Beiträge von Titus Müller

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    Original von Mulle
    Welche Straßen die Bahn entlangfährt, fand ich z.B. vollkommen uninteressant (wobei mir klar ist, dass die Berliner das vielleicht spannend finden).


    Da ist wohl die Begeisterung mit mir durchgegangen ... Ich habe mir bei den Recherchen einen Baedeker-Reiseführer über Berlin gekauft -- von 1910! Bin so fasziniert davon, er enthält einfach alles: Die Fahrpläne der Straßenbahnen, Cafés, Flussbäder, Postämter, Polizeistellen ... Allein die Preise für Pferdedroschken sind ein Genuss! Für 1-2 Personen kosteten 800 Meter Fahrt mit der Pferdedroschke 70 Pfennig, jede weiteren angefangenen 400 Meter kosteten 10 Pfennig. Nachts waren die Preise verdoppelt. Wartezeit kostete 1/2 Mark bis 8 Minuten, danach 10 Pfennig je 4 Minuten. Hach! Und die Automobildroschken, und die Paketfahrgesellschaft, und die Rohrpost, die Gesandschaften ...


    Ich liebe es, so in die Zeit damals einzutauchen.


    Aber du hast natürlich recht, Mulle, es muss gut dosiert werden, so, dass man mir den Überschwang nicht anmerkt, sondern leise und kaum merklich angesteckt wird.


    Übrigens gab es den Wassereinbruch in den U-Bahn-Tunnel auch wirklich, genau zu dieser Zeit. Und so viele Produkte, die wir heute noch kennen! Mein Lektor hat mir einige davon rausgestrichen. Auch er fand, es war zuviel.


    Ach Mönsch. Hätte ich doch Historiker werden sollen? Nee, noch besser, Zeitreisender! :grin


    Liebe Grüße in die Runde,


    Titus

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    Original von sapperlot
    Die vielen historischen / wirtschaftlichen Fakten rund um den Weltkrieg vermögen das dramatische Schicksal Cäcilies etwas abzufedern. Ich meine der historisch interessante Teil spricht das Gehirn an und der andere Teil spricht das Bauchgefühl an und der Mix mildert etwas das gefühlte Leid. Zumindest bei mir war das so.


    So habe ich das noch nie gesehen, aber es leuchtet mir völlig ein. Wieder etwas gutes dazugelernt! Danke! :wave

    Sapperlot, du kannst dich gut in einen Autor hineinversetzen. :-) Genau so habe ich's gemacht, ich habe gedanklich alle Varianten durchgespielt. Dass beim Untergang eine wichtige Figur sterben muss, war mir klar, aber wer? Lange Zeit wollte ich Cäcilie sterben lassen, dann wieder Matheus. Dass es am Ende Samuel getroffen hat, war für mich selber schmerzhaft. Ich habe es erst entschieden, als ich schon mittendrin beim Schreiben war.


    Bei der Frage, ob es zu viel oder zu wenig Drama ist, habe ich mich allerdings ganz vom Bauchgefühl leiten lassen, ehrlich gesagt. Ich habe darüber nicht viel nachgedacht. Gut, dass es für euch das richtige Maß geworden ist, dein Lob, nofret78, macht mich glücklich. :-) Nun muss ich nur noch herausfinden, warum du mit Nele nicht warm werden konntest. Ist sie dir als Identifikationsfigur zu "böse" durch den egoistischen Diebstahl? Oder war es dir unlogisch, dass sie so handelt? Das gibt's ja auch, dass man eine Figur dann nicht mehr ernst nehmen kann.


    Herzlich,


    Titus

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    Original von sapperlot


    Und wieder kann ich Nofret zustimmen. :write


    Ich mag den Stil von Titus Müller gut leiden, das Setting ist natürlich toll aber mit den Figuren hatte ich doch auch ein kleinwenig Mühe. Matheus und Cäcilie sind für mich die gelungensten weil die tiefgründigsten Charaktere. Die anderen Figuren kann man zu diesem Zeitpunkt in eine Schublade stecken. Nicht das es jetzt schlimm wäre, aber ich finde das Potential das sie bieten wurde nicht vollständig ausgeschöpft. :rolleyes


    Da muss ich als Autor gut hinhören, Sapperlot, Nofret78. Schließlich arbeite ich am nächsten Roman, und wenn ich aus "Tanz unter Sternen" etwas lernen kann, das mir (und euch :grin) beim neuen Buch nützt, will ich das unbedingt.


    Manchmal hat man ein unbestimmtes Gefühl und kann es schwer ergründen. Aber ist diese Empfindung über das nicht ausgeschöpfte Potential der Figuren für euch genauer fassbar? Was hättet ihr euch gewünscht? Mehr inneren Konflikt, mehr Güte, mehr liebevolle Details, eine stärkere Hintergrundgeschichte? Jeder Hinweis hilft mir weiter! :-)


    Ganz lieben Dank, auch an alle anderen für die tolle Beteiligung an der Leserunde, für mich ist es sehr spannend und lehrreich, hier mitzulesen!


