, nun nicht mehr Polizeifotografin, sondern Reporterin bei einer Wiener Zeitung, und Augustin Rothmayer, Totengräber am berühmten Wiener Zentralfriedhof. Auch in diesem Buch hat jeder von Ihnen mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen, von Herzfeldt mit dem Antisemitismus der ihn umgibt und mit der Entfremdung von seinem Vater, Julia Wolf kümmert sich um Sissy, ihre gehörlose fünfjährige Tochter, muss sich mit einem zurückgewiesenen Liebhaber auseinandersetzen. Sie macht langsam aber sicher Karriere bei der Zeitung mit hoch interessanten Reportagen, die vom Publikum sehr goutiert werden, auch wenn sie nicht immer über Mord und Totschlag schreibt, sondern ganz attraktive Pratergeschichten zum Besten gibt.

    Augustin Rothmayer sorgt sich einerseits um Anna, das junge Waisenmädchen, das bei ihm am Friedhof lebt und in die Lehre geht und die nun in der Pubertät ihre eigenen Wege gehen will und andererseits wird er von Polizei und dem Rechtsmedizinischen Institut um Hilfe gebeten. Augustin ist ein Experte des Todes, Ob es um Verwesungsgrade, Entomologie, Tötungsarten, sein Wissen ist allumfassend. Sein dritter Dorn im Fleisch sind die Bestattungsunternehmer, die die Angehörigen der Verstorbenen mit horrenden Preisen in den Ruin treiben.

    Und nun kommen ein paar Morde hinzu. Eine buchstäblich bei lebendigem Leibe zersägte junge Frau in einer Zauberschau und ein paar verschwundene junge Frauen, einfache Dienstmädchen oder Varieté Tänzerinnen, um die sich keine Familien oder andere Angehörige Sorgen machen. Schnell finden unsere drei Hauptermittler heraus, dass die Morde zusammenhängen.


    Die mitunter unorthodoxen Ermittlungsmethoden Herzfelds, die uns denken lassen, der Zweck heiligt die Mittel, lassen uns an gegenwärtige TV-Detektive denken. Die genauen Beschreibungen von Wien und Prater im ausgehenden 19. Jahrhundert haben mich richtig nostalgisch gestimmt. Ich liebe Wien, habe den Prater etliche Male besucht und nun kenne ich auch den historischen Prater, mit Klein-Venedig und den Kinemathoskop-Sälen. Die bewegten Bilder sind zu der Zeit gerade der größte Schrei in Wien und einige haben auch die Schattenseiten der neuesten Technik-Errungenschaft erkannt, die pornographischen Filme.

    Es gibt auch ein paar atemberaubende Showdowns, um Anna oder Augustin und vor allem um Julia. Aber die Verbrecher werden letzten Endes erwischt und kommen zu Tode, so dass die Honoratioren der Stadt und der hohe Adel nicht mit kompromittierenden Enthüllungen konfrontiert werden. Denn die verbotenen pornographischen Filme gehen restlos im Feuer auf und außer den Mördern kommt niemand zu Schaden.


    Und auch die Anfänge des Fußballs lassen sich in Wien nun feststellen. Von englischen Gärtnern eingeführt, findet das Spiel ums runde Leder schnell Liebhaber und die ersten beiden halbwegs professionellen Fußballmannschaften treten gegeneinander an.


    Über dem ganzen Buch schwebt der Wiener Scharm und Schmäh, die uns über die zuweilen gruseligen Szenen hinweghelfen.


    Ein Stück authentisches Wien, voll Schmäh und Charm

    10 Jahre nach dem Krieg

    Auch zehn Jahre nach dem Krieg hat sich an der Mentalität der Menschen noch nichts verändert. Ledige Mütter werden verdammt, müssen arbeiten und ihr Kind verschweigen, verheiratete Mütter dürfen nicht arbeiten, müssen nur für Mann und Kinder da sein. Die 68er Studentenproteste hatten Recht mit ihrem Slogan “Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren”.

