ZitatOriginal von harimau
Ich habe im Rahmen meiner Recherche für ein Romanprojekt viele sehr persönliche Gespräche mit betroffenen Frauen zu diesem Thema geführt. Natürlich ist die Psychologie dahinter individuell und sehr viel komplexer, aber im Großen und Ganzen deckt sich deine Aussage mit meinen Erkenntnissen.
Oh, da hast du ja richtige Forschungsarbeit geleistet. Mir ging es auch im Kopf herum, ob ich als Vorbereitung auf das Buch nicht mit Betroffenen reden sollte, aber ich sah keine Gelegenheit dazu und irgendwie wäre es mir auch peinlich gewesen, Frauen deshalb auszufragen. Ebensowenig könnte ich zu einem Vergewaltigungsopfer sagen: komm, jetzt erzähl mir mal, wie's war, denn ich will ein Buch drüber schreiben. Ich käme mir vor, als würde ich das Leid dieser Frau für meine Zwecke ausnützen wollen. Aber man kann es ja auch anders sehen: indem man über diese Dinge schreibt, macht man auf das Leid der Opfer ausmerksam, was vielleicht sogar in ihrem Sinne ist.
Ich habe Artikel und Bücher über das Thema gelesen, wo Betroffene zu Wort kamen. Außerdem versuchte ich mich selbst in so eine Lage zu versetzen und kam zu einem ähnlichen Ergebnis wie Bouquineur. Die Frauen legen sich eine dicke Haut zu, um nicht durchzudrehen.
Es soll aber durchaus auch Frauen geben, die da ganz freiwillig einsteigen, weil sie so besser verdienen. Mir fällt hierzu das Drama von George Bernard Shaw ein: Frau Warrens Beruf. Das ist eine Satire auf viktorianische Doppelmoral: ein sehr modernes, intellektuelles Mädchen muss erfahren, dass seine ganze Ausbildung dadurch bezahlt wurde, dass seine Mutter sich prostituierte. Sie fragt die Mutter entsetzt: "Das hat dir doch nicht etwa Spaß gemacht?" Die Mutter erwidert ganz gelassen: "Aber Kindchen, wem macht seine Arbeit schon wirklich Spaß?"
Ich denke, diese zynisch-pragmatische Haltung gibt es durchaus auch.