'Die Bibel (AT): Das Buch Amos' - Kapitel 3

  • Zitat

    Original von beowulf
    Falls licht hier noch reinliest, oder churchill, Frage an die Experten.


    Manche Übersetzungen haben Zwischenüberschriften, andere nicht.


    Ich bin zwar kein Experte, aber ich meine, ich hätte mal gehört, dass das mit dem Überschriften im Prinzip eine Sache der Verleger ist. Die Überschriften stellen im Prinzip so etwas ähnliches wie eine Interpretation dar.


    Und falls ich da falsch liege, berichtigen mich churchill und/oder licht gewiss! ;-)

    "Muss ich die Schuhe tragen?" "Nein, wenn wir Graf Drake aufsuchen, wirst du die Roben eines Edelmanns tragen und barfuß sein." "Wirklich?" "Nein." [Brent Weeks - Der Weg in die Schatten]

  • Die Zwischenüberschriften sind Sache der Herausgeber und Übersetzer. Sie sollen gliedern und lesen helfen. Sind aber immer auch Interpretation. Im Ursprung waren die meisten dieser Texte ohne Absatz glatt durchgeschrieben. Darum teilte man die Texte später in Kapitel und Verse ein.
    Die Aufteilung in Absätze und deren Abgrenzung ist daher Aufgabe der Leser und Interpreten, wobei es häufig mehrere sinnvolle Möglichkeiten gibt.

  • Das dritte Kapitel hab ich nun auch geschafft. Bei mir trägt diese Kapitel die Überschrift "Anklage gegen die Oberschicht in Israel". Den Titel finde ich sehr passend.


    Klar ist dass er Israel für ein ausgewähltes Volk hält und daher noch enttäuschter ist über das Verhalten der Oberschicht. Interessant finde ich dass in der Bibel der Begriff Oberschicht verwendet wird. Somit müsste doch auch in der Bibel das Wort Unterschicht zu finden sein, oder?


    Gott sagt wohl ganz klar, dass er nichts tut, ohne vorher seine "Knechte" (Propheten?) seine Entscheidungen zu offenbaren. Mit dem Wort Knechte assoziere ich nichts Gutes. Ich dachte Gott würde seine ausgewählten Propheten schätzen. Das Wort Knecht passt nicht zu meinem Verständnis. Oder aber ist es so, dass das Wort Knecht heute anders gebraucht wird, wie damals?


    Gott will gegen die Unterdrückung und die ungerechtfertige Verteilung von Reichtum nun kämpfen und droht an Paläste zu vernichten. Eigentlich eine gute Idee.


    Hoffe bis hier hin alles richtig verstanden zu haben. :rolleyes

  • In der EÜ lautet die Überschrift "Israels Erwählung und Verantwortung"


    Ich fand die Bilderkette sehr spannend. Eine logische und zugleich beängstigende Abfolge. Die Botschaft kommt etwas mit dem Holzhammer an, da Amos so viele Beispiele nennt.


    Auch die Einleitung klingt schon sehr eindringlich und weist den Weg des Ganzen (3,1): "Hört dieses Wort, das der Herr gesprochen hat / über euch, ihr Söhne Israels, über den ganzen Stamm, / den ich aus Ägypten herafgeführt habe."
    Er hätte auch einfach sagen können, so spricht Jahwe.
    Mit der Ansprache als ganzer Stamm setzt er alle auf ein und dieselbe Anklagebank, kein Stamm ist besser, keiner schlechter. Und niemand wird seinem Gericht entkommen.

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Hallo zusammen,


    im dritten Kapitel finde ich zunächst die Verse 3, 3 – 8 („Gott und die Propheten“) bemerkenswert. Es ist ja wohl das grundsätzliche Los aller Propheten, zumindest zu Lebzeiten wenig Gehör bei ihren Landsleuten zu finden. Amos sammelt hier Argumente, warum die Leute mal fünf Minuten zuhören sollten. Es wird wahrscheinlich wenig genützt haben.


    Ansonsten ähnelt der Text sehr dem Muster aus dem ersten und zweiten Kapitel – nur dass es diesmal um die Bestrafung einer verlotterten Oberschicht geht. Dabei fällt auf (wie schon im zweiten Kapitel), dass Amos mit allen Zeitgenossen (also den kriegerischen Nachbarvölkern und den eigenen Landsleuten) hart ins Gericht geht. Er wird sich deshalb nicht eben beliebt gemacht haben.


