Beiträge von B.Linzel

    Wie gesagt, hat mich sehr beeindruckt. Und wie das so ist, wenn ein Thema Gedanken und Phantasie angeregt hat: Ich stoße in den vergangenen Tagen immer wieder auf Passendes. Etwa beim jüngsten Geo-Epoche über die Germanen: Ich hab nicht gewusst, dass sämtliche Stämme zunächst eine Sprache sprachen. Sprache hat tatsächlich die Tendenz, sich zu verästeln und damit schlussendlich Menschen(gruppen) voneinander zu trennen. Natürlich ist das eigentliche Konstrukt hanebüchener Blödsinn. Babel und Babbeln, Enki und Ashera, die sich auf höchstem wissenschaftlichen Niveau bekriegen, Viren, die Computer, Körper und Geist gleichermaßen befallen, die über Blutaustausch übertragen werden, aber auch über den Blick auf ein paar Daten - in diesem einen Fall stört mich das alles gar nicht. Ist einfach eine trashige, gut erzählte Geschichte, die zu lesen Freude macht. Und eben visionär ist bis zum geht nicht mehr.

    Wenn mich etwas stört bei solchen Diskussionen: Es ist so unglaublich schwierig eine Diskussion mit jemandem zu bestehen, der einfach lächelnd auf seinen Glauben verweist. Fast die Hälfte aller US-Amerikaner hat mittlerweile ernste Zweifel an der Evolution. Auch, weil allen anderen der Streit über derart abseitigen Mist zu blöd ist. Was heißt hier: "Geologen berufen sich auf Biologen und umgekehrt. Beweisen kann's niemand". Doch.


    (Achtung und mit der Bitte um Entschuldigung für diesen erneuten Anfall von Schreibinkontinenz: Nur bedingt interessant. Aber wer sagt, dass Wissenschaft keinen Sinn macht, sollte sich schon ein bisschen mit ihr beschäftigen).
    Eine traumhaft schöne Wanderung von meiner Haustür entfernt, am Fuß der Schwäbischen Alb, finden sich in Jahrzehntausenden auf dem Grund des Muschelkalkmeeres gewachsene Formationen. Die Stein gewordene Erdzeituhr zeigt ganz deutlich, dass irgendwann frisches Meereswasser ins flache Becken einströmte, jede Menge Schlamm mitbrachte und konservierte, was da so kreuchte und fleuchte. Na ja. Fleuchen wohl eher nicht. Aber wir finden hier Kopffüßler, Muscheln, zum Niederknien schöne Seelilien. Wer ein bisschen tiefer bohrt, findet Buntsandstein. Und etwa 25 Millionen Jahren nach dieser Buntsandsteinzeit, nennen wir's Keuperzeit, hat sich die heutige Ostalb erneut gehoben: Die Flüsse, die sich tief ins Albvorland eingegraben haben, zeigen diesen Wechsel von festländischen und maritimen Ablagerungen - die jeweils richtig viel Zeit hatten, zu wachsen und zu gedeihen. Am Ende des Keupers, so vor 190 Millionen Jahren, blies der Wind jede Menge staubfeinen, staubtrockenen Ton übers Land. Das ist der Knollenmergel, der uns Rutschungen und schweineteure Straßensanierungen beschert.
    Irgendetwas muss passiert sein. Nehmen wir an, dass das sich allmählich abzeichnende Europa von Afrika und der Landbrücke abrückte. Fakt: Das Land hier senkte sich erneut. Ein tropisches Meer muss sich ausgebreitet haben, die nun bestimmenden Leitfossilien lassen keinen anderen Schluss zu. Wer auf meinen Hausberg steigt, wandert alle wichtigen Juraschichten ab. Das Meer zur Liaszeit (Schwarzer Jura) muss etwa 500 Meter tief gewesen sein. Sonst würden sich hier nicht solche Unmengen dickschaliger Gryphäen finden. Verwittern diese Gesteine bilden sie sehr fuchtbare Böden, weshalb dieses Gebiet schon so lange und so intensiv besiedelt ist. Bei Holzmaden wurden Ichtyosaurier gefunden aus dieser Zeit gefunden, Fischechsen, die ihre Jungen lebend zur Welt brachten.
    Im Dogger (Brauner Jua) gab es ganz andere Schichtungen. Dieses Meer war erheblich flacher, vor allem gab es mit Sicherheit starke Strömungen; wie sonst können sich flächenhaft "Eiersteine" finden, die vor allem an Flussmündungen entstehen.
    Und dann - weil die Verbindung zum Iberischen Festland endgültig abriss, weil jemand mit Donnerkeilen schmiss, lassen wid das dahingestellt - sank die bisherige Landverbindung drastisch ab. Vom Ozean, später das Mittelmeer, strömte frisches, sehr sauerstoffhaltiges Meerwasser ein. Warum? Weil es riesige Felder vn Kieselschwämmen und dicke Schichten von Kalkalgen gibt. Die Weißjurastufe (Malm) ist hier 200 Meter mächtig. Schwämme, Korallen wuchsen zunächst in einzelnen Stöcken, dann in schier unvorstellbaren Bänken. Und die Dinger lassen sich beim Wachsen wirklich Zeit. Es gibt Kuppen- und Flächenalb, das Ganze ist kompliziert, lassen wir's.


