Hallo Carl,
das ist ein ziemlich pauschales Urteil, das Du da fällst. Pauschalisieren liegt ganz dicht neben Polemisieren und Polemik ist nicht unbedingt ein Zeichen ausgewogener Bildung (auch wenn selbige nicht davor bewahrt).
Wieviel von dem kindlichen Mist hast Du gelesen (also nicht nur den Klappentext, das Buch meine ich), um eine solche Aussage treffen zu können?
Oder urteilst Du nur vom Cover-Design? Da könnte man jetzt eine wunderbare Diskussion vom Zaun brechen, bei der es um Oberflächlichkeit geht, um Rückschlüsse auf Inneres nach der äußeren Form ... aber darum gehts ja gar nicht.
Es geht um Deine Frage, ob es keine Erwachsenenfantasy mehr gibt. Und warum auf den Büchertischen all die bunten Buchcover liegen, die den Eindruck erwecken, jemand habe vierzig Pfund Schund zwischen zwei Buchdeckel gepresst und solange mit Farbe und Glitzer übergossen, bis keiner den Schund mehr bemerkt.
Selbst ein Verfasser erfolgreicher Schundromane, halte ich jetzt mal den emotionalen Part zurück und versuche mich in einer sachlichen Antwort (vorausgesetzt, Du willst wirklich eine):
1. ScienceFiction & Fantasy für Erwachsene
Die gibt es, sehr gute sogar. In rauen Mengen. Wer suchet, der findet. Wobei die von Dir erstgenannten genau genommen unter ScienceFiction fallen bzw. Drogenselbsterfahrungsberichterstatter, aber das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.
Aus der ScienceFiction Ecke darf ich Dir zu dem Thema Richard Morgan ans Herz legen, der schreibt nicht nur tiefgründig, sondern auch noch mitreißend und spannend. Allerdings würde ich die englischen Originale empfehlen, die deutsche Übersetzung ist grauslig. William Gibson wirst Du wohl ohnehin kennen ... Fantasy, da gibt es viele, viele gute, bei denen Du Dich von den Elfen und Orks auf den Covern wirklich nicht abschrecken lassen solltest. Probier Andrzej Sapkowski (der ist sogar subtil politisch, auch wenn es Elfen und Zwerge in seinem Hexer-Zyklus gibt), Steven Brust, George R. Martin, Tad Williams, Steven Erickson... für den Anfang.
2. Wer den Mist kauft
Tja, zahlreiche Leser, würde ich sagen ... anders läßt sich wohl nicht erklären, warum soviele dieser Bücher in den Regalen stehen.
Und die Paranormal Fantasy / Urban Fantasy hast Du noch nicht mal gefunden, wie ich Deinem Beitrag entnehmen kann
... sonst hätte Dich sicher der Schlag getroffen.
Das sind dann die, bei denen auf den Covern keine Elfen&Zwerge, sondern lasziv aussehende Männer oder Frauen mit oder ohne Reißzähnen zu sehen sind ... die verkaufen sich im Vergleich zur HighFantasy gleich noch mal zehnfach so gut.
Jetzt mal Sarkasmus aus und Sachlichkeit wieder an:
Wie in jedem Genre und zu allem Zeiten wirst Du auch hier gute oder schlecht erzählte Geschichten finden. Ein Pauschalurteil wie von Dir gefällt spiegelt in keinster Weise die Buchmarktrealität wieder. Es gibt natürlich haufenweise schnell produzierte Massenware, nach Schema F gestrickt. Und es gibt kluge, gut erzählte, berührende und hochspannende Bücher, die aus dieser Masse hervorstechen. Man muss sich nur die Mühe machen, danach zu suchen, diese Autoren zu entdecken, auch mal Mißgriffe in Kauf nehmen und nicht daraufhin das ganze Genre abschreiben. Und man findet die Perlen nicht, indem man nach Bestsellerliste kauft, nicht mal, indem man den Empfehlungen irgendwelcher Kulturredaktionen folgt, die nicht einen Bruchteil des Marktes kennen, sondern ihrerseits wieder nur auf die Marketingkampagnen der Verlage reinfallen. Ja ja, auch die FAZ ist nicht mehr, was sie mal war.
Und hintergründige, ja sogar politisch aufgeladene Geschichten haben durchaus eine Chance, so sie denn gut erzählt werden. Denn etwas, auf dem 'Unterhaltung' draufsteht, muss auch unterhalten, sonst fühlt der Leser sich betrogen. Wenn ihm auf unterhaltsame Weise auch noch ein tieferer Sinn vermittelt wird, umso besser. Das eine schließt das andere nämlich nicht aus.
Last but not least - die Zeit geht weiter. Lesegewohnheiten verändern sich. Ein Stil wie Dickens war zu Dickens' Zeit populär, doch heute wird er von vielen Lesern als schwergängig empfunden, nicht besonders bildhaft.
Und dass 'schwer zu lesen' nicht automatisch bedeutet 'anspruchsvoll' im Sinne von 'daraus gewinne ich tiefe Einsichten', hat sich mittlerweile wohl auch rumgesprochen. Ein guter Erzähler erzählt im Stil seiner Zeit und hat trotzdem oder vielleicht gerade deshalb etwas zu sagen.
In diesem Sinne -
good luck beim Weitersuchen.
Schöne Grüße,
Andrea
//edit: Ach so - wo die Orks und Elfen herkommen? Aus Mittelerde natürlich. Tolkien hat sie erfunden. Und dem Großenroman(tik)schreiberei vorzuwerfen, wäre nun wirklich vermessen. Selbst wenn man (wie ich) kein Fan von ihm ist.