Hi Tom,
ein gut geschriebener Konflikt bezieht sein Zündpotential nicht aus der äußeren Inszenierung der Ereignisse, sondern daraus, was diese Ereignisse mit den Protagonisten anstellen.
Um bei Deinem Vater-Sohn-Beispiel zu bleiben:
Die Frage sollte nicht lauten: Wie kann ich den Konflikt mit 'Verzierungen' aufpeppen, oder sollte ich ihn überhaupt verzieren?
Sondern: Wie schreibe ich diese Figuren so lebensecht, dass die Auseinandersetzung - egal, wie sie nun inszeniert ist - den Leser gemeinsam mit den beteiligten Protagonisten mitten ins Herz trifft? Und zwar gleichgültig, wie sie im Detail ausgetragen wird?
Eine gute Auseinandersetzung würde die Streitenden zielsicher den wunden Punkt des jeweils anderen finden lassen - und dann genügt eine einzige Bemerkung, sowie die verletzte Reaktion des anderen, um das Kapitel mit dichter Spannung und dem Gefühl drohenden Verhängnisses enden zu lassen.
Umgekehrt bringt eine spektakulär inszenierte Austragung überhaupt nichts (außer vielleicht unfreiwillige Lacher), wenn ihr das Herz fehlt, oder wenn sie aufgesetzt wirkt - d.h. den Charakteren nicht angemessen. Weil sie z.B. eher der ruhige, grüblerische Typ sind. Oder weil eine wilde Schlägerei zwischen einem zum Bauchansatz neigenden Postangestellten und dem zu klein und dünn geratenen Teenager von Sohn höchst unglaubwürdig wäre, vor allem, wenn sie beginnen, sich gegenseitig durch die Fenster zu werfen.
Außer, es handelt sich um eine Parodie.
Aber die will gut gemacht sein.
Es kommt IMMER zuerst auf die Ausgestaltung der Personen an - ein guter Konflikt ist so maßgeschneidert auf die Protagonisten, dass er sie zielsicher bei ihrem größten Schwachpunkt erwischt. Am besten noch einen, über den sie sich nicht bewusst sind.
Und noch ein Wort zur generellen Ausgestaltung von Szenen mit 'pompösen' Elementen:
Das ist immer eine Gratwanderung. Ein Roman, der sich strikt reale Ereignisse nacherzählt, ohne jeden Kniff, ohne zusätzlichen dramaturgischen Schliff, wird u.U. trocken wie graues Brot. Die Realität hält sich selten an dramatische Vorgaben.
Das Vollstopfen mit Spezialeffekten hilft aber nicht, denn die Kunst ist es, den Plot, die Charaktere, die Konflikte so zu formen, dass sie Spannung in der richtigen Dosis erzeugen. Das hat wirklich überhaupt nichts damit zu tun, ob bei es der Auseinandersetzung von Vater und Sohn beim Anbrüllen bleibt, oder der Sohn dem Vater mit dem zerschlagenen Sektkelch die Kehle aufschlitzt. Im Zweifel ist weniger mehr, denn wer solche Elemente nicht irrsinnig gut zu handhaben weiß, macht sich schnell lächerlich.
Die Erwartungen z.B. an einen Thriller entsprechen heutzutage nicht mehr ganz denen vor - sagen wir mal, fünfzig Jahren. Also Ian Flemmings James Bond Romane würden heute wohl wegen mieser Recherche und Oberflächlichkeit zerfetzt werden und es u.U. nicht über den Lektorentisch schaffen. Oder höchstens noch ins Heftchenroman-Ressort.
Wer heute über Explosionen, Schießereien und wilde Bootsverfolgungsjagden durch die Everglades schreibt, hat besser eine seeehr genaue Vorstellung davon, wie sich eine Waffe abfeuert, ab welcher Entfernung eine Sprengung welchen Schadn anrichtet und wie man genau ein Boot steuert bzw. ab welcher Geschwindigkeit man es nicht mehr steuern kann... und das gilt genauso für exotische Schauplätze. Entweder man probiert das alles selbst aus, oder hat zumindest jemanden, der es einem ganz genau sagen kann.
Im Zweifel ist weniger dann mehr.
//edit - noch als Ergänzung:
Natürlich setzen Genre und Persönlichkeitsstruktur der Protagonisten auch die Vorgabe für die Effektlastigkeit von Szenen.
Der lautstark keifend ausgetragene Streit zwischen zwei Nachbarinnen über den Gartenzaun hinweg, bei dem die Wut der einen darin gipfelt, dass sie einen Apfel aufhebt und nach Nachbars Katze schmeißt, wäre vielleicht unangemessen, wenn es stattdessen um die Auseinandersetzung zwischen Erzengel Gabriel und dem ersten Fürsten der Hölle ginge. Wenn die sich über einen Zaun hinweg mit Äpfeln beschmeißen, käme das ungefähr genauso lächerlich, wie wenn Frau Hilde und Frau Schmidt mit Flammenwerfern aufeinander losgehen und Zauberblitze schießen.
Das entscheidende Wort lautet ---Verhältnismäßigkeit---
so long -
Andrea