    In der Kreidezeit war die Alb wieder mal trocken, festes Land. Es wurde kälter. Sag ich mal so. Weil sich die Überreste von Bäumen aus hartem Holz über denen der Palmen und der Farne finden.
    (Dann falteten sich die Alpen auf. Zwischen Alpen und Alb senkte sich die Erdkruste durch Ablagerungen der mit bis zu vier Kilometer mächtigen Sedimentserien gewaltig ab. Durch den so entstehenden Druck hob sich in steilem Winkel die Schwäbische Alb. Jemand übte sich in Origami-Techniken. Sei's drum.) Was auch immer passiert ist, bei uns neigt sich der gesamte Untergrund ganz furchtbar schräg Richtung Alpen nach unten. Je nach Widerstandsfähigkeit dieser Schichten wurden sie dann später abgetragen und zeigen sich heute in all ihrer Pracht.
    Erste Flüsse entstanden, die Richtung Sedimenttrog führten und die sich heute zweifelsfrei nachweisen lassen. Wir hatten auch Meteoriteneinschläge im Ries- und Steinheimer Becken - muss mindestens 14 Millionen Jahre her sein, die Alb wurde wiedermal eingedrückt. Danach schotterten nämlich einige Urströme auf, wurden von der Mündung her plombiert und überfluteten große Teile; die Seesedimente sind noch immer da. Über all dem anderen Geraffel. Flüsse sind bei uns sowieso ganz wichtig: Sie haben sich immer wieder neue Wege gegraben, etwa als sie sich nach dem Rheintalbruch allmählich umorientierten. Und ja, es gibt Flüsse, die in vielen, vielen tausend Jahren bis zu 50 Meter dicke Schotterdecken zurück ließen....



    Über 130000 Jahre alt sind die ältesten gesicherten Spuren von Menschen in Ostwürttemberg. Vereinzelt gibt es richtig alte Funde, wie gesagt, aber mit einer Lücke von rund 10000 Jahren lassen sich seit etwa 45000 Jahren durchgehend Dinge finden, die die frühen Menschen, bzw. Neandertaler, zurück gelassen haben. Faustkeile - einer, der mindestens 100000 Jahre alt ist, wurde etwa zehn Kilometer entfernt entdeckt - und blattförmige Klingen aus der Altsteinzeit. Auch mit dem wohl schönsten Überbleibsel der Jüngeren Altsteinzeit kann sich die Schwäbische Alb schmücken, der mit Mammutelfenbeinwerkzeug geschnitzte Löwenmensch, immerhin rund 32000 Jahre alt, der vor einigen Jahren als älteste Kunst der Welt gefeiert wurde. Die Handelsbeziehungen zum Mittelmeer sind gesichert um 13100 Jahre alt; einem Kind wurden damals durchbohrte Muscheln mit in den Tod gegeben, die es nur dort gibt. Aus der Mittelsteinzeit, auch lange vor den von Zillmer genannten Zahlen, stammen hunderte Mikrolithe, die sich hier jedes Frühjahr von den Äckern klauben lassen . Ein Sammler ist mit dem Jauchzer bekannt geworden: "Mein Troja liegt bei Iggingen". Hab selbst direkt unter meiner Porzellanschuhsammlung einige sehr schöne Artefakte.