    Viele Grüße


    J. D.

  • Die Verse 3,7-8 sind, meiner Meinung nach, bemerkenswert
    aussagekräftig. Es entsteht eine einfache kausale Kette:
    1. Ich werde nichts unternehmen, ohne zuerst meinen Plan meinen Dienern (Propheten) mitgeteilt zu haben.
    2. Die Propheten teilen es dem Volk mit
    3. Erst dann folgt das Gericht, und zwar ohne Zweifel.
    " Der Löwe hat gebrüllt, wer sollte sich nicht fürchten?"

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Hallo zusammen,


    Die Verse 3, 3 – 8 fallen ja offensichtlich aus dem Rahmen des bisherigen und auch des nachfolgenden Textes, der überwiegend aus Anklage- / Urteilssprüchen besteht, heraus. Amos beschreibt hier seine eigene Rolle. Er sieht sich als Sprachrohr bzw. Bote Gottes. Und die Vorhersage stellt zumeist ein Unglück für die Betroffenen dar.


    Heutzutage ist der Glaube an Propheten bzw. Prophezeiungen ja irgendwie abhanden gekommen. Gelegentlich trifft man noch den einen oder anderen in Fußgängerzonen an. Der „Prophet“ steht dann meistens auf einer kleinen Kiste, oder, wenn keine zur Hand ist, auf einem sonstigen Podest, redet auf die vorbeilaufenden Passanten ein und teilt im Ergebnis das Los, das möglicherweise auch Amos widerfahren ist – im besten Fall wird er ignoriert.


    Ich frage mich, ob „Löwe“ ein Synonym für die Propheten als solche darstellt. Dreimal ist von ihm die Rede. (Später wird ja auch einer der Evangelisten – Markus? – durch einen Löwen symbolisiert; vielleicht besteht da ein Zusammenhang?).


    Viele Grüße


    J. D.

  • John Dowland

    Zitat

    Ich frage mich, ob „Löwe“ ein Synonym für die Propheten als solche darstellt.


    Ich habe angenommen, dass es Gott gemeint ist.
    Ein enttäuschter, böser, straffender Gott... :gruebel
    Jetzt denke ich, vielleicht sind es tatsächlich Propheten gemeint.


    Vielleicht können uns da unsere Experte aufklären. Sie wissen es bestimmt, "Löwe" ist ein sehr starkes Symol, mit Sicherheit kennen
    sie die Bedeutung dessen. :bruell :bruell :bruell HILFE

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

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  • der Löwe...


    zuerst ist er hier ein Tier das brüllt, wenn es was zu brüllen gibt.
    Die Verse 3-6 reihen ja Fragen aneinander, die allesamt mit "selbstverständlich, so ist es" zu beantworten sind. Diese Kette soll auch dem letzten deutlich machen: Leute, da ist etwas Bemerkenswertes, etwas, auf das man hören muss.
    Dementsprechend würde ich so wenig wie möglich in den Text hineingeheimnissen, auch nicht in Vers 8. Der brüllende Löwe bleibt schlicht ein Bild, aber natürlich ein deutliches: Der Löwe brüllt - er hat Grund dazu - es besteht tatsächlich Gefahr - man kann sich dem nicht entziehen.
    Der Schlußteil des Verses löst das Bild auf: Gott redet, da kann man nicht schweigend weiter zur Tagesordnung übergehen, sondern da muss man reagieren.


    Die Attribution der Evangelisten mit den Symbolen leitet sich übrigens von Offb 4,7 her.

  • Worum geht es?


    Der Anruf, auf den Herrn zu hören. Er hat Israel erwählt, deshalb zieht er es zur Rechenschaft.


    Es folgen verschiedene Vergleiche (wohl als Begründung dafür gedacht, warum Israel auf ihn hören soll?).


    Dann wird das Gericht über Samaria ausgerufen.



    Ganz ehrlich? Bisher kann ich nicht allzuviel mit diesem Buch anfangen. Noch deutlicher: Was soll ich damit? Der Text ist etwa rund 2.700 Jahre alt. In den letzten Jahrhunderten hat Gott eher nicht in der Art, wie es im AT beschrieben wird, in die Geschichte eingegriffen (ich meine jetzt direktes Handeln und Eingreifen). Die Chance, daß Er das in absehbarer Zeit tun wird, sind also eher gering. Wobei immer noch die Frage bleibt, ob er das in biblischen Zeiten so getan hat.


    Ganz ketzerisch: Ich erfahre also, daß Gott vor vielen, vielen Jahrhunderten über Völker, deren Namen ich bisher teilweise noch nicht gehört habe, ein Strafgericht ausgerufen hat. Und was mache ich jetzt mit dieser Information? Ist das ein historischer Bericht, der sich durch Ausgrabungen oder andere Quellen belegen läßt, und daher als „Geschichtsbuch“ zu verstehen ist? Ist es ein Text, der in Metaphern spricht und dabei Bilder verwendet, die mir fremd sind, und erst in eine mir verständliche Sprache übersetzt werden müssen?


