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Original von Historikus
Hallo,
der Tod ist sicher etwas schreckliches, trauriges, aber unausweisliches.
Um so blöder finde ich es, wie immer weniger Menschen mit dem Tod umgehen können.
Ich habe schon 2 Todeserfahrungen in meiner Familie mitgemacht, ich weiß worüber ich spreche. Ich habe damals auch ziemlich geweint, aber die Gestorbenen haben gewusst, dass sie sterben werden, und haben mich sehr darauf vorberitet.
Sie haben es tapfer alzeptiert, sie hatten schon ein langes Leben, und sind gefasst und recht zufrieden gestorben.
Ich wurde so auf den Tod vorbereitet und habe gelernt, es zu akzeptieren. Ganz brutal gesagt: Wenn es vorbei ist, ist es vorbei!
Früher war es so:
Gestorben wurde in er Familie, daheim. Oft waren die Kinder dabei, als der alte Mann den letzten Atemzug machte. Sie lernten von Anfang an, was Tod bedeutet. Sie weinten auch, aber sie schlossen aber gleichzeitig die Sache ab, weil sie gelernt haben, richtig zu trauern.
Dann kam noch etwas entscheidendes: Der offene Sarg. Es war ganz natürlich, denn Sarg nicht zu verschließen, sondern offen zu lassen, um zu sehen, dass der Tod doch natürlich ist, wie ein ewiger Schlaf.
So ist der Tod uns näher.
Doch heute wird der Tote in einen Sarg genagelt, versteckt, und möglichst gleich begraben, als würde man es gleich vorbei, nicht ordentlich verabschieden wollen.
Interessant: In südlichen Kulturen wird oft gefeiert anstatt getrauert. Man erinnert sich an die lustigen, guten Tage mit der toten Person.
Was denkt ihr darüber?
Gruß
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Ganz sicher haben wir es verlernt mit dem Tod als etwas natürlichem umzugehen. Bis mein Vater starb habe ich selbst Sterben und Tod nicht wirklich realisiert. Außer meinem Opa sind alle meine Angehörigen allein gestorben, in Krankenhäusern oder Altenheimen. Alle diese Menschen waren alt, hatten ihr Leben gelebt und waren ziemlich alt.
Mein Vater war der erste, den wir über viele Tage beim Sterben begleitet haben .............. mit der ganzen Familie. Wir 'wohnten' mehr oder weniger in seinem Sterbezimmer. Wir aßen, wir lachten, wir unterhielten uns und wir waren traurig. Es war ein seltsam fremder Zustand, den man nicht wirklich beschreiben kann. Trotzdem, als er starb waren wir traurig, wir haben geweint und ich zumindest war ziemlich konfus. Der Tod ist etwas endgültiges. Alles, was vielleicht noch hätte gesagt werden müssen ist zu spät.
Die Vorbereitungen für seine Beerdigung haben wir allerdings mit einer unvermuteten Ruhe getroffen. Wir waren alle sicher, dass wir ihm geholfen haben dadurch, dass wir alle bei ihm waren. Er hatte sich auch bei jedem einzelnen verabschiedet bevor er bewußtlos wurde und selbst in diesem Zustand hat er noch auf Händedruck reagiert. Das sind Dinge, die man nie vergessen wird und heute bin ich froh, dass es so und nicht anders abgelaufen ist.
Ca. 2 Jahre später hatten wir ein ähnliches 'Sterbeerlebnis' mit meinem Onkel, auch er war nicht allein.
Seitdem diese beiden Menschen gestorben sind habe ich eine andere Einstellung zu Sterbenden und zum Tod und mir macht es keine Angst mehr.
Vor fast genau einem Jahr bekam ich von der Polizei die Nachricht, dass mein Mann mit seinem LKW tödlich verunglückt ist. Die Polizisten erzählten etwas von Reanimation und verstorben und ich hatte nur dieses eine Wort 'Reanimation' im Kopf, das hieß Leben und nicht Tod und ich habe überhaupt nicht realisieren können/wollen, dass er wirklich tot ist.