    Exkurs: Alle organischen Lebewesen holen sich mit dem Kohlendioxid einen radioaktiven Kohlenstoff aus der Luft, C14. Ist der Organismus tot, zerfällt dieser Stoff. Immer und jederzeit beweisbar. Auch, dass das Alter dieses toten Dings (innerhalb einer bestimmten Toleranzgrenze und unter Berücksichtigung der während der Jahrzehntausende leicht wechselnden Strahlungsintensität) ganz einfach zu bestimmen ist, indem man den verbliebenen C14-Anteil misst. Allein das führt etwa 75000 Jahre zurück. Dann läss sich noch die in Uranblei zerfallende Uranmenge feststellen. Strahlenschäden in Mineralien, die helfen, Meteoriteneinschläge zu datieren.... ach, lassen wir's. Bin müde.



    Richtig bei dieser Rezension:"Keiner von uns war dabei, warum nicht dem glauben, was offensichtlich ist".


    Ja, ich würde auch sagen, dass "harte geowissenschaftliche Fakten" geglaubt werden sollten.

    Und ich möchte sagen, dass Zillmers Bücher Scheiße sind.

    "Klagelied auf einen Dichter" von Michael Innes. Irgendwie. Das Opfer stirbt nicht im verschlossenen Raum, sondern stürzt sich vermeintlich vom höchsten Turm seiner Burg in die Tiefe. Der Raum ist auch nicht verschlossen. Aber eben nur über eine bestens bewachte Treppe zu erreichen. Seid gnädig und lasst es gelten. Zählt nämlich wirklich zu den richtig guten Krimis.

    Hiro Protagonist, spezialisiert auf allerlei Dinge und vor allem anderen ein Top-Hacker, liefert Pizza aus. In der Zukunft scheint das der Höllenjob schlechthin zu sein - auf diesem Planeten, auf dem alles aus den Fugen geraten ist und die Privatisierung irrsinnige Ausmaße angenommen hat.
    Höllenjob lässt sich toppen: Recht bald brennt's in der Backstube, buchstäblich; der Job - unter allen Umständen die Pizza in weniger als 30 Minuten an den Mann zu bringen - ist beim besten Willen nicht zu bewältigen. Hiro schrottet den Firmenwagen und ist der pubertierenden Kurierin, die in letzter Sekunde seinen Arsch rettet, etwas schuldig. (Die Kleine ist ein echter Glücksgriff).
    Aber eigentlich ist er ja in einem ganz anderen Leben daheim, einem virtuellen, zweiten, ha, ha, in dem er der beste Schwertkämpfer der Welt ist und Langeweile ebenfalls nicht eines seiner vordringlichen Probleme.
    Die Frau, die Hiro liebt, immer schon geliebt hat, warnt ihn vor einer Gefahr, die alle Hacker, ja die Zivilisation als solche bedroht. In beiden Welten.
    Als sein bester Freund/Feind diesem gesichtslosen Gegner zum Opfer fällt, einem Virus, der so alt ist wie die menschliche Geschichtsschreibung, muss der Mann tun, was ein Mann tun muss. Die einzige Chance, die er wirklich hat, ist dieses blitzgescheite Gör.


    Neal Stephenson feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Geboren wurde er in Fort Meade, Maryland. Er hat jede Menge Preise abgeräumt - als SF-Autor, als Visionär, als jemand, der gut erzählen kann. Neben Snow Crash gilt vor allem "Diamond Age" als wichtiges Werk, faszinierende Verbindung von viktorianischem Zeitalter und Nanotechnologie - Oliver Twist für Leute, die denken, dass gelungene Kindererziehung eine Frage der richtigen Programmierung ist -, "Interface", nicht länger lediglich lustige Vorstellung eines US-Präsidenten, der wirklich Volkes Stimme ist, "Cryptonomicon", das Anfang des 18. Jahrhunderts spielt, irgendwie, und der ebenfalls in der Vergangenheit angelegte Barock-Zyklus.

