Beiträge von John Dowland

    Liebe Shayenne und Levita,


    vielen Dank für Eure Hinweise. Weiter oben hat ja beowulf schon etwas zum geschichtlichen Hintergrund geschrieben. In meiner Textausgabe (Einheitsübersetzung Herderverlag 1984) wird hierzu wenig gesagt. Bin also gespannt, was Licht und SiCollier zu Tage fördern werden.


    Viele Grüße


    J. D.

    Hallo zusammen,


    Die Verse 3, 3 – 8 fallen ja offensichtlich aus dem Rahmen des bisherigen und auch des nachfolgenden Textes, der überwiegend aus Anklage- / Urteilssprüchen besteht, heraus. Amos beschreibt hier seine eigene Rolle. Er sieht sich als Sprachrohr bzw. Bote Gottes. Und die Vorhersage stellt zumeist ein Unglück für die Betroffenen dar.


    Heutzutage ist der Glaube an Propheten bzw. Prophezeiungen ja irgendwie abhanden gekommen. Gelegentlich trifft man noch den einen oder anderen in Fußgängerzonen an. Der „Prophet“ steht dann meistens auf einer kleinen Kiste, oder, wenn keine zur Hand ist, auf einem sonstigen Podest, redet auf die vorbeilaufenden Passanten ein und teilt im Ergebnis das Los, das möglicherweise auch Amos widerfahren ist – im besten Fall wird er ignoriert.


    Ich frage mich, ob „Löwe“ ein Synonym für die Propheten als solche darstellt. Dreimal ist von ihm die Rede. (Später wird ja auch einer der Evangelisten – Markus? – durch einen Löwen symbolisiert; vielleicht besteht da ein Zusammenhang?).


    Viele Grüße


    J. D.

    Hallo zusammen,


    im dritten Kapitel finde ich zunächst die Verse 3, 3 – 8 („Gott und die Propheten“) bemerkenswert. Es ist ja wohl das grundsätzliche Los aller Propheten, zumindest zu Lebzeiten wenig Gehör bei ihren Landsleuten zu finden. Amos sammelt hier Argumente, warum die Leute mal fünf Minuten zuhören sollten. Es wird wahrscheinlich wenig genützt haben.


    Ansonsten ähnelt der Text sehr dem Muster aus dem ersten und zweiten Kapitel – nur dass es diesmal um die Bestrafung einer verlotterten Oberschicht geht. Dabei fällt auf (wie schon im zweiten Kapitel), dass Amos mit allen Zeitgenossen (also den kriegerischen Nachbarvölkern und den eigenen Landsleuten) hart ins Gericht geht. Er wird sich deshalb nicht eben beliebt gemacht haben.


    Viele Grüße


    J. D.

    Guten Abend,


    um noch ein weiteres Argument für die „3 + 4 = 7“-Theorie zu liefern: es gibt ja auch die sog. „sieben Todsünden“ (Wollust, Habgier, Zorn etc.) In meinem Lexikon steht dazu: „kath. Theologie: die Übertretung eines göttlichen Gebotes in klarer Einsicht und voller Freiheit des Handelns“ (dtv-Brockhaus, 1989). Haben wir es hier nicht mit einer ähnlichen Situation zu tun?


    Die Auffassung von Shayenne, wonach Gott sich immer umstimmen lässt, habe ich dem ersten Kapitel nicht entnehmen können. Der „Herr“ sagt hier ja ausdrücklich, er werde „es“ (darunter verstehe ich das Urteil) nicht zurücknehmen. Wenn ich aber die Beispiele lese, die Shayenne anführt, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wahrscheinlich liegst Du mit Deinem optimistischen Ansatz richtig. Gefällt mir dann schon wesentlich besser.


    Weiß jemand Näheres über die Entstehungsgeschichte des Buches? Ich frage mich, ob der Text auf Amos selbst zurückgeführt wird (halte ich für unwahrscheinlich), oder ob seine Prophezeiungen zu einem späteren Zeitpunkt aufgeschrieben worden sind (möglicherweise waren diese da schon eingetreten, insbesondere etwa das Erdbeben in 2, 13 – 16).


    Viele Grüße


    J. D.

    Hallo zusammen,


    leider komme ich erst jetzt dazu, einen Beitrag zu schreiben. Ich sehe aber, dass Ihr an den gleichen Fragen herumgerätselt habt, wie ich.