Diesen Tod habe ich nicht mit klarem Verstand verarbeiten können und auch die Tatsache, dass wir alle sterben .......... irgendwann, hat mich nicht trösten können. Ich habe nichts, wirklich gar nichts mehr mit ihm besprechen können, ich habe keine Möglichkeit gehabt Abschied zu nehmen und selbst ins Krankenhaus, in die Pathologie hätte man mich nicht gelassen. Ich musste 4 Tage warten bis mein Mann überführt war und selbst dann war nicht sicher ob ich ihn sehen konnte. Die Entscheidung darüber wollte der Bestatter treffen. Ich durfte ihn sehen und ich habe ihn jeden Tag 'besucht' auf dem Friedhof.
Am Tag der Beerdigung habe ich dann erlebt, dass 'wir' relativ gefaßt mit dem Tod umgehen bzw. wir versuchen unsere Gefühle zu unterdrücken, was die Freunde und Angehörigen meines Mannes eben nicht taten. In der Heimat meines Mannes werden Tote gefilmt, beweint, angeschrien, es wird gebetet, gezetert und ich stand dabei, habe kein Wort verstanden und kam mir ziemlich hilflos vor und fühlte mich auch von dem ganzen Drum und Dran überfordert. Ich war kurz davor meine Fassung zu verlieren. Hätte ich nicht gewußt wie Beerdigungen in Ghana ablaufen, ich wäre schreiend vom Friedhof gerannt. Aber so war ich mir sicher, dass mein Mann genau DAS so gewollt hätte, es war seine Kultur, es gehörte zu den Traditionen seines Volkes.
Was mich bestürzt hat war der Wechsel von lautstarker Trauer mit Tränen ohne Ende zum Lachen und Quatschen ................ schon auf dem Weg zum Grab. Aber ich war letztendlich auch die einzige, die sich nicht anschließend darüber ausgelassen hat, für mich gehörte es dazu auch wenn es mir nicht angenehm war.
In den Monaten nach seinem Tod wurde ich mehr oder weniger 'fernbetreut', d.h., Angehörige meines Mannes aus aller Herren Länder riefen immer wieder an. Ich sollte nicht so traurig sein, ich sollte nicht so viel weinen ............. und jedesmal hatte ich weinende Gesprächspartner/innen am Telefon. Auch die Anteilnahme von Landsleuten/Nichtlandsleuten (aus anderen afrikanischen Ländern) hat mich ziemlich berührt. Menschen, die weder mich noch meinen Mann kannten haben in einer Art mit mir gesprochen, die ich von Deutschen nicht kenne. Viele Deutsche sind mir eher aus dem Weg gegangen, was hier an meinem Arbeitsplatz so weit ging, dass manche über Monate weder grüßten noch sprachen ............ sie machten einfach einen großen Bogen um mich als hätte ich die Pest.
Mir hat eigentlich in der ganzen Zeit am meisten geholfen, was mein Mann mir selbst über Sterben und Tod erzählt hat, wie er darüber denkt und wie in seiner Heimat damit umgegangen wird. Dort sind plötzliche oder frühe Tode sehr viel häufiger als bei uns. Kein Wochenende in Ghana wo nicht überall Totenfeste gefeiert wurden.
Das Totenfest für meinen Mann war dann auch so etwas wie der Abschluß all dessen was ich noch tun konnte für meinen Mann. Welche Bedeutung dieses Fest für die Angehörigen hat konnte ich daran sehen, wer alles aus welchen Ländern angereist kam. Eine Schwägerin kam nur für dieses Fest aus den USA.
Am letzten Freitag war der erste Todestag und es kamen einige ghanaische Freunde und Angehörige zu mir, anschließend fuhren wir zum Friedhof und ab jetzt wird das Grab nur noch alle 5 Jahre besucht (von den Freunden und der Familie). Für mich muss/soll jetzt ein neues Leben anfangen und ich fürchte, dass schon einige meiner unzähligen husbands mit den Hufen scharren ....................... aber ab da werde ich mich auf meine eigenen Traditionen und meine Kultur besinnen. Meine Männer habe ich mir immer noch selbst ausgesucht. Außerdem würde ich zur Zeit keine Gefühle investieren können. Für mich ist das ganze immer noch relativ frisch obwohl es mir besser geht.
Aber vermissen tu ich ihn, täglich. Wer mir das nicht zugesteht der kann mir gestohlen bleiben.
Gabi