    Gutes Buch, dachte ich, als es mir in die Hände fiel; spannende Geschichte über mögliche Abenteuer in einem virtuellen Leben. Vermutlich der beste Second Life-Roman. Bis ich nach Unstimmigkeiten wissen wollte, wann das Ding entstanden ist: 1992. Neunzehnhundertzweiundneunzig.
    Second Life war noch nicht geboren. (Hat Sterne geputzt, schwamm 's Rückenmark des www rauf und runter, was auch immer - schimmerte durch Stephensons Träume, während es vom Rest der Welt noch nicht mal angedacht war). Das Wort "avatar" wurde eigens für dieses Buch erfunden, sprich, erstmals im heute allgegenwärtigen Kontext genutzt. UNGLAUBLICH das Ding.
    Ich möchte, bitte, auch Visionärin sein. Das hier ist Zeitgeschichte. Gut erzählt und gute Unterhaltung obendrein.
    Wenn der Mafia-Boss auf ein Skateboard steigt und sich fotografieren lässt: Beim Fahren. Vergeblich mit den Händen rudern. Fallen (vor den Augen seiner entnervten Leibwächter). Nur um das Kurier-Gör zum Lächeln zu bringen - ist er dann wirklich nur der nette, bezaubernde Onkel, der sich für die rechtzeitig ausgelieferte Pizza bedankt??
    Dass geschätzte 7000 Jahre Menschheitsgeschichte und -mythen auf Teufel komm raus eingewoben sind in dieses irre Gespinst, machen es vollends zu etwas, das bis zum geht nicht mehr polarisiert.
    Ich mag's. Sehr.

    Weitere Stimmen.... Ich hab's mir 1980 gekauft, als kleines Mädchen, weil mein Vater, kurz bevor er ums Leben kam, notiert hatte, dass ich es lieben würde. Hatte es dann etwa zwei Jahre im Schrank stehen - damals war das Cover extrem unspektakulär - um mich wegzuschmeißen vor Lachen, als ich endlich damit anfing ("als der erste Mensch aus dem Urschlamm kroch, gab es abends Eintopf"... "Jeans gab es noch vor dem Eintopf". Oder auch: "Sie überlebte die Pocken. Ihre Haut nicht". Ja. Ich weiß. Ist nur im Kontext witzig)
    In all den Jahren hab ich die Brautprinzessin gefühlte 20 000 Mal verliehen - komischerweise das einzige Verleih-Buch, das tatsächlich immer wieder zu mir zurück findet -, und ganz gleich ob es Kinder gelesen haben, Freunde oder Kollegen, ich hab noch nie, wirklich nie erlebt, dass jemand die Ironie und die Wortgewalt nicht zu schätzen wusste. Oder die vogelwilde Abenteuergeschichte. Oder den größten aller denkbaren Liebesbeweise. Dieses Buch lässt sich einfach auf allen Ebenen genießen.

    Rafik Schami: Das Geheimnis des Kalligraphen
    Kriemhild Buhl: Mein Vater Hermann Buhl (Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen)
    Richard P. Feynman: Surely You're Joking, Mr. Feynman (Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman. Abenteuer eines neugierigen Physikers). Wenn irgendwas mehrfach ausgeliehen wird, lohnt sich der Wunsch oder die Anschaffung.

    Saul Garamond heißt der Mann. Er ist ein kleines bisschen anders, fremd fast. So wie sich vermutlich jeder ab und zu fühlt. Saul allerdings ist tatsächlich anders. Es bedarf ganz besonderer Umstände, ihm dies bewusst zu machen. Sein Vater ist tot. Ermordet. Die Polizei hält ihn, den trotzigen jungen Mann, für den Täter. Der Verhöre werden schärfer. Und dann tritt eine Gestalt in seine Zelle, die es eigentlich gar nicht geben dürfte: König Ratte. Bereit, sich erneut dem Erzfeind aller Ratten zu stellen - dem Pfeifer, dem Rattenfänger, dem Todbringer. Und wer spielt eine zentrale Rolle in dem sich anbahnenden Drama? Eben.