    Hamburg 1955 ist aufgeräumt, vom wüsten Bombardement des Weltkrieges ist nicht mehr viel übrig, Der Wirtschaftsaufschwung ist im vollen Gange. Aber der Krieg wirkt immer noch nac. Viele Familien wurden auseinandergerissen, auf der Flucht oder durch Bombardements, und nun sind Kinder auf der Suche nach ihren Eltern und Eltern suchen verzweifelt ihre Kinder. Das rote Kreuz hat einen Kindersuchdienst eingerichtet, der Familien wieder zusammenführen soll. Ganz unterschiedliche, aber warmherzige Frauen arbeiten da, haben einen nicht gerade angenehmen Vorgesetzten, gegen den sie sich gegenseitig unterstützen, mit Tipps und Ratschlägen. Unter diesen Frauen sind in diesem ersten Roman der Reihe besonders Annegret und Charlotte im Fokus. Annegret weil sie alleinerziehend ist und das nicht bekannt werden darf. Sonst würde sie sofort ihre Stelle verlieren und sie ist eben auf das Geld sehr angewiesen. Annegret spart sich das Essen vom Mund ab, um ihrem kleinen Sohn Nahrung und Kleidung und ab und zu ein Eis zu gönnen. Dann muss die Gartenlaube im Winter auch beheizt werden, Strom gezahlt, und dergleichen mehr. Würde sie ihre Arbeit verlieren, wäre das eine Katastrophe. Annegret hat sich in der Schule nicht leicht getan, sie hat Lese- und Schreibschwierigkeiten. Heute würde man das wahrscheinlich Legasthenie nennen, aber 1955 nannte man das einfach nur “dumm” oder “zurückgeblieben”. Dabei ist Annegret nicht dumm, das bemerkt man, wie sie an die Fälle vermisster Kinder rangeht, was für einfühlsame Fragen sie stellt, und wie sie sich durchschlägt.

    Die andere junge Frau im Fokus dieses Buches ist Charlotte, Tochter aus gutem Hause, die es aber vorzieht, sich allein ohne der Hilfe ihrer Familie durchzuschlagen.

    Genau wie Annegret gelingt es auch Charlotte, vermisste Kinder aufzufinden.

    Die Freundschaft zwischen Annegret und Charlotte ist warm und echt. Ihre Zusammenarbeit, aber auch die Geheimnisse, die jede mit sich trägt, und ihre kleinen Makel, wenn man das so nennen darf, lassen uns, den Leserinnen, die beiden jungen Frauen ans Herz wachsen.

    Sehr realistisch werden die Bedingungen beschrieben, in denen die Mitarbeiterinnen des Kindersuchdienstes ihre Arbeit verrichten. Mit mühseligen Karteikarten, auf der einen Seite für die Kinder, auf der anderen für die Eltern. Die Angestellten fragen nach Namen, nach Erinnerungen, nach Orten, nach anderen Personen, die Auskunft geben könnten. Danach beginnt das mühselige Durchforsten beider Karteisysteme, ob man eine Treffer landet. Oder man fährt kurz entschlossen sogar ins feindliche, weil Osten, Lager nach Kaliningrad. Wohlgemerkt, alles ohne Computer, ohne Fax, ohne E-Mail, heutzutage undenkbar.

    Allgemein, was für Schwierigkeiten die Frauen in jener Zeit, eigentlich bis weit in die 70er Jahre hinein, hatten, merkt man auch an der Gesetzgebung der Bundesrepublik: Eigenes Konto - nur mit Zustimmung des Ehegatten oder des Vaters, Führerschein ebenso. Wenn sie eine Arbeitsstelle antrat, konnte der Ehegatte, der Vater oder auch nur der Verlobte, hinter dem Rücken der Frau und ohne ihr Wissen für sie kündigen. Weiterführende Schulen und Studium waren noch lange nicht selbstverständlich. Gewalt an den Frauen, Vergewaltigungen, Femizide - da gab man den Frauen die Schuld. Die armen Männer mussten ja auf die Provokation adäquat antworten.