    Bisher bleibt mir der Sinn dieses Buches für mich verschlossen. Aber das kann sich im weiteren ja noch ändern.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin mir zu 100% sicher, dass auch die Zeitgenossen von Amos nicht durchgängig daran geglaubt haben, dass Gott in der Weise, wie Amos es beschreibt, in das Weltgeschehen und auch ihr persönliches Schicksal eingreift. Amos` Verse wären in diesem Fall ja überflüssig. Es könnte aber sein, dass damals viele Menschen, die einerseits Krieg und Not in der allerschlimmsten Form erfahren haben und andererseits erleben mussten, wie sich Mächtige immer mehr auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, an ihrem Glauben an das Gute verzweifelt sind. Hier will Amos vielleicht die Zuversicht wecken, dass auch für ungerechte Herrscher, die sich in scheinbar uneinnehmbaren Palästen verschanzen, irgendwann der Tag der Abrechnung kommt (z.B. 1, 14). Amos bleibt aber bei dieser simplen Rachelogik nicht stehen. Er fordert seine Zeitgenossen vielmehr auf, in ihrem Glauben standhaft zu bleiben und – vor allem – entsprechend dieser Einsicht zu handeln (das Recht nicht zu brechen, keine ungerechten Eroberungskriege zu führen, seine Mitmenschen nicht auszuplündern etc.)


    Für mich sind diese Texte geradezu erschreckend aktuell. Heute lese ich in der Zeitung, dass der russische Präsidentschaftskandidat gegen den Zustand "ankämpfen" will, dass Gerichtsurteile durch Telefonanrufe „von oben“ beeinflusst werden (man darf ja gespannt sein, was dabei herauskommt...). Und zwei Seiten später einen Bericht über Stammesmilizen, Räuberhorden und Flüchtlingslager in der sog. Krisenregion Darfur. Die Welt hat sich seit 2 700 Jahren nicht geändert?

  • Zitat

    Original von John Dowland
    Die Welt hat sich seit 2 700 Jahren nicht geändert?


    Wenn ich Dein Post so lese, und das Weltgeschehen Revue passieren lasse, muß ich Dir recht geben. Leider.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Heute Morgen habe ich mich durch dieses Kapitel gekämpft und es kommt mir vor, als säße ich vor einem Text der in einer mir fremden Sprache verfasst ist. Ich finde - bisher - keinen Zugang.


    Und irgendwie habe ich mich an diesem Satz festgebissen: "Geschieht ein Unglück in einer Stadt, ohne dass der Herr es bewirkt hat?" (3,6)
    Da gibt es also einen Gott, der Unglück - als Strafe für welche Freveltaten auch immer - "sendet". Das wirkt auf mich als wollte jemand, indem er mit angstauslösenden Mitteln arbeitet, gewünschtes, nämlich moralisches Verhalten erzwingen.

  • Ich habs nun auch endlich geschafft,weiter zu machen.
    Mein Eindruck von diesem Kapitel ist hauptsächlich,dass Gott aus Trauer und Wut über sein erwähltes Volk spricht. Das Kapitel trägt bei mir die Überschrift "Erwählung bewahrt nicht vor Gericht"(Luther-Übersetzung) und ich finde,die Überschrift spricht schon für sich.


    Im ersten Teil (Vers 1 bis 8) erklärt Gott,dass Israel seine Strafe verdient hat, doch auch,dass er nichts geschehen lässt,ohne die Menschen vorher durch seine Propheten zu warnen. Das "Unglück" in Vers 6 habe ich als Synonym für frühe Katastrophen verstanden,die von Gott herbeigeführt wurden und als Strafe gedient haben.


    Ab Vers 9 beschreibt der Rest des Kapitels die Vernichtung des Nordreichs,wobei das was davon übrig bleibt der Beweis für seine Vernichtung dienen soll (Vers 12). Außerdem wird gesagt,weswegen Samaria seine Strafe bekommen soll; es wird die falsche Frömmigkeit und der ungerechtfertigte Wohlstand angeprangert.

  • Salome


    Ich glaube, Du sprichst da einen wichtigen Punkt an. Amos will seinen Zeitgenossen tatsächlich Angst einflößen. Sie sollen merken, dass alle Sicherheit, auf die sie bauen (Paläste, Reichtum, Macht und Soldaten), nur scheinbar existiert.


    Wann wendet jemand dieses Mittel an? Wenn alles andere (gutes Zureden möglicherweise) nichts gefruchtet hat...