    Zu den "drei" und "vier" Verbrechen denke ich jetzt: die Summe, also sieben, ist natürlich eine irgendwie magische Zahl. So wie eine Woche sieben Tage hat und damit komplett ist, könnte die sieben hier bedeuten, dass das Maß an Schuld, das Damaskus & Co. auf sich geladen haben, nach Amos´ Meinung komplett ist und nach Vergeltung ruft - aber das ist reine Spekulation.


    Ansonsten war mein erster Eindruck: hier spricht ein sehr zorniger Mensch. Das ist allerdings bei den Verbrechen, um die es hier geht, nicht weiter verwunderlich. Amos wirft den angeklagten Städten "Entvölkerung", "Verschleppung", "Tötung schwangerer Frauen" etc. vor. Heute würde man wahrscheinlich von Genozid sprechen und nach der NATO oder der UN rufen. Amos ruft nach Gott.


    Das erschreckende für mich ist nur, dass dieser Gott in der Wahl seiner Mittel nicht weniger zimperlich ist, als die von Amos angeklagten Völker. Der Gott von Amos lässt also Auen "verwelken", "brennt Paläste nieder", "vernichtet" bzw. "erschlägt" deren Herrscher und schickt ganze Völker in die Verbannung. Dieser Kriegsgott passt natürlich ganz und gar nicht zu "modernen" Glaubensvorstellungen (ein paar offenkundige Ausnahmen lasse ich jetzt mal beiseite...)


    Ich denke mittlerweile, dass man Amos` erschreckende Ankündigungen aber auch anders - vielleicht sogar als Mittel gegen die Verzweiflung seiner damaligen Mitmenschen lesen kann. Denn wer würde in einer Welt, die in Brandschatzung, Chaos und Willkür versinkt, nicht alle Hoffnung auf das Gute fahren lassen? Amos sagt hier im Grunde, dass diese Haltung falsch wäre. Und dass es - irgendwann - zu einer gerechten Strafe für aufgezählten Scheußlichkeiten kommen wird. Im Grunde also ein Apell an alle, die Hoffnung nicht aufzugeben.


    Jetzt habe ich mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Vielen Dank für Eure hilfreichen Hinweise. Ich habe noch ein paar andere Fragen, die ich aber morgen stellen will.


    Viele Grüße



    J. D.

    Der Meinung von Herrn Palomar schließe ich mich an.
    Vordergründig möglicherweise eine Liebesgeschichte zwischen Mari und Takahashi, kann man das Buch auch als Kriminalroman, Roman über das Erwachsenwerden, als Gesellschaftssatire oder phantastische Erzählung lesen (wobei „Roman“ – das ist an anderer Stelle schon gesagt worden – für das schmale Bändchen möglicherweise etwas hoch gegriffen ist). Wer sich mit Murakami befasst, lässt sich aber auf einen spezifischen Begriff der „Wirklichkeit“ ein, bei dem die Handlung jederzeit das konkret Greifbare, Materielle verlassen und ins Phantastische, Surreale, gelegentlich Alptraumhafte geraten kann. Und so sind die „harten Fakten“, an die sich der Leser in „Afterdark“ klammert (z.B. die sorgfältig den einzelnen Kapiteln vorangestellte Uhrzeit: „23:56“, „23:57“, …) allesamt nur scheinbare Rettungsinseln des Verstandes.
    Hauptthema von „Afterdark“ scheint mir das Rätsel der schlafenden Eri und ihres ruhelosen männlichen Counterparts Shirokawa (dt. „weißer Fluß“) zu sein. Beide entwickeln ein jeweils eigenes, perfektes System der Verriegelung gegenüber der Außenwelt. Doch während Eri in letzter Konsequenz als Opfer erscheint, sondert sich Shirokawa, der Täter, bewusst immer weiter in der gefühlskalten Mechanik seines Alltags ab.
    „Afterdark“ ist wegen seines überschaubaren Umfangs (237 Seiten in der TB-Ausgabe) gut für eine Stippvisite in das Gedankenreich des japanischen Autors geeignet. Eingebettet in die futuristische Welt des heutigen Tokyo mit seinen 24-Stunden-Shops, Love-Hotels und durchgestylten Cafehausketten zeigt er, wohin es führt, wenn seine Bewohner ihre Menschlichkeit – bewusst oder unbewusst – fahren lassen. Und was man dagegen tun kann.
    Zum Hörbuch kann ich nichts sagen, da ich nur das Taschenbuch gelesen habe.
    Fazit: Lesenswert. Von mir 6 Punkte.

    Liebe Hanako,


    bin gespannt, was Du sagst, wenn Du auf Seite 602 angekommen sein wirst (Kapitel "Die Müh ist aus") - viel Vergnügen kann man nicht wünschen. Aber bestimmt sind im "Kristus" auch für Dich Erfahrungen dabei, die Dich noch tagelang im nachhinein beschäftigen werden.