    Dieses Buch erfüllt alle Anforderungen an eine gute Lektüre: angenehmer, flüssiger Schreibstil, sehr interessante und teilweise spannende Handlung, realer historischer Hintergrund, hinreißender Lokalkolorit, Liebe, Freundschaft und ein ergreifendes Titelbild. Alles da, alles richtig gemacht.

    Frauenrechte in der jungen Bundesrepublik? Weit gefehlt!

    Ein Thriller wie ein Blockbuster


    Ein rasanter Thriller, der mir allein schon durch die Vielzahl der geographisch weit auseinander liegenden Schauplätze aufgefallen ist. Denn irgendwie und irgendwo und logisch nachvollziehbar hängen die Schauplätze miteinander zusammen. Ein Flugzeug, das in München explodiert, hat Auswirkungen in Tokio. Macht Sinn? Ja, wenn man die Umstände kennt.

    Interessant fand ich, wie plötzlich die Menschheit um 70 Jahre zurückging, auf Abakus und Amateurfunk. Wenn man diesen Gedanken zu Ende spinnt, funktioniert auch keine Supermarktkasse, die Wasserversorgung, Ampelsysteme in den Städten, Müllabfuhr, alles, wo ein Fünkchen Elektronik dabei ist, muss runtergefahren werden.

    Doch zurück zum Buch: der rasante Stil gekoppelt mit den intensiven Dialogen, die Charaktere, die in kürzester Zeit sich zu einem funktionierenden und siegreichen Team zusammen schweißen, die Hollywoodartigen Showdowns, all das zusammen machen das Buch für Liebhaber dieses Genres sehr empfehlenswert.


    Interessant, wie wichtig alte Technologien plötzlich werden können


    ASIN/ISBN: 3423284722

    Mädchen aus dem Trailerpark

    Zuerst dachte ich, es handelt sich um eine Trailerpark-Geschichte: Mädchen aus unterprivilegierten Kreisen arbeitet sich hoch, rettet ihren Ziehbruder, setzt sich zur Wehr gegen die abusiven Pflegeeltern, besteht die Sculprüfungen und beginnt vom College zu träumen.

    Aber da ist viel mehr dran. Nicht menschliche Wesen bedrohen oder retten die Welt, magische Giftschlangen werden zu Freunden, heiße gefährliche Krieger der griechischen Antike werden zu Alexis Mentoren, zwei Lehrer der Spartan War Academy beschützen sie unauffällig, In all dieser dunklen Welt hat sie nur eine Freundin, eine unsichtbare Giftschlange, Nyx. Gemeinsam bestehen sie Abenteuer und Prüfungen und Kämpfe und Geländeläufe, alles tödliche Gefahren.

    Das Buch ist eine Dark Fantasy vom allerfeinsten, mit etlichen Showdowns, Theaterschlägen, viel Dunkelheit und Mystery. Die Kombination aus der griechischen Mythologie und moderner Dystopie fand ich sehr gelungen. Ab und zu wird die schwere Handlung von ein paar wenigen erotischen Szenen durchbrochen oder erhellt, die aber nicht in den Vordergrund drängen, sondern uns, der Leserschaft, eine kleine Abwechslung von all den Kämpfen, dem Hauen und Stechen gönnen.

    Die Zwiegespräche Alexis - Nyx, Alexis sarkastische Kommentare über ihre Umstände oder die Wesen, die sie umgeben, erheitern ab und zu das Geschehen, lockern den Stil etwas auf. Überhaupt, der flüssige Schreibstil, mal umgangssprachlich salopp, mal l humorvoll oder sarkastisch, nimmt einen immer mit.

    Insgesamt ist das Buch ein Page Turner reinsten Wassers. Ob in der Akademie in den Dolomiten oder in den wenigen Wochen der Erholung auf Korfu, ich habe das Buch in einem Rutsch ausgelesen.

    Dark Fantasy, dark Romantasy, Die Qual der Wahl bleibt den Lesern/Innen überlassen




    ASIN/ISBN:
    ISBN 978-3-596-71242-7