Ich kann gar nicht genau sagen, woran es liegt. Irgendwie liegen mir männliche Figuren mehr. Ich spiele ja seit bald 30 Jahren Fantasy-Rollenspiele, und ich habe in der ganzen Zeit höchstens zwei oder drei weibliche Figuren gespielt. Bei männliche Protagonisten fällt es mir leichter, ihnen Persönlichkeit und Eigenständigkeit zu verleihen. Mit Frauen muss ich mich sehr viel intensiver befassen, weil ich ständig das Gefühl habe, sie bleiben oberflächlich oder bedienen lediglich Klischees.
Eine Frauenfigur, die ich selbst als gut gelungen erachte, ist Christine aus dem "Bernsteinbund". Ich glaube, da ist es ganz gut gelungen, eine Frauenfigur vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu zeichnen, der keine Hosenrolle ist, aber trotzdem genug Spielraum hat, um eine eigene Geschichte zu erzählen. Das ist m.E. ein Problem, da Männer schlicht und ergreifend in fast allen historischen Epochen mehr Handlungsraum haben, während man bei Frauen entweder auf außergewöhnliche Persönlichkeiten zurückgreifen (die es zweifelsohne gab, die aber die Ausnahme blieben) oder eine "Hosenrolle" konstruieren muss - die ich persönlich nicht schreiben mag (was Hosenrollen nicht herabsetzen soll, das ist nur meine persönliche Schreibvorliebe, bzw. -abneigung). Alternativ kann man Frauenrollen so schreiben, wie sie zu 99% aller Fälle gelebt wurden - Frauen als Hüterin von Heim und Hof, die mit etwas Geschick durchaus viel Einfluss (über ihren Mann) haben konnten, aber eben im Hintergrund und nicht in vorderster Reihe der historischen Ereignisse.
Es gibt natürlich Epochen, bei denen es einfacher ist, selbstbewusste und freiheitlich agierende Frauen auch historisch fundiert zu erschaffen - wie eben um 1800. Für mich ist es trotzdem attraktiver, einer weiblichen Protagonistin immer mindestens einen männlichen Gegenpart zur Seite zu stellen. Das erweitert die Sichtweise meiner Erzählung enorm. Beim Bernsteinbund stehen Christine mit Henric und Daniel zwei ebenbürtige Hauptfiguren zur Seite, bei der "Toten im Nebel" Sophie ihre Cousin Julius (und mit Abstrichen auch Wilhelm Grimm). Ich glaube daher nicht, dass es von mir jemals einen Roman geben wird, der ausschließlich aus weiblicher Perspektive erzählt wird. Wobei ich einen Entwurf in der Schublade liegen habe, der doch in die Richtung geht. Hm, man sollte wohl nie nie sagen ...
Heike