    Bis dahin,


    J. D.

    Guten Abend Ninnie,


    ich bin noch "relativ" neu hier...


    Kannst Du mir sagen, was bei einer "privaten Leserunde" geschieht?


    Und was ist mit dem "thread zur Bibel" gemeint?


    Vielleicht stehe ich gerade ein wenig auf dem Schlauch. Das Thema interessiert mich aber grundsätzlich, selber lese ich zurzeit u.a. in der Apostelgeschichte.


    Allgemeine Erläuterungen zu Leserunden habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Daher wäre ich für einen kurzen Hinweis dankbar.


    Viele Grüße


    J. D.

    12 Einträge und fast keiner ausschließlich positiv – da will ich mal versuchen, eine Lanze für den „Kristus“ von Robert Schneider zu brechen...
    „Die Welt ist aus den Fugen geraten“ steht im Klappentext, und zu welcher Zeit wäre das nicht für einen Teil der Welt so gewesen. Gehen wir heute mal in den Irak, nach Afghanistan oder setzen uns um Mitternacht in die U-Bahn einer westdeutschen Großstadt. Schauen uns die Gesichter vorbeihastender Fußgänger an; oder die Fernsehprogramme zu Wahlkampf- oder Karnevalszeiten: ein großes Thema von Robert Schneider ist die Suche der Menschheit nach Orientierung. Ich behaupte, dass das Buch hier viele gute Denkanstöße gibt.
    Die staatlichen und kirchlichen Repräsentanten der Welt des Jan Beukels – verkörpert vor allem in der Figur des Grafen Waldeck – haben ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. Ihre Macht gründet sich auf wenig mehr als eine hergebrachte, formale Ordnung, auf den sinnentleerten Vollzug hohler Glaubenszeremonien. Die Kirche nimmt teil am theatralischen Pomp jener Zeit, was nicht weiter schlimm wäre, wenn nicht Andersdenkende, Andersgläubige mit äußerster Schärfe verfolgt würden. Willkür, Chaos, Schrecken – wohin das Auge blickt. Und doch ist es ein gewaltiger Schritt von der bloßen Kritik am bestehenden System, vom bloßen (allein oder in Gemeinschaft Gleichgesinnter gepflegten) Traum von einer besseren Welt, hin zur offenen, das eigene Schicksal gering schätzenden Aufruhr, vom Wunsch zum Handeln, von der Hoffnung zur Tat.
    Jan Beukels hat diesen Schritt furchtlos und unbeugsam bis an sein furchtbares Ende getan. Richtschnur war ihm allein die Heilige Schrift, und wer heute darin liest, findet vieles von dem, was die Täufer in jener Zeit zu errichten versucht haben, im Detail angelegt: die Unbeugsamkeit der Gläubigen gegenüber kirchlichen Autoritäten (vgl. den Auftritt der Apostel Petrus und Johannes vor dem „Hohen Rat“ in Apg. 4, 1-22); das Dogma der Besitzlosigkeit (Apg. 4, 32); die Deutung unerklärbarer Geisteszustände als prophetische Gabe (Apg. 2). Jan Beukels hat sich sehr genau an die Vorgaben des Alten und des Neuen Testamentes gehalten. Schließlich wird auch bei seinen biblischen Vorbildern deutlich, dass sie sich im ausschließlichen Besitz der allerhöchsten Wahrheit wähnten und – im Vertrauen auf ihr Auserwähltsein von Gott und die moralische „Verderbtheit“ ihrer Gegner – daran zu gehen hatten, die göttliche Mission weltweit in die Tat umzusetzen. Darin, in ihrem totalitären Anspruch, sowie dem unverbrüchlichen Glauben, Werkzeuge Gottes auf Erden zu sein, liegt wohl auch eine der fatalen Wurzeln jenes Übels, das Robert Schneider eindrucksvoll vor Augen führt.
