Ich habs jetzt auch gelesen (obwohl ich um so Super-Hypes normalerweise einen weiten Bogen mache) - und muss zugeben, dass es wirklich ein sehr spannendes und fesselnd geschriebenes Buch ist, wenn man sich mal durch die ersten hundert Seiten durchgebissen hat.
Im Zukunfts-Szenario der Hunger Games besteht die bekannte Welt aus 12 streng kontrollierten Distrikten, in denen die meisten Menschen in bitterer Armut leben, und aus dem Kapitol, einer Stadt, die die Regierung beherrbergt und eine Hightech-Zone ist.
Das Leben in den streng abgesperrten Distrikten erinnert an eine Mischung aus hungernot-geplagtem Mittelalter und industrieller Revolution (man jagt mit Pfeil und Bogen, baut in mordsgefährlichen Minen Kohle ab und verarbeitet Kräuter zu Breiumschlägen - aber es gibt ab und zu auch Strom und dann Fernsehen. Und die Überlebensrationen bestehen aus Öl und Getreide).
Das Kapitol dagegen entspricht einer Zukunftsphantasie des modernen NewYork im 22.Jahrhundert - Entertainment ist alles, Hightech dominiert das verfeinerte Leben, der Schönheitswahn schlägt merkwürdige Blüten und das Herstellen von Mutationen funktioniert on demand im Handumdrehen.
Einmal im Jahr finden die Hungerspiele statt, ein Freiluft-Arena-Kampf zwischen insgesamt 24 Kindern aus allen Distrikten, bis nur einer überlebt: Ein Medienspektakel ohnegleichen, das das ganze Land an die Bildschirme fesselt.
Als die kleine Schwester der sechzehnjährigen Katniss für die Hunger Games ausgewählt wird, meldet Katniss sich an ihrer Stelle freiwillig. Sie ist ein Überlebenskünstler, die heimlich Wild fürs Überleben ihrer Familie jagt und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen ist. Gemeinsam mit ihr wird der Bäckersjunge Peeta ausgewählt, der heimlich in sie verschossen ist.
Nachdem sie - nach exzessiven Vorbereitungen, Interviews und Trainingscamps - in die Arena entlassen werden, geht es fortan nicht nur um den Überlebenskampf, sondern auch um die existentielle Frage für Katniss, ob sie fähig wäre, Peete zu töten, wenn sie das müsste. Oder ob sie sich wünschen sollte, einer der anderen tötet ihn. Oder ob es noch einen dritten Weg gibt ... und über allem schwebt natürlich das Credo: The Show must go on. Um an die begehrten, überlebenswichtigen Sponsorengeschenke zu kommen, muss sie den Zuschauern eine Spitzenshow bieten. Liebe, Leidenschaft, Tod und brutale Gewalt - alles im Namen der Unterhaltung.
Ich war durchaus skeptisch bei diesem Buch, weil ein solcher Hype, wie darum gemacht wird, gern die Möglichkeit der Enttäuschung bietet.
Und zugegeben, die ersten hundert Seiten sind zäh. Nach den ersten Kapiteln, in denen in epischer Breite auseinandergesetzt wird, wie sehr sich Katniss um ihre kleine Schwester sorgt, wie schrecklich sie andauernd Hunger leidet, wie die kleine Schwester sich um die Ziege kümmert, wie man Salat aus Waldkräutern macht... war ich nahe daran, nicht weiterzulesen.
Erscheint einem doch die hier dargestellte gesellschaftliche Situation nur sehr bedingt plausibel, bis hin zur Hungerleiderei, die bei der Menge an Jagdausbeute, die Katniss ständig nach Hause bringt, nicht wirklich glaubwürdig erscheint, um die sich aber alles ununterbrochen dreht.
Beist man sich durch diese anfängliche Langatmigkeit hindurch (und ich bin sehr froh, dass ich es getan habe), wird man aber mit einem packenden, actionreichen und aufregenden Szenario belohnt, das durchaus auch Momente tieferer Einsicht enthält und ein paar gesellschaftskritische Elemente, die es von den Massen an dahinplätschernder Durchschnittskost abhebt.
Der Großteil des Buches spielt denn auch in der Arena - und ab da wird man unweigerlich in den Sog der Ereignisse gezogen. Fiebert mit Katniss und ihren Entscheidungen - zumal sie als Charakter ab hier auch deutlich an Reife gewinnt und alberne Attitüden, die zu Beginn durchschimmern, beiseite läßt. Das Ende fällt durchaus atemberaubend aus. Und nicht kitschig-zuckersüß, sondern dem mitunter bitteren Ton der Erzählung angemessen.
Mir hat das Buch nach anfänglichen Startschwierigkeiten sehr gut gefallen und einen Eindruck hinterlassen, der sicher eine Weile nachhalten wird.
Auf jeden Fall empfehlenswert - auch für erwachsene Leser.
- Elena