    Herzlich,


    Titus

    Ihr Lieben,


    ich freue mich sehr, dass euch das Cover und die Sprache gut gefallen. Wenn es bei den Figuren noch etwas knistert, ist das in Ordnung -- ich mag solche Figuren, die man nicht sofort zu packen kriegt. Klappt es dann irgendwann doch mit der Gewöhnung aneinander, liegen sie mir meist besonders am Herzen.


    "Shawl" ist die alte Schreibweise, Rosenstolz. Vielleicht hätte ich es aber doch beim Schal lassen sollen ... Das "Telephon" war mir wichtig, um unterschwellig deutlich zu machen, dass es sich nicht um ein Ding mit Tasten handelt wie heute. Aber der Schal hat sich kaum verändert, da ist es eine Spielerei, ihn altertümlich zu schreiben.


    Zur Biene Maja: Ich war im Münchner Literaturhaus in einem Vortrag, in dessen Anschluss sich die Wissenschaftler darüber gestritten haben, ob "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" kriegsverherrlichend sei, und am Ende der Diskussion musste ich den Vertretern dieser Position recht geben. Passt natürlich in die Zeit damals, kurz vor dem Ersten Weltkrieg.


    Viel Vergnügen euch allen beim Weiterlesen!


    Herzlich,


    Titus

    Am kommenden Montag (19.07.) gibt es bei LovelyBooks eine Livestream-Lesung aus der "Jesuitin". Nachdem ich ca. 30 Minuten geplaudert und gelesen habe, könnt ihr Fragen stellen via Facebook oder Twitter, die ich in die Kamera beantworte.


    Wenn ihr vorbeigucken wollt, seid lieb zu mir! ;)
    (Münchner können auch vor Ort mitmachen, bei LovelyBooks im Gartenhaus, Schleißheimer Str. 26, 80333 München. Formlose Anmeldung erbeten an: Christian.horvath@aboutbooks.de).


    Es geht 19:00 Uhr los, und zwar hier:
    http://www.lovelybooks.de/lesung/titus-mueller/


    Später wird die Lesung weiter dort abrufbar sein.


    Herzlich,


    Titus

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    Original von maikaefer
    hast du unter deinen selbstgeschriebenen büchern eigentlich ein "lieblingskind"? (welches, warum?)


    Lange Zeit war es die "Brillenmacherin", aber ich glaube, inzwischen ist die "Jesuitin von Lissabon" mein Lieblingskind. Bei der "Brillenmacherin" lag es an der ruhigen Art des Erzählens, die hat mir viel Spaß gemacht, und ich war im Nachhinein glücklich über kleine Details und Beobachtungen. "Die Jesuitin von Lissabon" mag ich, weil sie nach dem etwas verwinkelten "Mysterium" so schön rund geworden ist, und sich Thema und Figuren so gut zusammengefügt haben.


    Zitat

    Original von maikaefer
    hast du je erwogen, einen mehrteiler zu schreiben oder eine fortsetzung anzuhängen? (wenn nein, warum nicht?)


    Ich wollte immer eine Fortsetzung zur "Brillenmacherin" schreiben, und hatte sie auch schon inhaltlich vorbereitet. Der Verlag wollte erst mal sehen, wie sich die "Brillenmacherin" verkauft, und so habe ich ein neues Projekt angefangen, und wieder ein neues, und wieder, und inzwischen ist, fürchte ich, der Abstand so groß geworden, dass aus der Fortsetzung nichts mehr wird, weil sich einfach niemand mehr an das Buch erinnert. Finde ich aber nicht so schlimm, mir macht es großen Spaß, immer neue Länder und Ereignisse zu entdecken.


    Zitat

    Original von maikaefer
    danke, dass du dir trotz der anstehenden lesungen zeit für die begleitung dieser leserunde genommen hast/nimmst.


    Sehr gerne! Diese Leserunde ist ein großes Vergnügen für mich. Ich lerne dazu (vor allem, was das Romanende angeht), und höre von euch, was euch gepackt hat und wo für euch Höhepunkte lagen, eine bessere "Autorenschule" kann man sich nicht wünschen! :-) Also vielen Dank auch an euch, dass ihr euch die Zeit nehmt, eure Leseeindrücke aufzuschreiben. :knuddel1

    Zum neuen Roman will ich noch nichts sagen. Bei Facebook rutscht mir manchmal etwas heraus, aber das darf eigentlich nicht sein, ich schweige! Liegt am Wagnis. Ich bin ganz schön mutig diesmal ... :flieger


    Die Zitate zum Gehorsam bei den Jesuiten sind echt. Erschreckend, oder? Aber hier hatte ich zum Beispiel ein schlechtes Gewissen, was die Fairness gegenüber dem Orden angeht -- mit Zitaten kann man ganz schön Schindluder treiben, man trifft ja eine Auswahl, und der Zitierte hat nicht die Gelegenheit, sich zu verteidigen ...


    Andererseits, das Gehorsamsthema ist ein typischer Vorwurf der Gegner des Ordens, ich hab es ich nicht erfunden.