    China Tom Miéville, 1972 in Norwich geboren, hat als junger Mann in Ägypten Englisch unterrichtet und begonnen, sich für arabischen Kultur und Nahost-Politik zu interessieren. Später studierte er Sozialanthropologie. Wie gut, dass dann der Versuch, in die Politik zu gehen, scheiterte: Heute teilt er seine Ansichten auf andere Art mit. Er gehört zu den Herausgebern der Zeitschrift "Historical Materialism – Research in Critical Marxist Theory", und mit gutem Grund spielen grundlegende Fragen rund ums Thema Widerstand fast immer eine zentrale Frage in seinen Geschichten. Sein preisgekröntes Perdido etwa erschien in Deutschland als Die Falter und Der Weber.



    Saul Garamond heißt der Mann. Mann? Junge? Ratten-Sprössling? Ein Rattenkönig, der Herr der Spinnen und der Vogelobere, alle auf einer Seite der Front? Dann sind da noch Sauls Freunde, die ihn nicht aufgeben, da ist seine Freundin, die mitsamt ihrer Musik vom Pfeifer instrumentalisiert wird, da sind Fragen, die ihm keine Ruhe lassen - war seine Mutter eine Ratte? Was will der König wirklich von ihm, welche Rolle hat er zu spielen? Und: Hat er überhaupt eine Chance?
    Und was ist das überhaupt für eine Stadt, in der sich das Ganze abspielt? Seit dem Hameln-Geschehen - aus Sicht der Ratten, und um die geht es hier schließlich, eine Tragödie - sind ganz offensichtlich Jahrhunderte vergangen. Fernsehen und moderne Wohnsilos ändern aber nichts an der Tatsache, dass diese Stadt ein typischer Miéville-Moloch ist. Dunkel, bedrohend, alles verrschlingend. Die Unterwelt der Kanalisation scheint fast weniger menschenfeindlich. Und Saul, bei allem Widerwillen, sich von Abfall zu ernähren, verabschiedet sich Stück für Stück von Trotz und lähmender Lethargie. Immer näher fühlt er sich seinem toten Vater, der Sozialismus gelebt sehen wollte, der seinen Sohn so gerne kämpferischer erlebt hätte. Ziemlich abstruses Fortsetzen einer uralten Legende. Politische Fantasy zudem. Aber es funktioniert. Denn vor allem ist es eine gute Geschichte.


    Zuerst störte mich, dass König Ratte Jenisch- bzw. Rotwelsch-Brocken einstreut, als hätte sich Übersetzerin Eva Bauche-Eppers verpflichtet, pro Seite drei Begriffe einzuarbeiten, die sie dann auf einer aus einem Wörterbuch abgeschriebenen Liste abhakte. Erledigt. Aber je mehr Leben die Story gewinnt, desto klarer wird: Wie sonst könnte sich einer mitteilen, der seit Jahrhunderten im Verborgenen lebt. Mit Anansi, Herr der Spinnen, wird ein uralter Mythos lebendig, der von afrikanischen Sklaven in die Karibik getragen wurde. Und auch für ihn fand Bauche-Eppers abenteuerliche Sprachformen. Gut gemacht. Die (Tipp?)Fehler lassen sich mit etwas gutem Willen überlesen.

    Das Wienerische, klar, dös is grandios. Aber das Buch ist enttäuschend, weil so furchtbar bemüht geschrieben. Der Mann will keine gute Geschichte erzählen, er will beeindrucken. Und kann's nicht. Bäh!

    Einfach um's loszuwerden: Diese Lobeshymne wurde nach etwa der Hälfte, maximal zwei Dritteln des Buches geschrieben. Quarantäne lässt stark nach und hat es nie ins gute Regal geschafft. Deshalb warte ich jetzt mit der R.E.M.-Bewertung - die mich ähnlich fiebern lässt -, bis ich wirklich den allerletzten Punkt des allerletzten Satzes gelesen hab.

    [quote]Original von B.Linzel
    Wie kann ich als Christ in Deutschland eine anständige Kontroverse mit einem Andersgläubigen bestehen? Dem ich das Recht abspreche, zu tun, was er tut (und mit der selben Glaubenskraft für gottgefällig hält).


    Manchmal kann ichs Wort nicht halten. Manchmal denke ich so vor mich hin. Muss das wohl ändern. Ich habe nur eine Frage gestellt. Eine einzige.



