Herrin der Lüge
Wann der Lügengeist in sie gefahren ist, weiß Saga nicht mehr genau. Vielleicht wohnt er schon seit ihrer Geburt in ihr, vielleicht aber auch erst seit jenem Tag, an dem sie zum ersten Mal mit seiner Hilfe gelogen hat. Eigentlich gibt es ohnehin nur eine Regel, die der Lügengeist ihr immer wieder einflüstert: Wichtig ist zu erkennen, dass die Leute belogen werden wollen. Diese Eigenschaft der Masse hat sich die Gauklerin, die mit ihrem harschen Vater und dem geliebten Zwillingsbruder Faun von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zieht, bei ihren Auftritten zueigen gemacht: "Der eitle Händler, der immer schon vermutet hatte, dass der Himmel selbst ihn beschützte. Eine Frau, die nicht wahrhaben wollte, dass ihr Mann sie betrog. Ein Trunkenbold, der damit prahlte, mehr saufen zu können als jeder andere. Sie alle waren so leicht zu durchschauen gewesen."
Jetzt sitzt Saga im Kerker und weiß nicht warum. Vielleicht hat es mit Faun zu tun, der wieder einmal gestohlen hat? Aber warum kommt dann die alte Nonne zu ihr und behauptet, man wolle sie "zur Magdalena machen"? Bald erfährt die Herrin der Lüge die Wahrheit. Als Predigerin soll sie im Auftrag der skrupellosen Gräfin Violante, deren Mann bei einem Kreuzzug verschollen ist, als neue Heilige einen Zug von Frauen um sich versammeln und mit dem Tross nach Jerusalem ziehen. Währenddessen versucht Faun, die "beste Lügnerin der Welt" aus den Klauen der Gräfin zu befreien. Dabei wird eine ungeheuerliche Lüge offenbar, die die ganze Christenheit erschüttern könnte…