    Von einem vierten im Team geschriebenen Roman weiß ich nichts. Hatte mich allerdings auch schon nach der zweiten Runde verabschiedet. Es war ein witziges Experiment, für mich haben zwei Runden gereicht, jetzt ist es Zeit für andere Experimente. :grin

    Hallo Ex libris,


    die Argumente, mit denen versucht wurde, den Premierminister zu stürzen, sind authentisch. Den gefälschten Staatsvertrag habe ich erfunden. Ich weiß nicht, wie sie's damals gemacht haben -- ich weiß nur, was sie Sebastian de Carvalho vorgeworfen haben.


    Herzliche Grüße,


    Titus

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    Original von maikaefer
    nach den abrantes nun noch ein bekannter name: braganza/braganca. eine familie dieses namens war meiner meinung nach mit den habsburgern irgendwie verschwippschwägert.


    Hallo Maikäfer,


    von den Adligen habe ich niemanden erfunden, die gab's alle wirklich.


    Dom Pedro de Bragança (1718-1761)
    Herzog von Lafões, Oberster Richter, verantwortlich für die zivile Regierung des Königreichs


    Dom Diogo de Noronha (1688-1761)
    Der dritte Marquês de Marialva, Großmeister der Pferde, verantwortlich für die militärische Regierung


    Fernão Telles da Silva
    Präsident des Senats und der Oberste königliche Jäger, verantwortlich für die ökonomische Verwaltung


    Marquês de Abrantes
    Oberkommandierender


    Der Herzog von Aveiro und die Marquesa de Tavora werden ja im Roman noch wichtig (so wie sie es auch im echten Leben waren), ich glaube, ich habe im Zusatzmaterial einiges zu ihnen geschrieben.


    Finde ich aber klasse, wenn sich jemand so bis ins Detail interessiert! :-)


    Herzlich,


    Titus

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    Original von Herr Palomar
    Es passiert so viel in diesem Abschnitt, dass man schon ziemlich aufpassen muss. Diesen Abschnitt hätte ich daher gerne um ein paar Seiten gestreckt gelesen.


    Dankeschön! Das ist lehrreich für mich zu erfahren. Hab manchmal gehört, dass ich zu knapp, zu sparsam schreibe, aber jetzt weiß ich auch, wie ich gegensteuern kann: Ich gucke beim nächsten Roman, in welchen Kapiteln am meisten passiert, und die baue ich dann aus.


    Der Plan ist gefasst ... :-)

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    Original von sapperlot
    Der Schluss hat sich leider nicht als das von mir erwartete "Grande Finale Furioso" herausgestellt. Ich hab mich hingesetzt und wollte das Ende genüsslich lesen und dann wars nach zwanzig Seiten schon zuende.


    Das ist ein wichtiger Hinweis für mich -- ein Ende, das nicht zufriedenstellt, ist doch der Killer bei einem Buch! Was hättest du dir gewünscht? Dasselbe, nur ausführlicher erzählt? Oder eine andere Auflösung (nicht einfach die Szene im Kerker)? Mehr Action, mehr Finesse?


    Danke vielmals für die Hilfe, so etwas ist für uns Autoren Gold wert!

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    Original von Bouquineur
    Es gibt noch einen Aspekt, der mir an Deiner Schilderung der Dinge sehr gut gefällt Titus. Du gehört glaub ich selber einer protestantischen Kirche an, richtig? Ich habe beim Lesen bislang nie das Gefühl gehabt, dass Du beim Schreiben eine Wertung vorgenommen hast über das Verhalten der Jesuiten. Du schilderst sowohl die positiven Dinge, die die sie erreicht haben als auch die negativen, für die sie verantwortlich waren. Ich fühle mich gut informiert und das ganz ohne dass es belehrend wirkt :-)


    Es bedeutet mir viel, dass du das sagst. Ich hatte bei diesem Roman oft die Sorge, dass ich die Jesuiten zu machtgierig oder zu düster schildere -- dabei habe ich von vielen Leuten gehört, dass ihnen die Exerzitien gut getan haben.


    Vorgestern, bei der Lesung in Bad Düben, fragte eine Frau, ob sie den Roman ihrem Onkel schenken könne, der als Jesuit in Afrika arbeitet, oder ob das Buch ihn ärgern würde? Ich wusste es nicht zu beantworten.


    Die Versuchung war groß für mich, beim Schreiben schwarz und weiß, böse und gut hart voneinander zu trennen, und ich bin bisher auch noch nicht sicher, ob mir das nicht doch passiert ist. Es ist leichter, über eine böse dunkle Macht zu schreiben, als über einen Orden, der eigentlich Gutes will, und dabei (zumindest nach dem Erdbeben in Portugal) große Fehler macht.


    Würde mich freuen, wenn du, wenn ihr mir da auch zum Ende des Romans hin Feedback geben würdet. Ich glaube, es war diesmal eine Gratwanderung.


    Dass ich einer protestantischen Freikirche angehöre, stimmt. Deshalb waren viele erstaunt über den sympathischen Inquisitor in "Das Mysterium". :lache Aber es stimmt schon, meistens sind bei mir die Ketzer die Sympathieträger in den Romanen.