    Es ist aber nun leider eben jener „unverbrüchliche Glaube“, eben jenes Charisma von Menschen wie Beukels, das auf die Menschen aller Zeiten Anziehungskraft ausübt, ja, ihrem sinnlosen Dasein eine höhere und absolute Bedeutung verleiht. Die Täufer kämpfen mit ausgezehrten Leibern gegen eine waffenstarrende Übermacht, obschon ihre Brüder und Schwestern verhungern. Und selbst Waldeck schreibt Beukels das Format eines deutschen Kaisers zu (S. 593). Selbst er ist auf geheimnisvolle Art fasziniert vom Zauber, die von diesem seltsamen „König“ ausgeht. Im Roman nähern sich Beukels und Waldeck denn auch rein äußerlich immer weiter an: beide hausen in finsteren Gewölben, beide spielen mit Leben und Tod ihrer Frauen, beide traktieren ihre Untergebenen mit einem System aus Terror und Angst. Der eine wird zum Spiegel des anderen – Leben und Tod ihrer Untergebenen hängen (dessen sind sich diese Untergebenen nur allzu bewusst) von einer bloßen Laune, einem geringfügigen Ärgernis oder purer Langeweile des Herrn ab. In der Wahl ihrer Mittel sind beide nicht zimperlich und sowohl Beukels als auch Waldeck sind sich in ihrer Herrscherrolle keiner Schuld bewusst.
    Gibt es ein Handeln ohne Schuld? Gibt es Nichthandeln ohne Schuld? Ist, beispielsweise, jener Gerrit tom Kloister, der sagt, es komme darauf an, „die Wirklichkeit in ihrer unbegreiflichen Ungerechtigkeit auszuhalten“ (S. 557) frei von Schuld? Jener Gerrit – immerhin Mitglied des engsten Führungskreises um Jan Beukels – der erst nach so vielen Greueltaten zu einem Zeitpunkt die Stimme erhebt, wo selbst die Oberhäupter der Täufer ihr Scheitern und die Ausweglosigkeit ihrer Lage nicht mehr leugnen können. Warum hat Gerrit die Hinrichtung von Else Wantschers nicht verhindert? Warum ist er selbst Täufer geworden? Es bleibt das schale Gefühl, dass die Menschen nicht sein können, ohne Schuld auf sich zu laden. Schuldig ist jener Knipperdolling, wenn er den furchtbaren Zweihänder wieder und wieder auf die Hälse der Verurteilten sausen lässt. Schuldig sind aber auch wir, die ihm dabei zusehen.
    Jan Beukels, der von Kindertagen an den Wunsch hegt, wie „Kristus“ zu sein, erblickt am Ende seine größte Schuld darin, das von Gott gegebene Talent nicht gefunden zu haben, sinnlos und von Gott verstoßen auf Erden herumgeirrt zu sein. Er bereut allein, wofür er im Grunde nicht verantwortlich ist, nämlich „geboren zu sein“. Beim Lesen dieser Worte und mehr noch beim Betrachten seines Todes ahnen wir: dieser Jan Beukels würde, bekäme er nur die Gelegenheit dazu, weitermorden. Da ist keine Reue und Mitleid mit den Opfern war niemals da. Und so richtet sich Beukels Anklage letztlich gegen den Schöpfer selbst, von dem er glaubt, er habe ihn in diese Welt gesandt.
    Vielleicht liegt die Wahrheit aber auch irgendwo in der Mitte zwischen den Positionen eines Gerrit und eines Beukels. Einer Mitte, die die christliche Botschaft anders begreift, die jedoch letztlich keiner von beiden gefunden hat. Die Menschen müssen handeln, um die Welt ein Stück gerechter, ein Stück besser zu machen. Sie dürfen vor dem Unrecht, das geschieht, nicht die Augen verschließen (wie es ebenjener blinde Gerrit letztlich unfreiwillig tut). Aber der Handelnde begeht Unrecht, wo er die Grenzen und die Begrenztheit seines Tuns ignoriert. Die Begrenztheit: dass Menschen immer unvollkommen handeln, immer anfällig für Fehler, Irrtum und Zufall sind. Die Grenzen: dass der Zweck – er möge noch so einleuchtend, wohlbegründet oder „gut“ sein – eben nicht jedes Mittel heiligt. Will sagen: kein „Himmlisches Jerusalem“ rechtfertigt das Sterben und die Tötung Unschuldiger; keine noch so große „Verderbtheit“ des politischen Gegners rechtfertigt Willkür und Mord. Und schließlich: kein menschliches Wesen maße sich an, ein wiedergekehrter Christus zu sein (da möchte man dem Schulmeister Joest auf Seite 51 im nachhinein Recht geben). Nicht an ihren Zielen sollen die Menschen gemessen werden – jedenfalls nicht allein. Sie werden auch und gerade bei der Wahl ihrer Mittel auf die Probe gestellt. Und hier – darin ist nun wieder Gerrit tom Kloister beizupflichten – kann der Handelnde an einen Punkt geraten, wo sich Menschlichkeit letztlich nur im Ertragen, im Erdulden, im Geschehenlassen des Unerträglichen erweist.