    Natürlich lässt sich das Grundgesetz ändern. MUSS SO SEIN. Das ist Sinn der Sache. Und wenn's aus dem Ruder liefe, wäre ich die erste, die dagegen anrennt. Aber wir haben uns auf eine Art zu leben geeinigt (mussten uns einigen), die, bei allem, was schief läuft, zumindest die Möglichkeit gibt, das in 300 Jahren Aufklärung so mühsam Erarbeitete zu bewahren. Wie kann ich gegen einen mit seinem Glauben argumentierenden muslimischen Vater bestehen, wie kann ich gegen jedwede religiös begründete Gräuel vorgehen, wenn ich der christlichen Kirche, die mit genau den selben Argumenten kommt, Sonderrechte einräume. Weil sie mit der allein selig machenden Wahrheit ausgestattet ist? Das heißt, einen Religionskrieg heraufzubeschwören. Das ist Wasser auf den Mühlen all derjenigen, die mit der Würde des Menschen etc. etc. nicht leben wollen.


    Licht: private Einrichtungen freier Träger? Wenn ich als Gemeinde 90, gar 95 Prozent des verdammten Kindergarten-Abmangels zahle (in einer Gemeinde, die ausschließlich kirchliche Kindergärten hat - und wenn ich das mit dem Gemeindepfarrerdiplom richtig verstanden habe, weißt Du, von was ich rede), dann sollte ich doch ein kleines bisschen mitreden dürfen. Darf ich aber nicht. Und ich hab noch nie erlebt, dass sich ein Kindergartenausschuss ernsthaft mit Inhalten auseinandersetzt. Da geht's maximal um die Kosten für die Garderobehaken.

    Licht: Was ist das denn? Könntest Du meine Frage beantworten, oder war das ein Verlegenheits-Anpöbeln?

    Magali: Heilig... war böd. Stimmt. Aber auch nicht im eigentlichen Sinn gemeint. Zu "unantastbar" stehe ich allerdings: Mein Gewinn aus diesem Buch ist die Überzeugung, dass eine unbedingte Trennung von Staat und Kirche die einzige Möglichkeit ist, langfristig Werte zu schützen, die mir wichtig sind - und die im übrigen durchaus christlich zu nennen sind.

    Ich lese das. Freue mich (mag Magali) weil's irgendwie und warum auch immer kaum noch Diskussionen gibt, die diesen Namen verdienen und über die aufzuregen sich lohnt.
    Aber niemand geht auf mein Problem ein: Wie kann ich als Christ in Deutschland eine anständige Kontroverse mit einem Andersgläubigen bestehen? Dem ich das Recht abspreche, zu tun, was er tut (und mit der selben Glaubenskraft für gottgefällig hält).
    Kirchensteuer? Kirchliche Schulen und Kindergärten? Hallo?
    Gar nicht zu reden von Beichtstuhl und Erbsünde. Oder vom Singkreise bilden und Volkshochschulen mit Meditationsschulungen Konkurrenz machen. Was, zum Teufel, bedeutet Christentum? Die milde Verachtung der einen, und die Vorstellung der anderen, ein Evangele könne nicht in den Himmel kommen, weil der nämlich keine richtigen Sakramente kennen tut (wird tatsächlich noch gelehrt, morgens um zehn in Deutschland).
    Was soll's denn nun sein? Europäisches Christentum ist kein Bollwerk gegen die heidnischen Kräfte. Ist weit mehr als Kirchtürme von Spanien bis nach Sibirien oder Kathedralen in den Herzen der alten Städte. Es waren die Kirchenleute die denken lernten, die uns das größte Geschenk von allen machten: das Fundament der Aufklärung und damit alles, was uns wirklich ausmacht. Was zu verteidigen, mit gutem Gewissen, sich lohnt.
    Mit Verlaub: Es geht Euch alle überhaupt rein gar nix an, wer an was glaubt. Solange er oder sie respektiert, was hierzulande heilig, sprich unantastbar ist: Das Grundgesetz, unsere Verfassung. Nichts anderes sagt Dawkins (Stichwort: Cargo-Kulte) .